Meine Damen und Herren! Wie durch Zeitungsnachrichten
bekannt sein dürfte, haben verheerende Unwetter in weiten
Landstrichen in Böhmen, Mähren und Schlesien, teilweise
bis zur vollen Gänze die Feldfrüchte vernichtet. Ich
habe einen großen Teil dieser verwüsteten Gemeinden
besucht und besichtigt. Was da an Not, Elend und Jammer zu sehen
war, ist glatt unbeschreiblich. Es gibt Gemeinden, die so vollständig
verhagelt wurden, daß man sich vergeblich müht, nur
einen einzigen aufrechtstehenden, unbeschädigten Getreidehalm
auf dem ganzen Gemeindegebiete, ja sogar in mehreren Gemeindegebieten,
zu finden. Die Getreidefelder, die eine normale gute Ernte versprachen,
liegen, von den Eisschlossen zertrümmert, wie Spreu und Überkehr
auf dem Ackerboden. Eisstücke in der Schwere von 18 bis 23
dkg lagen wie aus einem Sack ausgeschüttet über Tausende
von Hektar Feldfrüchten ausgebreitet da. Tiere, die sich
im offenen Felde befanden, liegen von den niederprasselnden Eisstücken
erschlagen am Boden. Menschen, die sich gerade am Felde befanden,
während dieses entsetzliche Unwetter tobte, kamen schwer
verletzt, blutüberströmt vom Felde heimwärts. Pferdegespanne
liefen im wilden Galopp durch die Felder, die Lenker und Fahrer
mit schweren Beschädigungen an ihren Gliedern zurücklassend.
Verwüstungen, nichts als Verwüstungen, soweit das Auge
reicht. Die Dächer der Häuser und Scheunen sind vollkommen
zertrümmert, es gibt viele Dächer, wo nicht ein Schieferstein
ganz geblieben ist. Dazu sind fast alle Fensterscheiben zertrümmert.
Der Sachschaden ist bei vielen Landwirten an Wohn- und Wirtschaftsgebäuden
ein ungeheuerer, es wurden mir Summen genannt von 10.000
bis 30.000 Kè bei nur einem Wirtschaftsbesitze. Wenn man
die Schäden sieht, die an den Feldfrüchten, an der gesamten
Ernte angerichtet wurden, so drängt sich
einem die Frage auf: Wie wird es nur möglich sein, den Fortbestand
dieser Wirtschaftsbetriebe zu ermöglichen? Kein Futter für
das Vieh, kein Streustroh zur Verfügung, Kartoffel- und Rübenfelder
vollständig zerschlagen, so steht der arme Landwirt rat-
und hilfslos da. Da wird es Sache der Regierung sein müssen,
helfend einzugreifen, nicht aber so, wie es sonst häufig
geschehen ist, wo die armen Bittsteller mit schönen Redensarten
und Versprechungen abgespeist wurden - nein - hier muß ausgiebige
Hilfe zuteil werden, der Elementarschadensfond wird nur recht
kärgliche Mittel abgeben können, da die im ganzen Staatsgebiete
verursachten Schäden viel höher sind als im ganzen Fond
vorhanden ist. Da müssen außerordentliche Maßnahmen
von der Regierung in die Wege geleitet werden. In erster Linie
müssen die Steuerämter angewiesen werden, keinerlei
Steuereintreibungen bei den betroffenen Steuerträgern vorzunehmen.
Gänzliche Steuerbefreiung der Liegenschaften muß auf
Jahre hinaus eintreten und durchgeführt werden. Die Futtermittel-
und Strohbeschaffung muß großzügig durch die
Speicher- und Lagerhausgenossenschaften durchgeführt werden.
Saatgut zum Herbstanbau sowie zum kommenden Frühjahrsanbau
muß sofort bereitgestellt werden, die Geldmittelbeschaffung
ist von Staatswegen in der zuvorkommendsten Weise zu regeln und
Geld auf lange Sicht unverzinslich zu geben. In vielen Gemeinden
in Schlesien und Nordmähren wurden Leistungszuchtkontrollvereine
erhalten zu dem Zwecke, die Viehzucht auf eine hohe Stufe der
Zucht und Milchleistung zu bringen. Diese Kontrollvereine wurden
zum großen Teile aus eigenen Mitteln erhalten. Nun droht
nach diesen Unwetterschäden diesen Vereinigungen die Einstellung
ihrer segensreichen Tätigkeit. Doch nicht nur dies allein
wäre eine große Schädigung, sondern die schon
leistungsfähig aufgezüchteten Tiere müssen infolge
der eintretenden Futternot so schnell als nur möglich abverkauft
werden. Ebenso muß die übermäßige Einfuhr
von fremden Vieh - Ochsen, Kühe und Schweine - aus Polen,
Rumänien und Ungarn, die heute in langen Eisenbahnzügen
in Unmassen trotz des Viehschutzzolles ins Èechoslovakische
Gebiet gelangen, um die hier üblichen Viehpreise herunterzudrücken,
sogleich eingedämmt werden. Es wurde mir mitgeteilt, daß
die augenblickliche Not der schwer heimgesuchten
Landgemeinden von gewissenlosen Händlern benützt wird,
die ohnehin niedrigen Viehpreise immer tiefer herabzudrücken,
um für ihre Taschen einen ungeheueren Gewinn zu erzielen.
Die Vieh- und Fleischpreise beim Einkauf stehen derzeit ohnehin
in keinem gerechten Verhältnis zum Verkaufspreise des Fleisches.
Die Folge des noch stärkeren Sinkens des Lebendviehpreises
wird die sein, daß die Kaufkraft der Bauernschaft unter
Null sinken wird, wodurch Industrie, Handel und Gewerbe, die Beamten
und die Arbeiterschaft gleichfalls schwer betroffen werden. Bedenken
Sie alle, die Sie nicht der Landwirtschaft angehören, daß
eine arme kaufschwache Landwirtschaft das Entstehen tausender
Bettlerfamilien zur Folge hat. Sie können es drehen und wenden
wie Sie wollen, die frucht- und ährenspendende Landwirtschaft,
die Fleisch und milchspendende Viehzucht ist und bleibt die einzige
Ernährerin des Volkes in allen Staaten. Ein einziges Notjahr
in der Landwirtschaft ist imstande, den Wohlstand eines Landes
auf Jahre zurückzuwerfen, ja zu vernichten.
Ich gestatte mir, einen Antrag zu stellen,
um dessen gänzliche Annahme ich bitte. Der Antrag lautet:
"In Anbetracht der heurigen mißlichen Futterverhältnisse,
in Berücksichtigung der schweren Schädigung weiter Gebietsteile
der Landwirtschaft, hervorgerufen durch Unwetter, Eis und Hagelschlag,
ist die Einfuhr von fremden Vieh jeglicher Art aus dem Auslande
sofort einzustellen und darf erst wieder im Inlande bei geregeltem
Viehverkaufe gestattet werden." Wenn das Abgeordnetenhaus
und die Regierung diese Maßnahmen trifft, wird viel Unheil
abgewendet werden, die landwirtschaftliche Lebensmittel verbrauchende
Bevölkerung wird durch diese Maßnahme keinen Schaden
erleiden.
Der Regierung dieses Staates wird es gewiß
nicht schwer fallen, im Zeichen des Jubeljahres einige Millionen
zur Linderung der vom Unwetter schwer betroffenen Landwirtschaft
als Unterstützung zu geben. Es werden ja zu den Jubiläumsfeierlichkeiten
viele viele Millionen von Kronen für Feste und Jubel ausgegeben
werden. Recht und billig erscheint es daher, in diesem Jahre aller
jener zu gedenken, die durch viele Versprechungen und Vertröstungen
schon die ganzen Jahre über immer hingehalten wurden. Zur
Feststellung einiger Tatsachen muß ich heute auch noch auf
eine Angelegenheit zurückkommen, die sich bei der Beratung
der Zollfrage zugetragen hat. Vor zwei Tagen hielt der Abg. Böhm
vom Bund der Landwirte hier im Hause eine Rede, in der er mit
hochtönenden Worten die Gewichtszölle für Vieh
sowie auch die Flachszölle für die Landwirtschaft forderte.
Als ich seinerzeit bei der Beratung des landwirtschaftlichen Zollschutzes
meine Bedenken über die schleuderhaften Gesetzestexte zum
Ausdruck brachte und eine Reihe von Verbesserungsanträgen
der Partei des Bundes der Landwirte vorlegte... (Posl. Windirsch:
Wo sind denn die Herren von Ihrem Klub?) Das ist ganz gleichgültig,
wo sie sind! Wo sind denn Ihre Herren? (Posl. Windirsch: Die
sind alle hier!) Sie haben ja fein gezählt! Als ich also
eine Reihe von Verbesserungsanträgen der Partei des Bundes
der Landwirte, d. h. dem Herrn Abg. Prof. Spina, dem jetzigen
Arbeitsminister, dem Herrn Abg. Zierhut, derzeitigen Vizepräsidenten
des Hauses und Herrn Abg. Dr. Hanreich mit dem Ersuchen
vorlegte, mir diese Anträge zu unterschreiben, da ich zur
ordnungsgemäßen Einbringung im Hause 21 Unterschriften
benötige, mir aber noch 11 Unterschriften fehlten - da nahm
Herr Abg. Prof. Spina diese Anträge von mir in seine
Hand, sah sie durch und gab sie mir mit folgenden Worten zurück:
"Herr Kollege, wir werden diese Anträge nicht unterschreiben".
Unter diesen den Herren des Bundes der Landwirte
vorgelegten Anträgen war damals auch der Antrag auf Erstellung
eines entsprechenden Flachsschutzzolles, der von der flachsbaubetreibenden
Bevölkerung des Bärn-Römerstädter Bezirkes
bei einer großen Bauerntagung gefordert worden war. Trotzdem
verweigerten mir die maßgebenden Herren des Bundes der Landwirte
ihre Unterschriften. Ist jene Behandlung, die mir mit meinen Zollanträgen
vom Bund der Landwirte zuteil wurde, bauernfreundlich zu nennen?
Als große Genugtuung empfinde ich es heute, daß die
von mir vor genau 2 Jahren vorgelegten Forderungen heute von bündlerischer
Seite in offener Parlamentsrede gefordert werden. Wie es sich
mit dem Flachszoll verhält, genau so forderte die deutsche
Nationalpartei schon vor 2 Jahren, daß der Stückzoll
für Vieh in Gewichtszoll umgewandelt werde. Es wurde vom
Bund der Landwirte abgelehnt. Heute verkündet der Abg. Böhm
in wichtigtuerischer Weise die schon vor 2 Jahren von meiner
Partei geforderten Gewichtszölle als unerläßlich.
O Ironie des Schicksals! Kübelweise schüttete zwei Jahre
lang die ganze bündlerische Parteipresse und deren Abgeordnete,
Senatoren und Sekretäre Unrat über mich und die deutsche
Nationalpartei und bezeichnete meine und meiner Partei Anträge
für die Bauernschaft als demagogenhaft, und heute müssen
alle diese Schimpfer und Schreier zugeben, daß wir recht
haben, denn sie machen nun dasselbe, was wir schon lange wollten.
Inzwischen hat allerdings die Bauernschaft schweren Schaden erlitten.
Eine größere Genugtuung konnten die Herren Bündlerabgeordneten
mir und meiner Partei nicht antun, als daß sie nun die Forderung
nach Flachsschutzzoll und Viehgewichtszoll erheben. Doch alle
die mir zugeschleuderten Grobheiten, Unwahrheiten und anderes
mehr seien Euch verziehen, Ihr reuigen Sünder, die Ihr nun
Euren Fehler einseht.
Eine ungemein wichtige Forderung der Landwirtschaft
wird es neuerdings werden, daß der Kunstdünger zollfrei
aus Deutschland eingeführt werden darf, denn durch die gewaltig
umsichgreifende Streu- und Futternot wird der Bauer gezwungen
werden, viel Kunstdünger zu kaufen, um die Felder wieder
ertragsfähig zu machen. (Posl. Windirsch: Kalisalze werden
ja zollfrei hereingelassen!) Das wissen wir. Aber was ist's
mit der Thomasschlacke usw.? Hoffentlich findet sich in Bündlerkreisen
auch hiefür ein neuer Anwalt, der diese Forderung jetzt erhebt
und damit wieder zugibt, daß der vor zwei Jahren von mir
eingebrachte Antrag auf zollfreie Einführung von Kunstdünger
ganz gerechtfertigt war.
Als Regierungspartei haben es ja die Herren
Bündler in der Hand, die übergroße Not in der
Landwirtschaft zu lindern. (Posl. Schweichhart: Sie sind das
fünfte Rad am Wagen!) Ja, das sind sie. Wenn Sie wollen,
bin ich gerne bereit, auch weiterhin bauernfreundliche, aber nicht
regierungsfreundliche Anregungen zu geben und Vorschläge
zu machen. Offizielle Anträge lege ich Ihnen heute nicht
vor, weil ich weiß, daß Sie mir jetzt genau so wie
vor zwei Jahren die nötigen Unterschriften verweigern würden.
Sie werden noch viele heilsame Lehren und bittere Erfahrungen
mit Ihrer Regierungspolitik machen müssen, bis Sie in die
Reihen der deutschen Brüder zurückfinden werden.
Zum Schlusse wiederhole ich: Aufgabe dieser
Regierung ist es, augenblicklich die Grenzen für Vieheinfuhr
zu sperren, die Einfuhr fremden Vieh's und Fleisches so lange
zu untersagen, bis die heimischen Notabverkäufe durchgeführt
sind und sich wieder ein Bedarf an Zufuhr von fremdem Vieh bemerkbar
macht. Diese Forderung ist für die Landwirtschaft eine dringliche,
die auch der übrigen Bevölkerung nicht schadet und ist
daher durchaus berechtigt. Die deutsche Nationalpartei, die immer
für die berechtigten Forderungen der Landwirtschaft eingetreten
ist, fordert daher alle Parteien des Hauses, die von der Wichtigkeit
und Notwendigkeit eines gesunden und wirtschaftlich kräftigen
Bauernstandes als der Grundlage jedes Gemeinwesens und Volkes
überzeugt sind, auf für diese Forderung einzutreten.
(Potlesk poslancù nìm. strany národní.)
Hohes Haus! Mit dem Regierungsantrag Druck
Nr. 1603 soll der Finanzminister im Einvernehmen mit dem Ministerium
für nationale Verteidigung ermächtigt werden, eine große
Reihe militärischer Objekte in Prag, Preßburg, Komorn,
Eger, Jung-Bunzlau, Königgrätz, Olmütz, Kaschau
und in anderen Städten zu veräußern, und der Ertrag
dieser zu veräußernden Militärobjekte soll für
den Fonds für sachliche Bedürfnisse der Nationalverteidigung,
also für den Rüstungsfonds, der mit dem Gesetz vom 17.
Dezember 1926, Z. 240, eingerichtet worden ist, gewidmet werden.
Der Herr Referent hat heute in seinen Ausführungen dargelegt,
daß es notwendig sei, eine Reihe dieser Objekte zu veräußern,
weil sie für militärische Zwecke unbrauchbar geworden
seien, und er hat darauf hingewiesen, daß der Ertrag von
der Finanzverwaltung wieder zu neuen Militär-Bauten verwenden
werden wird, daß also ein Fonds geschaffen wird, der auf
der einen Seite seinen Überschuß 1n den Rüstungsfonds
direkt fließen läßt, andererseits Vorschüsse
für die Errichtung neuer militärischer Objekte gegeben
werden. Uns kommt vor, und es ist nicht nur ein Gefühl, sondern
es ist eine Tatsache, daß auf diese Art und Weise neue,
große Millionenbeträge, die der Heeresverwaltung zugeführt
werden sollen, verschleiert werden. Es handelt sich hier
wirklich nicht um Kleinigkeiten. Wer die Objekte in Prag, oder
die in Komorn, Olmütz oder Königgrätz kennt, und
insbesondere jene in Prag - ich erinnere hier nur an die Kaserne
des Georg von Podìbrad - weiß,
daß das Objekte sind, die heute einen in die vielen Millionen
gehenden Wert aufweisen und die bei der Assanierung der Stadt
Prag sicherlich zu Phantasiepreisen an zubringen sind. Es wäre
auch nichts dagegen einzuwenden, wenn diese Transaktionen gemacht
werden würden und wenn diese Fonde vom Finanzministerium
verwaltet würden, wenn sie nützlichen öffentlichen
Zwecken zugeführt würden. Wir verwahren uns aber auf
das Entschiedenste, daß diese Mittel neuerdings in verschleierter
Form wieder Militärzwecken zur Verfügung gestellt
werden, weil es klar ist, daß aus dem Ertrag eines so hochwertigen
Objektes wie es z. B. die Podìbrad-Kaserne ist, wahrscheinlich
zwei bis drei Kasernen werden gebaut werden können. Der
Ertrag des Grundes und Bodens allein wird einen solchen Betrag
abwerfen, daß eine gewaltige Summe für neue Kasernbauten
zur Verfügung steht. Meine Herren, der Rüstungsfond
hat uns ja schon im vorgegangenen Jahre im Budgetausschuß
und auch im Hause beschäftigt. Der Rüstungsfond beträgt
gegenwärtig 315 Mill. jährlich und ist vorläufig
auf 11 Jahre festgelegt. Niemand erfährt heute schon und
wird es in Zukunft erfahren, wie er verwendet wird. Die Ziffern,
die uns das Oberste Rechnungskontrollamt zur Verfügung stellt,
sind nichts anderes als Endziffern, kein Mensch hat eine Ahnung
zu welchem Zwecke in Wirklichkeit diese Beträge ausgelegt
werden. Der Rüstungsfond hatte zwei Aufgaben zu erfüllen.
Und erfüllt sie auch jetzt und wird sie auch wieder mit diesen
Summen zu erfüllen haben. Erstens die alljährliche Budgetsumme,
die früher 1.730 Mill. betragen hat, scheinbar auf 1.400
Mill. zu ermäßigen und daher scheinbar eine Herabsetzung
der Rüstungsausgaben anzuzeigen, zweitens die Militär-Ausgaben
der parlamentarischen Kontrolle vollständig zu entziehen.
Es ist immer wieder notwendig, auf diese Verschleierung der Heereserfordernisse
hinzuweisen. Wir haben gegenwärtig im Budget wohl nur 1.400
Mill. - nur sage ich dazu kommen noch 350 Mill. aus dem Rüstungsfond,
26 Mill. die die Gebäudeverwaltung erfordert, die das Ministerium
für öffentliche Arbeiten in seinem Budget stehen hat,
166 Mill. an Pensionen an Militärgagisten und endlich der
Betrag der immer wieder vergessen wird, der militärische
Anteil an der Staatsschuldverzinsung, die in dem letzten Jahrzehnt
für die Militärverwaltung gemacht werden mußten,
und der gering gerechnet mit einem Betrag von 300 Mill. anzusetzen
ist. Wir haben in Wirklichkeit nicht 1.400 Mill. sondern 2.207
Mill. tatsächliche Heeresbedürfnisse und wir werden
sie jetzt durch diese Zuwendungen aus dem Titel der Veräußerungen
der militärischen Immobilien weiter erhöhen. So schaut
also in Wirklichkeit das Bedürfnis der Staatsverwaltung auf
dem Gebiete des Militärwesens aus.
Es ist tatsächlich mehr als ein Viertel
sämtlicher Steuereinnahmen, die für die Militärverwaltung
aufgewendet werden müssen. Ich höre den Herrn Minister
des Äußeren von Zeit zu Zeit sein Lieblingslied, das
Lied von der Abrüstung, auf den verschiedenen Konferenzen
oder Zusammenkünften singen. Wie diese Abrüstung ausschaut,
haben wir schon bei der Budget-Beratung, beim Kapitel Militärverwaltung
gesehen. Auf Seite 131 unter den "Aufklärungen"
im Kap. 5 des Ministeriums für nationale Verteidigung findet
sich wörtlich folgender Passus: "Die Erhöhung einiger
bleibender Posten entsteht dadurch, daß die durchschnittliche
Mannschaftsanzahl bei der Gesetzesdurchführung, mit welchem
der Friedensstand des èechoslovakischen Heeres ab 1. Oktober
1927, Z. 52/1927 Slg. d. G. u. V., und des Gesetzes über
das jährliche Rekrutenkontingent, der
Ersatzreserve und einiger Änderung des Wehrgesetzes, Z. 53/1927
Slg. d. G. u. V., um 6804 Mann größer ist, als im Jahre
1927 und daß auf die Dauer von 12 Wochen 8.000 Ersatz reservisten
der militärischen Ausbildung obliegen werden, daß die
Zahl der "Längerdienenden" etwa um 1000 auf 6000
steigen wird, weiters daß es um 35 Eleven, welche nicht
in den Stand der militärischen Präsenzdienstzahl eingerechnet
sind, mehr sein werden, als im vergangenen Jahre. Endlich steigen
einzelne Posten deshalb, weil das Jahr 1928 ein Übergangsjahr
ist." Wir werden das ganz genau kontrollieren können
beim nächsten Staatsvoranschlag, der uns wohl in einigen
Wochen vorliegen wird, ob tatsächlich das Jahr 1928 ein Übergangsjahr
war oder ob es in Wirklichkeit neue Belastungen gebracht hat.
Aber, meine Herren, daß diese Abrüstung
nicht nur materiell nicht durchgeführt wird, sondern auch
geistig weder vorbereitet noch durchgeführt wird, das bezeugt
uns eine ganze Reihe von anderen Äußerungen. Ich verweise
da insbesondere auf die Rede des Ministers für nationale
Verteidigung, der dieses Haus so respektiert, daß er bei
einer Vorlage, die auch ihn sehr interessieren müßte,
nicht einmal anwesend ist, die er in Taus gehalten hat. Damals
sagte er ausdrücklich: "Selbst die stärksten Führer
hätten mit einem Volke, das nicht vorbereitet ist, das große
Befreiungswerk nicht vollenden können. So wird es auch in
Hinkunft sein. Der Feind schläft auch heute nicht. Wir haben
unseren Staat, aber unsere geographische Lage hat sieh nicht geändert.
Und diese Tatsache zeigt uns, was wir weiter zu tun haben. Unter
einem gemeinsamen Banner wurden wir niemals geschlagen - möge
dies in Zukunft auch so sein."
Aus dieser Äußerung ist insbesondere
interessant die Tatsache, daß die militärische Lage,
die geographische Lage dieses Staates sich nicht geändert
hat. Ich glaube, daß selbst der Herr Minister für nationale
Verteidigung Udržal nicht
der Meinung sein wird, daß sich diese geographische Lage
in den nächsten Jahrhunderten irgendwie ändern kann,
insoferne, als es unmöglich sein wird, daß jemals die
Grenzen dieses Staates mit den Grenzen seiner militärischen
Verbündeten zusammenfließen werden. Das wird wohl nicht
einmal der Herr Minister Udržal glauben,
aber wir haben aus dieser Situation gerade von seiner Seite und
von der Seite, die er repräsentiert, die also die hohe Militärkaste
in diesem Staate darstellt, ein Bild bekommen, das geradezu erschreckend
ist, wenn wir es nicht nur auf diesen Staat, sondern auf ganz
Europa ausdehnen. Vor mir liegt eine Statistik, die von der Reichszentrale
für Heimatdienst in Berlin ausgearbeitet ist und uns nachweist,
welche Militärstände gegenwärtig in Europa zu verzeichnen
sind. Frankreich kann auf einen Raum von 10 km heute 69.122 bewaffnete
Männer aufstellen, Belgien 38.401, Polen 11.181 und
selbst die verhältnismäßig kleine Èechoslovakei
8.506, während Deutschland demgegenüber, also einer
Gesamtziffer von ungefähr 120.000 Mann nur 243 Mann aufzustellen
in der Lage ist. An Geschützen können die
genannten Staaten auf einen Raum von 10 km aufstellen: Frankreich
51, Belgien 48, Polen 9, Èechoslovakei 7, während
Deutschland kein einziges Geschütz größeren Kalibers
aufmarschieren lassen kann. An Maschinengewehren Frankreich 576,
Belgien 262, Polen 54, Èechoslovakei
50, Deutschland 2, an Kampfflugzeugen Frankreich 36, Belgien 25,
Polen 5, Èechoslovakei 3, Deutschland 0, an Kampfwagen
Frankreich 41, Belgien 14, Polen 1, Èechoslovakei 4, Deutschland
0. Meine Herren, wohin soll dieser Rüstungswahnsinn überhaupt
führen und gegen wen wird denn gerüstet? Die Èechoslovakei
hätte am allerwenigsten Ursache, ihre Rüstungen offenkundig
in diesen Konzern einzuspannen, sie, die nach den Worten des Herrn
Minister für Nationalverteidigung Udržal ihre
geographische Lage nicht ändern kann, die tatsächlich
zu nahezu zwei Dritteln ihres Gesamtumfanges eine deutsche Staatsgrenze
besitzt, die also auch dieser Tatsache Rechnung tragen müßte.
Aber es ist ja nicht nur die Staatsgrenze, die hier in Frage kommt.
Haben wir nicht auch noch andere Bindungen, wirtschaftliche
Bindungen, die aus der geographischen und geopolitischen Lage
entspringen? Die èechoslovakische Staatspolitik kann aber
aus ihren Kreislauf nicht heraus und hier setzt der große
Fehler ein, der auch bei den deutschen
Regierungsparteien zu verzeichnen ist. Sie haben insbesondere
in der Außenpolitik dieses Staates vollkommen versagt, gerade
sie, deren Staatstreue heute doch wirklich auch èechische
Parlamentarier nicht mehr irgendwie in Frage stellen können,
die die schwersten Belastungsproben bestanden
haben. Sie hätten die Aufgabe gehabt, ein offenes und ehrliches
Wort in der außenpolitischen Orientierung dieses Staates
zu sagen und damit diesen Staat von dem beklemmenden Rüstungswahnsinn
und Rüstungsfieber zu befreien, die die Steuerträger,
die sie immer wieder in den Vordergrund bei jeder sozialpolitischen
Gesetzgebung schieben, Milliarden und abermals Milliarden kosten.
Sie hätten damit vielleicht nicht nur unserem Volke, sondern
wahrscheinlich auch der ganzen europäischen Lage einen unschätzbaren
Dienst leisten können. Jawohl, Minister Prof. Dr. Spina
hat einmal in einer Rede in Herrnskretschen gesagt: "Wir
schielen nicht nach Deutschland, wir schauen frei und offen hinüber."
Aber den tapferen und mutigen Worten hat die politische Tat gefehlt.
Sie hätten die Herstellung einer starken Verbindungsbrücke
zwischen dem Reich und diesem Staate sein müssen. Die ganze
geographische und geopolitische Lage, die ganze Wirtschaft, die
mehr als zur Hälfte von der Entwicklung Deutschlands und
des österreichischen Nachbarstaates abhängig ist, die
ganze zukünftige Entwicklung dieses Landes weist auf eine
Verbindung und Annäherung zur großen deutschen mitteleuropäischen
Wirtschaft hin. Wenn die Regierungsparteien sich zu einem außenpolitischen
Faktor, der nicht zu umgehen gewesen wäre, gemacht hätten,
wenn ihre wohlbegründeten Vorschläge, welche die ganze
mitteleuropäische Welt. ja darüber hinaus, die ganze
europäische Welt geradezu erwartete und die von den Staaten
Mitteleuropas allein eingeleitet werden kann, wenn sie sie eingeleitet
hätten, dann hätten sie sich ein gewaltiges Verdienst
für den Frieden dieses Erdteils erringen können. Dann
erst wäre aber auch ihre innerpolitische Bedeutung gestiegen.
In diesem Augenblick wäre es ohne gewaltiges Aufsehen in
der ganzen politischen Welt gar nicht möglich gewesen, daß
die deutschen Parteien aus der Regierung hätten entfernt
werden können. Eine solche auf die Befriedung der europäischen
Lage gerichtete Politik hätte sie zu einem gewaltigen innerpolitischen
und außenpolitischen Faktor erheben können. Sie haben
auf diesem Gebiete vollständig versagt und vergessen, daß
auch Dr Kramáø.
als er einer Regierungspartei in Österreich angehörte,
ruhig das Wort vom überspielten Klavier des Zweibundes gebraucht
hat und seine politische Konzeption in den Vordergrund der politischen
Erörterung gestellt hat. Sie haben weder den Mut gehabt,
innerpolitisch und nationalpolitisch das zu leisten, was Sie versprochen
haben und was von Ihnen erwartet werden konnte, noch haben
Sie die glänzende außenpolitische Situation. da jetzt
infolge der vollständigen Vereinsamung der Èechoslovakei
geradezu sie zur Hauptachse Ihrer gesamten
Politik hätte werden können, benützt. So muß
natürlich der Staat die Politik weiter machen, die ursprünglich
bei seiner Geburt inauguriert wurde. Die Regierungsparteien haben
ihn nicht befreit von der Zwangsläufigkeit und so ist er
weiter gezwungen, eine Rüstungs- und Militärpolitik
zu machen, ist weiter gezwungen, bei jeder kleinsten Vorlage zu
berücksichtigen, daß die militärische Ausgestaltung
dieses Staates noch immer weiter und weiter umsichgreift, daß
neue Mittel, die für volkswirtschaftlich notwendige Belange
verwendet werden könnten, wieder in den Rachen des Militärs
geworfen werden. Es handelt sich ja nicht um 20 oder 30 Millionen,
die hier in diesem Gesetzchen beschlossen werden. Es sind hunderte
Millionen. Wenn diese zur Fürsorge für unsere Arbeiterwohnungen,
für die soziale Fürsorge verwendet würden, für
unsere Kriegsverletzten oder zur Verbesserung und Intensivierung
unserer Landwirtschaft - auch das wäre notwendig - dann könnten
sie vor die Öffentlichkeit hintreten. (Posl. L. Wenzel:
Wie schaut es jetzt noch nach der Hochwasserkatastrophe aus?)
Jawohl, auch heute ist noch nichts geschehen, trotzdem ein
Jahr vorübergegangen ist. Nach außen sehen wir diesen
Staat als kriegsgerüsteten Staat vor uns, der gerade seinen
Nachbaren gegenüber ein Waffenlager darstellt, wie es in
Europa auf einem so kleinen Raum noch nicht der Fall war, im Innern
ist er weiterhin èechisch zentralistisch wie bisher. Nichts
haben die deutschen Regierungsparteien an diesen Dingen in Wahrheit
ändern können und sie haben daher nicht nur unserem
Volke gegenüber ihre Aufgabe nicht gelöst, sondern ich
behaupte auch diesem Staate gegenüber,
denn dieser Staat müßte und hätte aus seiner Vereinsamung
und aus seiner jetzigen katastrophalen politischen Lage befreit
werden müssen. Das aber, meine Herren, werden Sie und nicht
wir vor der Geschichte zu verantworten haben. Für uns muß
es nur der Anlaß sein, die Vorlage in ihrer jetzigen Form
abzulehnen. Wir werden daher für jene Anträge stimmen,
die darauf hinausgehen, die Regierungsvorlage abzulehnen. (Potlesk
poslancù nìm. strany nár. socialistické.)