Ètvrtek 22. bøezna 1928

Nun komme ich zu den Schlußfolgerungen dieser allerdings sehr trockenen Zahlen, zu Schlußfolgerungen, die uns die Tendenz der finanziellen und wirtschaftlichen Führung des Staates klar aufzeigen. Wenn jene Steuern, die ich da genannt habe, die gegenüber dem Voranschlag für das Jahr 1926 nach dem Staatsrechnungsabschluß dieses Jahres weniger brachten, unberücksichtigt bleiben, so wurden von den ertragreichen Steuern 3.631 Millionen mehr eingehoben, als der Voranschlag vorsah. Freilich, so wird man bereit sein, seitens der Finanzverwaltung zu argumentieren, diese 3.631 Millionen Plus an Steuerertrag für das Jahr 1926 sind das Ergebnis der Depurierungsaktion, unter welchem Fremdworte man die Eintreibung rückläufiger Steuern versteht. Bekanntlich waren die Finanzämter durch Jahre hindurch mit den regelmäßigen Steuervorschreibungen an die Steuerträger weit im Rückstand geblieben. Es war erst im Jahre 1924/25 möglich, daß die Steuerämter mit den Arbeiten etwas nachkamen und dann die Vorschreibungen der Jahre nach dem Kriege an die Steuerträger ergehen ließen. (Posl. Geyer: Drei Jahre auf einmal!) Ja, und natürlich ergehen ließen mit der Aufforderung, die Steuern, die ihnen vorgeschrieben wurden, zu bezahlen. Wir können uns an dieses Kapitel erinnern, wir können uns an die ganz wahnsinnige Hetzjagd auf die Steuerträger erinnern, die in diesem Zeitpunkte einsetzte, und es ist ein besonderes Kapitel, das wir zu illustrieren hätten, wenn wir auf diese Zeit noch einmal zurückkämen. Wir beschäftigen uns aber heute lediglich mit der Argumentation der Finanzverwaltung gegenüber unserer Kritik, der unerhörten Eintreibung der rückläufigen Steuern, ihrer unerhörten Art, wie sie sich in der sogenannten Depurierungsaktion bemerkbar macht. Wir wissen zur Genüge, was die Finanzverwaltung zu sagen weiß, daß nämlich die Steuerzahlungspflicht auch durch das Ausbleiben von Vorschreibungen bezw. durch Berufungen gegenüber erfolgten Vorschreibungen nicht unterbunden wird und daß die Steuer eben gezahlt werden muß, auch wenn sie nicht vorgeschrieben wurde. Wenn der Steuerträger nach dem Zeitpunkte der Fälligkeit die Steuer nicht zahlt, tritt je nach der Wahl der Steuerbehörde entweder administrative oder gerichtliche Exekution ein. Wir wissen das, aber wie gesagt, es handelt sich im Augenblick nicht darum, mit der finanziellen Führung des Staates etwa darüber zu streiten, ob ein Steuerzahler nebst den gesetzmäßigen Verpflichtungen, die er hat, auch eine moralische Verpflichtung hat, die Steuer zu bezahlen, wenn er sie nicht vorgeschrieben erhält oder vorgeschrieben erhalten hat. Wenngleich das Gesetz solches bestimmt, so mag dem Schöpfer des Gesetzes etwas anderes vorgeschwebt haben, als es die abnormale Zeit, die Nachkriegszeit auf steuertechnischem Gebiete war. Ich streite aber mit der Finanzverwaltung und der Steuerverwaltung nicht gegenüber ihrer Meinung von der Verpflichtung etwa des Steuerträgers, seine Steuern auch zu bezahlen, auch wenn er sie nicht vorgeschrieben erhält, oder dann zu bezahlen, wenn er sie für 4, 5, 6 Jahre vorgeschrieben erhält. Nicht das ist der Zweck meiner Übung, ich lüfte nur heute den Vorhang von der Bühne der Wirklichkeit und zeige auf, von welcher Wirkung die Depurierung, das große Reinemachen begleitet war, und daß - das sei zuerst erwähnt - der Anfang der Depurierung in eine Zeit fiel, die man wirtschaftlich als die schlechteste Zeit der Nachkriegszeit klassifizieren kann, nämlich in das Jahr 1926, das kein Konjunkturjahr, sondern in gesamtvolkswirtschaftlicher Beziehung außerordentlich passiv war. Wir brauchen nur die große Zahl von Konkursen und Ausgleichen dieses Jahres durchzulesen, um den Beweis für diese Behauptung zu erbringen. In dieser Zeit setzte die Depurierungsaktion mit einer Strenge ein, die geradezu beispiellos genannt werden muß. In vielen Gegenden ging von dieser Zeit an der Exekutor sozusagen von Haus zu Haus. Oft wurde das letzte Stück brauchbarer Habe gepfändet, wie ich schon vorher aufgezeigt habe oder durch Zwischenrufe bestätigt worden ist, um dem Finanzminister die Mittel zu seiner die Wirtschaft vollständig ignorierenden Ausgabenpraxis zu schaffen. Wie viele Existenzen wurden hiedurch vernichtet, auch solche, die sich andererseits trotz schlechten Geschäftsganges noch hätten halten können, wenn ihnen nicht die Finanzpraxis des Finanzministers den Rest ihres Lebens aus ihrem Wirtschaftskörper gezogen hätte. Wie viel maßloses Elend ist in der Zeit, beginnend vom Jahre 1926, in welchem diese Depurierungsaktion einsetzte, nicht gestiftet worden!

Ich habe schon in meiner Steuerrede im Jahre 1926 darauf verwiesen. In Gablonz a. N. fanden in dieser Zeit, für welche der Staatsrechnungsabschluß, den wir heute im Hause hier vorliegen haben, gilt, 1712 Feilbietungen statt, 166 Transferierungen, 39 gerichtliche Versteigerungen von Häusern und 32 von Mobiliar. In Morchenstern, einer Gemeinde von 8.000 Einwohnern und 2.000 Haushaltungen, sind zu der Zeit, für welche der Rechnungsabschluß abschließt, innerhalb weniger Wochen 736 Exekutionen geführt worden. Jeder dritte Steuerträger, jede dritte Haushaltung dieser Stadtgemeinde wurde rücksichtlos exequiert. In Reinowitz, einer Gemeinde von 1.200 Einwohnern, fanden 100 Exekutionen statt. (Posl. Krebs: Kein Wunder, daß man solche Beträge herauspreßt!) Allerdings; wer die Kosten bezahlt, ist eine andere Frage. In Grünwald mit 3.000 Einwohnern 300, in Hennersdorf mit 530 Einwohnern und 140 Haushaltungen 70 Exekutionen. Wir erlebten eine Tatsache, daß in einzelnen Orten 30 bis 50% der Steuerträger exequiert wurden. In Josefsthal betrug die Zahl der Feilbietungen an einem Tage dieser Zeit, nämlich am 11. November 1925, 80. In Schlag wurden damals von 700 Parteien 400 exequiert. In Seidenschwanz von 600 Parteien 200, in Labau von 300 Parteien 135. Das, was ich hier anführe, ist nur ein Teil des Bildes, das ein Bezirk liefert, nicht das ganze Bild des Bezirkes Gablonz a. N. Das sind Zahlen, die ich nur flüchtig einholen konnte, auf Grund meiner einfachen statistischen Praxis, mit steht kein statistischer Apparat wie der Staatsverwaltung zur Verfügung. Aber das Bild, das ich hier in einigen Zahlen entworfen habe, ist eben das Bild des Jahres, das der Staatsrechnungsabschluß in Zahlen charakterisiert. (Posl. Knirsch: Ob das in èechischen Gegenden auch so gewesen ist?) Kollege Knirsch, ich komme auf die Richtung des Fiskus in diesem Staate noch zu sprechen, von der wir wissen, daß sie keine allgemeine, sondern sehr wohl eine national-tendenziöse ist.

Die Sache ist heute so, daß die Steuerzahler Steuerschuldner schlechthin geworden sind. An den schwarzen Brettern der Gemeinden hängen die Namen derselben zu Hunderten. Die Sache ist aber heute so, daß niemand sich geniert, öffentlich ausgestellt zu sein. Diese öffentliche Bekanntmachung des Steuerzahlers als Steuerschuldners war in normaler Zeit immerhin ein Mittel zur Kritik und Erziehung gegenüber dem Steuerzahler zu 100% oder nahe an 100% Steuermoral. In dieser Zeit aber ist das kein Mittel zur Kritik gegenüber dem Steuerzahler, sondern gegenüber dem Staat, der es zu Verhältnissen kommen ließ, daß wir heute solche Dinge erleben.

Diese Methoden der Steuerbehörden, die in den Jahren 1925 und 1926 einsetzten, wurden fortgeführt und wir stehen heute noch nicht an ihrem Ende. Wenn man da mitten im Leben ist - natürlich, die Herren Theoretiker des Finanzministeriums kommen niemals in das Leben hinaus, sie schauen dieses Leben nicht - wenn man also mitten im Leben lebt und mitten im Leben eines wirtschaftlich, industriell hochstehenden oder hoch gestandenen Gebietes, und die geschilderten grauenvollen Fälle fiskalischen Wahnsinns Tag für Tag sich vollziehen sieht, dann kann man zu keinem anderen Urteil kommen als zu dem, die Steuerverwaltung handle nach dem Worte "Nach uns die Sintflut"! Längst ist es vorbei, daß die Finanzverwaltung vorsichtig nur einen Teil des Ertrages der Arbeit abschöpft. Man wagt sich an die Substanz heran und schöpft auch sie ab. Zunächst war die Opposition rege gegen eine solche Art, heute finden wir in breiten Teilen der Staatsbevölkerung eine Resignation ungeheuerer Art gegenüber solchen Methoden der Steuerbehörden, die auch durch die regste Opposition der letzten Jahre nicht verbessert werden konnte. Alle Initiative ist erschlagen, der Mensch, der arbeiten soll, um mehr als den Ertrag seiner Arbeit dem Staate in der Form von Steuern abzuführen, hört endlich auf zu arbeiten, auch wenn er seine Steuermoral zum höchsten Grade entwickelt hätte. Schließlich läßt man sich resigniert seine Habe wegnehmen, wie das tagtäglich zu bemerken ist. Fast genügt die Zahl der Lastautomobile nicht, um solche von Steuerbehörden gepfändete Habe abzuholen. In Kalsching in Südböhmen hat man, wie ich schon einmal erwähnte, erst in den letzten Tagen einem kleinen Bauern die letzte Kuh aus dem Stalle geholt. Da kann man schon sagen, daß man mit dem Standpunkt der Finanzverwaltung "Nach uns die Sintflut" fast das Richtige trifft.

Nun, meine Herren, komme ich zu der Richtung des Fiskus. Koll. Knirsch hat in einem Zwischenruf mich hierauf aufmerksam machen wollen. Ich darf gestehen, daß ich auf diese Seite des ganzen fiskalischen Experimentes selbst durch Beobachtung der Wirklichkeit gekommen bin. Meine Verehrten, wir haben erlebt, daß in den letzten Wochen die Klagen über die Praktiken der Steuerbehörden ganz besonders aus deutschen Bezirken einlaufen. Das läßt zu dem Schluß kommen, daß die Hand des Finanzministers, wie dies Koll. Knirsch ja auch meint, in der Tat auf den deutschen Gegenden härter liegt als auf den anderen. Eine solche Behauptung wäre unzulänglich, wenn wir sie nicht mit eigenen gegenständlichen Beweisen belegen könnten. Aber wir haben solche gegenständliche Beweise - und nicht nur einen - die uns diese Tendenz des Fiskus beweisen. Ich nannte in meiner. Zahlen die Erträgnisse der einzelnen Steuergattungen für das Jahr 1926 und führte in Bezug auf die Grundsteuer an, daß die Summe dieser eingehobenen Steuer im Betrage von 105.56 Mill. Kronen um 34.2 Mill. Kronen hinter dem Ansatze des Voranschlages im Betrage von 139.8 Mill. Kronen zurückbleibt. Der Rückstand am Ende des Jahres 1296 überstieg die Höhe der eingehobenen Steuer dieser Art fast um 25%. Bei der Grundsteuer finden wir also, ohne daß das Finanzministerium Grund zum Einschreiten findet, ein Anwachsen des Außenstandes. Bei jenen Steuergattungen, welche von der Industrie, dem Handel und Gewerbe geleistet werden müssen, haben wir das nicht zu verzeichnen. Im Gegenteil, da macht sich die da von mir geschilderte Grausamkeit in der Eintreibung in der furchtbarsten Weise bemerkbar. Also auf der Wirtschaft, der Industrie und dem Handel, die heute noch zum größten Teil in deutschen Händen liegen, lastet der Steuerdruck mehr als auf den èechischen Agrariern. Das ist eine sehr interessante Richtung, die sich der Fiskus zurecht gelegt hat.

Von dieser Richtung des Fiskus sprach ich schon einmal früher. Es war das in der schon vorerwähnten Steuerrede des Jahres 1926. Damals wies ich an der Studie des Ladislaus Weiler, die im Jahre 1925 als Veröffentlichung des Instituts für Statistik der Minderheitsvölker an der Universität in Wien erschienen war, die nationale Einseitigkeit des èechoslovakischen Fiskus nach. Aus den Statistiken des Ladislaus Weiler kann man viel ersehen. Während die deutschen Städte nach dieser Statistik kaum ein Vierzehntel der Bevölkerung des Staates ausmachen, zahlen sie beinahe ein Viertel der gesamten Steuern. (Hört! Hört!) Die èechische Landbevölkerung hingegen, welche die steuerkräftigste Kategorie der Èechen sind... (Posl. Krebs: Siehe ihre Sparkasseneinlagen!) Ja, mit dem Geld der Sparkassen wollen die Èechen jetzt im deutschen Gebiete investieren.

Also die èechische Landbevölkerung, die die steuerkräftigste Kategorie der Èechen sind, müßten ihrer Kopfzahl nach ein Viertel der Gesamtsteuern tragen, zahlen aber in Wirklichkeit nur etwas über ein Zehntel. Schon diese Zahlen geben Anlaß zu der Annahme, daß die Deutschen Böhmens einen unverhältnismäßig höheren Anteil an den Staatslasten zu tragen haben. Nicht weniger deutlich erhellt das aus den verschiedenen Beziehungszahlen der Statistik. Wir sehen aus den Zahlen der Weilerschen Statistik weiter, daß die Städte mit rein deutscher Bevölkerung den größten Prozentsatz an Steuerzahlern aufzuweisen haben, nämlich 9.79%. Die rein èechischen Städte bleiben um mehr als 1% hinter diesem Steuersatz zurück. Auch was die Steuerzahlung auf den Kopf der Bevölkerung anlangt, marschieren die Deutschen an erster Stelle.

Das muß uns zu der Ansicht bringen, daß der Herr Finanzminister ebenso einseitig expropriiert, wie der Herr Präsident des Bodenamtes es die Jahre herauf getan hat und es weiter tun wird und wie es ja auch der Herr Innenminister tun wird, wenn er zur Durchführung der Verwaltungsreform gelangen wird. Aber wir wollen dem Herrn Finanzminister doch bescheidenerweise sagen, daß wir zumindest nicht einfältig genug sind, diese Richtung des Fiskus nicht zu erkennen. Wir erkennen sie und bekämpfen sie. Wir fordern, wie auf allen Gebieten, so auch hier - und wir fordern das nützlicherweise auch für den Staat - daß uns Gerechtigkeit wird. Es kann selbst für den Staat nicht von Nutzen sein, durch einen einseitig gegen das deutsche Element geführten Steuerterror vorzugehen. Das deutsche Element war sicherlich in wirtschaftlicher und finanzieller Beziehung so bedeutsam auch für den Staat und ist es noch, daß es von Einsicht getragene verantwortliche Staatsmänner von einem solchen Terror zu schonen hätten.

Meine Herren, habe ich jetzt von einer nationalen Tendenz des Fiskus gesprochen, so kann ich seine soziale Tendenz nicht unerwähnt lassen. Auch diese Tendenz wirkt sich am deutschen Volke mehr aus als am èechischen, schlägt somit in die nationale Tendenz über. Es sind im Jahre 1926 nach dem uns vorliegenden Staatsrechnungsabschluß an Einkommensteuer 3.191 Millionen Kronen eingetrieben worden, an Umsatz- und Luxussteuer 2.130 Millionen Kronen, an Zöllen 989.7 Millionen Kronen, an Zuckersteuer 306.9 Millionen Kronen. Das sind nur einige Zahlen, welche die große Rechnung illustrieren, die der arbeitende Mensch dem Herrn Finanzminister zu zahlen hat. Diese Meinung von einer Überlastung der breiten Schichten der Bevölkerung hängt sich nicht nur an die ungeheuere Summe etwa der von mir schon erwähnten Umsatzsteuer, der Zölle, der Zuckersteuer usw., sondern auch an die 3131 Millionen Kronen der Einkommensteuer, die heute nachgerade zu einer Steuer des kleinen Mannes geworden ist, wenn wir ihr auf diesen kleinen Mann entfallendes Teilergebnis berücksichtigen.

Die Staatsverwaltungen haben jeweils nach solchen Steuern gesucht, welche, auf breitester Grundlage ruhend, den größten Effekt verbürgten. Es war einmal im alten Österreich auch so, aber bis zu einem solchen Ende der Belastung der kleinen Leute, das muß ich schon sagen, bis zu einer solchen sozialen Tendenz in der Handhabung des fiskalischen Instruments, wie dies hier im èechoslovakischen Staat der Fall ist, ist man doch anderswo nie gekommen. Wahrscheinlich soll aber dies der Ausdruck der hier in diesem Staate mehr als irgendwo anders gepriesenen Demokratie sein. (Výkøiky posl. Krebse.) Meine Herren, wir erheben gegen diese unsoziale Tendenz des Fiskus schwerste Anklage und fordern ihre Revision.

Was die Gebühren für Rechtshandlungen anbelangt, so wurden sie im Jahre 1926 mit 584 Mill. Kè veranschlagt, 795.16 Mill. Kè sind aber tatsächlich eingehoben worden. Es wurde diese Summe schon voranschlagsgemäß von 584 Millionen im Jahre 1926 auf 650 Millionen Kè im Jahre 1928 erhöht und wir können uns vorstellen, was aus diesem Titel künftig an Einnahmen für den Staat kommen wird, wenn die Überschreitungen der kommenden Jahre sich etwa ebenso in der Form halten, wie die Überschreitungen des Jahres 1926. Das Recht ist, so wie es durch diese Ziffern illustriert wird, so teuer geworden, daß es nur noch Wohlhabende lockt, sich in Prozesse einzulassen. Wohin soll das aber führen, wenn das Recht für einen Mittellosen unerschwinglich wird? Ist das auch eine Legitimation für die Demokratie?

In dieses Kapitel fällt der in der 108. Jahreshauptversammlung des Reichenberger Handelsgremiums vom 19. März 1928 gerügte Modus der hohen Mahngebühren nach dem neuen Steuergesetze. Die Mahngebühr betrug bisher 2.10 Kè, vom 1. Jänner 1928 angefangen wird die Mahngebühr für eine Steuerschuld von 100 bis 100.000 Kè ein halbes Prozent, für jede weitere 100.000 Kè 100 Kè mehr betragen. Wird also am 1. Jänner 1928 eine auf den Betrag von 20.000 Kè lautende Mahnung hinausgegeben, so hat der Steuerschuldner hierfür eine Mahngebühr von 100 Kè zu entrichten. Bei 100.000 Kè Steuerschuld hat er 500 Kè an Mahngebühren zu entrichten. (Posl. Krebs: Das ist teuerer als durch den Rechtsanwalt!) Ja! Aber auch für die Steuerpfändung erhöhen sich die Gebühren in geradezu erschreckender Weise. Diese Gebühr betrug bis Ende 1927 5.20 Kè, sie erhöht sich ab 1. Jänner 1928 auf 1%, und zwar auch in den Fällen, wo kein pfändungsfähiger Gegenstand vorgefunden wurde. Außerdem berechnet der Staat bei einer Versteigerung 1 1/2% von dem Erlös der gepfändeten Gegenstände.

Aber zurück zum Rechnungsabschluß 1926. Was ich bezüglich der Mahngebühren und hohen Pfändungsgebühren gesagt habe, schien mir notwendig zu sagen in Verbindung mit dem, was ich vorhergehend über den Staatsrechnungsabschluß äußerte. Ich sprach von vielen Fällen unerhörter Belastung, wie es durch diesen Staatsrechnungsabschluß erwiesen wird. Wir fordern eine Korrektur der Ausgaben des Staates zum Zwecke der Möglichkeit einer Erleichterung des Steuerträgers. Wie sehr bisher dem entgegen gehandelt wird, zeigt das Kapitel "Die Kosten für die Sicherheit des Staates im Jahre 1926", wiederum nach dem Staatsrechnungsabschluß. Da ersehen wir nunmehr, daß für den politischen Dienst des Innenministeriums i. J. 1926 anstatt der veranschlagten 68.4 Millionen Kè, 121.2 Millionen Kè ausgegeben wurden, desgleichen für Polizeiämter und Polizeiorgane statt 71 Millionen Kè deren 110.5 Millionen Kè und für die Gendarmerie statt 115.86 Millionen Kè 198.6 Millionen Kè. Die Kosten für die gleichen Zwecke Karpathorußlands sind hierbei noch nicht berücksichtigt und übersteigen den Voranschlag auch bis zu 100%. Ob es allen Anstrengungen gelingen wird, in die Abrechnung des Ministeriums für nationale Verteidigung Licht zu bringen, bleibt dahingestellt. Wie kann es möglich sein, das wäre eine Frage, die man wohl an den Minister für Landesverteidigung stellen könnte, vorausgesetzt daß er hier wäre, daß dort für Reisen und Fahrten 57.62 Millionen Kè ausgegeben wurden? (Posl. Krebs: Die Reiseauslagen des tapferen Soldaten Švejk!) Ja, wobei noch im Jahre 1926 aus Ersparungsgründen die Manöver nur in beschränktem Maße durchgeführt wurden. Man könnte sehr böse Folgerungen aus diesem Betrag ziehen.

Nach dem Rechnungsabschluß trägt eine Einlage bei der Landesbank in Prag in der Höhe von 663 Tausend Kè die Bestimmung "für besondere Zwecke des èechischen Jockey-klubs" und die Ausgaben für Belebung des Fremdenverkehrs aus der Touristik überschreiten um rund 1 Mill. Kè den Voranschlag, weil dem Gebirgsverein Radhoš eine Einlage von 1 Million Kè gegeben wurde. Wann und wo haben einmal deutsche Organisationen einen ähnlichen Betrag erhalten? Auch der Rechnungsabschluß für 1927 weiß hierüber nichts zu berichten.

Eine jede der heute in meinem Bericht zum Staatsrechnungsabschluß genannten Zahlen ist ein Beweismittel für den ungeheueren Steuerdruck. Es kann gar nicht anders sein, als daß es zum ruinösesten Fiskalismus kommt, wenn man sich Pläne zurechtlegt, deren Verwirklichung Milliarden kostet. Da tritt der Herr Finanzminister für ein liberaleres Vorgehen bei der Steuereinhebung ein. Die Steuerämter werden nach seinem Ukas beauftragt, bei der Einhebung der Steuern auf die wirtschaftlichen Verhältnisse jedes einzelnen Steuerzahlers Rücksicht zu nehmen, insbesondere Raten zu gewähren, mit den Pfändungen und Exekutionen sehr vorsichtig zu Werke zu gehen. Mir will scheinen, daß diese Epistel des Herrn Finanzministers stark im Gegensatz zu den Richtlinien wirtschaftlicher und finanzieller Führung des Staates steht, die er ja selbst angibt und für die die Steuerämter in Bezug auf deren Durchführung ja nichts anderes als Instrumente sind. Der Liberalismus in der Steuereinhebung hat zur Voraussetzung die Ordnung und Gesundung in der finanziellen Führung des Staates, die Gesundung aber kann nur eintreten durch eine weise Beschränkung und Einschränkung. Aussichten für eine solche sind freilich keine vorhanden. Wenn der Herr Finanzminister besondere Reorganisationen seines Ressorts plant, kann man eher auf das Gegenteil schließen. (Posl. Krebs: Höchstens bei der sozialen Verwaltung, da wird gestrichen!) Ja, sehr richtig, ob es sich nun um Kriegsinvalide oder um die Pensionen handelt. Wir haben den staatsfinanziellen kategorischen Imperativ immer nur bei solchen Ausgaben des Staates kennengelernt. Nach dem Staatsrechnungsabschluß für 1926 hat der Finanzminister seinen Apparat in ausgiebigster Weise vergrößert und dotiert, doch wohl nur zu dem Zwecke, den Steuerträger noch kräftiger und organisierter anzugehen.

Der Voranschlag für 1926 sah für das Finanzministerium an ordentlichen Ausgaben 325 Millionen Kè vor. Fast in allen Abteilungen wurden die Personalausgaben überschritten, und zwar um 40 bis 50%, insgesamt um 167 Millionen Kè. Dafür wurden die außerordentlichen Ausgaben bis auf 42 Millionen Kè auf das nächste Jahr verschoben, so daß sich in der Gesamtsumme das falsche Bild einer Überschreitung der Gesamtausgaben um nur 11 Millionen Kè ergibt, und zwar auf 522 Millionen Kè. Dabei sind jedoch die 142 Millionen Kè, die außerordentlich mehr veranschlagt waren, nur als aufgeschobene, nicht als ersparte Lasten zu betrachten. An Steuer strafen, Exekutionsgebühren und Verzugszinsen, die sicher auch als Eintreibungsmittel anzusprechen sind, wurden 145 Millionen Kè verrechnet, das ergibt einen Gesamtaufwand auf Kosten der Steuerträger von 667 Millionen Kè, unter Hinzurechnung der geschobenen Investitionen 810 Millionen Kè. Für das Jahr 1928 hat nun der Herr Finanzminister für sein Ressort 534 Millionen Kè in den Voranschlag gestellt, gegenüber einem Voranschlag von 510 Millionen Kè im Jahre 1926. Wir können beiläufig feststellen, was aus diesen 534 Millionen Kè letzten Endes werden wird, wenn im Jahre 1928 sich die Schiebung in der Art wie 1926 vollziehen wird.

Wenn der Herr Finanzminister sein Ressort in diesem Sinne reorganisiert, läßt das in der Tat eine Fortsetzung der Steuerfolter befürchten. Diese Befürchtung ist leider umso berechtigter, wenn wir erwägen, daß das Mehr an Aufwand für das Finanzministerium gefordert wird, trotzdem das Steuerreformgesetz ein Großteil der Arbeiten der Steuerämter auf Krankenversicherungsanstalten, auf Arbeitgeber und Arbeitnehmer überwälzt. Man müßte meinen, daß es also eher zu einer Einschränkung des Apparates des Finanzministeriums kommen könnte. Aber der Herr Finanzminister scheint übermütig geworden zu sein, wegen des Erfolges des Jahres 1926, wegen des Plus von 3.4 Milliarden Kè an Steuern, Abgaben und Gebühren, die er in diesem Jahre gegenüber der Voranschlagssumme eingehoben hat, und scheint nur das eine als Aufgabe sich vorgestellt zu haben, den Apparat auszugestalten, um diesen Triumph des Jahres 1926 im künftigen Jahre noch zu erhöhen. Aber wir stellen bescheidenerweise und von Verantwortung getragen an den Herrn Finanzminister die Anfrage, wie lange er glaubt, daß eine solche Gewaltmethode geübt werden kann. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda Slavíèek.) Wir hoffen, daß der Kampf, den wir nun gegen derartige Gewaltsmethoden der Finanzverwaltung zu organisieren beginnen werden, so stark werden wird, daß auch diesen verantwortlichen Herren der Kopf einigermaßen zurecht gesetzt wer den wird.

Man hat den Herrn Dr Engliš einen guten Finanzminister geheißen. Man begrüßte seine letzte Ernennung, wie man seine erste nicht begrüßt hatte. Es war eitel Freude und Hoffnung. Man war der Meinung, er sei der einzige, der Ordnung in die verkommene Finanzführung bringen könnte. Man begegnete ihm mit einem so großen Vertrauen, wie es selten einem Finanzminister entgegengebracht wurde. Der Effekt dieses guten Finanzministers - gut in Anführungszeichen - ist allerdings anders, als man erwartet hat. Er setzte allem, was bisher auf dem Gebiete der Finanzverwaltung geschehen ist, die Krone au f, so sehr er nur Theoretiker war. Man lebt heute nicht mehr in der Meinung, er sei ein guter Finanzminister. Vielleicht ist diese Meinung nur noch in der nächsten Umgebung des Finanzministers verbreitet. Ja, es fängt selbst den engsten Freunden des Herrn Ministers an, um seine Popularität bange zu werden. Wenn man miterleben muß, wie seine Gesetze durchgeführt werden, überkommt jeden das Grausen. Von dem Steuerreformgesetz erleben wir jetzt die ersten Segnungen, wie ich das eben in meiner heutigen Stellungnahme hinsichtlich der Wirkungen derselben aufgezeigt habe. Noch ist aber nicht genug getan. Ich komme aus dem Gablonzer Bezirke und erfuhr dort in den letzten Wochen von großen Neuerungen, die sich die Steuerbehörden, zumindest dieses Gebietes, zurechtgelegt haben. Dort setzt man über rückständige Steuerzahler ganz einfach die Zwangsverwaltung ein. In der letzten Woche sind viele derartige Zwangsverwaltungen eingesetzt worden. Das ist wohl der Gipfel von allem. Der Effekt der Arbeit des Finanzministers zeigt sich auch in der Einleitung der neuen Ära auf, wie sie bei der Durchführung des neuen Steuergesetzes kommen soll. Die Vorbereitungen zeigen sich zunächst einmal in der großen Aktion der Steuerbekenntnisablegung, die bis zum Wahnwitz in den letzten Wochen durchgeführt wird und eines zur Folge hatte, das über die weitesten Bevölkerungsschichten Unruhe gebracht wurde, woraus durch Verschiebung von Vermögen dem Staate unermeßlicher Schaden entstand, so daß man die hierfür verantwortlichen Faktoren eigentlich auf die Anklagebank setzen möchte.

Wir appellieren heute neuerdings an die Steuerverwaltung, von jenen Methoden der Staatsführung, wie sie sich gerade im Staatsrechnungsabschlusse des Jahres 1926 kennzeichnen, abzugehen. Je eher man zu einer einsichtigen Behandlung des Staatsbürgers auch in seiner Eigenschaft als öffentlicher Steuerträger schreitet, umso besser. Wir haben nur zu mahnen und zu warnen. Die Tat liegt auf der anderen Seite und sie auszulösen, gebietet allerdringlichst auch das Interesse des Staates. (Souhlas a potlesk nìm. nár. socialistických poslancù.)


Související odkazy



Pøihlásit/registrovat se do ISP