Meine sehr Verehrten! Ich habe in gedrängter
Kürze die Forderungen der deutschen Landwirtschaft und der
Landwirtschaft überhaupt dieses Staatsgebietes in Bezug auf
die Einführung eines erhöhten Viehzolles und Flachszolles
hier vorgetragen. Ich habe meine Pflicht erfüllt und nun
liegt es an der Regierung, jene Maßnahmen zu ergreifen,
welche die Existenz der Landwirtschaft dieses Staatsgebietes sichern.
(Potlesk.)
Meine Damen und Herren! Schicken wir es gleich
voraus. Ich bin auf die Tribüne gegangen, um vom politischen
Leben Abschied zu nehmen und mein Mandat niederzulegen. Ich habe
seinerzeit erklärt, eine historische Entwicklung der Sache
geben zu wollen. Dieser gegebenen Zusage komme ich heute nach.
Sie würden sich alle in einem Irrtum befinden, wenn Sie meinen,
ich wolle heute als Ankläger oder als Angeklagter hier stehen.
Keines von beiden! In objektiver Darstellung will ich die Sachlage
schildern, wie sie liegt. Ich habe als Politiker damit gerechnet,
daß es vorkommen kann, daß es heute heißt: "Hosianna"
und morgen: "Kreuziget ihn". Damit muß ein Politiker
rechnen und weil ich damit rechnete, konnte mich auf der einen
Seite weder das Lob für irgendetwas, das ich in der Politik
tat, irreführen, noch ein Tadel auf der anderen Seite niederdrücken.
In die Politik kam ich nicht freiwillig. Man kam zu mir und holte
mich und leider entschloß ich mich dazu. Wie ich aber den
Entschluß faßte, da war es für mich klar, daß
die Bestimmung des Politikers ungemein ernst, groß und wichtig
ist, daß die Stimme der Zeit uns zuruft: Vorwärts,
nicht zurück, und auf der anderen Seite, daß politischer
Grundsatz auch sein muß, daß wir die Verbindung der
Wahrheiten untereinander einsehen und verstehen, dann wird in
vielen Fällen unser Urteil ein ganz anderes sein. Nicht Egoismus,
nicht Sonderinteressen, nicht blinder Idealismus, nicht Utopie,
nicht Nervenüberreiztheit und wie diese Sachen alle heißen
mögen, waren für mich die Triebfeder nicht der Wunsch,
vielleicht Minister zu werden, allein die Liebe zu meinem Volke
stellte mich auf den Posten und dem versprach ich, mein Bestes
zu geben. Wenn ich heute vor Ihnen stehe und aus dem politischen
Leben scheide, dann müssen Sie mir gestatten, daß ich
eine kurze Rekapitulation halte, sie paßt sehr gut, die
èechische Seite betreffend, die deutschen Regierungsparteien
betreffend und auch meine Partei betreffend, wenn Sie wollen,
die Opposition betreffend. Nehmen wir die èechische Seite
zuerst. Ich will es kurz fassen und erinnere daran, daß
Sie vor 10 Jahren, begünstigt vom Schicksal,
zu Ihrem Staat kamen in einem Ausmaß, das ganz bestimmt
die Erwartungen in früheren Jahren überstieg. Wir wollen
da alles andere weglassen, nur das Problem erörtern, wie
Sie den Staat auffaßten und wie Sie den Staat leiteten und
wie Ihre Stellung zu den sogenannten Minderheitsvölkern war.
Sie stellten sich auf den Standpunkt des reinen
Nationalstaates, während in Wirklichkeit Ihr Staat ein Nationalitätenstaat
ist, und wenn Sie es noch so sehr bestreiten. Die Frage für
mich als deutschen Politiker ist die: War es Liebe, die 3 1/2
Millionen Deutscher in Ihren Staat brachte oder brauchten Sie
die 3 1/2
Mill. Deutschen? Da verweise ich nur ganz kurz auf Ihre Darlegungen
anläßlich der Friedensverhandlungen, wo Sie ausdrücklich
dokumentiert haben, daß Sie die 3 1/2
Mill. - Deutschen brauchen. Ihre Staatenbildung war nicht nur
aufgebaut auf der nationalen Grundlage, sondern auch auf wirtschaftlichen,
geopolitischen und auch historischen Grundlagen. Wenn Sie die
312 Mill. Deutschen brauchten und wenn Sie Ihren Staat fortführen
mußten mit ihrer Hilfe, ihren Mitteln, dann wäre es
eigentlich logisch gewesen, daß Sie die Behandlung, die
Sie zusagten, auch eingehalten hätten. Sie sagten zu, daß
die Deutschen in Böhmen dieselben Rechte haben werden wie
die Èechoslovaken, die deutsche Sprache würde zweite
Landessprache werden und man würde sich nie einer vexatorischen
Maßnahme gegen die deutschen Bevölkerungsteile bedienen,
das Regime würde ein ähnliches sein wie in der Schweiz.
Begründet haben Sie es damit, daß
Sie aus der Unterdrückung im alten Österreich gelernt
hätten, nicht denselben Fehler zu begehen.
Da muß ich Ihnen sagen: Sie schufen andere
Verhältnisse, Sie nahmen den Weg der Gewalt, den Weg der
Unterdrückung, Maßregeln, zu denen Sie nach moralischem
und menschlichem Rechte nie berufen und berechtigt waren. Nur
ganz kurz: stellen Sie sich Ihre Maßnahmen vor in sprachenrechtlicher
Beziehung, das Sprachengesetz und die Sprachenverordnungen, nehmen
Sie die Kapitel des Schulwesens, der Beamten, der Enteignung der
Eisenbahnen, der Bodenreform, der Kriegsanleihe. Ich greife nur
heraus. Das waren Maßnahmen, die nur geeignet sein sollten,
den deutschen Besitzstand zu enteignen. Nun fragt es sich, ob
Sie damit wirklich Gutes taten, ob Sie das rechtfertigen konnten,
ob Sie dieses Verhalten auf die Dauer auch fortsetzen konnten.
Und warum konnten Sie das ganze System machen?
Weil Ihnen ein Apparat in der Form der Regierung zur Verfügung
stand, in dem sich Ihre sämtlichen Parteien in der Form der
allnationalen Koalition vereinigten. Wie war es möglich,
daß eine Koalition, von den Nationaldemokraten angefangen
bis zu den èechischen Sozialdemokraten acht Jahre bestehen
konnte? Das hat Dr Kramáø am
besten erklärt, indem er sagte: "Die allnationale Koalition
war ein Meisterwerk, aufgebaut auf dem reifen Nationalismus".
In dieser Beziehung erkläre ich Ihnen als Deutscher mit allem
Grund und aller Offenheit: Vor Ihrem Nationalismus habe ich den
allergrößten Respekt und ich wünschte mir, daß
mein Volk nur mit 50% dieses Nationalismus beseelt wäre.
(Souhlas a potlesk poslancù nìm. strany
nár. socialistické.) Ich
habe in der Revolutionszeit alle Ihre Maßnahmen verstanden
und psychologisch begreifen können. Ich habe es aber in der
weiter en Zeit nie begreifen können, wie Sie Ihr System fortsetzen
konnten. Ihr System, daß Sie innenpolitisch anwandten, daß
Sie aber auch außenpolitisch gegen das gesamte Deutschtum
anwandten. Die Außenpolitik ist Wege gegangen, die das gesamte
Deutschtum treffen sollten. Ich erkläre Ihnen heute Folgendes:
Sie mögen darüber denken wie Sie wollen, Sie kommen
um eines nicht herum, daß Sie bei jeder Gestaltung Mitteleuropas,
mag sie heißen wie immer sie will, nie über Deutschland
hinwegkommen, daß Sie nie den Anschluß Österreichs
an Deutschland verhindern werden. Der Anschluß Österreichs
an Deutschland ist bei der Bevölkerung geistig bereits vollzogen.
(Souhlas a potlesk poslancù nìm. strany
nár. socialistické.)
Wenn ich nun Ihre Außen- und Innenpolitik
bei kritischer Beleuchtung ansehe dann müssen Sie zugeben,
daß sich bei Ihnen große Kalkulationsfehler eingeschlichen
haben. Diese Kalkulationsfehler lagen einmal darin, daß
Sie mit anderen Verhältnissen in Rußland rechneten
und bezüglich Deutschlands auf lange Zeit andere Verhältnisse
erwarteten. Da sagt Dr Kramáø psychologisch
vollkommen richtig: "Wir haben auf einen riesig lange andauernden
Antagonismus zwischen den Siegern und dem besiegten Deutschland
gerechnet und damit war unsere Politik gegeben. Aber nicht immer
ist in der Politik 2x2=4, vorbei ist es mit den Phantasien, daß
wir ein wichtiger, sogar bewegender Faktor der europäischen
Politik sind, Rußland ist unsere slavische Katastrophe".
Warum spreche ich von dem Kalkulationsfehler?
Weil derselbe Fehler in anderer Beziehung sich auch auf deutscher
Seite zeigt. Ich will das ganze Kapitel nicht weiter berühren,
es ist politisch zu bekannt und ich möchte nun neben Ihre
Politik die Politik der Sudetendeutschen stellen. Nur eines möchte
ich noch sagen: Vor dem Kriege waren Sie gute Politiker, während
des Krieges waren Sie noch bessere Politiker, nach dem Kriege
wurden Sie schlechte Politiker, weil Sie sich die Verhältnisse,
die Sie im alten Österreich bekämpften, hier im eigenen
Hause schufen. (Souhlas poslancù nìm.
strany nár. socialistické. -
Posl. Moudrý: Das ist nicht wahr!) Bitte, Herr Kollege,
wenn das nicht wahr ist, trete ich dafür den Gegenbeweis
an. Das Rad der Geschichte ist in den Jahrtausenden nie still
gestanden. Nehmen Sie theoretisch an, es würde sich auch
Ihre Lage einmal ändern und Herren von Böhmen wären
andere, und die würden Gleiches mit Gleichem vergelten, Herr
Kollege, und würden Ihre Maßnahmen anwenden, dann würden
Sie sehen, wie schlechte Politiker Sie nach dem Kriege gewesen
sind!
Wenn ich nun zur sudetendeutschen Politik übergehe,
müssen wir das eine konstatieren, daß auch in der sudetendeutschen
Politik Kalkulationsfehler vorgekommen sind. Ich komme auf diesen
Kalkulationsfehler gleich zu sprechen: Der größte Kalkulationsfehler
lag darin, daß die sudetendeutsche Seite auch nicht damit
rechnete, daß der Staat jahrelang bestehen werde, auf diesen
Kalkulationsfehler baute man zum Teil eine Politik auf, die natürlich
nicht den Bedingugungen entsprach, wie sie gegeben waren. Nun
behaupte ich, daß nach einer bestimmten Zeit der Erkenntnis
der politischen Konstellationen der Staaten auf sudetendeutscher
Seite eine andere Politik eintreten mußte. Und dabei möchte
ich folgende Frage aufwerfen: Ist es auf sudetendeutscher Seite
gestattet, die nationalen Beziehungen, die nationale Zusammengehörigkeit
mit dem deutschen Muttervolk zu haben, sich eins zu fühlen?
Diese Frage beantwortet Dr Kramáø wieder,
indem er sagt: "Wir müssen den Nationalismus auch bei
andern anerkennen". Soweit sind Sie in der Erkenntnis vorgedrungen.
Dürfen aber Sudetendeutsche bei Ihnen von dem Begriff des
Selbstbestimmungsrechtes sprechen oder nicht und ich behaupte,
jawohl - ohne bei Ihnen den Eindruck von Irredentisten zu machen?
In Ihrer Verfassung, in der Proklamation sprechen Sie selbst vom
Selbstbestimmungsrechte, Sie bauen die Verfassung auf auf dem
Selbstbestimmungsrecht der Völker. Was Sie selbst für
sich in Anspruch nehmen, können Sie den andern nicht wehren,
besonders nicht dann, wenn Sie sehen, daß sich 3 1/2
Millionen Deutsche vom revolutionären auf den evolutionären
Standpunkt gestellt haben, das heißt nicht Krieg, sondern
friedliche Lösung. Von diesem Standpunkt aus also einmal
aufgeräumt damit, daß der Irredentist sein muß,
der vom Selbstbestimmungsrecht spricht. (Posl. Moudrý:
Ist das Ihr Standpunkt oder der Standpunkt Ihres Klubs?) Herr
Kollege, wenn Sie sich schon verpflichtet fühlen, mich zu
unterbrechen, dann will ich Ihnen etwas sagen: Ich sprach auf
der Reichsparteisitzung am 15. Juni von Selbstbestimmungsrecht
und diese Stelle wurde konfisziert. (Posl. Moudrý: Man
konfisziert auch unsere Zeitungen!)
Meine Herren, wenn ich mir überlegt habe,
was Ihren ganzen Gewaltmaßnahmen während der ganzen
Zeit, die Sie sie anwendeten, sudetendeutscherseits entgegenstand,
muß ich erklären, daß das wohl das traurigste
Kapitel ist, das man berühren kann. Wohl standen sudetendeutscherseits
alle in Opposition zu Ihnen, aber diese Opposition, sie hatte
nicht das geschlossene Gefüge, diese Opposition von 3 1/2
Millionen Deutschen stellte Ihnen nicht etwas entgegen, was Sie
oder den Staat zu jener Zeit aus den Fugen gerissen hätte,
denn diese 3 1/2
Millionen Deutschen, die sind nicht revolutionär, die können
nicht hassen, denn wenn sie hassen könnten, dann hätten
sie Ihnen die ganze Bude zerwichst! Und trotzdem Sie das gewußt
haben, trotzdem und nur aus diesem Grunde konnten Sie Ihre Maßnahmen
treffen. Die Sudetendeutschen boten ein Bild der Zerfahrenheit,
die unserer Lage keinesfalls entsprach. Denn ein Volk, das von
Maßnahmen betroffen wurde, wie Sie sich sie leisteten, das
mußte ein ganz fester Körper sein, das durfte nicht
in einem Maße zerspalten und zerklüftet sein, wie es
tatsächlich der Fall war. Der Tatsache mußten wir Rechnung
tragen. Aber einerseits machten die deutschen Sozialdemokraten
nicht in dem Maße mit, wie es sich gebührte und andererseits
kamen immer mehr zum Vorschein verschiedene Erscheinungen und
die Voranstellung gewisser Fragen. Und da möchte ich vorausschicken:
Als Politiker habe ich mich nicht auf den Standpunkt gestellt,
daß es richtig ist, einseitig nationalpolitische Belange
zu verfolgen, ich habe mich auch nicht auf den Standpunkt gestellt,
daß es richtig ist, einseitig wirtschaftliche Belange zu
verfolgen, sondern ich habe mich auf den Standpunkt gestellt,
daß nationalpolitische, kulturelle, wirtschaftliche und
auch soziale Dinge wie ein Räderwerk zusammenhängen
und von einander abhängig sind, genau so wie ich auf dem
Standpunkt stehe, daß die Wirtschaft selbst immer wie ein
Räderwerk ineinandergreift. Bleibt ein Rad stehen, so bleibt
das ganze Werk stehen. Und aus diesem Grunde kam es bei den verschiedenen
falschen Auffassungen, daß Standesinteressen voran gingen
reinen Volksinteressen. Dazu möchte ich folgendes sagen:
Gegen die ständische Bewegung ist absolut nichts einzuwenden
unter der Voraussetzung, daß sie die Unterordnung unter
den höheren Begriff in Form einer Volksorganisation oder
Volksgemeinschaft kennt und unter der Bedingung, daß die
Stände ihr Heil nicht im gegenseitigen Kampf erblicken, sondern
im gegenseitigen Verstehen, weil sie dann in diesem Moment Raum
und Platz bringen für kulturpolitische, nationalpolitische
Forderungen. (Souhlas poslancù nìm. strany
nár. socialistické.) Das
Parteiwesen, wie es auf deutscher Seite bestand, bot nicht die
Möglichkeit für jenen engen Zusammenschluß, und
so sahen wir, daß das Gebilde des parlamentarischen Verbandes
zerfiel, daß weitere Versuche zur Änderung scheiterten;
denn auf deutscher Seite hatte man zur Zeit Ihres Revolutionskonventes
nichts hineinzureden, zu einer Zeit, wo alle in Opposition standen.
Heute behauptet man, daß eigentlich die Lage auch nicht
anders geworden sei. Und aus dem Bilde der vollständigen
Zerrissenheit heraus unternahm Koll. Knirsch und meine
Wenigkeit den Versuch neuerlicher Verständigung. Ich will
es abkürzen, meine Herren. Das Bild der Zerrissenheit hatten
wir, das Bild der Verständigung und der Vernunft sollte an
seine Stelle treten. Ale behaupten, sie wollen die Verständigung
und niemals noch ist sie tatächlich zustande gekommen. Ich
erkläre Ihnen, daß die Auffassung über die Verständigung,
wie sie vorliegt, falsch ist. Die Verständigung, wie wir
sie brauchen, ist die Verständigung, die nicht auf den Lippen
sitzt, sondern ist die, die auf der linken Seite der Brust sitzen
muß. (Potlesk na levici.) Ich wollte mit Kollegen
Knirsch eine Verständigung herbeiführen, die
aufgebaut war auf vollständigem Vertrauen, aufgebaut sein
sollte für jede politische Situation, aufgebaut sein sollte
auf der Reife für einen Ausgleich von Volk zu Volk. Um diesen
Begriff war es mir ernst und für diesen Begriff brauchte
ich die Verständigung auf deutscher Seite, und für diesen
Begriff brauchte ich auch Verständnis bei Ihnen. Denn die
Devise lautet: "Ausgleich von Volk zu Volk". Und wenn
die Verständigung zustandegekommen wäre auf deutscher
Seite, dann wäre an Sie die Frage gerichtet worden: Meine
Herren, wollen Sie sich ernstlich mit uns verständigen und
ausgleichen? Und wäre diese Frage mit "Nein" beantwortet
worden, dann hätte diese Verständigung uns Deutsche
zu jeder Kampfgemeinschaft zusammenführen müssen, die
wir auch in diesem Falle gegen Sie brauchen. Nun ist die Meinung
verschieden. Der Verständigungsgedanke, wie er gepflogen
wurde, kam nicht vom Fleck, weil die Auffassung auf jeder Seite
eine verschiedene war, indem die einen sagten, eine Verständigung
unter den Sudetendeutschen kann nur zuwege kommen, wenn alle in
der Opposition sind oder sie kann nur zuwege kommen, wenn alle
in der Regierung sind, während ich auf dem Standpunkte stand,
daß gerade die Situation, wo ein Teil in der Regierung,
der andere außerhalb der Regierung steht, der geeignetste
Moment dazu ist, aus dem einfachen Grunde, weil in der Opposition
sowieso alle dasselbe tun, die Hände in die Höhe heben
gegen das Gesetz, während der Zustand, in dem wir uns befinden,
die Verständigung dringendst notwendig braucht. Warum? Es
traten seinerzeit auf Grund anderer Auffassungen die Deutschen
in die Regierung zu Ihnen ein und man hat behauptet, daß
die deutschen Regierungsparteien eben auch nicht weiter kommen,
beziehungsweise, daß die deutschen Regierungsparteien ein
System mitmachen, das zum weiteren Schaden der Bevölkerung
ist. Ich erkläre Ihnen hier, daß ich absolut nicht
die Absicht habe, mich zum Verteidiger der deutschen Regierungsparteien
aufzuspielen, eines aber erkläre ich und gestehe es frei
und offen ein: Den Eintritt der deutschen Regierungsparteien habe
ich für richtig gehalten. Über den Zeitpunkt, daß
sie vorzeitig eintraten, über den Modus, daß sie bedingungslos
eintraten, läßt sich streiten. Und da erkläre
ich Ihnen, daß hier vielleicht auf deutscher Regierungsseite
den Verhältnissen bei Ihnen vorgegriffen wurde. Hätte
man auf deutscher Regierungsseite die Zeit erwarten können,
dann wäre es zwangsläufig dazugekommen, daß Sie
an die Deutschen herangetreten wären, dann wäre aber
auch zwangsläufig die Stunde gekommen, wo die deutschen Regierungsparteien
an Sie für den Eintritt hätten Forderungen stellen können.
Und ich sage den deutschen Regierungsparteien Folgendes nach,
worin ich mit ihnen nicht übereinstimme: Sie sind bedingungslos
in die Regierung eingetreten, sie haben ihre Machtstellung, die
sie in der Regierung haben, zum Wohle des deutschen Volkes nicht
erkannt und sie haben auch den großen Fehler begangen, daß
sie den Zeitpunkt, wie lange sie in der Regierung bleiben, daß
sie den Modus, was sie mitmachen können, nicht abgeschätzt
haben, sondern bis jetzt restlos alles mitgemacht haben. (Potlesk
na levici.) Und ich erkläre, daß die deutschen
Regierungsparteien große Verantwortungen auf sich genommen
haben: die Gesetze, die die jetzige Koalition durchgeführt
hat, sind in ihrer Schwere und Tragweite für das deutsche
Volk von entscheidender Bedeutung und ich glaube, daß sich
die Regierung, die in eineinhalb Jahren zu einer Steuerreform,
zu einem Gemeindefinanzgesetz, einer Verwaltungsreform, Sozialversicherung,
wie sie jetzt kommen soll, Budgets in allnationaler Auffassung,
Militärvorlagen, daß sich diese Regierung unter allen
Umständen dadurch vielleicht die Lebensdauer selbst abgeschnitten
hat. (Výkøiky na levici.) Sie
werden das eine verstehen, daß Sie eigentlich den Herren
auf sozialdemokratischer Seite ein Propagandamittel in die Hand
gegeben haben, das sie unter keinen Umständen bekommen hätten
und ich habe dem Herrn Dr Meissner einmal gesagt,
es brauchten die Sozialdemokraten auf èechischer und deutscher
Seite überhaupt nichts unternehmen, die Maßnahmen der
Regierung sind dazu angetan, die Sache von selbst zu sprengen.
Nun werden Sie mich fragen: Wenn Du so sprichst,
was predigst Du dann die Verständigung? Deine Sprache ist
der Ausdruck der Unzufriedenheit mit den deutschen Regierungsparteien.
Jawohl, das stimmt. Aber ich muß auch auf der anderen Seite
erklären, daß die deutschen Regierungsparteien oft
den Ruf haben ergehen lassen: Helft uns, verstärkt unsere
Reihen, unterstützt uns, und es ist abgelehnt worden. Aus
dem Gedanken heraus, besser zu machen, mußte der Gedanke
der Verständigung auch zwangsläufig kommen. Wenn die
deutschen Regierungsparteien den Begriff der Opposition erfaßt
hätten, so wären sie ganz von selbst darauf gekommen,
daß sie zur Verbesserung, zur Durchführung ihrer Forderungen
einen Sukkurs und Unterstützung brauchen. Ich habe darüber
gestaunt, daß die deutschen Regierungsparteien eigentlich
in dieser Beziehung die Opposition sowohl der Nationalpartei als
auch der Nationalsozialisten nicht mit verantwortlich gemacht
haben und auf der anderen Seite erkläre ich, daß auch
die Opposition, soweit sie bürgerlich ist, den Zweck und
das Wesen der richtigen Opposition in dem Falle nicht richtig
verstanden hat. Denn ich habe neben dem rein nationalpolitischen
Problem auch das agrarpolitische, das sozialpolitische Problem
und alle anderen zu beobachten, weil letzten Endes ja schließlich
eines das andere erschlagen kann. Das Motiv war also gegeben,
das zum Zwecke der Verständigung notwendig war. Ich möchte
jetzt gleich darauf übergehen, wie man das Wesen der Verständigung
auf deutscher Seite dachte und möchte da folgendes sagen:
Die Verständigung auf deutscher Seite wurde von allen Mitgliedern
der namhaftesten Parteien aufgenommen und begrüßt.
Kollege Knirsch und ich erklärten im Ausschuß
damals, daß wir bereit sind, aktiv und positiv mitzuarbeiten
unter anderen Bedingungen als die deutschen Regierungsparteien
und knüpften daran den Begriff der Verständigung; und
der Begriff der Verständigung fand im Volke eine Aufnahme,
die dem Geiste des Volkes tatsächlich entsprach. Da geschah
leider auf der anderen Seite etwas, was nicht kommen durfte. Auf
den Begriff der Verständigung erfolgte im Hause die Rede
Windirsch über die Landesregierung, darauf folgte
die Ohrfeige Schollichs und dann folgte die gurgelnde Jauche.
(Veselost a výkøiky.) Nun
werden Sie sich vorstellen, daß ein Mensch, der den Verständigungsgedanken
mit Ernst und Willen aufnahm, diese Zustänstände nicht
tragbar finden konnte. Da möchte ich noch folgendes vorausschicken:
Als ich seinerzeit im Ausschuß über die Verständigung
sprach, kam ein Fehler seitens der Journalisten vor, indem sie
behaupteten, Dr Rosche hätte das lediglich für
seine Person ausgesagt, während ich in Wirklichkeit erklärte:
Ich erkläre für mich, in meinem Namen und im Namen der
Partei, daß wir bereit sind, aktiv und positiv mitzuarbeiten,
aber unter anderen Bedingungen als die deutschen Regierungsparteien.
Die Protokolle, die damals über den Budgetausschuß
aufgenommen wurden, legte ich der Partei vor und die Partei mußte
die Protokolle genehmigen, es kam die Berichtigung in der Zeitung,
daß hinter meinen Ausführungen meine Partei geschlossen
steht. Damals geschah das Merkwürdige, daß ich im Klub
um die Vollmacht ersuchte, mit den anderen Parteien verhandeln
zu können. Diese Vollmacht wurde mir aus ganz unerklärlichen
Gründen verweigert. Als sich damals im Hause diese Szenen
abspielten, glaubte ich den Augenblick gekommen zu sehen, daß
ich im Klub erklärte: Meine Herren, ich bin in der Lage,
den Gedanken zu verfolgen, wie Sie ihn haben, die Stellung, die
Sie beziehen, gutzuheißen; wer die Verständigung will,
kann auf keinen Fall diese Zustände dulden, wie wir sie jetzt
haben. Damals war in der Partei die Stelle des Klubobmanns seit
Monaten unbesetzt. Man hatte mir die Vollmacht nicht gegeben und
in diesem Moment setzte ich die Partei vor die Alternative: Entweder
macht mich die Partei zum Klubobmann, oder sie stellt mich parteilos,
oder ich stelle mich selbst außerhalb des Rahmens der Partei.
Warum habe ich das getan? Weil ich die Partei auf die Probe stellen
mußte, ob sie geschlossen hinter dem Verständigungsgedanken
steht. Damals hat die Partei der Klubobmannschaft zugestimmt,
aber ich mußte es erleben, daß die Partei hinausging
und unter den Parteigenossen für den Verständigungsgedanken
keineswegs in dem Sinne wirkte, wie ich ihn verfocht, so daß
ich mich am 15. Jänner in der Reichsparteileitungssitzung
über meine Auffassung zu verantworten hatte und daß
entgegen den Ansichten der Parlamentarier die Vertrauensleute
geschlossen mir recht gaben und forderten, daß die Parlamentarier
die Aktion, wie sie bezeichnet wurde, mit allen Kräften und
Mitteln zu unterstützen haben. Wenn ich das erwähne,
so geschieht es aus dem einfachen Grunde, weil damals die Situation
gegeben war, daß über Wunsch der Vertrauensleute die
Aktion fortgesetzt werde. Denn die Aktion versprach Fortschritte
zu machen, nachdem von sämtlichen Parteien die entsprechenden
Erklärungen abgegeben waren, im Sinne der Verständigung
zu wirken. Ich verweise in dieser Beziehung auf die Rede des Sen.
Ledebur im Senate, ich verweise auf die Rede des Sen. Jesser,
ich verweise auf die Rede des Abg. Ing. Jung in Troppau,
auf die Erklärungen des Sen. Tschapek und ich verweise
letztenends auf den Aufruf der Fünfzig, der am 18. Dezember
in der Zeitung erschien und der nichts anderes bezweckte als allen
Ernstes die Parlamentarier aller deutschen Parteien für den
Verständigungsgedanken zu gewinnen und sie zu ersuchen, endlich
den unsachlichen persönlichen Kampf, wie er in der Politik
geführt wird, beiseite zu lassen. Es mag der Außenwelt
ganz komisch erscheinen, daß die politischen Verhältnisse
unter den Parlamentariern derartige sind, die Begegnungen nicht
zulassen, weil die einzelnen Parlamentarier auf einen rein persönlichen
Kampf eingestellt sind. Ich aber vertrete die Ansicht, daß
mit einer rein persönlichen Kampfmethode keine sachliche
Politik zu Gunsten des Volkes gemacht werden kann. Deshalb erklärte
ich, daß für eine Verständigung in erster Linie
eine Begegnung auf anständige Art notwendig sei, Achtung
vor Menschentum und Menschenwürde. (Potlesk.) Hie
Verständigungsgedanke; auf der anderen Seite aber kam bereits
am 21. Dezember die Meldung, daß die Bemühungen um
Herbeiführung eines Vertrauensverhältnisses zwischen
den deutschen Regierungsparteien und der deutschen Opposition
als gescheitert betrachtet werden. Da kam über den Weg der
"Passauer Donauzeitung" ein Artikel, der zum Kampf
gegen die deutschen Regierungsparteien aufrief, eine Verständigung
sei unmöglich und, wie es in diesem Artikel hieß: "Kampf
gegen die Personen, die das System stützen". Der Pfeil
kam von rückwärts, der Verfasser des Artikels ist bekannt.
Und nun kommt das tragische an der ganzen Sache, daß auf
der einen Seite der Klubobmann mit dem Verständigungsgedanken
stand, auf der anderen Seite aber die eigene Partei diesen Kampfartikel
in die sudetendeutschen Blätter kolportierte. (Posl. Tichy:
Wer ist der Verfasser?) Das ist jetzt Nebensache Herr Kollege!
(Posl. L. Wenzel: Das ist Hauptsache!) Verfasser dieses
Artikels ist angeblich ein Herr Naschér, der Diktator oder
der Diktierer ist Herr Dr Dembitzký gewesen. (Hört!
Hört!)
Wenn heute also ein derartiger Standpunkt eingenommen
werden kann, daß man auf der einen Seite zugibt, man wolle
die Verständigung, auf der andern Seite aber in die Bevölkerung
hinausposaunt wird: Keine Verständigung, Kampf! Und wenn
diesen Artikel die eigene Partei verbreitet, dann kann es meiner
Ansicht nach keine Übereinstimmung in den Ansichten gegeben
haben. (Sehr richtig!) Die Verständigung wurde vom
Sen. Dr Brunar in Nikolsburg für so gut wie unmöglich
gehalten, indem er die These aufstellte, daß ein innerpolitisches
Ziel uns zu keiner Verständigungspolitik führen könne;
und dem widerspreche ich, weil ich der Ansicht bin, innerpolitisches
Ziel müßte die Selbstverwaltung sein, ein Ziel, das
uns alle auf eine gemeinsame Plattform bringen kann. (Potlesk.)
Der Begriff der Selbstbestimmung eilt der politischen Zukunft
voran, während der Begriff der Selbstverwaltung mit dem Selbstbestimmungsrecht
keinesfalls in Kollision ist, und das ist es, was die Bevölkerung
dringend braucht, in dieser Hinsicht stehe ich ganz auf dem Standpunkt
der deutschen nationalsozialistischen Arbeiterpartei, und ich
stehe auf dem Standpunkt, daß heute die deutsche Bevölkerung
die Selbstverwaltung in kultureller und in politischer Beziehung
unter allen Umständen verfechten muß. Wenn Dr Brunar
den Artikel in Nikolsburg auch klarstellte, so war damit die
Sache nicht aus der Welt geschafft. (Pøedsednictví
se ujal pøedseda Malypetr.)