Namens des Klubs der deutschen soz.-dem. Abgeordneten
habe ich nachstehende Erklärung abzugeben:
Die gestrigen Ausführungen des stellvertretenden
Regierungschefs haben den Sinn, daß die Regierung vor dem
Attentat der Zuckerbarone vollständig, auf der ganzen Linie
und in allen Punkten zurückweicht. Im Verlaufe einer Woche
hat sich folgendes abgespielt:
Am 31. August hat die "Osmièka" - die zwar verfassungswidrige,
aber tatsächlich allerhöchste Behörde der Bürgerblockdemokratie
- präzise und unzweideutig erklärt, daß die Regierung
und die koalierten Parteien die erforderlichen Vorkehrungen gegen
die Verteuerung des Zuckers treffen werden. Drei Tage nach dieser
offenbar von vornherein auf Düpierung der Öffentlichkeit
berechneten Erklärung hat das Zuckerkartell mit der Erhöhung
des Zuckerpreises um 60 Heller pro Kilogramm geantwortet und dabei
mit offenem Zynismus erklärt, daß es für das Zuckerkartell
nur die Alternative der Brandschatzung der Staatskasse oder der
Plünderung der Konsumenten gebe. Wiederum drei Tage darauf
hat die Regierung diese schallende Ohrfeige in christlicher Demut
eingesteckt. Der Herr Minister Šrámek wünscht,
daß von der Verteuerung in letzter Linie gesprochen werden
soll, vorher aber über alle anderen Elemente des Problems,
das die Regierung angeblich in seinem ganzen Umfange lösen
will, zu dessen Lösung oder auch nur Erörterung die
Regierung aber nichts als ein paar nebelhafte und lendenlahme
Redensarten beisteuert.
Der Herr Minister Šrámek stellt
fest, daß das Kreditproblem, das heißt mit anderen
Worten die Abhängigkeit der Industrie von den Großbanken,
wichtiger ist als alle Handelssteuern. Daran ist soviel richtig,
daß die wucherischen Bankenkonditionen an der Verteuerung
aller Produkte einen sehr großen Anteil haben. Aber wenn
der Herr Minister meint, daß die Landeskreditinstitute imstande
sein werden, den eisernen Ring des Finanzkapitals zu durchbrechen,
so kann man darüber nur lachen. Wer sollte an dem Tage, an
dem die Regierung vor dem Diktat des Zuckerkartells zusammenknickt,
auch daran glauben, daß diese Regierung imstande oder auch
nur Willens sein könnte, dem Bankenverband an den Leib zu
rücken. Außerdem wird wohl sogar diese mit Blindheit
geschlagene Regierung einsehen müssen, daß die Verteuerung
des Zuckers bereits eingetreten ist, während die sagenhafte
Lösung des Kreditproblems bestenfalls nach Jahren ihre Wirkung
äußern kann.
Die Regierung stellt die Befreiung des Exportzuckers
von den Handelssteuern in Aussicht, das heißt, sie zieht
sich auf die vor den Parlamentsferien eingebrachte Vorlage zurück,
von der heute selbst die Waisenknaben wissen, daß sie absolut
nicht geeignet ist, das Problem zu lösen. Oder glaubt die
Regierung wirklich, daß es möglich ist, mit
einem Betrag von 40 Mill. Kè den handelspolitischen Machtkampf
mit England aufzunehmen, ganz abgesehen davon, daß eine
neuerliche Differenzierung in der Steuerbelastung des Inland-
und des Exportzuckers eine Exportprämie,
ein ganz unverhülltes Dumping bedeutet und daher notwendigerweise
Gegenmaßnahmen auslösen muß, die den ohnedies
dürftigen Effekt der Steuerbefreiung illusorisch machen müssten.
An eine Herabsetzung der Konsumbelastung, an
die Befreiung aller Lebensmittel, nicht nur des Exportzuckers
von der Umsatzsteuer, an eine Abschaffung oder auch nur Herabsetzung
der Zuckersteuer denkt die Regierung nicht. Sie erblicke, heißt
es in der Erklärung, ihre Aufgabe gegenüber der - Zuckerindustrie
nicht darin, daß sie im Wege einer Reduktion der Verbrauchssteuern
alles deckt, was der Zuckerindustrie zum Gleichgewichte fehlt.
Es fällt uns nicht im Traume ein, eine Steuerermäßigung
zugunsten der Zuckerbarone zu verlangen, die Jahr um Jahr Millionenprofite
aufhäufen, denen es nicht darauf ankommt, an der Pariser
Börse in verfehlten Zuckerspekulationen ein paar hundert
Millonen zu verlieren, die soeben das Riesengeschenk der Steuerreform
eingesteckt haben, die sich auf Grund dieser Reform und des Gesetzes
über die Stabilisierungsbilanzen enorme steuerfreie Reserven
schaffen und die nur deshalb, weil ihnen die Regierung gestattet,
einen dichten Schleier über ihre Kalkulationsgeheimnisse
zu breiten, einen Notstand der Zuckermagnaten vorzutäuschen
vermögen. Was wir aber verlangen, und was sozial und wirtschaftlich
gleich notwendig ist, das ist der radikale Abbau der Verbrauchssteuern
zugunsten der Konsumenten. Wenn wir die wirtschaftspolitischen
Maßnahmen der Regierung vom ersten Tage ihrer Wirksamkeit
an durchgehen, so finden wir immer neue Attentate auf die Lebenshaltung
der Bevölkerung, Zölle, Massensteuern, Mieterschutzabbau,
Zerstörung der Kommunalpolitik, aber wir werden vergebens
nach einer einzigen Maßnahme zum Schutze der Konsumenten
suchen. Und doch wird es, außer den unmittelbar kapitalistisch
interessierten Kreisen, niemand begreifen, daß die Staatskasse
auf eine Viertel-Milliarde verzichten konnte, um die Besitzsteuern
ermäßigen zu können, daß aber von einer
Ermäßigung der Konsumbelastung keine Rede sein darf.
Die Erträgnisse der indirekten Steuern erhöhen sich
von Jahr zu Jahr. Die Umsatzsteuer, die Verbrauchssteuern, die
Überschüsse der Tabakregie, haben in den ersten fünf
Monaten des laufenden Jahres ein Mehrerträgnis von 250 Mill.
gegenüber der gleichen Periode des Vorjahres geliefert. Es
halten also nicht einmal die fiskalistischen Argumente gegen die
Herabsetzung der Verbrauchssteuern zugunsten der Konsumenten stand.
Die nackte Tatsache ist, daß die Regierung für die
Konsumenten nichts tun kann, weil sie nichts tun will, weil sie
das Vollzugsorgan der Kapitalisten, ihre beste Helferin beim Ausbeutungsgeschäfte
ist. (Pøedsednictví
pøevzal místopøedseda
Zierhut.)
Aber die Darlegungen des Ministers steigern
sich zur unfreiwilligen Komik, wenn er darlegt, daß die
syndikalisierte Produktion eines Korrektivs im öffentlichen
Interesse bedarf und daß dem Staate daher die Aufgabe erwachse,
seinen Einfluß über einen Machtfaktor aufrechtzuerhalten,
der einen ganzen Produktionszweig beherrscht; und wenn der Herr
Minister im selben Atemzuge mitteilt, daß die Regierung
zur Aufrechterhaltung dieses Einflusses nichts, aber rein gar
nichts unternehmen werde.
Gestern ist dem Hause eine Interpellationsbeantwortung
vorgelegt worden, in der die Regierung zu der Interpellation unserer
Klubkollegen Pohl, Dietl und Genossen über
die wirtschaftliche Lage Stellung nimmt. Diese Interpellation,
das ist auch ein charakteristischer Beitrag zu den Methoden des
èechoslovakischen Parlamentarismus, ist datiert vom 5.
November 1927. In dieser Interpellationsbeantwortung,
mit deren sonstigen Inhalt sich unsere Partei noch beschäftigen
wird, wiederholt die Regierung die schon bis zum Überdruß
abgeleierte Redensart, daß sie ständig von dem Bestreben
geleitet wird, die Kartelle jeder Art zweckmäßig zu
unterdrücken, sobald sich schädliche Wirkungen zeigen.
Sie habe es aus diesem Grunde nicht außeracht gelassen,
nach Bedarf das Gesetz über die Kartelle herauszugeben. Nun,
der Bedarf ist da. Wenn irgendetwas nach einem Kartellgesetz förmlich
schreit, ist es die Preispolitik des Zuckerkartells. Aber am selben
Tage, an dem die eben zitierte Interpellationsbeantwortung aufgelegt
wurde, teilt der stellvertretende Vorsitzende der Regierung der
aufhorchenden Öffentlichkeit, die auf die angekündigten
Vorkehrungen gegen die Zuckerverteuerung wartet, einfach mit,
daß die Regierung den Weg der verständigen Einigung
mit den Zuckerbaronen zu beschreiten gedenke. Freilich, gegen
Kartellmagnaten kann man nicht Gendarmen aufmarschieren lassen,
wie gegen streikende Arbeiter, den Beschluß des Zuckerkartells
kann die Regierung nicht sistieren, wie die harmlosesten Resolutionen
von Selbstverwaltungskörpern. Dieselbe Regierung, die für
die Arbeiterklasse, die für jede oppositionelle Regung nur
Verbote, Verfolgungen und Unterdrückungsmaßnahmen kennt,
steht dem Zuckerkartell machtlos mit gebundenen Händen gegenüber.
Dabei ist es gar nicht wahr, daß der
Regierung keine Mittel zur Verfügung stehen, um das Preisdiktat
der Kartelle zu brechen. Wenn sie sich schon nicht entschließen
kann, unserem Antrag zu entsprechen, der das Zuckerkartell unter
die Kontrolle der gesamten Öffentlichkeit stellt, der die
Preisgestaltung des Zuckers von dem entscheidenden Einfluß
der Verbraucherorganisationen abhängig machen will, der die
Reorganisierung und technische Ausgestaltung der Zuckerindustrie
auf Kosten der maßlosen Übergewinne einzelner Großunternehmungen
anstrebt; wenn die Regierung nicht einmal ein Gesetz über
die Kontrolle der Kartelle in bescheidenerem Umfange, als wir
es fordern, zu verwirklichen wagt, so würde die vorübergehende
Suspendierung des Zuckerzolles, ja seine bloße Senkung um
den Betrag der Spannung zwischen Inland- und Exportpreis des Zuckers
vollkommen hinreichen, um das Zuckerkartell zur Preisherabsetzung
zu zwingen. Wir wissen, und damit stehen wir im Einklang mit den
Lehren der Volkswirtschaft, daß nur die Herabsetzung des
Preises, daß nur die Steigerung des Inlandverbrauches, der
im zuckerreichsten Lande der Welt ein äußerst niedriger
ist, eine wirkliche Lösung des Problems herbeiführen
kann, eine Lösung, die den Konsumenten es ermöglicht,
von einem so wichtigen Volksnahrungsmittel den entsprechenden
Gebrauch zu machen, die aber zugleich das einzige Mittel ist,
der Industrie auf die Dauer die notwendige Absatzbasis zu verschaffen.
Unter diesen Umständen ist es selbstverständlich,
daß wir die Regierungserklärung verwerfen müssen.
Weniger selbstverständlich, ja ganz unbegreiflich ist es
dagegen, wie die Regierungsparteien, die sich vor einer Woche
verpflichtet haben, die Verteuerung des Zuckers zu verhindern,
für diese Regierungserklärung stimmen können, die
ja ihrem Wesen nach nichts anderes bedeutet, als daß der
Zucker trotz aller Redensarten der Koalitionsparteien verteuert
wird. Am 2. September hat die "Deutsche Presse" geschrieben:
"Fürs Erste muß vor allem der Regierung zugerufen
wer den: hart bleiben! Der Zucker darf nicht teuerer werden, die
Regierung darf sich auch nicht dem Versuch eines Oktrois durch
eine mäßige Preiserhöhung heugen."
Am selben Tage hat die christlichsoziale Reichsparteileitung beschlossen,
die Regierung aufzufordern, alle gesetzlichen Mittel zu gebrauchen,
um der Teuerung der Lebensmittel wirksam entgegenzutreten. Am
5. September hat die Reichsparteileitung des Bundes der Landwirte
getagt und wie die "Landpost" mitteilt, zu der Zuckerverteuerung
"schärfstens" Stellung genommen. Die Bevölkerung,
die auf Abstimmung über das ministerielle Exposé wartet,
ruft den Christlichsozialen zu: Bleibet hart, der Zucker darf
nicht teuerer werden! Sie verlangt von den Landbündlern,
daß sie nicht nur in Pressekommuniqées, sondern auch
hier im Parlament gegen die Zuckerverteuerung schärfstens
Stellung nehmen. Wenn die Regierungsparteien trotzdem für
die Regierungserklärung stimmen, so heißt das nichts
anderes, als daß die Agitation, die sie in den letzten Tagen
gegen die Zuckerverteuerung geführt haben, eine Komödie,
ein geradezu bewußter Betrug an der Bevölkerung gewesen
ist, und es wird unsere Aufgabe sein, dafür zu sorgen, daß
der Bevölkerung die Augen geöffnet werden, daß
die ohnehin wachsende Erkenntnis mehr und mehr verbreitet wird,
daß sich die arbeitenden Massen nur durch den Sturz des
herrschenden Bürgerblocks, nur durch die rücksichtslose
Abrechnung mit den bürgerlichen Parteien eine Besserung ihrer
Lebenshaltung erkämpfen können.
Wir unterbreiten heute gemeinsam mit den èechischen Sozialdemokraten
dem Hause den Antrag, daß die zuständigen parlamentarischen
Ausschüsse beauftragt werden, die gesamten Produktionsgrundlagen
der Zuckerindustrie und des Rübenbaues zu
untersuchen, die Kalkulationsgeheimnisse des Zuckerkartells aufzudecken
und so die Lösungsmöglichkeiten herauszuarbeiten, die
im Interesse der gesamten Bevölkerung liegen. Weigern sich
die Regierungsparteien, diesen Weg zu beschreiten, wollen sie
die Lösung der Zuckerkrise der Vereinbarung zwischen der
kapitalistischen Regierung und dem Zuckerkapital überlassen,
dann wird die Bevölkerung daraus ihre Konsequenzen zu ziehen
wissen. Wenn die Mehrheit den Raubzug gegen die Bevölkerung
billigt, dann wird die Bevölkerung um so rascher über
die ganze Politik dieser Mehrheit zur Tagesordnung übergehen.
(Potlesk nìm. soc. demokratických
poslancù.)