Meine Herren! Das Parlament steht ohne Zweifel und unverkennbar
unter dem Eindruck der kommenden Wahlen. Das hört und spürt
man aus allen Reden, die in den letzten Tagen hier gehalten wurden,
von deutscher wie von èechischer Seite. Wir können
feststellen, daß auch die deutschen Regierungsparteien
etwas schüchtern, aber immerhin den Mut finden, an gewissen
Vorgängen Kritik zu üben, sie schlagen etwas mannhaftere
Töne an und zeigen damit offen, daß sie mit den Erfolgen
ihrer bisherigen Politik in der Regierungskoalition in gar keiner
Weise einverstanden sind. Wir mußten es erleben, daß
auf dem Parteitag der deutschen christlichsozialen Partei eine
ziemlich abfällige Kritik geübt wurde, wir mußten
es erleben, daß im Budgetausschuß zu den einzelnen
Kapiteln sehr scharfe Töne angeschlagen wurden und daß
besonders der Abg. Hodina beim Schulkapitel zu der Feststellung
gezwungen war, daß es noch Jahrhunderte dauern würde,
um endlich, wenn das jetzige System beibehalten wird, irgend einen
merklichen Fort schritt feststellen zu können. (Posl.
Horpynka: Aber der Herr Mayr-Harting hat in Iglau gesagt: "Wir
sind und bleiben in der Regierung!") Herr Abg. Feierfeil
hat gestern hier auch die Außenpolitik ziemlich kritisiert,
und wir werden es erleben, daß auch beim Schulkapitel und
morgen bei den übrigen Ressorts die gleichen Töne angeschlagen
werden. Und trotzdem hat Minister Mayr-Harting in Iglau
ausdrücklich fest gestellt, wie Koll. Horpynka eben
bemerkte, wir sind und bleiben in der Regierung, und hat damit
gesagt, was wir schon früher immer behaupteten, daß
kein Ereignis an die deutschen Regierungsparteien herantreten.
könne, um sie von dem einmal eingenommenen Regierungssitz
hinwegzubringen und zu einer mannhaften Stellung zu zwingen. Diese
Eingeständnisse der deutschen Ohnmacht sind außerordentlich
wertvoll für uns - und das ist für uns wieder der Auftakt
zu den Wahlen - weil sie das bestätigen, was wir früher
und bei jeder Gelegenheit betont haben, daß nämlich
der Zeitpunkt für den Eintritt deutscher Parteien für
die Regierung nicht reif war, daß dieses Ereignis vorbereitet
werden mußte nach gründlicher Aussprache und Auseinandersetzung
mit dem nationalen Gegner. Es mußte Klarheit, Ehrlichkeit,
Aufrichtigkeit herrschen, um wirklich den Ausgleich von Volk zu
Volk zu schaffen. Diese Kritik bestätigt uns weiters, was
wir gleichzeitig behauptet haben, daß auf dem Wege der ständigen
Unterwürfigkeit und Nachgiebigkeit deutscherseits niemals
ein Erfolg zu erzielen sein wird.
Auch von èechischer Seite werden außerordentlich
radikale Töne, gleichfalls unter dem Eindruck der Wahlen,
angeschlagen und alle Parteien, ob sie nun in der Regierung sitzen
oder in Opposition stehen, machen im schärfsten und ärgsten
Chauvinismus. Daß es die sozialistischen Parteien tun, ist
begreiflich, denn sie wollen sich nach außen hin eine Plattform
für die Wahlen gegen die bürgerlichen Parteien schaffen
um ihnen nationale Schwäche vorwerfen zu können. Unbegreiflich
allerdings und schwer vereinbar mit dem Standpunkt der Koalition
finde ich es, wenn auch èechische Regierungsparteien
hier das gleiche tun, wie wir es gestern und vorgestern erleben
mußten. Man hat ja in Zeitungen und bei Versammlungen immer
unseren deutschen Wählern einreden wollen, daß die
èechischen Regierungsabgeordneten und
-Parteien von bestem Wohlwollen den Deutschen gegenüber erfüllt
sind, daß sie bestrebt sind, eine Ausgleichsbasis zu schaffen,
ja man hat sogar den Abg. Kramáø
immer als denjenigen bezeichnet, der in vertraulichen Besprechungen
das weitestgehende Entgegenkommen den Deutschen beweise. Und jetzt
müssen wir erleben, daß der Abg. Myslivec gestern
außerordentlich scharf gegen den deutschen Kurs oder gegen
das Entgegenkommen den Deutschen gegenüber gesprochen hat,
ja wir müssen es erleben, daß die èechischen
Agrarier ausgerechnet im jetzigen Zeitpunkt den Kampf für
die Nationalisierung des Kapitals und gegen die deutsche Industrie
auf ihre Fahnen geschrieben haben und mit dem ungeheuerlichen
Plan heraustreten, die deutsche Industrie zu enteignen - ein Sehnsuchtstraum,
allerdings schon von lange her. Der Boden wurde nationalisiert
und restlos der èechischen Volkswirtschaft zugeführt.
Nun kommen die Wälder daran, und es fehlt in diesem Kranze
richtigerweise nur mehr die Industrie. Was bedeutet das alles?
Es bedeutet, daß auch diese Parteien
in gar keiner Weise die Absicht haben, einen wirklichen Ausgleich
mit dem deutschen Volk herbeizuführen, daß sie für
diesen Gedanken auch heute noch in keiner Weise reif sind. Dann
allerdings dürfen wir uns nicht verwundern, wenn der Abg.
Špaèek, Rittergutsbesitzer
von Fulnek, gestern hier besonders heftige Töne angesehlagen
hat. Er war heuer längere Zeit, einen ganzen Tag lang, bei
den Manövern im Kuhländchen anwesend, hat das Schlachtfeld
vom Flugzeug aus inspiziert, hat sich überzeugt von
der Schlagfertigkeit der èechososlovaki schen Armee, und
das hat es wahrscheinlich mit sich gebracht, daß er den
Zeitpunkt zu einer Auseinandersetzug mit dem deutschen Gegner
schon für gegeben erachtet, denn er erklärt ausdrücklich:
"Wir werden nicht darum herumkommen -
um die Auseinandersetzung mit dem deutschen Gegner - es ist klar,
daß wir für diesen Zeit punkt gerüstet sein müssen".
Der Herr Abg. Špaèek ist
ein ausgesprochener Nutznießer der Revolution und ich finde
es begreiflich, daß er heute, schmerzlich bewegt, leider
feststellen muß, daß noch nicht alle Blütenträume
reiften, obwohl er selbst eigentlich zu den vollständig Saturierten
gehört. Er hat gemeinsam mit Herrn Chrastina ein Gut von
6 1/2
Mill. Kè bekommen. Von diesem Gut hat er bereits 300 ha
um 3 Mill. Kè verkauft, er hat weiters Wald geschlagen,
weit über die Vorschrift hinaus, für 3 Millionen Kè,
er hat heute noch ein Restgut von 1300 ha samt Schloß (Hört!
Hört!), das ihn also nur eine
halbe Million kostet. Sie sehen aus diesen Zahlen, daß er
mit der Revolution und der Enteignung des deutschen Gutes vollkommen
zufrieden sein kann. Aber er beschwert sich nunmehr über
das Bodenamt, das angeblich den Auftrag herausgegeben haben soll,
auch deutsche Ansprüche zu berücksichtigen, wenn
sie nach der Natur der Dinge gegeben sind. Er hat sich aber kein
Gewissen daraus gemacht, seinen entnationalisierten èechischen
Grund, den er auf diese Weise geschenkt bekommen hat, an Deutsche
zu verkaufen und das nur deshalb, weil sie besser zahlten,
weil er auf diesem Wege mehr herausgeschlagen hat, obwohl dies
eigentlich im Gegensatz zu seiner nationalen Gesinnung stehen
wird. (Výkøiky na levici.) Aus
diesem Beispiel heraus sehen Sie schon das ganze Pharisäertum,
das bei Herrn Špaèek festzustellen
ist, und so wollen Sie auch das Übrige betrachten, was er
gestern gesagt hat. Er hat besonders gegen die Tätigkeit
des deutschen Justizministers Mayr-Harting scharf gemacht.
Ich bin der Letzte, der Grund und Ursache hat, die Tätigkeit
des Herrn Mayr-Harting zu verteidigen oder auch nur in
bescheidenstem Maße mit ihr zufrieden zu sein. Im Gegenteil,
wir müssen leider feststellen, daß Herr Mayr-Harting
für diesen Posten durchaus unfähig ist und nicht
einen Funken von mannhaftem Gefühl aufbringt und daß
er die Krone des Märtyrers, die ihm hier der Herr Špaèek
aufgedrückt hat, keineswegs verdient.
Ich würde nur wünschen, daß er dem Ideal, das
er angeblich in meiner Person sieht, und dem er nacheifert, wenigstens
teilweise nachkommen würde. Denn der Herr Mayr-Harting
hat sich nicht durchzusetzen vermocht bei der Besetzung der
verschiedenen Kreisgerichtspräsidentenstellen. Wir müssen
leider feststellen, daß wir nicht einmal unsere berechtigten
Ansprüche hier durchsetzen konnten, wir werden abwarten,
wie die Stelle in Neutitschein jetzt besetzt werden wird. Er konnte
sich nicht durchsetzen in der Sprachenfrage, und der Fall Popelka,
der seine vollständige Ohnmacht beweist, ist noch in bester
Erinnerung. Er konnte sich nicht durchsetzen mit einer liberaleren
Auffassung in der Zensur, und es ist unrichtig, wenn Herr Špaèek
behauptet, daß Kundgebungen gegen
den Staat und dergleichen jetzt unzensuriert in den Zeitungen
durchgehen können. Im Gegenteil, die Zensur war nie, wie
im Budgetausschuß auf Grund von Zahlen festgestellt werden
konnte, so scharf wie gegenwärtig unter Herrn Mayr-Harting.
Ich will nur ein Beispiel aus der letzten Zeit
herausgreifen: In der "Deutschen Volkszeitung für das
Kuhländchen" vom 19. Oktober l. J. wurden folgende Stellen
aus dem Artikel "Vor dem Jubiläum. Ernste Betrachtungen
in heiteren Zeiten" beschlagnahmt (ète):
"Nehmen wir nun alles in allem, dann
müssen wir zu dem Schluß kommen, daß uns dieses
Jubiläum herzlich wenig angeht, im Gegenteil, daß es
nur ein Triumphieren darüber darstellt, daß das deutsche
Volk niedergerungen und so und so viele Millionen seiner Angehörigen
zum Sklavendienst für andere Völker und Staaten gepreßt
wurden. Wer also mitjubeln will darüber, daß vor 10
Jahren der Todesstreich gegen sein deutsches Volk geführt
wurde, wenn er auch fehlging, wer seiner Freude Ausdruck geben
will, daß seine Kriegsanleihe zu einem wertlosen Wisch wurde,
daß die Steuereintreiber und Exekutoren sein Haus überfluten,
daß ihm sein Recht auf Freiheit, Brot und Kultur stündlich
verkürzt wird, der möge im Jubeljahre der "glorreichen"
Revolution des Jahres 1928 seine Fahnen heraushängen. Feiern
möge der, der Anlaß dazu hat, und kein vernünftiger
Mensch wird von einem Bestohlenen verlangen, daß er dem
unrechtmäßigen Eigentümer seiner abgenommenen
Sachen noch ein Schloß zum Aufbewahren schenkt. Das deutsche
Volk in seiner Gesamtheit und wir Sudetendeutsche im besonderen
haben also gar keine Ursache zu jubeln und zu jauchzen. Zeigen
wir das auch öffentlich, man wird uns darum nicht weniger
achten, im Gegenteil, man wird sehen, daß unser Volk auch
das Leid in Würde zu tragen weiß." Eine Stelle
also, meine sehr Verehrten, die doch gar nichts beinhaltet, was
nicht ruhig abgedruckt werden könnte, und trotzdem verfiel
sie der Beschlagnahme.
Eine zweite Stelle aus dem Artikel "Nationaler
Verlust" (ète): "Das den Geschwistern
Josef und Adolf Koblischka und Aloisia Werner, Gattin des Angestellten
Werner bei der freiwilligen Feuerwehr, gehörende Haus in
der Mühlgasse, ist diese Woche in èechische Hände
übergegangen. Ebenso hat Herr Rudolf Schramm,
Aufseher i. R., sein neben dieser Realität liegendes Gebäude
in der Mühlgasse demselben Käufer überantwortet.
Da zu diesen beiden Häusern große Gärten gehören,
soll daraus die Sokolhalle entstehen. Damit geht ein langgehegter
Wunsch des nationalen Gegners in Erfüllung, im Innern der
Stadt seine Trutzburg zu errichten. Es haben Kinder unserer Stadt
wieder ein Stück deutscher Erde unseren Gegnern freiwillig
überlassen. Sie halfen mit, die Èechisierung der Stadt
zu beschleunigen, was die Èechen,
wie die letzte Nummer der hiesigen èechischen Zeitung schreibt,
in den nächstenn zehn Jahren erzielen wollen". Eine
solche Stelle, die eigentlich eine Beschlagnahme nicht rechtfertigt,
verfällt unabwendbar dem Rotstift und wird vom Staatsanwalt
konfisziert, der bei anderen Anlässen, bei der Verbreitung
eines Flugblattes gegen die Deutschen in Leipnik ausdrücklich
erklärte, er habe keinen Grund hier einzuschreiten. Und dann,
meine sehr Verehrten, welche Kühnheit liegt nicht darin,
wenn Herr Špaèek hier
gegen die "Bohemia" ausdrücklich die Gasse aufruft,
wenn er hier zum Ausdrucke bringt, daß sie das verdiente
Schicksal noch treffen wird, bis die Zeit reif sein wird! Das
heißt nichts anderes, als das Volk zu mobilisieren, auf
daß es dieser Zeitung vielleicht wieder einmal die Fenster
einhaue. Das alles geschieht unter dem Justizminister Mayr-Harting.
Nun, wir sind dankbar für diese Äußerungen, dankbar
für die Offenheit, weil dadurch wenigstens Klarheit geschaffen
wird, weil der Nebel zerreißt, der viele Kreise unseres
Volkes draußen befangen hält, denen man einreden wollte,
daß es in letzter Zeit besser geworden ist. Alle Bemühungen
auf deutscher Seite haben einen merklichen Erfolg herbeizuführen
nicht vermocht, und Herr Špaèek spricht
auch hier mit einer klaren Offenheit. Was immer die Deutschen
tun mögen in der Zukunft, sagt er schließlich, man
könne ihnen nicht trauen und erst dann können sich die
Èechen mit ihnen zufrieden geben, wenn sie sich wie die
Deutschen in der Schweiz oder im Elsaß
verhalten würden. Er verlangt also ausdrücklich die
Verschweizerung, d. h. mit anderen Worten für uns: die Èechisierung,
das Aufgeben jedes nationalen Bewußtseins, das Aufgeben
unserer nationalen Eigenart. Alle Loyalität deutscherseits,
alles Mitlaufen im èechischen
Gefolge bei den Jubiläumsfeierlichkeiten, ja selbst, was
heute schon in Aussig und im Saazer Bezirk gemacht wird, das Singen
des deutschen Textes des "Kde domov mùj", das
Singen der Staatshymne, wird eine Änderung auf èechiseher
Seite nicht herbeiführen.
Nun, das alles haben wir vorausgesagt und prophezeit
und wir müssen bei diesem Anlaß wiederum nur die Frage
an die deutschen Regierungsparteien richten, ob sie diesen unwürdigen
Zustand noch lange mitmachen wollen, ob sie denn gar keinen Funken
Gefühles für die deutsche Ehre und Würde mehr besitzen,
daß sie diesen unheilvollen, einmal eingeschlagenen Weg
trotz aller Opfer weiter beibehalten wollen. Wie wenig auf allen
Gebieten in den zehn Jahren erreicht wurde, wie wenig sie imstande
waren, eine Änderung ihres Kurses, des staatsoffiziellen
Kurses auf einzelnen Gebieten durchzusetzen, wurde in den letzten
Tagen durch einzelne deutsche oppositionelle Redner zum Ausdruck
gebracht. Ich will das Gleiche auf dem Schulgebiete zur Darstellung
bringen.
Im Staatenhause der Èechoslovakei
auf der internationalen Presseausstellung in Köln, zu deren
Beschickung sich die Republik trotz aller Abneigung gegen den
deutschen Nachbar aus politisehen Gründen und zum Zwecke
der Täuschung des Auslandes entschlossen hat,
erregen bei jedem Kenner der hiesigen Verhältnisse besonders
einige Wandsprüche, berechtigtes Erstaunen und Verwunderung.
Hier steht unter anderem zu lesen: "Jede Nation verfügt
in der Èechoslovakei ihrer Zahl gemäß über
eine gerechte, demokratische Parlamentsvertretung,
im Verhältnis zu ihrer Sprache über angemessene Erziehungsstätten,
über eine freie Tribüne des gedruckten Wortes in Buch
und Presse. Demokratie heißt Diskussion". So viel Worte,
so viel Unwahrheiten. Es soll in diesem Zusammenhange nicht untersucht
werden, wie selbst das Verhältniswahlrecht durch den bevorzugten
Wahlkreis Prag und durch die Bildung ungleicher Wahlkreise zu
ungunsten der Deutschen und der anderen Minderheiten dieses Staates
verschlechtert wurde, es soll nicht untersucht werden, wie das
gedruckte Wort in Buch und Presse in diesem Staate durch eine
undemokratische Zensur, wie sie selbst der alte Polizeistaat Österreich
nicht besaß, geknebelt wird, es soll auch nicht jene Zensur
trotz ihrer Abscheulichkeit behandelt werden, die an der einzig
freien Tribüne im Parlament vom Präsidenten des Hauses
bei den Reden und Interpellationen der freigewählten Volksvertreter
geübt wird.
Untersuchen will ich bei Behandlung des Kapitels
"Schulwesen" des Staatsvoranschlages ledigig ich in
aller Kürze, wie weit die Behauptung der èechoslovakischen
Regierung wahr ist, wenn sie sagt, daß jede Nation im Verhältnis
zu ihrer Sprache über angemessene Erziehungsstätten
verfügt. Richtig ist, daß die Èechoslovakei
im Minderheitensehutzvertrag von St. Germain
en Laye vom 10. September 1919 den nationalen Minderheiten ihres
Staates "Schutz und Berücksichtigung bei sozialen, humanitären
und kulturellen Einrichtungen, insbesondere bei Schulen"
garantierte. Über die Erhaltung kultureller und Unterrichtsanstalten
heißt es au sdrücklich im Vertrage: "In den Städten
und Bezirken, in denen ein beträchtlicher Bruchteil èechoslovakischer
Staatsangehöriger ansäßig ist, die einer Minderheit
nach Rasse und Sprache angehören, wird diesen Minderheiten
ein angemessener Anteil an den Beträgen
zum Nut zen und zur Verwendung zugesichert, welche für Erziehung
und Wohltätigkeitszwecke aus öffentlichen Fonden in
den Staats-, Gemeinde- oder anderen Voranschlägen ausgeworfen
werden."
Untersuchen wir nun, ob die Èechoslovakei in den
zehn Jahren ihres Bestandes dieser feierlich zugesagten Verpflichtung
restlos nachgekommen ist, so daß die 3 1/2
Mill. Deutschen dieses Staates keinen berechtigten Grund zur Klage
hätten. Ich will mich dabei nicht auf das Urteil oppositionell
eingestellter Personen berufen, weil diese vielleicht befangen
sind, ihr Blick getrübt ist, sondern auf Personen und Parteien,
die heute im Regierungslager stehen. Im Jänner 1923 überreichten
die deutschen Parlamentarier der Èechoslovakei dem Völkerbunde,
auf den ewig Gläubige damals noeh gewisse
Hoffnungen setzten, eine Beschwerdesehrift. Diese war für
den parlamentarischen Klub des Bundes der Landwirte vom Abg. Franz
Køepek und Sen. Theodor
Zuleger, für den Klub der christlichsozialen Volkspartei
vom Abg. Josef Böhr und Sen. Dr Robert Mayr-Harting,
dem jetzigen Justizminister, gezeichnet. Darin heißt es
auf Seite 57: "Es muß aber leider festgestellt werden,
daß die èechoslovakische Regierung diese ihr auferlegten
Verpflichtungen nicht nur nicht erfüllt, sondern planmäßig
eine auf Zertrümmerung des berühmten Schulwesens der
Deutschen in der Èechoslovakei gerichtete Politik betreibt.
Wir gehen nun daran, diese Behauptung in Bezug auf die einzelnen
Zweige des deutschen Schulwesens der Èechoslovakischen
Republik zu erhärten". Auf
24 Seiten wird nun in ausführlicher Darstellung der Beweis
dieser Behauptung in den einzelnen Schulgattungen geführt,
worauf es in der Schlußfolgerung heißt: "Die
vorstehende Darstellung der gegenwärtigen Lage des deutschen
Schulwesens in der Èechoslovakischen
Republik beweist, daß die deutsche Minderheit in der Èechoslovakei
vollen Grund hat, mit der Behandlung ihres Bildungswesens durch
die èechoslovakische Regierung unzufrieden zu sein..."
Und so wie in dieser Denkschrift wurden auch sonst hier im
Abgeordnetenhause des öfteren, besonders aber jährlich
bei Beratung des Staatsvoranschlages, von Rednern der christlichsozialen
Volkspartei und des Bundes der Landwirte lebhafte Klagen über
die Zurücksetzung des deutschen Schulwesens geführt.
Ich greife nur aus den vielen Reden, die zum Gegenstande hier
gehalten wurden und die nachzulesen heute immerhin sehr interessant
ist, die Rede des Herrn Abg. Spina vom 27. November 1923
heraus, in der er mit den Worten begann: "Wir sind wieder
bei einer sehr schmerzlichen Kreuzwegstation des Staatsvoranschlages
angelangt, bei dem Schulkapitel, bei dem wir Deutsche immer schwere
Anklagen über Zurücksetzungen, Kürzungen, Nichtberücksichtigungen
erheben müssen. Doppelt klagen müssen wir über
die Ziffer des heurigen viel gerühmten Ersparungsvoranschlages,
die uns bei weitem nicht jenen Anteil an der pflichtmäßigen
kulturellen Fürsorge des Staates zukommen läßt,
der unserer Bevölkerungszahl und unseren deutschen Beiträgen
zu den Einnahmen des Staates entspricht". Dann folgt eine
ausführliche Darstellung und Begründung seiner Behauptungen
über die Verkürzung des deutschen Schulwesens.
Nun könnte leicht jemand den Einwurf machen,
daß die Äußerungen schon zu weit zurückliegen
und daß sich die Verhältnisse im allgemeinen und besonders
auf dem Schulgebiete seither wesentlich gebessert haben. Den Beweis
für eine solche Besserung zu erbringen, würde selbst
bei wohlwollendster Beurteilung sehr schwer fallen, während
es demgegenüber leicht ist, das Gegenteil zu beweisen. Ich
brauche mich zur Beweisführung nicht auf die scharfe Kritik
zu berufen, die Abg. Hodina im Jahre 1926 und 1927 am Schulvoranschlage
geübt hat, ich brauche nur die allbekannten Tatsachen für
sich sprechen zu lassen. Die Gesetze vom 3. April 1919, Nr. 189,
und vom 9. April 1920, Nr. 292, die von den deutschen Parteien
auf das heftigste bekämpft wurden und auf die sich die Schulbehörden
bei den zahlreichen Auflassungen stützten, sind noch immer
auch bezüglich der anstößigen Bestimmungen (§
7 und § 9) in Kraft, so daß trotz des Verlustes
von bereits mehr als 3000 Schulklassen die Gefahr eines neuen
Schulabbaues unverändert fortbesteht. Noch immer werden auf
Grund des Gesetzes vom 3. April 1919 zur Stärkung der èechoslovakischen
Minderheiten im deutschen Sprachgebiet völlig
überflüssige èechoslovakische Minderheitsschulen
mit geringer Kinderzahl errichtet und zu diesem Zwecke deutsche
Schulgebäude, Klassenzimmer und Turnsäle, die für
deutsche Schulzwecke selbst dringend gebraucht werden, wie auch
Privatgebäude, ja, dem Geschäftsbetrieb
gewidmete Räume, rücksichtslos enteignet. Noch immer
werden deutsche Kinder trotz des klaren Willens der Eltern und
in Mähren trotz der eindeutigen Bestimmungen des Gesetzes
vom 27. November 1905, L. G. Bl. Nr. 4 ex 1906 - lex Perek - mutwilliger
Weise aus deutschen Schulen herausreklamiert und èechischen
Schulen zum Besuche zugewiesen und noch immer werden gegen diese
willkürliche Verfügung eingebrachte Rekurse jahrelang
nicht erledigt. Noch immer werden Tausende deutsche Kinder mit
unlauteren Mitteln und gegen das Gesetz
in èechische Schulen gelockt. Noch immer werden trotz der
klaren Bestimmungen im Minderheitsschutzvertrag, daß die
Minderheiten das Recht haben, auf eigene Kosten Schulen und andere
Erziehungsanstalten zu errichten, den Bemühungen
des Deutschen Kulturverbandes, die schweren Schädigungen
des deutschen Schulwesens durch Errichtung von deutschen Privatschulen
und Kindergärten, durch Erteilung von Privatunterricht, also
auf eigene Kosten, wenigstens tellweise wieder gutzumachen und
auszubessern, die größten Schwierigkeiten bereitet.
Noch immer entscheiden über deutsche Schulangelegenheiten
im Landesschulrate und im Ministerium èechische Beamte,
während deutsche Beamte bei diesen Körperschaften trotz
vorzüglicher Qualifikation nicht
eingestellt werden. Noch immer fehlen uns wichtige Hochschulzweige
und werden unsere Studierenden gezwungen, ihre im Ausland erworbenen
Zeugnisse an èechischen Hochschulen nach Wiederholung aller
Prüfungen nostrifizieren zu lassen, und noch immer ist der
prozentuelle Anteil der Deutschen im Schulvoranschlage nicht besser
geworden. Die Betrachtung der einzelnen Kapitel weist nach wie
vor eine schwere Hintansetzung und Vernachlässigung deutscher
Schul- und Kulturbedürfnisse auf. Ja, die gesetzlichen Bestimmungen
werden nicht einmal dort eingehalten, wo es sich um Rechte der
Deutschen handelt, z. B. die deutsche Amtssprache im Landesschulrate.
Fürwahr, man kann wohl mit Recht und ohne Übertreibung
behaupten, daß sich auch in der zweiten Hälfte des
ersten Jahrzehnts keine Besserung auf dem Gebiete des Schulwesens
bemerkbar machte und daß die in der Denkschrift an den Völkerbund
gegeißelte èechische Staatspolitik, die auf eine
planmäßige Zertrümmerung des deutschen Schulwesens
abzielt, auch heute noch in erschrekkender
Deutlichkeit und in aller Öffentlichkeit betrieben wird.
Wohl haben wir seit zwei Jahren deutsche Minister und es: müßte
eigentlich schon deren Anwesenheit in der Regierung eine Rücksichtnahme
auf deutsche Wünsche und Forderungen herbeiführen. Wohl
steht heute der Obmann des Bundes der Landwirte, Abg. Hodina,
an der Spitze des parlamentarischen Schulausschusses und hält
seine schützende Hand über das deutsche Schulwesen,
aber weder die beiden deutschen Minister, noch Hodina und
die deutschen Regierungsparteien sind imstande, den staatsoffiziellen
Vernichtungsfeldzug gegen das deutsche Schulwesen aufzuhalten,
zum Stillstand zu bringen oder auch nur zu mildern. Die Voranschläge
1928 und 1929, die unter Mitwirkung und Mitverantwortung deutscher
Parteien aufgestellt wurden, sind der klarste Beweis der deutschen
Ohnmacht und Bedeutungslosigkeit. Und wenn die Redner der christlichsozialen
Volkspartei und des Bundes der Landwirte zum Schulkapitel in früheren
Jahren, die Herren Petersilka, Feierfeil, Spina,
Hodina, Fischer u. a., an der Hand der Zahlen des
Voranschlages die ziffermäßige Verkürzung nachwiesen,
dann müßten Sie heute, wo sie in der Regierung sitzen,
den Mut aufbringen, zu bekennen, daß sich auch durch ihre
Teilnahme an der Macht nicht eine Ziffer im Schulvoranschlag geändert
hat. Entweder waren ihre Klagen in den früheren Jahren übertrieben
- wir wissen leider, daß dies nicht der Fall war - oder
aber sie decken heute mit ihrem Namen stillschweigend das, was
Sie früher selbst bekämpft und schärfstens verurteilt
haben. Ich behaupte und stelle einen Vergleich aller Voranschläge
der früheren Jahre seit 1920 zu Beweis, daß sieh an
dem Wesen und Inhalt, ja sogar vielfach an den ausgeworfenen Beträgen
im Schulkapitel nichts geändert hat, davon ganz zu schweigen,
daß der Forderug des Abg. Hodina in seiner Rede vom
25. November 1926 nicht Rechnung getragen wurde, die dahin ging:
"Die dem deutschen Schulwesen beigebrachten Schäden
müssen wiedergutgemacht werden". Heute allerdings
bringen die deutschen Regierungsparteien nicht mehr die Kraft
auf, die deutschen Schulforderungen in der Regierung, im Achterausschusse
und den èechischen Parteien gegenüber nachhaltigst
zu vertreten und das zu verlangen, was sie
früher als erste Grundforderung aufgestellt haben: Die deutsche
Schulautonomie.
Ich will darüber nur einige Stimmen aus
vergangenen Tagen in Erinnerung bringen. Abg. Fischer sagte
am 2. Dezember 1920 im Abgeordnetenhaus: "Nur durch die vollkommene
Autonomie für das deutsche Volk kann das Gespenst einer dauernden
Krise für diesen Staat ferngehalten werden". Abg. Dr
Feierfeil am 2. Dezember 1920: "Ich erkläre zum
Schluß, daß unsere Forderung nach voller Autonomie
unseres Schulwesens bestehen bleiben wird". Abg. Dr Feierfeil
am 23. November 1921 schließlich möchte ich noch
sagen: "Die einzige Sicherung für unser deutsches Schulwesen
und auch für unsere Umstande, daß wir unsere nationale
Schulverwaltung erhalten".
Die Forderung nach der deutschen Schulautonomie
war neben der schlüsselmäßigen Berücksichtigung
der Deutschen in den Staatsämtern, der Sektiomerung des Bodenamtes
und der Regelung der Sprachenfrage geradezu Voraussetzung der
deutschen Mitarbeit, wie Abg. Dr. Mayr-Harting in einer
Versammlung am 14. März 1925.n Brüx öffentlich
und feierlich verkündigte. Auch Abg. Dr. Spina vertrat
ehemals den gleichen Standpunkt. In seiner Rede im Abgeordnetenhaus
am 27. November 1923 sagte er: "Ich möchte der Gegenseite
zurufen: Wenn der Tag da sein wird, den Sie hinausschieben aber
nicht aufhalten können, wo wir Ihnen das berühmte Blatt
Papier reichen werden, dann wird an erster und hervorragender
Stelle die Forderung stehen, deren Fehlen uns Deutsche bei Verhandlung
des Schulbudgets so sehr verbittert: Das Recht unserer kulturellen
Selbstverwaltung und unserer Schulautonomie."