Genau so wie früher, so wurde auch der
Rechnungsabschluß für das Jahr 1926 jetzt wieder spät
verhandelt. Die Hindernisse, resp. die Gründe für diese
Verspätung können nicht nur rein technischer Natur sein,
es muß vielmehr gesagt werden, daß dies damit zusammenhängt,
daß die Regierung ein Interesse daran hat, daß im
Parlament und in der Öffentlichkeit möglichst wenig
über diesen Rechnungsabschluß gesprochen wird.
Eine wirkliche Kontrolle des Rechnungsabschlusses
wäre nur dann möglich, wenn der Rechnungsabschluß
gleichzeitig mit dem entsprechenden Budget verhandelt werden würde.
Jetzt ist die Kontrolle vollständig illusorisch. Es nützt
nichts, wenn im Parlament von den verschiedenen Oppositionsparteien
das oder jenes kritisiert wird. Es ist ja schon voriges Jahr und
vor zwei Jahren ausgesetzt worden, daß verschiedene Überschreitungen
bei den einzelnen Ministerien vorgekommen sind. Man hat sich aber
an diese Kritik nicht im geringsten gehalten.
Genau so wie das Budget, wird auch der Rechnungsabschluß
zu dem Zwecke benützt, um im Ausland den Eindruck
hervorzurufen, als ob die Konsolidierung der Èechoslovakei
immer größere Fortschritte machen würde, als ob
wir hier vollständig geordnete Verhältnisse hätten,
und dieselben deutsch-bürgerlichen Parteien, die seinerzeit,
solange sie nicht in der Regierung saßen,
immer erklärt haben und immer kritisiert haben, daß
mit den Steuergeldern eine verlogene Auslandspropaganda gemacht
wird, beteiligen sich jetzt selbst mit an dieser Auslandspropaganda,
und zwar in der Weise, daß z. B. die Christlichsozialen
eine ganze Reihe von Zentrumsjournalisten erst vor einiger Zeit
nach der Èechoslovakei berufen haben, deren Aufgabe darin
bestand, nach der Rückkehr in ihr Land die Zustände
in der Èechoslovakei in möglichst rosigem Lichte darzustellen.
Der Rechnungsabschluß für 1926 gibt ein ziemlich genaues
Bild der Wirtschaftslage der Èechoslovakei und er gibt
vor allem eine ziemlich genaue Vorstellung von der unerhörten
Belastung, welche die Arbeiterklasse in diesem Staate erdulden
muß.
Einige Worte über jene Überschreitungen,
von denen ich bereits gesprochen habe. In den Ausgaben wird der
Rechnungsabschluß um den Betrag von 1217 Millionen Kè
überschritten, in den Einnahmen betragen die Überschreitungen
3384 Millionen. In den drei Jahren vom Jahre
1923 bis 1926 sind die Rechnungsabschlüsse in den Ausgaben
um 4351 Millionen und in den Einnahmen um 6337 Millionen überschritten
worden. Daraus geht hervor, daß die Zusammenstellung des
Rechnungsabschlusses ein Beweis für die finanzpolitische
Willkür ist, welche in diesem Staate herrscht. Vor einem
Jahr und vor zwei Jahren ist von den verschiedensten Parteien
eine sehr heftige Kritik daran geübt worden, daß die
einzelnen Ministerien ihre Ausgaben überschreiten. Diese
Kritik hat nichts genützt. Auch heuer sind wieder gewaltige
Überschreitungen festzustellen, die wir kritisieren müssen.
Der Rechnungsabschluß ist ein Beweis dafür, daß
nicht nur die Arbeiter, sondern auch die armen Bauern in diesem
Staate unter einem furchtbaren Druck stehen. Die Zölle z.
B. haben einen Betrag von 185 Millionen mehr gebracht. Die Wirkung
der Zölle - das wird heute sogar auch schon von einzelnen
bürgerlichen Zeitungen zugegeben - bestand darin, daß
eine sehr starke Steigerung der Lebensmittelpreise erfolgt ist.
Wenn dann die Arbeiter bestrebt sind, einen Ausgleich zwischen
ihren Löhnen und den gestiegenen Lebensmittelpreisen herzustellen,
wenn sie dann infolge der Weigerung der Unternehmer, freiwillig
die Löhne und Gehälter aufzubessern, in den Streik treten,
so wird ihnen, wie das zuletzt bei den Bergleuten der Fall war,
der Lohn um 5 oder 6% aufgebessert und dabei ist diese Aufbesserung
bekanntlich nur im Brüxer Revier erfolgt, während in
den anderen Revieren, z. B. im Falkenauer, eine noch kleinere
Lohnerhöhung gegeben wurde, ein Umstand, der allerdings darauf
zurückzuführen ist, daß die reformistischen Gewerkschaften
in diesem Kampf auf der ganzen Linie ihre Pflicht vernachlässigten,
weil sie es verhinderten, daß beide Reviere, sowohl Falkenau
als auch Brüx gleichzeitig in den Lohnkampf traten. Die Steuerschraube
wird immer mehr und mehr angezogen. Wir verweisen darauf, daß
sich die Steuerbehörden nicht nur damit begnügen, die
gesetzliche Steuer einzutreiben, sondern daß z. B. bei den
Arbeitern, also bei den Ärmsten der Armen sogar vollkommen
ungesetzliche Abzüge vom Lohn durchgeführt werden. Wir
protestieren gegen diese Praxis, wir protestieren dagegen, daß
den Arbeitern, deren Einkommen ohnehin in den letzten Jahren immer
mehr und mehr gesunken ist, auch noch über das gesetzliche
Maß hinaus Abzüge vom Lohn gemacht werden.
Der Berichterstatter über den Rechnungsabschluß
Herr Dr Hnídek hat unter anderem darauf hingewiesen,
daß bei der Vermögensabgabe ein Rückstand von
4105 Millionen Kronen zu verzeichnen sei. Aus den Erträgnissen
der Vermögensabgabe soll aber bekanntlich die Staatsnotenschuld
abgestoßen werden. Die Staatsschuld ist im Jahre 1926 gewachsen,
in ihrem Betrage ist die Staatsnotenschuld selbst nicht inbegriffen.
Je geringer also die Erträgnisse aus der Vermögensabgabe
sind, je besser es die herrschenden Klassen verstehen, sich bei
der Vermögensabgabe zu drücken - und sie können
das leicht riskieren, wenn sie genug Advokaten zur Verfügung
haben, die ihnen bei Steuerhinterziehungen verschiedene juristische
Fingerzeige geben - je mehr also es die Bourgeoisie es versteht,
sich von der Vermögensabgabe zu drücken, desto geringer
wird die Möglichkeit sein, die Staatsnotenschuld abzutragen.
Ein sehr interessantes Kapitel ist auch die
Zuckersteuer. Bei der Zuckersteuer wurde der Voranschlag um den
Betrag von 134 Millionen Kronen überschritten. Die Wirkung
dieser unerhört brutalen Steigerung der Zuckersteuer besteht
darin, daß der Zuckerkonsum vom Jahre 1926 bis August 1927
um 290.000 q gesunken ist. Pro Kopf und Jahr ist der Zuckerkonsum
um 2 1/2
kg gesunken. Wir erklären, daß gerade die Erhöhung
der Zuckersteuer es bewirkt hat, daß vor allem die Ärmsten
der Armen, die Kinder des arbeitenden Volkes, nicht genügend
Zucker erhalten können.
Beim Kapitel Militarismus müssen wir darauf
hinweisen, daß auch heuer wieder eine Überschreitung
erfolgt ist, u. zw. beträgt sie diesmal 78 Millionen Kronen.
Auf der einen Seite werden in Genf Abrüstungskonferenzen
abgehalten, an denen auch Vertreter der èechoslovakischen
Republik teilnehmen, auf der einen Seite wird
ununterbrochen über die Notwendigkeit der Abrüstung
gesprochen, auf der anderen Seite aber geschieht nichts, um eine
wirklich positive Arbeit im Sinne der Abrüstung durchzuführen.
Die Sowjetregierung hat in Genf einen sehr detaillierten
Abrüstungsvorschlag eingebracht. Die erste Wirkung dieses
Abrüstungsvorschlages bestand darin, daß die bürgerlichen
Zeitungen höhnische Glossen darüber gemacht haben. Auch
die èechischen bürgerlichen Zeitungen haben sich an
dieser dummen Glossenmacherei beteiligt. Es
wäre besser, wenn gerade die bürgerlichen Parteien dieses
Staates sich mit dem Problem der Abrüstung beschäftigten,
als so ernste Vorschläge, wie sie von russischer Seite gemacht
worden sind, in den Kot zu ziehen und lächerlich zu machen.
Während auf der einen Seite Jahr für
Jahr gewaltige Überschreitungen bei den militärischen
Ausgaben festzustellen sind, müssen wir darauf hinweisen,
daß anderseits beim Kapitel "Schulwesen" auf der
ganzen Linie gespart wird. Diese Sparpolitik beim Schulwesen wird
solange andauern, als der jetzige Unterrichtsminister im Amte
sein wird. Minister Hodža
hat vor einigen Tagen im Kulturausschuß des Senates eine
interessante, aufsehenerregende Rede gehalten, in welcher er unter
anderem erklärte, die fortschriftlichen Gruppen werden gezwungen
sein, ihre Methoden zu revidieren. Das ist ein ganz offenes Bekenntnis
zur Reaktion, das ist eine ganz offene Kampfansage an die Linke,
eine offene Provokation der Arbeiterklasse. (Pøedsednictví
pøevzal místopøedseda Stivín.)
Das ist eine Provokation jener Schichte
der Bevölkerung in diesem Staate, welche bestrebt ist, einen
wirklich fortschrittlichen Geist in das Schulwesen hineinzubekommen.
Solange dieser Hodža das
Schulwesen leiten wird, solange er bei der Behandlung der Schulfragen
tonangebend sein wird, solange wird auch sicherlich eine brauchbare
und gute Schulreform in diesem Staate nicht zu erwarten sein.
Er hat bereits angekündigt, daß im Ministerium an der
Ausarbeitung der Schulreform gearbeitet wird. Man kann sich lebhaft
vorstellen, wie diese Schulreform aussehen wird, wenn sie von
einem Hodža gemacht wird.
Was den Staatsrechnungsabschluß noch
im allgemeinen betrifft, so möchte ich darauf hinweisen,
daß wenn die Gemeinden in ähnlicher Art und Weise wirtschafteten,
wenn sie sich erlaubten, in ähnlicher Art wie der Staat bei
den Ausgaben Überschreitungen zu machen. Dann müßten
diese Gemeinden dessen gewärtig sein, daß sie von den
übergeordneten behördlichen Organen eine Rüge bekämen
oder daß unter Umständen sogar die gewählten Gemeindevertreter
auseinandergejagt würden und an ihre Stelle eine Verwaltungskommission
gesetzt würde.
Die Ausbeutung der Massen, die sich sehr deutlich
in den einzelnen Ziffern dieses Rechnungsabschlusses ausdrückt,
wird noch dadurch gesteigert, daß erst in der vorigen Woche
der Mieterschutz nach sehr vielen Richtungen verschlechtert und
abgebaut worden ist. Die vorwöchige Abstimmung über
die Mieterschutzvorlagen, die Ablehnung aller Verbesserungsanträge,
die von der Opposition, von der kommunistischen Partei in diesem
Hause eingebracht worden sind, die große Mißachtung
der Vorschläge der Opposition in dieser Hinsicht haben draußen
in den breiten Massen eine ungeheure Empörung hervorgerufen,
und wir Kommunisten werden uns nicht damit begnügen, bloß
im Parlamente Obstruktion zu machen, sondern wir werden den Abbau
des Mieterschutzes, die Verschleuderung von Steuergeldern, wie
sie hier in diesem Rechnungsabschlusse zum Ausdruck kommt, wir
werden alle diese Tatsachen draußen in den breiten Massen
offen und bewußt agitatorisch ausnützen. Es wurde in
den sozialdemokratischen Zeitungen nach der Abstimmung über
die Mieterschutzvorlagen geschrieben, daß neun kommunistische
Abgeordnete gefehlt hätten. Wir sind der Meinung, daß
an der Abstimmung nichts hätte geändert werden können,
auch wenn diese neun Kommunisten anwesend gewesen wären.
Aber diese neuen Parteigenossen, die nicht an der Abstimmung teilgenommen
haben, sind nicht aus Leichtsinn dem Parlamente ferngeblieben,
sondern sie waren entweder durch Krankheit oder andere Um stände
verhindert, der Abstimmung beizu wohnen. Es ist eine unerhörte
Demagogie, wenn von sozialdemokratischer Seite die Sache so hingestellt
wird, als ob wir Kommunisten Mieterfeinde wären und es deshalb
notwendig wäre, gegen die Kommunisten zu kämpfen, weil
diese neun Genossen gefehlt haben.
Der Rechnungsabschluß für 1926,
wie überhaupt alle Rechnungsabschlüsse, haben stets
die Möglichkeit einer Kritik der wirtschaftspolitischen Einrichtungen
dieses Staates gegeben. Wie ist nun das Wirtschaftsleben
in diesem Staate, bezw. wer beherrscht es? Das Wirtschaftsleben
in der Èechoslovakischen Republik wird vom Bankkapitalismus
beherrscht. Dieselben Banken, die einerseits den Staat beherrschen,
deren Direktoren den Staat dirigieren und viel mächtiger
sind als die Minister selbst, sind anderseits stark genug, um
vom Staate auch noch Unterstützungen herauszupressen. Die
Banken werden unter stützt. Die Banken werden unterstüzt,
aber die Sparkassen und die Konsumvereine der Arbeiter erhalten
keine staatliche Unterstützung. Ich erinnere daran, in welch
lumpiger Weise man sich z. B. verhalten hat, als es galt, der
Schluckenauer Sparkassa Hilfe zu bringen. Obzwar es sich hier
um eine ganze Menge von kleinen Einlegern handelt, die geschädigt
worden sind, hat es sehr lange gedauert, bevor nur eine kleine
Unterstützung gekommen ist. Die Banken unterstützt man,
die Sparkassen aber läßt man zugrundegehen, die Arbeiterkonsumvereine,
die ihre Aufgabe erfüllen, die darin besteht, die Lebensmittelteuerung
zu bekämpfen und den Arbeitern halbwegs entsprechende Lebensmittel
zu verschaffen, erhalten keine staatliche Unter stützung.
Die Macht des Bankkapitalismus drückt sich auch darin aus,
daß z. B. die Živnobanka das Rußlandgeschäft
sabotiert. Das geschieht in der Weise, daß
sie Kredite verweigert und auf diese Art und Weise Abschlüsse
von langfristigen Geschäften mit Rußland verhindert
bezw. sabotiert werden. Es ist ganz klar, daß die Macht
des Bankkapitalismus in einem bürgerlichen Staate nicht gebrochen
werden kann, wie es sich die Nationalsozialisten einbilden. Die
Macht des Bankkapitals kann nur gebrochen werden, wenn die Arbeiter
die politische Macht übernehmen, den bürgerlichen Klassenstaat
zertrümmern und an seine Stelle den proletarischen Klassenstaat
setzen. Eine der ersten Maßnahmen der siegreichen Arbeiterklasse
wird darin bestehen, das ganze Bankwesen zu sozialisieren, wie
es in Sowjetrußland 1917 geschah. Dann wird es unmöglich
sein, daß einige wenige Bankdirektoren und Dirigenten der
Banken das Wirtschaftsleben eines ganzen großen staatlichen
Gebildes beherrschen. In der Èechoslovakei steht die ganze
Finanzwirtschaft im Dienste der Stabilisierung des Kapitalismus,
in Rußland jedoch im Dienste des proletarischen Staates,
der proletarischen Massen, der breiten Massen
der armen bäuerlichen Bevölkerung.
Nun einige Bemerkungen über einzelne Kapitel
des Rechnungsabschlusses. Beim Ministerium des Innern ist eine
Überschreitung von 27 Millionen festzustellen. Bereits 1925
wurden für die Gendarmerie 28 Millionen mehr ausgegeben,
als im Voranschlag eingesetzt war. Die Gendarmen werden in diesem
Staate bedeutend besser bezahlt, als beispielweise die Lehrer.
Dieselben Gendarmen, die dazu dienen, die Arbeiter auseinanderzutreiben,
wenn sie gegen die Wirkungen der Wirtschaftspolitik, Steuern,
Lohnanbau, den Wahnsinn des militärischen Rüstens demonstrieren.
Gendarmen werden auf die Straße hinausgejagt, wenn dort
Arbeiter Demonstrationen abhalten. Erst vor einigen Wochen wurde
eine Arbeiterdemonstration in Falkenau in Westböhmen von
den Gendarmen in brutalster Weise auseinandergetrieben. Dieselben
brutalen Methoden wurden erst vor einiger Zeit gegen die streikenden
Textilarbeiter in Freiwaldau angewendet. Man kann sich einen Begriff
machen, wie erst diese Gendarmen wüten werden, wenn
sich das neue Gendarmeriegesetz auswirken wird, wenn die Gendarmen
die Schießfreiheit, die ihnen durch die deutsch-èechisch-slovakische
Bürgerregierung in diesem Staate in gesetzlicher Weise gegeben
worden ist, richtig ausnützen.
Beim Kapitel Staatspolizei verweise ich darauf,
daß die Staatspolizei ihre Aufgabe weniger darin zu erblicken
scheint, für wirkliche Ruhe, für Sicherheit zu sorgen,
die Staatspolizei ist vielmehr der Meinung, daß sie vor
allem dazu da sei, um den Kampf gegen die kommunistische Partei
durchzuführen. Dieser Kampf erfolgt oft mit ganz lächerlichen
Mitteln. Es werden ununterbrochen aus nichtigen Ursachen oder
auch ohne jede Ursache Hausdurchsuchungen in verschiedenen kommunistischen
Parteisekretariaten durch geführt. Das ist in letzter Zeit
in Reichenberg und in Aussig der Fall gewesen. Die Staatspolizei
nimmt das ganze Material mit, sie schnüffelt in allen Kästen
und Schreibtischen herum, es werden Schreibtische erbrochen, deren
Eigentümer nicht anwesend sind. Eine Spezialität der
Staatspolizei in der letzten Zeit besteht darin, daß sie
auch den Kampf gegen die Selbstbildungskurse der kommunistischen
Partei aufnimmt, die von der kommunistischen Partei aufnimmt,
die von der kommunistischen Partei zu dem Zwecke geschaffen wurden,
um die Arbeiter zu bilden, um die Arbeiter zu wirklich bewußten
Kommunisten zu machen.
Beim Kapitel "Öffentliche Arbeiten"
verweise ich darauf, daß das Erfordernis 490 Millionen beträgt,
während das Erfordernis des Ministerium des Innern 568 Millionen
beträgt. Wir sehen hier einen ziemlich großen Unterschied,
einen Unterschied, der darauf zurückzuführen ist, daß
der deutsche Minister Spina, der das Ministerium
für öffentliche Arbeiten leitet, einen bedeutend geringeren
Einfluß besitzt als der èechische Minister
Èerný, dessen Aufgabe
darin besteht, die Gendarmerie immer besser auszubauen, die Staatsspitzelei
auszubauen, kurz und gut einen für die Bourgeoisie vollkommenen
Hetzapparat gegen die kommunistische Partei in diesem Staate zu
schaffen.
Ich glaube, wir können sagen, ohne
daß gegen uns der Vorwurf erhoben werden könnte, wir
seien Nationalisten, im èechischen Gebiet werden bedeutend
mehr öffentliche Arbeiten durchgeführt, im deutschen
Gebiete werden dringende öffentliche Arbeiten, die absolut
notwendig wären, von Jahr zu Jahr hinausgeschoben.
So wäre es unbedingt not wendig, daß in Aussig eine
neue Brücke über die Elbe gebaut werde, die alte Elbebrücke,
die gleichzeitig für den Zugs-, Personen- und Lastenverkehr
Verwendung findet, mußte bereits vor ungefähr einem
Jahr durch Balken gestützt werden, weil Einsturzgefahr bestand.
Und wenn diese Brücke tatsächlich einmal einstürzen
und sich ein Unglücksfall ereignen sollte, dann wird die
Regierung hiefür verantwortlich sein, welche nichts unternommen
hat, diesen Zustand zu ändern, welche sich erstnach langem,
langem Zögern bereitgefunden hat, der Bezirksverwaltungskommission
Aussig einen gewissen Zuschuß zur Errichtung einer neuen
Brücke zu gewähren. Eine neue Brücke ist auch in
Karlsbad notwendig, auch wäre notwendig, in Karlsbad die
Talsperre zu bauen, weil Karlsbad immer dann, wenn Hochwassergefahr
eintritt, in große Gefahr kommt und weil die Errichtung
dieser Talsperre eine tatsächlich unbedingte Notwendigkeit
darstellt. Es wäre weiters notwendig, daß aus staatlichen
Mitteln die Straßen verbessert würden. Besonders schlechte
Straßen hat der Bezirk Elbogen, der Bezirk Falkenau in Westböhmen.
Das theoretische Geschwätze vom Straßenbeirat darüber,
daß da und dort Straßen verbessert werden müssen,
daß es besonders mit Rücksicht auf den gesteigerten
Autoverkehr notwendig sei, die Straßen zu verbessern und
neue Straßen zu errichten, nützt nichts. Es muß
auch tatsächlich gebaut werden. Beim Kapitel "Öffentliche
Arbeiten" möchte ich noch darauf hinweisen, daß
seinerzeit aus Anlaß der Hochwasserkatastrophen, die sich
in verschiedenen Gebieten dieses Staates ereignet haben, von den
Vertretern der kommunistischen Partei eine entsprechende Unterstützung
der armen Opfer dieser Katastrophe gefordert worden ist. Und was
haben diese Leute bekommen? Den Gemeinden wurden staatliche Beiträge
überwiesen und da ist es vorgekommen, daß einzelne
geschädigte Personen Beträge bis zu einer Höhe
- von sage und schreibe - zwei Kronen erhalten haben.
Nun einige Worte über das Kapitel "Soziale
Fürsorge". Im Vorjahr haben die Kriegsverletzten geglaubt,
daß nun endlich eine brauchbare Regelung ihrer Renten durchgeführt
würde. Damals aber hat der christlichsoziale Abgeordnete
Zajièek einen Verschleppungsantrag
eingebracht. Während die Kriegsverletzten die sofortige Regelung,
die sofortige Erhöhung ihrer Bezüge gefordert haben,
hat Zajièek einen Resolutionsantrag
eingebracht, in welchem es hieß, daß an die Regelung
dieser Frage ehestens geschritten werden soll. Ehestens! - es
sind aber schon viele, viele Monate ins Land gegangen, die Kriegsverletzten
haben in hunderten und tausenden Kriegsverletztenversammlungen
gegen die Verschleppung ihrer Forderungen Protest erhoben, all
das aber hat ihnen nichts genützt, man sucht die Kriegsverletztenfürsorge
immer mehr abzubauen. So schaut, um nur ein Beispiel zu nennen,
die Soziale Fürsorge in diesem Staate aus.
Zum Kapitel "Gesundheitsministerium"
möchte ich darauf hinweisen, daß 3 1/2
Millionen Kè erspart worden sind. Auf
der einen Seite also Ersparungen, auf der anderen Seite Mangel
an Turnplätzen. Das Gesundheitsministerium in diesem Staate
hat kein Interesse daran, daß genügend Turnplätze
für die heranwachsende Jugend errichtet werden. Bezüglich
Pensionen und Ruhegenüsse weist der Rechnungsabschluß
die Tatsache aus, daß 15 Millionen Kè erspart worden
sind. Dieses Hungergeld, welches bei den Pensionen erspart wird,
erhalten auf der anderen Seite die ehemaligen k. u. k. Generale.
Im Kapitel "Eisenbahnen" sind die
Ausgaben um 434 Millionen gestiegen. Es wäre notwendig, daß
endlich ein neuer Bahnhof in Karlsbad und Aussig errichtet werde.
Wir sind neugierig, ob an diese notwendigen Arbeiten in absehbarer
Zeit geschritten werden wird. Bei den Eisenbahnen müssen
wir eine unerhörte Sparpolitik auf Kosten des Personals,
auf Kosten der Eisenbahner feststellen. Am 16. März d. J.
erschien eine Deputation ehemaliger provisorischer Eisenbahner
bei den einzelnen parlamentarischen Klubs und verlangte die Einrechnung
der sogenannten Kriegshalbjahre. Das Eisenbahnministerium, welches
von einem Gewerbeparteiler geleitet wird, lehnte trotz des klaren
Wortlauts dieses Gesetzes die Einrechnung dieser Kriegshalbjahre
ab. Von dieser Ablehnung werden volle 10.000 Menschen mit ihren
Familien betroffen. Diese Eisenbahner werden direkt dafür
bestraft, daß sie während des Krieges Kriegsdienst
geleistet haben. Die Ernennungen der Eisenbahner werden verlangsamt.
Es wäre notwendig gewesen, daß die Gewerkschaften einen
energischen Kampf gegen den Geist der Reaktion bei den
Eisenbahnern aufgenommen hätten, jedoch die Reformisten haben
in diesem Kempfe gegen den Ausbeuter Staat vollständig versagt.
Und es ist auch kein Wunder, wenn wir bedenken, daß z. B.
die èechischen Eisenbahner von dem Herrn Brodecký
geführt werden, von jenem Brodecký geführt
werden, der seinerzeit bei der großen Eisenbahnerbewegung
hinter dem Rücken der übrigen Gewerkschaften Klinken
putzen gegangen ist. Er hat eben immer noch den alten Traum, er
will Minister werden und will es sich deshalb nicht verderben
mit den bürgerlichen Parteien, mit den übrigen Parteien,
und daher unternimmt er alles, um einen wirklichen Kampf der Eisenbahner
gegen den Ausbeuter Staat zu verhindern. Im Eisenbahnwesen wird
der Grundsatz der Rationalisierung in der brutalsten Weise angewendet.
Es ist ganz interessant, daß vor einigen Tagen z. B. auch
ein deutsch-bürgerliches Blatt, die "Bohemia",
jenen Kapitalisten zu Hilfe gekommen ist, die immer nach Kommerzialisierung
des Eisenbahnwesens schreien. Die "Bohemia" schrieb,
daß in Deutschland durch die Einführung der Kunze-Knorr-Bremse
volle 10.000 Menschen im Eisenbahnbetrieb überflüssig
geworden sind. Auch in der Èechoslovakei solle nach Meinung
der "Bohemia" mit einem wirklichen Abbau von Eisenbahnern
vorgegangen werden, nur um die Rationalisierung
besser durchführen zu können. In diesem Zusammenhang
weise ich darauf hin, daß seinerzeit auch sehr vieles darüber
in der Öffentlichkeit verlautbart ist, daß man sich
angeblich in den Regierungskreisen ganz ernstlich mit der Frage
der Verpachtung der Eisenbahnen an privatkapitalistische, ausländische
Konsortien beschäftigt hat.
Was das Postwesen betrifft, so verweise ich
darauf, daß die ländlichen Gegenden in dieser Beziehung
sehr vernachlässigt werden. Die Postzustellung auf dem Lande
ist schlecht, das trifft besonders bei den Zeitungen zu. Auch
beim Postwesen wird der Grundsatz der Rationalisierung in Anwendung
gebracht. Es wird immer mehr und mehr Personal abgebaut und dadurch
wird sogar die Industrie geschädigt. In Asch in Westböhmen
z. B., lagern zeitweise zu den Weihnachten und vor den verschiedenen
andern Feiertagen in den Räumen derartig viele Waren, die
von dort expediert werden sollen, daß alles überfüllt
ist und sich niemand mehr auskennt. Es sind zu wenig Beamte da,
um dem Ansturm gewachsen zu sein. Bei uns wird auf dem Gebiete
des Postwesens noch genau so gearbeitet, wie dies zu Großvaters
Zeiten der Fall war.
Ein Wort über die staatlichen Bäder.
Bezüglich der staatlichen Bäder müssen wir vor
allem feststellen, daß die Fürsorge für die dort
beschäftigten Arbeiter äußert schlecht ist. Seinerzeit
haben wir in unseren Parteizeitungen darauf hingewiesen, daß
infolge des Genusses schlechten Fleisches in Joachimsthal mehr
als 50 staatliche Arbeiter erkrankt sind. Drei dieser erkrankten
Arbeiter sind seinerzeit gestorben. Wir haben diese Sache öffentlich
behandelt und vom Gesundheitsministerium Aufklärung verlangt.
Diese Aufklärung ist nicht erfolgt. Der Pächter hat
sich damals aus dem Staube gemacht. So schaut es also bei den
staatlichen Bädern aus.
Bezüglich der Tabakregie möchte ich nur noch kurz folgende
Hinweise machen: Die Tabakregie weist den größten Ertrag
von allen Betrieben aus. Es wurden 1.257,358.000 Kè eingenommen.
Diese ungeheueren Einnahmen sind darauf zurückzuführen,
daß die Tabakregie geradezu wucherische Preise einhebt und
wenn gegen irgendwen eine Anklage wegen Wucher erfolgen müßte,
müßte sie gegen die Tabakregie selbst durchgeführt
werden. In den Tabakfabriken werden die Arbeiter und Arbeiterinnen
oft entlassen, wenn sie 1 oder 2 Zigaretten mit nach Hause nehmen.
Es sind Falle vorgekommen, wo tatsächlich Arbeiterinnen,
die unmittelbar vor der Pensionierung standen, deshalb entlassen
worden sind, weil sie erwischt wurden, wie sie zwei Zigaretten
aus dem Betriebe nach Hause getragen haben. Auf der einen Seite
diese ungeheuere Brutalität gegen die Arbeiter und auf der
andern werden die Korruptionisten in diesem Staate nach jeder
Richtung hin separat geschützt. Die Pensionen für die
Tabakarbeiter sind klein, sie müssen lange warten, bis sie
diese Pensionierung erhalten. In den Tabakfabriken wird wie bei
der Post und bei den Eisenbahnen der Grundsatz der Rationalisierung
in Anwendung gebracht. In Joachimsthal, Tachau und anderen Tabakfabriken
ist dies der Fall. Die Arbeiter werden in unerhörter Weise
angetrieben und es wird sogar mit der politischen Bespitzelung
gegen sie vorgegangen.
Bezüglich der staatlichen Gruben möchte
ich auf die Tatsache hinweisen, daß man jetzt an die Zentralisation
der staatlichen Montanwerke schreitet, um den Dalles dieser
Montanwerke zu verringern. Die Direktion für die Montanwerke
in Pøíbram und Brüx soll von Brüx nach
Prag verlegt werden. Dies wird aber bedeuten, daß eine ganze
Menge von kleinen Gemeinden durch die Anregung
der Direktion geschädigt werden, weil ihnen dadurch Steuern
entgehen. Der Staat betreibt also amtlich ausgesprochen staatliche
Steuerdrückerbergerei.