Úterý 12. èervna 1928

Ich habe heute einen Beleg darüber in der Hand, wie die Staatseisenbahnverwaltung im alten Österreich èechischen Gemeinden im Hinblick auf die Stationsbezeichnung und die Aufschriften entgegengekommen ist, ganz anders als es heute geschieht. Übrigens: Hebung des Verkehrs! Bekanntlich das Schlagwort, das wir immer und immer wieder von den Funktionären des Eisenbahnministeriums hören. In dieser Hinsicht bleibt allerdings sehr viel zu wünschen übrig. Man braucht nur an Sonn- und Feiertagen die überfüllten Züge anzusehen und begreift, daß jeder, der hiezu Gelegenheit besitzt, ein anderes Verkehrsmittel vorzieht. Ich habe es selbst am Pfingstmontag in Freiwaldau erlebt, mit welch bodenloser Leichtfertigkeit sich unter dem jetzigen System der Dienst abspielt und wie wenig Rücksicht hiebei auf die Reisenden genommen wird. In drangvoll fürchterlicher Enge mußten sich viele Hunderte zwischen den Sitzen, in den Gängen und selbst an den verschwiegenen Orten herumdrücken. (Výkøiky posl. Krebse.) Ich selbst bin während dieser Fahrt - ich bitte zu entschuldigen, wenn ich es offen sage - auf einem Abortdeckel gesessen. Das war der einzige freie Sitzplatz, und wenn ich ihn nicht gehabt hätte, hätte man mich überhaupt nicht mitfahren lassen. (Posl. Krebs: Kommerzialisierung der Eisenbahnen!) Sehr richtig, gerade an der unrichtigen Stelle beginnt man damit. (Rùznì výkøiky na levici.) Über die Irrwege der Handelspolitik, von welcher ein èechisches Blatt kürzlich sehr richtig behauptete, daß sie sich gegenwärtig in einem Stadium der Impotenz und Stagnation befinde, wird bei einer anderen Gelegenheit ausführlich zu sprechen sein. Ich will die Gelegenheit nicht vorübergehen lassen, ohne mich auch mit den Zuständen im Hultschiner Ländchen zu befassen. Der Ausnahmszustand, welcher bisher dort herrschte, wird ja nun wohl sein Ende finden. Ob dies jedoch auch das Ende des durch ihn eingeleiteten Systems bedeutet, steht auf einem anderen Blatt. Die Bevölkerung dieses Gebietes soll mit allen Mitteln einer nachgerade orientalischen Paschawirtschaft kirregemacht werden.

Trotzdem die Parlamentswahlen des Jahres 1925 zeigten und alle seither stattgefundenen Gemeindewahlen neuerlich bestätigten, daß die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung deutsch gesinnt ist, gilt es im ganzen Gebiet nicht eine einzige deutsche Schule. Die deutsche christlichsoziale Partei besitzt dort eine förmliche Monopolstellung. Trotzdem sie Regierungspartei ist, hat sie es bisher nicht verstanden, einen Wandel der Dinge herbeizuführen. Eines ihrer Mitglieder, Herr Slany, hat zwar sämtliche Parlaments- und Pressestimmen über das Hultschiner Ländchen gesammelt, eine Sammlung, die sehr lehrreiche Aufschlüsse gibt, aber von einer wirklichen Tätigkeit dieser Regierungspartei für das Hultschiner Ländchen, das sich ihr anvertraut hat, ist nichts zu verspüren.

Und nun etwas über die Schmerzen sämtlicher Selbstverwaltungskörper. Das Gesetz über die Finanzgebarung der Selbstverwaltungskörper zeitigt bereits in allen Gemeinden und Bezirken die von uns vorausgesagten katastrophalen Wirkungen. Ihre Ursache liegt vor allem darin, daß der Staat den Gemeinden Einnahmen entzogen hat, die ihnen bis dahin zustanden, und in der Beschränkung der Umlagenhöhe, aber auch in den ungeheueren Rückständen bei Überweisung der Zuschläge zu den direkten Staatssteuern. Die "Verbandsnachrichten der deutschen Selbstverwaltungskörper" brachten einmal hierüber eine ausführliche Zusammenstellung, die Bände spricht, und bringen überdies in jeder Nummer derartige weitere Mitteilungen. Aus ihnen ist zu ersehen, daß eine der Ursachen der Finanznot der Gemeinden und Bezirke auch in den Zuständen bei den Steueradministrationen zu suchen ist. Kein Selbstverwaltungskörper besitzt beispielsweise gegenwärtig die Möglichkeit, auch nur mit einiger Genauigkeit die Grundlage für die auszuschreibenden Umlagen zu ermitteln. Eine Änderung in dieser Hinsicht ist unbedingt notwendig und mit ihr sollte sich das Finanzministerium sehr ernstlich auch während des Urlaubs des Herrn Finanzministers beschäftigen, statt stets nur auf die angeblich unwirtschaftliche Gebarung der Selbstverwaltungskörper hinzuweisen. Eine Gegenüberstellung der Anforderungen an den Dotationsfond und der Überweisungen aus diesem beweisen klipp und klar die Unhaltbarkeit des jetzigen Gesetzes. Hiefür nur einige Beispiele. Teplitz: Anforderung an den Dotationsfond 5,177.825, darauf geleisteter Vorschuß 250.000 Kè. (Posl. Krebs: Nicht einmal einen Beamtengehalt!) Sehr richtig! Kosten 2,372.705, Vorschuß 120.000; Turn 3,438.740, darauf geleistet 120.000; Tetschen 1,653.190, darauf geleistet 100.000; Bodenbach 5,102.846, darauf geleistet 200.000 usw. Man ersieht aus diesen lächerlichen Beträgen, mit welchen schwindlerichen Angaben seinerzeit bei Behandlung dieser Regierungsvorlage gearbeitet wurde. (Posl. Geyer: Das Ungeheuerlichste sind aber die neuen Mustervorschriften, die dieselben Einnahmen neuerlicher Besteuerung unterwerfen! - Posl. Heeger: Nur mit dem Unterschied, daß den Reichen geschenkt und den Armen genommen wird!) Das ist überhaupt das Kennzeichen des Systems. Daß das Gesetz unhaltbar ist, wird heute schon von seinen eigenen Vätern zugegeben. Seine Abänderung ist dringend notwendig, u. zw. noch vor der Abfassung der Voranschläge der Gemeinden und Bezirke für das Jahr 1929. Mit dieser Frage hat sich bereits eine ganze Zahl von Gemeindevertretungen befaßt. Eine Entschließung, welche in einer Sitzung des Verbandes der Bürgermeister und Gemeindevorsteher für den politischen Bezirk Freudenthal angenommen wurde, faßt die notwendigen Änderungen folgendermaßen zusammen: 1. Erhöhung der Höchstgrenze für die Gemeindeumlagen auf 300, bzw. 400%; 2. direkte Zuweisung des Anteiles aus der Umsatzsteuer in dem früheren Ausmaße; 3. direkte Zuweisung eines Anteiles aus der Personaleinkommensteuer; 4. direkte Zuweisung eines Anteiles an der staatlichen Getränkesteuer; 5. Rücküberwälzung des Verpflegskostenfünftels im Sinne des § 21 des Gesetzes Nr. 77 an die. Länder; 6. Ermöglichung eines billigen Kredits zu ermäßigtem Zinsfuß für Investitionszwecke bei den sozialen Anstalten und 7. Befreiung der Gemeindeunternehmungen von der Erwerbssteuer und Anerkennung ihrer Gemeinnützigkeit. Ich bemerke hiezu noch, daß wir diese Forderungen auch in einer Interpellation meines Klubs verarbeitet haben.

Und nun etwas über die Verwaltungsreform. Das Rätselraten über ihr Inkrafttreten ist noch nicht beendet, aber ihre Auswirkungen zeigen sich bereits. Bezirke werden aufgelöst, Schulbezirke zusammengelegt. Eine ganze Anzahl von Bezirken wendet sich bereits gegen die beabsichtigte Auflösung und fordert die Errichtung von Verwaltungsbehörden erster Instanz. Dies ist nicht nur bei deutschen, sondern auch bei èechischen Bezirken der Fall. Ein èechisches Blatt und auch der "Svaz èeskoslovenských mìst" haben sich gegen die größeren Verwaltungseinheiten ausgesprochen und dagegen Stellung genommen, daß den kleineren Städten, welche bisher Sitz von Bezirksvertretungen waren, diese weggenommen werden. Die Begründung für diese Stellungnahme, welche auch wir uns zueigen machen, liegt darin, daß die Auflassung der kleinen Verwaltungsbezirke keinerlei Ersparnis bedeutet, insoferne als die größeren Verwaltungsgebiete stärker besetzte Ämter und größere Reisekosten erfordern. Der offenkundigste Nachteil dieser größeren Gebiete liegt aber in ihrer Unübersichtlichkeit und in der Benachteiligung der Bevölkerung durch zu weite Reisen zum Sitze der Verwaltungsbehörden.

Im Zusammenhang damit steht die Frage der Schulbezirke. Übrigens eine Frage an den Schulminister: Wo bleibt eigentlich die Schulautonomie, die doch bereits am 1. Juli des Vorjahres in Kraft treten sollte? (Posl. Krebs: Xmal angekündigt wurde sie!) Jawohl, xmal angekündigt, sehr richtig. Ein Jahr ist verflossen und man hört seit den Mitteilungen über einen gründlich verunglückten Entwurf, dessen Inhalt rechtzeitig bekannt wurde, um die Durchführung zu verhindern, nichts mehr von dieser Frage. Wenn die deutschen Regierungsparteien schon nichts anderes erreichen, so müßte die Forderung nach Schulautonomie für sie eine Kardinalforderung bedeuten. Leider sind sie dieser Aufgabe anscheinend nicht im geringsten gewachsen. Ich erinnere mich noch der traurigen Rolle, welche gelegentlich einer Vorsprache der Mitglieder des deutschen parlamentarischen Ausschusses beim Minister Dr. Hodža am 13. Juli des Vorjahres die Angehörigen der deutschen Regierungsparteien, vor allem aber der Obmann des Ausschusses, Abg. Hodina, spielten. Dieselbe schwächliche Haltung nehmen die genannten Parteien übrigens auch in der Frage der Selbstverwaltung auf anderen Gebieten ein, wie z. B. bei der Sozialversicherung. Welche Stellung sie in der Sprachenfrage beim Gewerbe einnehmen, das werden wir ja sehr bald sehen. Nach dem, was sich im Ausschuß ereignet hat, haben wir hier auch nicht die Hoffnung, daß die Herren den Wünschen nach Änderung des § 54 der Gewerbeordnung im èechischen Sinne nicht Rechnung tragen werden. Statt einer Besserung der Verhältnisse bedeutet die Teilnahme der Deutschen an der Regierung eine offenkundige Verschlechterung selbst auf jenen Gebieten, die keineswegs mit einer grundsätzlichen Änderung der Verhältnisse verknüpft sind. Wie soll dann erst eine Verfassungsänderung erzielt werden? Ich habe eingangs den Wortlaut der von meiner Partei in den Umsturztagen abgegebenen staatsrechtlichen Erklärung verlesen. Sie fußt auf der Inanspruchnahme des Selbstbestimmungsrechtes auch durch unser Volk, ein Standpunkt, der übrigens nicht nur von uns Nationalsozialisten, verfochten wird, sondern auch noch nach den Wahlen 1925 von sämtlichen deutschen Parteien des Parlaments geteilt wurde. Beweis dafür ist u. a. die vom jetzigen Minister Dr Spina am 18. Dezember 1925 im Abgeordnetenhaus im Namen der gegenwärtigen deutschen Regierungsparteien und meiner Partei abgegebene Erklärung. Neben dem Selbstbestimmungsrechte, dessen Verwirklichung von der Entente als ihr Kriegsziel ausgegeben wurde - erst dieses Kriegsziel schuf ihr die Helfershelfer im Lager unseres Volkes, ohne welche dieses niemals niedergerungen worden wäre - ist es das Vermächtnis der sudetendeutschen Landesregierungen der Umsturzzeit, das unsere Politik von allem Anfang an bestimmte. Auch dieses Vermächtnis ist in der erwähnten Erklärung enthalten. Es heißt on ihr u. a.: "Deshalb verlangen wir, daß auch der Aufbau des Staates und die Art, wie er regiert wird, sich nach den Bedürfnissen und Forderungen aller ihn bewohnenden Völker richtet". Diesem Bekenntnis trugen wir Rechnung, als wir bei Behandlung der Regierungsvorlage über die Verwaltungsreform in Abgeordnetenhaus und Senat in den Reden Jung und Teschner und in den von ihnen eingebrachten Anträgen die Anerkennung des Sudetendeutschtums als einer den Èechen und Slovaken gleichberechtigten Nation die Gleichberechtigung unserer Sprache, die Selbstverwaltung unserer Schule und unser sudetendeutsches Land verlangten. In diesem Verlangen liegt nur die Forderung nach Einlösung jenes Versprechens, welches Ministerpräsident Švehla in seiner am 15. Oktober 1926 abgegebenen Regierungserklärung gab.

Die Forderung nach Selbstverwaltung erstreckt sieh übrigens nicht allein auf das Sudetendeutschtum. Auch Frankreich kennt diese Frage und es behandelt sie, wie der Colmarer Prozeß zeigte, in derselben Form, in welcher die ihr verbündete Èechoslovakei derartige Fragen zu lösen pflegt. Zwischen Èechen und Franzosen scheint wirklich eine durch gleiche Blutwesensheit bedingt Verwandschaft zu bestehen. (Posl. Krebs: Herr Dr Beneš ist Fachmann für Minderheitsfragen!) Der paßt dazu, da hat man den Bock zum Gärtner gemacht!

Pøedseda (zvoní): Upozoròuji pana øeèníka, že uplynula jeho øeènická lhùta.

Posl. inž. Jung (pokraèuje): Ich werde sofort schließen. Ich verweise auf die nationale Autonomie der Slovenen in Kärnten und auf eine bevorstehende ähnliche Lösung im Deutschen Reiche. In beiden Fällen handelt es sich, was sehr wesentlich ist, zum Unterschied von uns Sudetendeutschen um kleine Minderheiten. Denn die Slovenen in Kärnten zählen nur 1,7%, sämtliche Minderheiten des Deutschen Reiches bloß 4,4%. Da jedoch von der letzteren Zahl auch noch die Friesen und Holländer als Stammesgenossen in Abzug gebracht werden müssen, ebenso aber auch das eine Prozent Juden, so bleiben in Wirklichkeit nur 3%. Bei den kürzlich stattgefundenen Reichstagswahlen erzielten die Minderheiten sogar nur 2%. Und es ist nun sehr heiter, festzustellen, wie die vom Präsidenten Masaryk bekanntlich als "unerlöst" hingestellten Wenden gewählt haben. Es hat sich dabei gezeigt, daß von diesen zwei Prozent ein geradezu verschwindender Teil Wenden sind. Demgegenüber beachte man, daß die Volksgenossen im Elsaß und in Lothringen 2 Millionen und wir Sudetendeutsehen gar 3,5 Millionen stark sind. Erst an dieser Gegenüberstellung gemessen, sieht man, was wir Deutsche unter "herrschen" verstehen im Gegensatz zu den angeblich demokratischen anderen Völkern und welcher tiefe und unüberbrückbare Gegensatz trotz ministerieller Symbiose zwischen Völkern bestehen kann. Wir Nationalsozialisten kämpfen für ein großes Ziel. Wir sind jedoch keine Träumer, die nur nach den Sternen blicken und darüber die Steine auf der Straße übersehen. Wir kennen die Hemmnisse, die sich unserem Streben auch innerhalb unseres Volkes entgegenstellen: Den Materialismus und die mit ihm Hand in Hand gehende seelische Verlotterung und kulturelle Verlumpung, die geflissentlich geförderte Feigheit weiter Volkskreise. Wir kennen aber auch die Macht einer großen Idee und sind bereit, ihr zu dienen. Diese Idee gipfelt in der Verwirklichung des Staates nationaler Freiheit und sozialer Gerechtigkeit. Dies im Jubiläumsjahr auszusprechen, halten wir für unsere Pflicht. (Souhlas a potlesk nìm. nár. socialistických poslancù.)

2. Øeè posl. Schäfera (viz str. 40 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! Die politischen Zustände in der Èechoslovakischen Republik haben unter der grün-schwarzen Koalition eine Entwicklung aufzuweisen, die zu ernsten Betrachtungen herausfordert. Von einem wirklichen parlamentarischen Leben, von einer sachlichen und gewissenhaften Überprüfung der wichtigsten Fragen im Parlamente ist keine Rede mehr. Alle Angelegenheiten werden erledigt unter dem Gedanken, die Arbeiterklasse damit zu treffen, werden in Angriff genommen, nur zu dem Zwecke, um die Bourgeoisie, das Agrariertum politisch und wirtschaftlich zu stärken. In der Zollpolitik ist das zum Ausdruck gekommen, in den darauffolgenden Gesetzen lebt derselbe Geist, die Verwaltungsreform räumt mit den Resten der Selbstverwaltung auf, die wir noch gehabt haben, und wie es mit der Sozialpolitik in der Èechoslovakei gegenwärtig aussieht, das kann man am besten beurteilen, wenn man in Betracht zieht, daß an der Spitze dieses Ministeriums Pater Šrámek steht. Unter ihm stockt die sozialpolitische Gesetzgebung und die soziale Fürsorge vollständig. Aber man gibt sich nicht damit zufrieden, von staatswegen alles einzuschränken und einzustellen, was an sozialen Fürsorgemaßnahmen notwendig ist, und getan werden sollte, man geht jetzt unter dem neuen Gemeindefinanzgesetz sogar daran, die soziale Fürsorge der Gemeinden und Bezirke vollständig zu erwürgen. Vor einigen Tagen hat in Kaaden der Vertretertag der deutschen Landeskommission für Jugendschutz und Kinderfürsorge stattgefunden. Wer die Tätigkeit der Landeskommission nur einigermaßen kennt, weiß, daß von ihr aus manches für den Schutz der Jugendlichen und der Kinder getan worden ist. Natürlich konnten diese Leistungen nur mit Hilfe von Zuwendungen der Gemeinden und Bezirke vollbracht werden. Aber nun, unter der Herrschaft des grün-schwarzen Bürgerblocks, nimmt das ein jähes Ende. Eine derartige Behandlung in Fürsorge- und Kulturfragen ist wohl in keinem Staate außer der Èechoslovakei möglich. Gegenwärtig haben wir in Brünn eine Kulturausstellung der Èechoslovakei. Auf dem Vertretertag der Landeskommission für Jugendschutz und Kinderfürsorge wurde mit Recht erklärt, man müßte auf diese Kulturausstellung die Jahresvoranschläge der Gemeinden und Bezirke schicken, in denen jede Ausgabe für soziale Zwecke gestrichen wird. (Sehr gut!) Die Bezirke dürfen nicht mehr für die Kinder der Arbeitslosen Mittel bereitstellen, sie dürfen Blindenanstalten nicht mehr unterstützen, sie dürfen keine Beträge der Landeskommission für Jugendschutz und Kinderfürsorge mehr zuweisen. Sie dürfen nichts mehr für die Waisenhäuser hergeben. Alle diese Beträge in den Voranschlägen werden einfach gestrichen. (Posl. Heeger: Dafür aber für die Errichtung von Fronleichnamsaltären!) Das ist unter der jetzigen grün-schwarzen Koalition eine viel wichtigere Sache als die Unterstützung armer Kinder, als die Hilfe, die Gemeinden und Bezirke in bescheidenem Maße den Ärmsten im Staate gegeben haben. Diese Zustände und vor allem die Tatsache, daß das ganze parlamentarische Leben unter dem Diktat und unter der Selbstherrlichkeit der "Osmièka" leidet, die sogar den Ausschüssen vorschreibt, wie sie zu entscheiden haben, die Tatsache, daß wir vor einem völligen Zusammenbruch der ganzen sozialen Fürsorge stehen, die Tatsache, daß die Politik des Bürgerblocks und des Großbauerntums die Arbeiter-Klasse schwer drückt, sie zur leidenschaftlichen Erbitterung treibt, veranlassen uns, in dieser ersten Sitzung nach der langen Pause folgende Erklärung abzugeben:

Die trockene Feststellung, daß wir heute am 12. Juni die erste Sitzung des Abgeordnetenhauses seit dem 23. März zu verzeichnen haben, charakterisiert am besten die politischen Verhältnisse in diesem Lande und den Mißbrauch, der von den Mehrheitsparteien dieses Hauses mit den Institutionen des Parlamentarismus getrieben wird. Denn es waren nicht etwa Zeiten politischer Windstille, in der den Volksvertretern Ferien wohl zu gönnen wären, sondern es haben sich im Gegenteil gerade in der Parlamentspause die wichtigsten politischen Ereignisse zugetragen. Diese Ereignisse bedeuten für die Regierungsmehrheit eine Kette schwerer Niederlagen. Die Fanfarentöne über die granitne Festigkeit der Koalition und über die restlose Durchführung ihres Programms sind verstummt und wir stehen heute vor einer vollkommen ratlosen, vollkommen zerfahrenen, vollkommen aktionsunfähigen Koalition. Im Vordergrund des allgemeinen Interesses und natürlich auch im Mittelpunkte unserer Erwägungen steht nach wie vor der Kampf um die Sozialversicherung, in deren Mittelpunkt neben einer ganzen Reihe von Verschlechterungen des Gesetzes die Paritätsfrage steht, die mit einer ganzen Reihe von Verschlechterungen im Gesetze überhaupt und in der Selbstverwaltung der Arbeiterkrankenversicherungsanstalten verbunden ist. Wir sprechen der Mehrheit, die nicht auf das Programm der Verschlechterung der Sozialversicherung gewählt worden ist, nach demokratischen Grundsätzen das Recht ab, an das Gesetz ihre zerstörende Hand anzulegen und sagen allen dahinzielenden Aktionen die Fortsetzung, die Verschärfung, die Steigerung unseres Kampfes an.

Aber wenn die Koalition in der Frage der Sozialversicherung unterliegt - und eine Niederlage bedeutet für sie schon das bisherige Ergebnis - welche Lebensberechtigung hat sie überhaupt? Auf welchem Gebiete vermag sie noch etwas Positives zu leisten? Ihre größte Leistung, sozusagen ihr Monumentalwerk, war die Verwaltungsreform, freilich ein Monumentalwerk des engstirnigsten Polizeigeistes und des Machtdünkels, für das èechische Bürgertum ein Verrat seiner alten demokratischen Traditionen, eine Preisgabe der einst so zäh verteidigten Selbstverwaltung, für die deutschen Regierungsparteien eine restlose Kapitulation vor der chauvinistischen Ideologie des Herrn Dr. Kramáø. Aber wie sieht es mit der Durchführung dieses Monumentalwerkes aus? Ist es nicht grotesk, daß ein Monumentalwerk durch persönliche Fragen, durch den Streit der Parteien um die Besetzung der maßgebenden Stellen in die größten Schwierigkeiten gebracht wird? Und was ist mit der Ausschreibung der Wahlen? Fühlen sie von allen sachlichen und verwaltungstechnischen Problemen abgesehen, nicht die Schande, die in der Verschiebung der Wahlen liegt? Die Wahlen finden auf Grund eines verschlechterten Wahlrechtes statt, sie sind mit allen Garantien der Unschädlichkeit für das Regierungssystem umgeben: hat eine Regierung, die sich nicht einmal zu solchen Wahlen zu stellen wagt, überhaupt noch eine Existenzberechtigung? Gescheitert in der Sozialpolitik, gescheitert in der Innenpolitik suchen die Bürgerblockparteien ihre Erfolge vielleicht auf dem Gebiet der unmittelbaren Vertretung kapitalistischer Interessen, in der Wirtschaftspolitik. Wie haben sich die Bürgerblockpolitiker aufgeblasen, als die große Konjunkturwelle in der ganzen Welt auch die Èechoslovakei ein Stückchen mitnahm. Heute stehen sie auch hier vor Trümmern und Scherben. In der Flachsindustrie Ostböhmens sind die Betriebe stillgelegt, tausende Arbeiter müssen gezwungen feiern, mit den Familienangehörigen sind 50.000 Menschen zum Hunger verurteilt. Was hat die Regierung getan? Welche Hilfsmaßnahmen hat sie eingeleitet? Der Herr stellvertretende Ministerpräsident hat - nach vielen Winkelzügen - eine Deputation aus dem Notstandsgebiet vorzulassen geruht, kühl bis ans Herz hinan hat er sie angehört und, ohne positive Auskunft zu geben, sie wieder entlassen. Was kümmert eine Bürgerblockregierung auch das Schicksal von 50.000 Proletariern? Ja, wenn es Generäle oder Verwaltungsräte oder Restgutbesitzer wären! An allen Ecken und Enden flammen große Lohnkonflikte auf, der Streik in der Glasindustrie hat sich gefährlich zugespitzt, die Regierung sieht einfach mit verschränkten Händen zu. Die Zuckerindustrie ist in einen schweren Notstand geraten, wir haben von der Regierung noch nicht gehört, was sie zu tun gedenkt. Will sie die Zuckerbarone auf Kosten der Konsumenten sanieren oder will sie untätig bleiben, wenn tausende Arbeiter auf das Pflaster geworfen werden? Will sie dem Zuckerkartell jenen Steuernachlaß gewähren, den sie den Konsumenten seit Jahren hartnäckig verweigert? Die Regierung antwortet nicht, weil sie rat- und hilflos ist. Wirft doch auch die englische Zollpolitik - Zucker und Knöpfe - das vollständige Stokken aller Handelsvertragsverhandlungen, der offene Zollkrieg mit Polen, der versteckte Zollkrieg mit dem verbündeten Jugoslavien, ein sehr merkwürdiges Licht auf die Voraussicht der Regierung in wirtschaftlichen Dingen. So sieht die Wirtschaftspolitik der grün-schwarzen Koalition aus; und mit der Finanzpolitik steht es womöglich noch schlimmer. Herr Dr Engliš hat umsonst seine sozialpolitisch angehauchte Vergangenheit preisgegeben, umsonst sein theoretisches Rüstzeug in den Dienst kapitalistischer Profitgier gestellt. Er fällt als erstes Opfer; aber die ganze Finanzpolitik des Bürgerblocks ist zusammengebrochen im finanziellen Zusammenbruch der Selbstverwaltungskörper, den kurzsichtiger Haß gegen die Tätigkeit der Arbeiter in der Selbstverwaltung und der maßlose Drang der Kapitalisten, sich an der Steuerreform zu bereichern, verschuldet hat. Die deutschen Christlichsozialen rufen heute nach Novellierung des Gemeindefinanzgesetzes. Aber wir werden den klaren Tatbestand nicht verdunkeln lassen, daß sie mit allen Parteien des Bürgerblocks die Katastrophe herbeigeführt haben, vor der ihnen nun selbst zu grauen beginnt. Wenn sie das Gemeindefinanzgesetz novellieren, so erwerben sie damit kein Verdienst um die Selbstverwaltung, sondern bekennen nur den Zusammenbruch ihrer sinnlosen Politik.

Zusammenbruch, Niederlage, Wirrwarr auf allen Linien. Außenpolitisch ohne Programm und politische Konzeption, handelspolitisch isoliert, innerpolitisch zerrüttet, wirtschaftspolitisch, finanzpolitisch von unabsehbaren Krisen bedroht, in der Sozialpolitik unfähig, etwas zu schaffen und kaum noch stark genug, zu zerstören, in der Kulturpolitik völlig unfruchtbar, das ist die Regierung der starken Hand, die Regierung der Ordnung und der Konsolidierung. Das ist die Regierung, die uns vor nicht ganz zwei Jahren die Lösung des schwersten èechoslovakischen Problems des nationalpolitischen, verhieß, und die heute gerade noch fähig ist, eine Kundgebung zu verbieten oder eine Zeitung zu konfiszieren, aber mit keinem der Probleme fertig wird, vor die sie gestellt ist und die sie zum Großteil selbst leichtsinnig und übermütig ins Rollen gebracht hat.

Was bleibt der Regierung übrig? Will sie sich von einem faulen Kompromiß zum andern fortschleppen, bis sie im Sumpf erstickt, oder will sie, mag auch das deutsche Beispiel noch so peinliche Besorgnisse wachrufen, wenigstens halbwegs in Ehren sterben? Abtreten, das Haus auflösen, dem Volk die Möglichkeit geben, den Ausweg selbst zu suchen, den sie durch ihre Politik verrammelt hat, das wäre das einzige Mittel, das die Regierung noch wenigstens vor der Verachtung retten könnte, nachdem sie sich den Zorn, die Empörung, die Flüche der verelendeten Volksmassen reich verdient hat.

Indes, die Situation ist dem Bürgerblock ebenso bekannt wie uns. Es liegt an den Blockparteien, welche Konsequenzen sie daraus ziehen wollen. Was immer die Blockparteien beschließen mögen, die Arbeiterklasse geht ihren Weg, den Weg des mutigen Widerstandes, die Organisierung der Volksmassen, der Zusammenfassung aller Kräfte des Proletariats, der Fortsetzung des Kampfes bis zum Sturz des reaktionären Systems, bis zum Sieg der Arbeiter! (Potlesk nìm. soc. demokratických poslancù.)

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