Meine Damen und Herren! Ich bitte um Entschuldigung,
wenn auch ich nicht zur Sache spreche, sondern vielmehr zur Verwaltungsreform.
Es ist nicht mein Verschulden, daß dieses Thema nicht auf
der Tagesordnung zu finden ist, obwohl hiefür eine gesetzliche
Verpflichtung besteht, denn nach Art. 10, Abs. 6 des Gesetzes
Nr. 125 ex 1927 über die Organisation der politischen Verwaltung
ist die Regierung verpflichtet, wie es dort wörtlich heißt,
die Verordnung über das Verwaltungsverfahren beiden Häusern
der Nationalversammlung binnen 4 Wochen nach ihrer nächsten
Sitzung zur Genehmigung vorzu legen. Nun ist diese Verordnung
bereits am 13. Jänner dieses Jahres erschienen und unter
Nr. 8 S. d. G. u. V. vom 19. Jänner 1928 verlautbart worden.
Es sind also fünfmal vier Wochen verstrichen, ohne daß
bisher etwas von der Vorlage dieser Verordnung an das Parlament
bekannt geworden wäre. Meinem Dafürhalten nach hätte
sich zumindest der verfassungsrechtliche Auschuß schon längst
mit der Sache beschäftigen sollen und auch genug Grund gehabt,
die Verweigerung der Genehmigung hier im Parlament zu beantragen.
Es ist heute nicht am Platze, die schwerwiegenden
Bedenken aufzuzählen, die gegen viele Bestimmungen der Verordnung
mit ihren 137 Paragraphen erhoben werden können. Vorläufig
liegt mir nur daran, festzustellen, daß diese Regierungsverordnung,
wie es dort zum Schlusse heißt, am 1. Juli, also in 14 Tagen,
in Kraft treten soll und daß uns trotz der ausdrücklichen
gesetzlichen Anordnung bis heute noch nicht ermöglicht wurde,
hiezu überhaupt Stellung zu nehmen. Ich frage das hohe Präsidium,
was die Ursache für diese Verzögerung ist und warum
bei der Fülle an Stoffmangel, unter dem wir doch angeblich
leiden, nicht schon längst diese Verordnung wenigstens als
Lückenbüßer hier in Verhandlung gezogen wurde.
Im Senat hat man jüngst zwei alte Verordnungen ausgegraben,
darunter eine gleichfalls vom Beginn dieses Jahres, und man hat
sie nachträglich zur Genehmigung vorgelegt. Auch diese Verordnungen,
die den Senat schon beschäftigt haben und die das Hultschiner
Gebiet betreffen, sind bis heute hier im Abgeordnetenhause nicht
vorgelegt worden, trotzdem sie gewiß einschneidende Veränderungen
in der Verwaltung des Hultschiner Ländchens beinhalten. Post
festum erst dürfen wir hier Stellung nehmen und Ja und Amen
dazu sagen. Wirkt das nicht wie eine Verhöhnung des Parlaments,
wenn abgewartet wird, bis derartige Verordnungen, deren parlamentarische
Verhandlung gesetzlich vorgeschrieben ist, bereits längst
durchgeführt sind, oder die gar am Ende schon außer
Kraft gesetzt wurden, wie dies zum Beispiel bei einer Hultschiner
Verordnung bereits der Fall war? Bezüglich des Verwaltungsverfahrens
trifft das allerdings noch nicht zu; aber was nicht ist, kann
noch werden.
Vielleicht wird mir eingewendet werden, daß
man das Verwaltungsverfahren und das Verwaltungsstrafrecht, also
das Verwaltungsstrafgesetz und das Verwaltungsstrafverfahren,
wofür ja ein Gesetzentwurf vorliegt, unmittelbar miteinander
oder nacheinander in Beratung ziehen könne. Das wäre
gewiß verständlich, ändert aber nichts an der
Ungehörigkeit des Hinausschiebens der pflichtgemäßen
Vorlage. Man hat unnütz Zeit vertrödelt und vergeudet,
weil die führerlose Koalition sich über die wichtigsten
Dinge nicht einigen konnte, und jetzt wird alles Mögliche
und Unmögliche nach der bewährten Methode im Eilzugstempo
oder besser, moderner ausgedrückt, im Raketenflugzeugstempo
bis zu den Sommerferien erledigt werden. Liegt darin nicht ein
System, um das Parlament in den Augen der Öffentlichkeit
verächtlich zu machen, es in den Hintergrund zu drängen
und überhaupt auszuschalten? Soll auf diese Weise etwa die
absolutistische Beamtenherrschaft vorbereitet werden, wie sie
ja offenbar das Ideal der Väter der Verwaltungsreform ist?
Schon daß man überhaupt daran gedacht und ernstlich
erwogen hat, diese Verwaltungsreform in Kraft zu setzen, ohne
vorher die Wahlen für jene Körperschaften durchzuführen,
die im Gesetz doch angeblich zur Kontrolle der Verwaltung vorgesehen
sind, schon das zeigt, von einem solchen Tiefstand demokratisch-parlamentarischen
Empfindens und Gefühls der Koalitionsparteien, daß
man diesen Herrschaften auf reaktionärem Gebiete alles zutrauen
darf. Zwar vermeinen sie, sich auf die gesetzlichen Bestimmungen
der Verwaltungsreform beziehen und berufen zu können, wo
es heißt, daß solange die neuen Landes- und Bezirksvertretüngen
und deren Ausschüsse nicht gebildet sind, die ihnen zustehenden
Rechte von dem Landespräsidenten und hinsichtlich der Bezirke
von den Bezirkshauptleuten wahrgenommen und ausgeführt werden.
Aber gerade in dieser gesetzlichen Bestimmung liegt ja schon eigentlich
die gröbste Verletzung aller demokratischen Grundsätze,
um so mehr, als dadurch auch die Autonomie der Landesverwaltungen,
ja selbst der ernannten Bezirks- und Landesverwaltungskommissionen
von jeder Mitarbeit ausgeschaltet ist. Will man denn die ganze
Verwaltung ohne weiteres einer Beamtenclique in Pacht geben und
weiß man nicht, daß derjenige der Herr des Staates
ist, der die Verwaltung fest in seinen Händen hat?
In einer gestern erteilten Interpellationsbeantwortung
hat mir der Herr Minister des Innern bestätigt, daß
jene verfassungsrechtliche Bestimmung noch immer in Kraft ist,
wonach das Volk die einzige Quelle aller Macht im Staate darstellt.
Das ist ausdrücklich auch in dieser Interpellationsbeantwortung
wieder hervorgehoben, weil man sonst wahrscheinlich längst
nicht mehr hätte glauben dürfen und können, daß
dieser grundlegende Satz der Verfassung überhaupt noch Geltung
hat. Wie reimt sich aber damit, wie reimt sich mit diesem höchsten
Gesetz der Republik die Absicht, eine reine Beamtenherrschaft
in der Verwaltung aufzurichten? Caveant consules, ne quid detrimenti
res publica capiat. Aber wichtiger als die Verfassung und als
die Volkssouveränität ist den Herren der Koalition jedenfalls
der Kuhhandel um die verschiedenen Aemter und Pfründen, die
bei der Neuordnung der Dinge zu vergeben sein werden. Darauf allein
konzentriert sich ihre ganze Aufmerksamkeit, mag dabei aus der
Republik auch ein Polizeistaat werden, das ist ihnen ganz gleichgültig.
Die brave Bürgerschaft versucht man inzwischen im Zeichen
des 10jährigen Stiftungsfestes mit der politischen Schlafkrankheit
zu durchsuchen, damit sie nicht merkt, wie mit ihr Schindluder
getrieben wird.
Auch hier im Parlamente täuscht man ja
nur einen betrieb vor und schlägt mit verschiedenen Nichtigkeiten
die Zeit tot, die dringend notwendig wäre, um wichtige Probleme
zu erledigen, die einer Lösung harren. Man geht wie die Katze
um den heißen Brei herum und will sich offenbar die Pfoten
nicht mit derartig wichtigen Dingen verbrennen. Dazu gehört
aber nicht nur die Novellierung der Sozialversicherung, sondern
auch die Novellierung der Verwaltungsreform und die der Finanzreform
für die Selbstverwaltungsverbände, über die ja
mein Vorredner gesprochen hat.
Er hat schon darauf hingewiesen, wie unsere
Gemeinden und Bezirke dahinsiechen infolge dieses famosen Finanzgesetzes
für die Selbstverwaltung. Wir in Schlesien konnten bisher
aus der ersten Überweisungsquote für den Ausgleichsfond
kaum ein Zehntel des unbedeckten Ausfalles der Gemeinden, und
zwar bloß der Gemeinden decken, die nicht einmal ihren gesetzlichen
Verpflichtungen nachkommen können. Die Bezirke gingen in
ganz Schlesien bisher überhaupt vollkommen leer aus und nun
verfallen die Straßen, so daß schon gerichtliche Beweissicherungsaufnahmen
für kommende Schadenersatzklagen wegen Achsenbruches und
dergl. stattfanden. Das Land Schlesien verlangt deshalb vom staatlichen
Straßenfonds, der ja vom deutschen Arbeitsminister, Herrn
Dr. Spina, verwaltet wird, daß uns wenigstens eine
sofortige Vorschußzuweisung bewilligt wird, da schließlich
mit den Straßenrekonstruktionen und Ausbesserungen doch
nicht etwa bis zum Winter gewartet werden kann. Es heißt
doch bekanntlich in dem Gesetze, daß alle Subventionen erst
im letzten Vierteljahre zugewiesen werden. Davon haben wir natürlich
nichts; wenn wir es nicht bald bekommen, so werden die Straßen
in einen noch fürchterlicheren Zustand geraten und die Reparaturen
werden dann selbstverständlich viel mehr kosten, als jetzt.
Allerdings werden wir mit diesem Vorschuß
ja nicht auf die Dauer Abhilfe schaffen. Erst eine ausreichende
Zuweisung selbständiger Einnahmsquellen an die Bezirke und
Gemeinden kann Wandel schaffen, und dazu gehört eben eine
gründliche Änderung des Gesetzes, wie wir sie schon
im vorigen Jahre gefordert haben. Herr Minister Dr Engliš
hat seinerzeit erklärt, er stehe und falle mit der Finanzreform.
Der Augenblick scheint gekommen zu sein, wo mit dem Herzog auch
der Mantel fällt, und was für die Finanzreform der Selbstverwaltungen
gilt, das muß mutatis mutandis auch einmal hinsichtlich
der ganzen Verwaltungsreform eintreten. Auch da brauchen wir eine
Reform der Reform oder, sagen wir vielleicht, eine quadrierte
oder kubierte Reform, aufgebaut auf dem Grundsatze der Dezentralisation
und der Selbstverwaltung. Davon will aber wieder der Herr Minister
Èerný nichts wissen,
und auch er schwört heute, so wie seinerzeit Finanzminister
Dr Engliš hinsichtlich der Selbstverwaltungsfinanzen,
Stein und Bein darauf, daß es eine bessere Regelung der
Verwaltung überhaupt nicht geben kann.
Nun soll in 14 Tagen dieses Wunderkind auf
die Beine gestellt werden und bis heute sind nicht einmal die
Sitze der Bezirke definitiv bestimmt, ihre Finanzen sind vollkommen
ungeordnet, die Personalfragen sind ungelöst, von einer ordentlichen
Geschäftsverteilung ist keine Rede. Es ist geradezu verbrecherisch,
mit welcher Leichtfertigkeit die Vorbereitungen getroffen wurden.
Wie auf solche Weise der Amtsverkehr erleichtert und beschleunigt
werden soll - und das ist ja der Zweck der Verwaltungsreform -
wie die Verwaltung auf diese Weise vereinfacht werden soll, das
ist mir ein Rätsel. Auf den Eisenbahnen baut man bekanntlich
zu diesem Behufe die Doppelgeleise, in der Verwaltung aber reißt
man das gutfundierte Geleise der Selbstverwaltung weg und hofft
dadurch, den gleichen Erfolg zu erzielen, also eine Vereinfachung,
Beschleunigung, Verbesserung des Verkehres. Nun, wer daran glaubt,
dem ist nicht zu helfen, und wer von einer Verbilligung der Verwaltung
durch die Verstaatlichung träumt, zählt eben zu jenen
unverbesserlichen Optimisten, die niemals aussterben. Ich habe,
um nur ein Beispiel anzuführen, neulich errechnet, daß
die Straßenerhaltung durch den Staat pro Kilometer durchschnittlich
fast das Dreifache kostet wie bei der autonomen Verwaltung. Nun
so ähnlich wird es wahrscheinlich auch in den anderen Verwaltungszweigen
ausschauen und mit den vielgepriesenen Ersparungen würde
es somit Essig sein, wenn das Prinzip der jetzigen Verwaltungsreform
aufrecht bliebe. Aber die Kosten dieses Experimentes, das von
vornherein als grundverfehlt bezeichnet werden muß, werden
nicht die Urheber, die Väter dieses Gesetzesmachwerkes, zu
tragen haben, sondern, Gottlob, wiederum die geduldigen Steuerträger.
Jedenfalls werden diese Kosten nicht geringe sein.
Hunderte von Beamtenfamilien sollen plötzlich
übersiedeln. Wir haben namentlich in Schlesien eine ganze
Reihe von Umwälzungen zu erwarten, die in erster Linie auch
verschiedene Kollegen des Herrn Dr Luschka treffen werden,
der Mitglied des Achterausschusses ist und der mit beiden Händen
für das Gesetz gestimmt hat. (Posl. Heeger: Dafür
kommt er weg und uns bleibt der Adler!) Ganz richtig! Der
Adler wird uns verbleiben, das Wappen ist geblieben, alles andere
läßt man zugrundegehen. Dr Luschka ist doch
selbst Beamter und kann sich doch leicht vorstellen, wie es sein
wird, wenn es zu dieser Reform mit 1. Juli kommen sollte. Ganze
Familien sollen die Koffer packen und nach Brünn übersiedeln,
ob sie dort Wohnung finden, ob sie im Hotel werden wohnen müssen,
das weiß kein Mensch, das ist auch ganz gleichgültig.
Ob sie verheiratet oder ledig sind, ob es Familien mit vielen
Kindern sind, die in die Schulen nach Troppau gehen und die nun
plötzlich übersiedeln sollen - man kümmert sich
nicht darum, Beamte, Unterbeamte, Diener, alles wird wie Sachen,
wie Objekte behandelt. (Posl. Heeger: Weiß man schon,
wer Vizepräsident wird?) Das ist von der Koalition der
Schleier noch nicht gelüftet worden. Jedenfalls sind bei
der ganzen sogenannten Verwaltungsreform private persönliche
und Parteivorteile in erster Linie maßgebend, nur die hat
man im Auge, für alles andere sind Scheuklappen vorgesehen,
und ob da tausende bewährte Bindungen zerrissen werden sollen,
ohne Not, ob dabei Beamten und Privatpersonen wirtschaftliche
Schädigungen zugefügt werden, das ist ganz gleichgültig.
Die Troppauer werden darunter in erster Linie zu leiden haben.
Auch die Gleichgültigkeit demgegenüber ist eine Merkwürdigkeit,
denn eben dieses genannte Mitglied des politischen Achterausschusses
wohnt in Troppau, ist Mitglied der dortigen Gemeindevertretung
und müßte wohl in dieser Eigenschaft auch die Interessen
der Stadt Troppau wahrnehmen. Aber alles das hat keinen Eindruck
gemacht, diese Verwaltungsreform wird durchgeführt und damit
basta!
Auch daß die verschiedenen bisherigen
Bezirksstädte in Böhmen z. B. einen ungeheuerlichen
wirtschaftlichen Nachteil dadurch erleiden müssen, auch das
macht keinen Eindruck. Es ist ganz klar vorauszusehen, daß
durch die verschiedenen Umstellungen, die in den Beziehungen zwischen
Parteien und Behörden stattfinden, eine ganze Menge schwerster
Schädigungen hervorkommen werden, daß die Bevölkerung
insbesondere in den neuen Bezirken und Ländern das Recht
der freien Selbstbestimmung in ihren ureigensten Angelegenheiten
verlieren wird, in denen doch niemand so gut Bescheid weiß,
wie sie selbst, niemand so gut das Richtige treffen kann wie diejenigen,
um deren Wohl und Wehe es sich handelt. Trotzdem aber wird dieses
elende Machwerk in die Tat umgesetzt werden, oder wenigstens beabsichtigt
man heute noch, bloß daran herumzuflicken, vielleicht eine
Verschiebung vorzunehmen, aber nicht gründlich reine zu machen
und eine gründliche Novellierung dieses Gesetzes vorzunehmen.
Warum geschieht dies? Weil nicht nur der Pater Hlinka und
Genossen, sondern vielleicht auch der zukünftige Landespräsident
von Mähren-Schlesien von diesem neuzuschaffenden Landesgebilde
es so will oder weil seine Frau Gemahlin die Übersiedlung
nach dem heißgeliebten Brünn kaum erwarten kann. Man
suche nur immer nach dem weiblichen Einfluß und wird schon
das Richtige treffen. Bürokraten wie Èerný
glauben, alles vom grünen Tisch aus mit papierenen Maßnahmen
bewältigen zu können, und übersehen dabei, daß
auch in der Verwaltung das Recht nicht gemacht werden kann, sondern
gesucht und gefunden werden muß, ähnlich wie man die
Gesetze der Mathematik und Logik nicht machen, sondern nur finden
kann. Aber trotzdem wird an diesem üblen Gesetzesmachwerk
festgehalten.
Ich bin überzeugt davon, daß es
auf die Dauer unmöglich von Bestand sein wird, weder die
Verwaltungs-, noch die Finanzreform und auch die "Deutsche
Presse", das christlichsoziale Hauptorgan, gibt mir in dieser
Beziehung schon Recht und sagt im heutigen Leitartikel, der überschrieben
ist "Theorie und Praxis" wörtlich Folgendes: "Finanz-
und Verwaltungsreform waren vielfach von theoretischen Gesichtspunkten
bestimmt". Jetzt auf einmal entdeckt man das. "Die Theorie
hält sich an gerade Leitlinien, während die Praxis Umwege
geht". Nun fährt dieser Leitartikel fort: "Bei
der Durchführung des Gemeindefinanzgesetzes macht sich ein
Bürokratismus geltend, der in seiner einseitigen Einstellung
keine Rücksicht auf die Bedürfnisse der Bevölkerung
nimmt". Also jetzt hat man schon ein wenig Angst vor diesem
Bürokratismus, der keine Rücksicht auf die Bedürfnisse
der Bevölkerung nimmt. "So ergibt sich heute der unerträgliche
Zustand" heißt es in diesem Leitartikel des christlichsozialen
Hauptorgans - "daß ein der Verhältnisse unkundiger,
von keinem sozialen Gefühl geplagter Beamter auf Grund seiner
papierenen Richtlinien über das Wohl und Wehe der Gemeinden
und Bezirke entscheidet."
Bitte, was hier bezüglich des Gemeindefinanzgesetzes
gesagt wird, gilt selbstverständlich in vielfach erhöhtem
Ausmaße für das Verwaltungsreformgesetz; denn dort
wird geradezu die Omnipotenz dem betreffenden politischen Beamten
in die Hand gelegt, der ja die Verhältnisse nicht kennt,
wie es hier heißt, und von keinem sozialen Gefühl geplagt
sein wird, der sich bloß an papierene Richtlinien hält
und über Wohl und Wehe der Bevölkerung einfach entscheiden
wird, wie es ihm paßt. "Wir stehen", heißt
es weiter. "wir", die Christlichsozialen, "diesen
Verhältnissen machtlos gegenüber." Ein sehr schönes
Eingeständnis, von dem machtlos Vis-a-visstehen! (Posl.
inž. Jung: Teilnahme an der Machtlosigkeit!) Ja,
die Teilnahme an der Machtlosigkeit wird glänzend dokumentiert.
Die Begründung ist köstlich: "Weil die durch die
Verwaltungsreform zu schaffenden Vertretungskörper noch nicht
bestehen". Es wird also sofort besser werden, wenn diese
Vertretungskörper, die nur zum Augenauswischen geschaffen
werden, ins Leben gerufen sind, "die uns die Möglichkeit
geben könnten, auf die politische Verwaltung Einfluß
zu nehmen".
So stellt sich das der kleine Moritz vor, daß
man tatsächlich dann Einfluß nehmen kann, wenn man
zuerst einem Beamten sämtliche Macht in die Hand gibt, neben
ihn einen Verwaltungsausschuß einsetzt, der dann angeblich
die Möglichkeit haben wird, Einfluß zu nehmen. "Manche
Ungerechtigkeit könnte dadurch verhindert werden", meint
die "Deutsche Presse", "Ungerechtigkeit, die heute
vielfach eine gewisse Erbitterung gegen das Gemeindefinanzgesetz
hervorruft." Eine gewisse Erbitterung. Also es ist in diesem
Artikel merkwürdigerweise eingestanden, daß man mit
diesem Finanzgesetz absolut nicht zufrieden sein kann. Man versucht
aber, die Schuld nicht dem Gesetze in die Schuhe zu schieben,
sondern der Art der Durchführung dieses Gesetzes. Ich habe
erst neulich Gelegenheit gehabt, in Jägerndorf zu hören,
daß der Koll. Luschka in einer Versammlung erklärte,
wenn die Gemeinden in Schlesien und die Bezirke dort jetzt unter
dem neuen Gemeindefinanzgesetz so zu leiden haben, so ist nur
der Koll. Dr Koberg schuld; denn der ist Mitglied der Landesverwaltungskommission
für Schlesien und hätte die Aufgabe, dafür zu sorgen,
daß eben die deutschen Gemeinden und Bezirke Schlesiens
aus dem Dotationsfond entsprechend beteilt werden. Das ist so
ein jesuitischer Dreh, den man entsprechend niedriger hängen
muß, und man darf sagen, daß ein politischer Verwaltungsbeamter
einen solchen Unsinn eigentlich nicht über seine Lippen bringen
sollte. Denn er muß wissen, er, der selbst das Gesetz mitgeschaffen
hat, als führendes Mitglied der Koalitionsparteien, daß
das Gesetz zwingende Normen enthält, die einfach von den
Stellen, denen die Verwaltung obliegt, durchzuführen sind.
Es ist das also eine bewußte Verdrehung der Tatsachen, mit
der erarbeitet, und es ist gewiß nicht sehr rühmlich,
wenn man genötigt ist, mit derartigen Mitteln gegen den politischen
Gegner anzukämpfen. Das christlichsoziale Hauptorgan muß
zugestehen, daß eine Novellierung notwendig ist und sagt:
"Wie wir aus parlamentarischen Kreisen der deutschen christlichsozialen
Volkspartei erfahren, ist die Partei entschlossen" - man
höre! - "auf die Novellierung einzelner Bestimmungen
des Gemeindefinanzgesetzes hinzuwirken. Das Gemeindefinanzgesetz
trägt am stärksten" heißt es weiter - "den
Stempel der Theorie an der Stirn". Das ist wohl ein Hieb
auf den Herrn Finanzminister Dr Engliš, dem man immer
von dieser Seite als Theoretiker bezeichnet hat. "Wenn wir
eine Novellierung einzelner Bestimmungen verlangen, fordern wir
noch nicht den Kopf des Gesetzes." Das ist doch merkwürdig
ausgedrückt. "Wir verlangen nur eine Angleichung an
die Praxis." Das ist ein Quatsch, der nichts weiter verdecken
soll als die Notwendigkeit, dieses Gesetz zu novellieren, wie
es jetzt auch von christlichsozialer Seite anerkannt wird. Das
haben wir vorausgesagt, daß es nicht lange dauern kann,
man hat uns damals ausgelacht und immer wieder erklärt, das
Gesetz werde sich schon noch segensreich auch für unsere
Heimat auswirken, wie es der Herr Zierhut auch von der
Verwaltungsreform gesagt hat und wie man jetzt noch in den Koalitionsblättern
behauptet. Die "Heimat" hat erst neulich geschrieben,
daß es geradezu ein Glück ist, daß dieses Verwaltungsreformgesetz
geschaffen wurde. In einem halben Jahr werden wir ja hören,
wie die Herren darüber sprechen werden. Sie werden erst dann
die Wahrheit einsehen - weil sie scheinbar jetzt zu wenig Verstand
haben, um sich theoretisch die Auswirkungen vorstellen zu können
- bis sie in der Praxis gemerkt haben, wie sich das Gesetz an
ihrem eigenen Leib auswirkt, rücken sie davon ab und deshalb
werden sie auch diesmal nicht früher klug werden, als bis
sie den Schaden selbst gespürt haben.
Wir haben schon im Vorjahre gesagt, daß
sowohl das Gesetz über die Gemeindefinanzen, wie auch das
Gesetz über die Verwaltungsreform eine grobe Schädigung
der Interessen der gesamten Bevölkerung in diesem Staate
ohne Unterschied der Nationalität sind, selbstverständlich
in erster Linie auch eine Schädigung der Minderheiten und
insbesondere der Deutschen. Aber man hat uns nicht geglaubt, man
hat immer gesagt, die Verwaltungsreform werde sich segensreich
auswirken, und noch jetzt heißt es in dem zitierten Leitartikel
der "Deutschen Presse" von heute: "Die Verwaltungsreform
an und für sich bezweckt Ersparungen in der Verwaltung des
Staates und durch ihr Hinausschieben wird die Wirkung der Steuerreform
nicht unbedingt beeinträchtigt." Man hält also
an der Verwaltungsreform noch fest, verlangt, daß sie möglichst
bald durchgeführt werde, damit nicht durch das Hinausschieben
die Wirkung der Steuerreform bedeutend beeinträchtigt werde.
Das ist ein merkwürdiger Standpunkt, der noch ganz bestimmt
revidiert werden wird. Als ob die Herren an diese Ersparungen
durch die Verwaltungsreform wirklich glauben würden und glauben
könnten, wenn sie nur halbwegs bei Verstand wären! Genau
so wie früher bei dem Gemeindefinanzengesetz, wo man immer
von vielen Ersparungen gesprochen hat, die der Bevölkerung
zugute kommen, jetzt schon aber einsieht, daß das, was man
auf der einen Seite erspart, selbstverständlich auf der anderen
Seite durch Gebühren, Abgaben, Naturalleistungen, also durch
die Robot, von der heute schon die Rede war, wieder hereingebracht
werden muß. Es ist selbstverständlich, daß die
Gemeinden und Bezirke leben müssen, daß sie die notwendigen
Gelder zum Leben unter allen Umständen bekommen müssen
und daß man auf diesem Wege nichts ersparen kann.
Ähnlich wird es bei der Verwaltungsreform
sein. Man braucht das Geld für die Verwaltung, auch wenn
man das eine Geleise der Selbstverwaltung wegreißt. Man
wird alles dem Moloch Staat in die Hand geben. Es wird aber bald
so ausschauen, wie es bei den Staatsbahnen und anderen Betrieben
im Staate aussieht: Die Kosten werden nämlich das Dreifache
dessen betragen, was sie jetzt in der Verwaltung der autonomen
Körperschaften betragen. Es wird also von einer segensreichen
Auswirkung des Gesetzes jedenfalls keine Rede sein können,
und trotzdem sind biedere Volksvertreter, die von einem organischen
Aufbau einer guten Verwaltung, keine Ahnung haben, der Meinung,
daß es schon gehen wird, man möge nur abwarten, wie
sich die Dinge gestalten werden. Sie lassen sich durch den autoritären
Ton der ihnen erteilten Belehrungen von der Güte des neuen
ausgeheckten Systems überzeugen, und so kommen derartige
Gesetze zustande, wie die über die Finanz- und Verwaltungsreform,
und so bringt sich schließlich die Demokratie selbst um.
Ein Èerný diktiert,
und das Harakiri wird einfach vollzogen. Die Schlesier haben prompt
gegen Schlesien, also für seine Umbringung gestimmt, Deutsche
für die dauernde Entrechtung Deutscher, ja Vorstandsmitglieder
des Verbandes der deutschen Selbstverwaltungskörper haben
für die Vernichtung der Selbstverwaltung die Hand erhoben.
Alles über höheren Befehl, unter dessen Suggestion man
steht.
Auch jetzt, da offenkundig wird, daß
weder die Finanzreform für die Selbstverwaltungskörper,
noch die Verwaltungsreform irgendwie haltbar sein wird, sucht
man sich mit halben Maßnahmen und Galgenfristen fortzufretten,
und findet in der Koalition nicht den Mut, gründlich reinen
Tisch zu machen. Noch ist es nicht ganz klar, was der politische
Achterausschuß ausgeheckt hat. Man hat ja in letzter Zeit
es immer so gehalten, daß man den Mantel des Geheimnisses
über alles gebreitet hat, was dort ausgebrütet werden
soll. Man kann aber schon heute sagen, daß mehr als ein
schwächliches Kompromiß nicht herauskommen wird. Noch
lange nicht ist die Gefahr einer Beamtenwillkürherrschaft,
die im gegenwärtigen Gesetz über die Verwaltungsreform
verankert ist, glücklich überwunden, und die hohe Bürokratie
ist gerade jetzt wiederum sehr stark daran, eine möglichst
kontrollose Verwaltung herbeizuführen.
Das geht schon deutlich daraus hervor, daß
man sich einerseits mit der Einrichtung einer verfassungsrechtlich
gewährleisteten Verwaltungsgerichtsbarkeit der unteren Instanzen
Zeit läßt, andererseits aus dem krampfhaften Bemühen,
sogar dem Obersten Verwaltungsgericht den Garaus zu machen.
Fundamentum regnorum justitia! Dieser Grundsatz scheint auf dem
Gebiet des öffentlichen Rechtes bei den èechoslovakischen
Staatsbehörden nicht besonders geliebt zu sein. Sonst müßte
es doch als, selbstverständlich erscheinen, daß die
Organe der Verwaltung wenigstens die Plenarentscheidungen
des Obersten Verwaltungsgerichtes in allen analogen Fällen
beachten würden, was bekanntlich leider nicht der Fall ist.
Namentlich die sprachenrechtlichen Entscheidungen des Obersten
Verwaltungsgerichtes haben Anlaß dazu geboten, Sturm gegen
dieses Oberste Verwaltungsgericht zu laufen. Gelänge es nun
wirklich einmal diesen Oberbürokraten, mit Hilfe einer willfährigen
Mehrheit den Wirkungskreis des Obersten Verwaltungsgerichtes auch
nur einzuengen, dann wäre damit die Èechoslovakische
Republik aus der Reihe der zivilisierten Staaten ausgestoßen
und weit hinter den letzten Balkanstaat zurückgeworfen. Oder
rechnen sich es die èechischen Koalitionsleute und mit
ihnen vielleicht auch die Neoslaven vom Schlage eines Windirsch
zur Ehre an, in solcher Weise die Führung der Kleinen Entente-Genossen
zu besorgen, oder glauben sie, so am leichtesten eine Rechtsangleichung
mit den übrigen sogenannten slavischen Nationalstaaten ins
Werk zu setzen, von der Minister Hodža
jüngst so schwärmte? Ich glaube, es wäre
viel gescheiter und auch für die Èechen selbst besser,
eine nachbarliche Annäherung an die Rechts- und Verwaltungsverhältnisse
des Deutschen Reiches zu suchen, statt in südosteuropäische
Balkanmethoden zurückzufallen. Die Èechen
als westlichste Slaven haben alle Ursache, die vielgeschmähte
deutsche Selbstverwaltung wieder an ihren alten angestammten Platz
zu setzen. Nur durch die freie Selbstverwaltung und ihren Geist
kann der scheindemokratische Absolutismus, der in dieser reaktionären
Verwaltungsreform versteckt ist, einmal völlig überwunden
werden.
Das scheint auch die Ansicht des Herrn Staatspräsidenten
zu sein, der nach Zeitungsmitteilungen gestern in Trebitsch in
Mähren auf eine Begrüßungsansprache als Antwort
folgendes sagte: "Ich bin ein Freund der Selbstverwaltung;
durch die Selbstverwaltung wird die Demokratie vervollkommnet
und insbesondere können durch eine entsprechende Regelung"
- also entsprechende Regelung! - "der Selbstverwaltung alle
Minderheitsprobleme gelöst werden. Durch die Selbstverwaltung
nehmen die Bürger an der staatlichen Administrative teil,"
sagte Präsident Masaryk. "Es liegt an der Bevölkerung,"
meinte er, "daß sie sich durch ihre politische Reife
und politische Bildung erfolgreich an der Staatsverwaltung beteiligen
kann. Es versteht sich von selbst, daß die Vorbedingung
der Selbstverwaltung die Loyalität zur Republik bildet"
usw.