Úterý 12. èervna 1928

Pøíloha k tìsnopisecké zprávì

o 140. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní

republiky Èeskoslovenské

v Praze v úterý dne 12. èervna 1928.

1. Øeè posl. inž. Junga (viz str. 20 tìsnopisecké zprávy):

Meine Damen und Herren! Volle drei Monate war das Parlament ausgeschaltet. Die Pausen sind im Prager Parlamentarismus nachgerade das Hauptsächlichste. Als erster Redner meiner Partei lege ich vor allem Protest gegen diese nun schon typisch gewordene Ausschaltung des Parlamentes ein. Man wird es wohl begreiflich finden, daß ich die Gelegenheit benütze, alle die Beschwerden, die sich während der parlamentslosen Zeit angesammelt haben, vorzubringen.

Vor allem verweise ich auf den von meinem Klubkollegen Krebs im sozialpolitischen Ausschuß bereits vorgebrachten Protest gegen die Verschleppung der Novellierung des Gesetzes über die Pensionsversicherung der Privatangestellten, ferner gegen die Nichtvorlage des Gesetzes betreffend die Unterstützung der Überalten und endlich gegen die Verschleppung der Novellierung der Kriegsbeschädigtengesetze. Ich schließe mich diesem Protest an, unterstreiche ihn.

Und nun ein Wort über die Sozialversicherung. Seit Monaten steht der Kampf um die Sozialversicherung im Mittelpunkte der politischen Lage. Die ursprüngliche Regierungsvorlage betreffend die Abänderung des Sozialversicherungsgesetzes vom 9. Oktober 1924 wurde von allen sozialistischen Parteien einmütig abgelehnt. Ja selbst aus den Reihen der Regierungsparteien erhoben sich Stimmen, welche vor gewissen Bestimmungen der Vorlage warnten. Als hauptsächliche Grundlage der allgemeinen Ablehnung wurde die in §§ 37 bis 43 der Novelle vorgeschlagene Einführung der Parität bei der Verwaltung der Krankenkassen und die mit § 19 vorgesehene Aufhebung der Kassenverbände bezeichnet. Der Unterausschuß des sozialpolitischen Ausschusses hat sich durch Monate mit der Vorlage beschäftigt und es hatte den Anschein, als ob die Regierungsparteien bereit wären, in dieser wichtigen, für hunderttausende Arbeiter entscheidenden Gesetzesvorlage den Standpunkt der Arbeiterparteien anzunehmen oder ihnen doch entgegenzukommen. In der heutigen Sitzung des sozialpolitischen Ausschusses wurde die Regierungsvorlage durch einen neuen Entwurf ersetzt. Allerdings liegen bis zur Stunde nur die §§ 1 bis 15 vor, so daß ein abschließendes Urteil über die Einstellung der Regierungsparteien zu den erst in den späteren Paragraphen behandelten Fragen der Parität und der Kassenverbände noch nicht möglich ist. Namens meines Klubs habe ich mit aller Entschiedenheit zu erklären: "Wir deutschen Nationalsozialisten werden jede Vorlage, welche die Aufhebung der Kassenverbände bringt und die Parität in der Verwaltung der Krankenkassen einführen will, mit aller Entschiedenheit bekämpfen. (Souhlas na levici.) Wir sind bereit, dem Beschluß der anderen sozialistischen Parteien, den schärfsten Kampf gegen eine solche Vorlage zu führen, beizutreten. Wir würden den Kampf in geschlossener Front miit den schärfsten Mitteln bis zur parlamentarischen Obstruktion mitführen. Wenn auch dieses Mittel versagen sollte, so sind wir für die Niederlegung der Mandate durch alle Arbeiterparteien." Das ist die Erklärung, die ich namens meines Klubs hier abzugeben habe.

Und nun gestatten Sie, daß ich auch zu verschiedenen anderen Fragen Stellung nehme. Vor allem wende ich mich gegen die Durchführung des Gesetzes zum Schutze des heimischen Arbeitsmarktes. Herr Koll. Schubert vom Bund der Landwirte hat seinerzeit die Regierungsvorlage im Hause über den grünen Klee gelobt. Die vom Fürsorgeministerium unterdessen herausgegebenen Richtlinien dürften ihn, falls er überhaupt belehrbar ist, inzwischen eines Bessern belehrt haben. Sie zeigen, daß unsere Anschauung durchaus richtig war, daß es sich auch hier um nichts anderes als um die Verdrängung Deutscher handelt. Denn andere Personen kommen unter den Ausländern kaum in Betracht. Eine Beschränkung des Aufenthaltes im Auslande im Einzelfall bis zu drei Wochen, im Wiederholungsfalle bis zu 6 Wochen bedeutet, daß die Betroffenen für den Arbeitgeber hiedurch minder wertvoll werden. Ich beschränke mich hier auf diese kurzen Darlegungen und verweise auf die diesbezüglich von uns eingebrachte Interpellation.

Und nun einige Beschwerden, die den Herrn Justizminister angehen. Es freut mich, daß ich in der Lage bin, sie in seiner Gegenwart vorzubringen. Es handelt sich hier vor allem um einen ungeheuerlichen Korruptionsfall, der allerdings mehr in das Wirkungsgebiet des Innenministeriums hineinspielt und in allererster Reihe den damaligen Innenminister Malypetr betrifft. Eine am 14. März d. J. vor dem Pressesenat in Prag durchgeführte Ehrenbeleidigungsklage gegen einen gewissen Dr. Emil Margulies hat einen geradezu haarsträubenden Fall von Korrumpierung des öffentlichen Lebens aufgedeckt. Es handelt sich um eine Angelegenheit, welche zur Zeit der letzten Parlamentswahlen spielt. Damals wurde einem gewissen Markus Ungar durch den damaligen Innenminister Malypetr - es handelt sich um unseren heutigen sehr geschätzten Herrn Präsidenten - für die Wirtschaftspartei moralische und materielle Unterstützung im Wahlkampfe zugesichert. Er erhielt 100.000 Kè in Bargeld und überdies wurde ihm (Posl. Krebs: Woher? Aus dem Dispositionsfond?) Sehr richtig. Aus dem berühmten Reptilienfond. Überdies wurden ihm 28.000 Kè für den Druck der Kandidatenlisten erlassen. Im Gegensatz hiezu ist der Staat noch heute meiner Partei einen Betrag von 11.000 Kè schuldig, auf den sie das Recht besitzt, der ebenfalls aus den Parlamentswahlen herstammt und zwar daher, daß wir im Senatswahlkreis Brünn nicht in allen Bezirken kandidierten. Statt uns diesen Betrag auszuzahlen, war man schmutzig genug, ihn uns zu verweigern; wir mußten diesbezüglich bis an das Verwaltungsgericht gehen und obwohl dieses zu unseren Gunsten entschied, haben wir den Betrag bis zum heutigen Tage, trotz mehrfacher Urgenz noch immer nicht ausbezahlt bekommen. (Posl. Krebs: Der Innenminister Èerný hat selbst versprochen, die Sache zu regeln! Das ist eine Schande, ein Skandal!) Ich habe selbst einigemal mit dem Innenministerium telephoniert und werde von Tag zu Tag vertröstet. Bis zum heutigen Tage ist uns also der Staat 11.000 Kè schuldig, während anderen Parteien, die gefügig sind und die für irgendwelche Zwecke gebraucht werden, Hunderttausende gegeben werden. (Výkøiky posl. Krebse.) Wir haben diese Angelegenheit in Interpellationen sowohl im Senat als auch im Abgeordnetenhaus behandelt; ich habe mich aber bemüßigt gesehen, sie auch in offener Haussitzung vorzubringen.

Ein weiteres Kapitel, das besonders den Herrn Justizminister angeht, ist die geradezu haarsträubende Zensurpraxis. Ich will mich bloß auf zwei sehr kennzeichnende Fälle beschränken. In Heft 2 unserer Monatsschrift "Volk und Gemeinde" wurde in einen von mir verfaßten Aufsatz, "Der Nationalsozialismus, sein Werdegang in Mitteleuropa" folgende Stelle beschlagnahmt: "Zum nationalen, aber auch sozialen Staat aller Deutschen Mitteleuropas haben wir uns seit jeher auf unseren Parteitagen und völkischen Tagungen, aber auch auf dem Boden des Prager Parlaments bekannt. Dieses offene Bekenntnis bildete auch den Kernpunkt der politischen Entschließung unserer letzten Gesamtleitungssitzung. Wann wir dieses Ziel erreichen, steht dahin. Zaghafte mögen abseits bleiben, Materialisten erklären, sie hätten nichts davon. Wir streben und ringen, wir bauen und säen die Saat. Einst reift die Ernte, der freie deutsche Staat mit freien hochgemuten Menschen. Mögen die einen der Vergangenheit nachtrauern, die anderen am Schmutz und Sand einer öden geist- und seelenlosen Gegenwart hängen. Unser ist die Zukunft! Ob unsere Idee früher oder später, ob mit oder ohne Erschütterungen sich durchsetzen wird, wissen wir nicht, aber daß sie sich durchsetzen wird, daß einmal die Hakenkreuzfahne, die Banner des Deutschen Reiches sein werden, das wissen wir!" Diese Stelle ist also beschlagnahmt worden. In unserem Blatt "Der Tag", Folge 85 vom 1. Mai l. J. wurde folgende Stelle beschlagnahmt: " Mögen alle anderen untreu werden, wir bleiben treu und müssen uns selbst getreu bleiben, wenn wir jemals das große Ziel unserer Bewegung verwirklichen wollen, jenes große Ziel, das ja auch schon aus der soeben angeführten Erklärung herausklingt, das aber mehr noch in Erscheinung tritt in jener staatsrechtlichen Erklärung, die einst an geschichtlicher Stätte in der konstituierenden Nationalversammlung Deutschösterreichs von unserem Freunde Knirsch abgegeben wurde. Am 21. Weinmonds werden es 10 Jahre her sein. Sie ist und bleibt unsere Richtschnur, denn sie verknüpft die beiden Gedanken unserer Weltanschauung, den nationalen und den sozialen, zur Einheit, zum Staatsgedanken der Zukunft: Deutschland wird nationalsozialistisch sein, oder es wird überhaupt nicht sein." Der Herr Zensor hat sich bemüßigt befunden, diese Worte der Kenntnis der Leser zu entziehen, vermutlich unter dem Eindruck des Wahlspruches des Staates, "die Wahrheit siegt!", allerdings die Wahrheit, wie die Herren sie sich vorstellen. (Výkøiky na levici.) Es handelt sich bei dieser Stelle um einen bloßen Hinweis auf die vom Koll. Knirsch am 21. Oktober 1918 namens unserer Partei abgegebene staatsrechtliche Erklärung, welche folgenden Wortlaut hatte: "Wir nationalen Sozialisten lehnen den Gedanken an eine Vereinigung Deutschösterreichs zu einem Staatenbunde mit den aus dem alten Österreich erstehenden slavischen Staaten von vornherein ab. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda Horák.) Im nationalen, sozialen und kulturellen Interesse fordern wir den staatsrechtlichen Anschluß Deutschösterreichs als Bundesstaat an das Deutsche Reich. Die Regelung der außenpolitischen und der Handelsbeziehungen zu den neuerstehenden Nachbarstaaten kann nur unter dem Gesichtspunkte der Interessen des Gesamtdeutschtums erfolgen, muß also Sache aller im Deutschen Reich vereinigten Bundesstaaten sein. (Další dvì vìty byly usnesením pøedsednictva posl. snìmovny ze dne 12. èervna 1928 podle §u 9, lit. m) jedn. øádu vylouèeny z tìsnopisecké zprávy. Viz str. 57 této tìsnopisecké zprávy.)

Diese Erklärung ist die ganzen Jahre hindurch bis zum Amtsantritt der jetzigen Regierung, also bis zu dem Zeitpunkt, da wir Gleiche unter Gleichen geworden sind und ein Deutscher Justizminister wurde, anstandslos veröffentlicht worden. Es ist dies eigentlich selbstverständlich oder sollte wenigstens selbstverständlich sein, weil es sich um eine geschichtliche Tatsache handelt, um ein Vorkommnis, das mit der Geschichte des Umsturzes untrennbar verknüpft ist. "Die Wahrheit siegt", lautet der Wahlspruch des Staates. Dann aber müssen seine Regierenden auch den Mut besitzen, die geschichtliche Wahrheit zu hören. Unter dem deutschen klerikalen Justizminister wird aber sogar der einfache Hinweis auf eine geschichtliche Tatsache beschlagnahmt. (Posl. Krebs: So haben unsere Zeitungen noch niemals ausgeschaut, wie in dieser Zeit! Es ist eine Schande für die Èechoslovakische Republik, wie die Zeitungen jetzt ausschauen! - Rùznì výkøiky. Sehr richtig!) Seitdem Mayr-Harting Justizminister ist, sind die Bocksprünge der Zensur einfach überhaupt nicht mehr zu ertragen. (Posl. Simm: Auch vieles andere ist böser geworden.) Sehr richtig! Es zeigt sich die ganze Kriecherei der deutschen Regierungsparteien. (Posl. Simm: Noch niemals waren so viel Deutsche hinter Kerkermauern!) Das ist ein sinnfälliges Beispiel für die Gesinnung, die Nackensteife und den Einfluß der deutschen Minister. Das zweite Beispiel lieferte kürzlich der deutsche Arbeitsminister, als er den Ministerrat untertänigst um die Erlaubnis fragte, ob er Schirmherr eines deutschen Festes werden dürfe und sich vom Ministerrat die Teilnahme an diesem Fest verbieten ließ. Beide Beispiele kennzeichnen am besten den niederträchtigen Schwindel, der in der Behauptung liegt, daß wir nunmehr Gleiche unter Gleichen sind und sie kennzeichnen gleichzeitig die ganze Knieweichheit dieses deutschen Regierungskurses. (Posl. Simm: Zu jedem Sokolfest rückt die ganze Regierung aus!) Die Herren fragen eben nicht, während die deutschen Minister, wenn sie einen Schritt unternehmen, ergebenst um die Erlaubnis ansuchen. Wenn ich vom Justizministerium spreche - es tut mir leid, daß der Herr Justizminister unterdessen davongelaufen ist - so will ich in diesem Zusammenhang auf das Urteil eines èechischen Universitätsprofessors über die Entartung der Justiz hinweisen. Es handelt sich um einen Aufsatz des Universitätsprofessors Dr. Hora, erschienen in der Zeitschrift "Právník". Prof. Hora unterzieht dort den Kurs in der Justizverwaltung einer vernichtenden Kritik; er führt vor allem aus, wie heute die Richter förmlich dazu gepreßt werden, gegen ihre Überzeugung zu handeln und er führt wörtlich Folgendes an: "Bedenken wir, wenn sich die Richter, die in der Achtung vor den Gesetzen erzogen wurden und diese Achtung noch immer im Blute haben, zur Verletzung der Gesetze hinreißen lassen, wie wird es mit dem Nachwuchse stehen, der schon beim Eintritt in den richterlichen Dienst diese Nichtachtung der Gesetze wie ein Gift langsam, aber sicher wirkend in sich aufnimmt!" Ich habe dieser Kritik von èechischer Seite nichts hinzuzufügen.

Zu den offenkundig von der Justizverwaltung geradezu geforderten oder zumindest geförderten Gesetzesverletzungen gesellen sich die kleinlichen Schikanen der Verwaltungsbehörden. Als kennzeichnendes Beispiel hiefür führe ich das Verbot des bekannten Lichtbildervortrages des Koll. Wenzel durch die Polizeidirektion in Mährisch Ostrau an. Dieser Vortrag konnte unbeanständet, nachdem es freilich zuerst immer Rummel und Aufregung gegeben hatte, an mehreren Orten stattfinden; nur die genannte Stelle verbot sein Stattfinden in Neu-Oderberg mit der lächerlichen Begründung, daß die Partei zur Veranstaltung eines solchen Vortrages nicht berechtigt sei. Weil diese Begründung... (Posl. Krebs: Wenn diese Begründung nur nicht gar so blöd wäre!) Ja, sie haben eingesehen, daß sie Trottel sind und haben eine zweite Begründung dazu gegeben. Weil diese Begründung offenkundig zu fadenscheinig war, wurde noch die gefährdete Ruhe und Ordnung herangezogen. Diese Gefährdung erfolgt, wie ich aus eigener Erfahrung weiß, in Neu-Oderberg gewöhnlich durch einige èechische Eisenbahner, die offenkundig eigens zu diesem Zweck dorthin versetzt wurden. Auch mich haben sie einigemale zu stören versucht. Nachdem ihnen aber einmal ein solcher Störungsversuch ewas übel bekommen ist, habe ich von diesen Herrschaften nun Ruhe, was allerdings die Verwaltungsbehörden nicht hindert, gelegentlich sich auf sie als Nothelfer zu berufen. Unsere Ortspartei hat den Rekurs an die politische Landesverwaltung in Troppau eingebracht. (Posl. Krebs: Gibt es die überhaupt noch?) Vorderhand noch, wir wissen aber nicht, wie lange, das wissen nicht einmal die Herren von den Regierungsparteien. Diese politische Landesverwaltung hat selbstverständlich die gegen das Verbot eingebrachte Berufung verworfen. Aus diesem Beispiel kann man ersehen, welcher Freiheiten sich die deutschen Staatsbürger im Zeichen der "Gleiche unter Gleichen" erfreuen. Der Èeche kann ungestört randalieren, kann alles mögliche tun, der Deutsche darf nicht einmal Vorträge veranstalten. Aber nicht nur die unteren Verwaltungsbehörden leisten sich allerhand Stückchen.

Die obersten Behörden gehen mit schlechtem Beispiel voran. Das erhellt aus dem Vorgehen des Ministeriums für öffentliche Arbeiten und des Fürsorgeministeriums gegen die Prager Privatanstalt für Taubstumme in Smíchov. Ich lese das diesbezügliche an unseren Klub gerichtete Schreiben der Oberdirektion dieser Anstalt vor. Es beleuchtet diesen Skandal - anders kann man dieses Vorgehen nicht nennen - sehr deutlich.

Das Schreiben lautet: "Die im Jahre 1786 gegründete Prager Privatanstalt für Taubstumme in Smíchov erbaute ohne Beihilfe der Staats- oder Landesbehörden, lediglich mit Hilfe von Beiträgen, Stiftungen und Legaten von Wohltätern, ein zweckentsprechendes, von einem großen Garten umgebenes Gebäude. In diesem wurden 160 arme, taubstumme Kinder untergebracht, denen ohne Rücksicht auf Religion, Nationalität oder politische Partei der Eltern Erziehung und Bildung zuteil wurde. Dieses Gebäude wurde als einziges aller Wohltätigkeitsanstalten im Jahre 1919 teilweise, im Jahre 1921 gänzlich seitens der Regierung für das statistische Amt beschlagnahmt. Als Ersatz wurde der Oberdirektion das Schönborn'sche Schloß in Dolní Lukavice bei Pilsen angeboten mit der Versicherung, die Beschlagnahme werde binnen kurzer Zeit aufgehoben werden. Die Oberdirektion erhob Einspruch und wies darauf hin, daß das Schloß in Dolní Lukavice für eine Taubstummenanstalt gänzlich unpassend sei. Für die Erziehung der Taubstummen ist nämlich die Großstadt mit ihren Museen, Sammlungen, Kaufläden, Auslagen, Werkstätten, historischen Sehenswürdigkeiten, sowie hauptsächlich wegen der leichten Zugänglichkeit der Kliniken für Ohrenleiden und Kinderkrankheiten geradezu unentbehrlich. Diese begründeten und berechtigten Einsprüche blieben unbeachtet, so daß die Oberdirektion mit Rücksicht auf das Wohl der ihr anvertrauten Zöglinge gezwungen war, die als Ersatz angebotene provisorische Wohnstätte in Alt-Dejvic anzunehmen. Dies geschah im Vertrauen auf das seitens der Regierung gegebene Versprechen, die Beschlagnahme werde binnen zwei Jahren aufgehoben werden. Leider ist es unmöglich, in Alt-Dejvic mehr als 20 Kindern Unterkunft und Erziehung zu bieten. Bereits am 16. August 1923 anerkannte das Ministerium für soziale Fürsorge mit Erlaß Nr. 7709/23 die obigen Einwendungen der Oberdirektion in vollem Maße und ersuchte das Ministerium für öffentliche Arbeiten, die Beschlagnahme aufzuheben und das Gebäude seiner ursprünglichen Bestimmung ehebaldigst zuzuführen.

Das Statistische Amt verständigte am 28. August 1923, G. Z. 5709/präs. 23, das Ministerium für öffentliche Arbeiten, daß das nach seinem Grundrisse als Pädagogium aufgeführte Gebäude seinem jetzigen Zwecke überhaupt nicht entspreche, umsoweniger, als das Statistische Amt besondere Räumlichkeiten benötige, Maschinenhaus, ein großes Magazin, einen Raum für Rechenmaschinen, und beantragte in Übereinstimmung mit dem statistischen Staatsrate, es möge sobald als möglich ein Neubau aufgeführt werden.

Dieses wohlbegründete Ansuchen wurde öfters erneuert. Sämtliche Ministerialbeschlüsse, als Bitten und Interventionen beim Herrn Präsidenten, bei verschiedenen Ministerien und beim Landesverwaltungsausschuß blieben erfolglos und die Oberdirektion gab bereits alle Hoffnung auf, ihr beschlagnahmtes Haus wiederzuerhalten und war bereits der Meinung, das private Eigentumsrecht sei in der Èechoslovakischen Republik bereits außer Geltung. Erst im Kostenvoranschlag für das heurige Jahr wurde ein Betrag von 50.000 Kè für Vorarbeiten zu einem Neubau für das Statistische Amt eingestellt und die Oberdirektion erwartet mit Bestimmtheit die Rückgabe ihres Gebäudes. (Výkøiky na levici.)

Ein neuer Schlag vernichtete aber alle Hoffnung. Das Statistische Amt, welches in seinen Eingaben unaufhörlich darauf hinwies, daß die Durchführung der bevorstehenden Volkszählung in dem beschlagnahmten Gebäude unmöglich sei, teilte der Oberdirektion mit, daß laut Mitteilung des Ministeriums für öffentliche Arbeiten vom 13. Jänner 1928, G. Z. 56.827 ai 1927, mit der Aufführung eines Neubaues bis zum Jahre 1930 nicht gerechnet werden könne."

Dies der Sachverhalt. So also wird eine Wohltätigkeitsanstalt behandelt. Es ist natürlich gar kein Wunder, daß die Behandlung anderer Anstalten noch mehr zu wünschen übrig läßt. (Posl. Krebs: Das deutsche Taubstummeninstitut in Leitmeritz mit 102 Kindern bekommt 2000 Kè Jahressubvention!) Das ist ein sehr bezeichnender Fall, vielleicht wird man die Subvention einmal auf 200 Kè herabsetzen.

Über die Art der Durchführung der vom Präsidenten Masaryk als größte soziale Tat gepriesenen Bodenreform hat Koll. Krebs schon einmal im Hause recht kennzeichnende Aufschlüsse gebracht. Ich will mich nicht unmittelbar mit dem Restgutschacher, wohl aber mit seinen Auswirkungen beschäftigen. In Zattig, einer Gemeinde Schlesiens, wurden zwei Arbeitsleute um die ihnen vom Bodenamt ausdrücklich zugesicherten Stellungen auf einem der beiden durch die Beschlagnahme eines Bellegardeschen Gutes entstandenen Restgüter dadurch gebracht, daß der neue Besitzer das Gut erst in einem späteren Zeitpunkt übernahm und seine eigenen Arbeiter mitbrachte. Wegen Ablaufs der Einspruchsfrist waren die Betroffenen um ihr Recht geprellt. Es handelt sich um ein Ehepaar namens Biefel. Der Mann ist Kriegsinvalide, das Ehepaar hat zwei Kinder. Alle Bemühungen der beiden, beim staatlichen Bodenamt sowie bei der politischen Bezirksverwaltung Freudenthal, blieben ohne Erfolg. Der Fall hat insoferne einen pikanten Beigeschmack, als die Genannten Mitglieder der deutschen christlichsozialen Partei, also einer Regierungspartei, sind, während der eigentliche Besitzer des Restgutes, der sie aufs Pflaster warf, eine èechisch-klerikale Genossenschaft ist, an deren Spitze der Abg. Pater Rýpar steht. Es haben also die Èechisch-klerikalen einen Angehörigen der ihnen nahestehenden deutschen christlichsozialen Partei aufs Pflaster geschmissen und die deutschen Christlichsozialen hatten nicht den Mut, für ihre eigenen Angehörigen einzutreten, um die Bundesgenossenschaft mit den èechischen Klerikalen nicht zu gefährden.

Etwas ist auch über die Heeresverwaltung zu sagen. Vor allem möchte ich um Aufklärung ersuchen, welche Absichten mit der Abhaltung von Manövern in den an das Deutsche Reich grenzenden Gebieten verfolgt werden. Vor kurzem fand nämlich in der Hannsdorfer Gegend eine Generalstabsreise statt und in deren Verfolg sollen im Herbste größere Manöverübungen im Raume Mährisch-Altstadt, Goldenstein, Wiesenberg stattfinden. Dabei soll eine Gruppe von Wiesenberg gegen Mähr. Altstadt auf eine dort in Verteidigung befindliche Gruppe vorstoßen. Offenkundig handelt es sich also hier um Übungen, bei welchen das Deutsche Reich als Gegner gedacht ist. Es ist das nicht der erste Fall und es ist recht merkwürdig, daß bei allen Manövern stets mit dem Deutschen Reiche als Feind gerechnet wird, während... (Posl. dr Schollich: Die Äußerungen Spaèeks!) Darauf komme ich noch zu sprechen. Dagegen finden niemals Übungen gegen Polen oder Rumänien, die doch auch an die Èechoslovakei grenzen, statt. Daraus ersehen wir, daß die seinerzeit vom Abg. Špaèek als Berichterstatter zu zwei Wehrvorlagen im Hause gebrauchten Worte, die einzigen in Betracht kommenden Feinde seien Deutschland und Ungarn, die Ansichten der Heeresverwaltung wiedergeben. Es fragt sich nun, wie sich denn diese Ansichten mit den ständigen Beteuerungen des Außenministers, daß er an nichts anderes als die Sicherung des Friedens denke und daß die Beziehungen zum Deutschen Reiche freundschaftlich seien, zusammenreimen.

Einen unglaublichen Fall von Benachteiligung eines seine Militärdienstzeit Ableistenden will ich auch in Kürze behandeln. Ich habe ihn in einer ausführlichen Eingabe dem Herrn Wehrminister zur Kenntnis gebracht. Es handelt sich um einen gewissen Ingenieur Otto Olbrich, der seit dem Jahre 1914 seinen Wohnsitz in Wien hat und sich mit Rücksicht auf seinen Lebensunterhalt um die österreichische Staatsbürgerschaft beworben hat. Die in Betracht kommenden militärischen Dienststellen haben ihn bei seiner Einrückung ausdrücklich versichert, daß er am 17. März l. J. entlassen wird, seine Entlassung stand sogar schon im Befehl. Er hat daraufhin ein en Posten angenommen und hat sich bei Nichtantritt dieses Postens zu einer Strafe von 10.000 Kronen verpflichten müssen. Knapp vor dem 17. März wurde ihm mitgeteilt, daß er nicht im Jahre 1928, sondern erst im Jahre 1929 entlassen wird. (Hört! Hört!) Der Mann hat seinen Posten nicht nur verloren, er ist auch um 10.000 Kronen, sein einziges Besitztum, gebracht worden und ist heute infolge des Vorgehens der Militärverwaltung und ihrer Organe ein Bettler. (Výkøiky na levici.) Wenn das Militär derartig wirtschaftet, so ist es begreiflich, daß es sich keineswegs die Zuneigung der mit ihm gezwungenermaßen in Berührung Kommenden erwirbt. (Posl. Krebs: Ich kenne zahlreiche Fälle, wo beim Militär Leute erkrankt sind, die in Not geraten sind und die elend verhungern! Die Militärverwaltung kümmert sich um diese Leute überhaupt nicht!) Ich werde auch noch über diese Fälle bei einer anderen Gelegenheit ausführlich sprechen.

Ein Wort ist auch zu den Erpressermethoden bei der Werbung für das Rote Kreuz zu sagen. Koll. Krebs hat eine solche, den Bereich der Prager Postdirektion betreffende Angelegenheit kürzlich in einer Interpellation behandelt. Der Fall liegt so: Am 16. Dezember 1927 war im Amtsblatt Nr. 42 eine Aufforderung zur Werbung von Mitgliedern enthalten, in welcher den Amtsvorständen der Auftrag erteilt wurde, alles für diese Werbung zu tun. Die betreffenden Worte lauten: "Es ist direkt ein Befehl der Pflicht, dem Èechoslovakischen Roten Kreuze beizutreten". Man kann sich daraufhin lebhaft vorstellen, welcher Druck auf die Angestellten ausgeübt worden ist.

Wenn ich schon eine Reihe von Verwaltungszweigen behandelt habe, so will ich auch das Eisenbahnministerium nicht aus dem Spiele lassen. Vor allem möchte ich darauf hinweisen, daß bei den verschiedensten Gelegenheiten darunter auch bei der Behandlung des Staatsvoranschlages im Ausschuß und im Hause, nicht nur von uns der sprachliche Chauvinismus der Staatseisenbahnverwaltung mit Recht kritisiert wurde, sondern daß sogar dem Herrn Abg. Windirsch, der doch von Ergebenheit förmlich trieft, diese Methoden zuweit gingen und er den Eisenbahnminister ersuchte, er möge doch die Sprache als Verkehrsmittel ansehen, was nebenbei bemerkt, bei einem Verkehrsunternehmen selbstverständlich sein sollte. Hierzulande freilich predigt man tauben Ohren. Der Staatsbahnbetrieb ist nur deshalb zum Wirtschaftsbetrieb gemacht worden, damit man sich um die ohnehin unzureichenden Bestimmungen des Sprachengesetzes herumdrücken kann. Das ist der einzige Zweck der Übung gewesen, und wer das heute noch nicht einsieht, gehört zu jener Gattung von harmlosen Mitteleuropäern, die von allen anderen natürlich immer auf die Leimspindeln gelockt werden. Daß dies geradezu oft zu Lächerlichkeiten führt, spielt auf dem èechischen Globus nicht die geringste Rolle. So sind beispielsweise auf den Grenzbahnhöfen Lundenburg und Oderberg sämtliche Aufschriften in èechischer und französischer Sprache angebracht. In Lundenburg ist überhaupt kein deutsches Wort zu sehen. In Oderberg hat man allerdings bei den Kassen auch deutsche Aufschriften angebracht, damit die Deutschen, welche 99 % aller Reisenden ausmachen, wenigstens sehen, wo sie ihr Geld loswerden können. Aber selbst im rein deutschen Gebiet geht es nicht anders zu. (Pøedsednictví se ujal pøedseda Malypetr.) Alle Aufschriften in den Wagen auf den Strecken im Egerland und in Westschlesien z. B.... (Posl. Geyer: Auch in den Motorwagen!) Ja, auch die Motorwagen in Joachimsthal, Schlackenwerth usw., tragen kein deutsches Wort. In das gleiche Gebiet fallen aber auch die rein èechischen Fahrpläne, welche die Staatseisenbahnverwaltung an die Direktionender Deutschen Reichsbahngesellschaft abgegeben hat. Wir haben eine diesbezügliche Interpellation eingebracht, sie ist vom Herrn Eisenbahnminister beantwortet worden. Wir müssen aber dazu sagen, daß uns diese Antwort nicht im geringsten befriedigt. (Posl. Knirsch: Die Einleitung ist geradezu eine Frechheit!) So wie gewöhnlich bei all den Antworten, die man erhält. Man behauptet hierzulande immer, daß angeblich im alten Österreich den Èechen in sprachlicher Hinsicht auch nicht entgegengekommen wurde. Ich behaupte aus eigener Erfahrung, daß trotz der deutschen Dienstsprache, die damals festgelegt war, das Gegenteil richtig ist. Ich habe im Hause schon vor Jahren für diese Behauptung Belege beigebracht. Sie betrafen Prüfungen von Staatsbahnbediensteten in der Werkstätte Jägerndorf aus dem Jahre 1899 und diese Prüfungen waren in èechischer Sprache abgelegt worden.

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