Nun komme ich zu den Schlußfolgerungen
dieser allerdings sehr trockenen Zahlen, zu Schlußfolgerungen,
die uns die Tendenz der finanziellen und wirtschaftlichen Führung
des Staates klar aufzeigen. Wenn jene Steuern, die ich da genannt
habe, die gegenüber dem Voranschlag für das Jahr 1926
nach dem Staatsrechnungsabschluß dieses Jahres weniger brachten,
unberücksichtigt bleiben, so wurden von den ertragreichen
Steuern 3.631 Millionen mehr eingehoben, als der Voranschlag vorsah.
Freilich, so wird man bereit sein, seitens der Finanzverwaltung
zu argumentieren, diese 3.631 Millionen Plus an Steuerertrag für
das Jahr 1926 sind das Ergebnis der Depurierungsaktion, unter
welchem Fremdworte man die Eintreibung rückläufiger
Steuern versteht. Bekanntlich waren die Finanzämter durch
Jahre hindurch mit den regelmäßigen Steuervorschreibungen
an die Steuerträger weit im Rückstand geblieben. Es
war erst im Jahre 1924/25 möglich, daß die Steuerämter
mit den Arbeiten etwas nachkamen und dann die Vorschreibungen
der Jahre nach dem Kriege an die Steuerträger ergehen ließen.
(Posl. Geyer: Drei Jahre auf einmal!) Ja, und natürlich
ergehen ließen mit der Aufforderung, die Steuern, die ihnen
vorgeschrieben wurden, zu bezahlen. Wir können uns an dieses
Kapitel erinnern, wir können uns an die ganz wahnsinnige
Hetzjagd auf die Steuerträger erinnern, die in diesem Zeitpunkte
einsetzte, und es ist ein besonderes Kapitel, das wir zu illustrieren
hätten, wenn wir auf diese Zeit noch einmal zurückkämen.
Wir beschäftigen uns aber heute lediglich mit der Argumentation
der Finanzverwaltung gegenüber unserer Kritik, der unerhörten
Eintreibung der rückläufigen Steuern, ihrer unerhörten
Art, wie sie sich in der sogenannten Depurierungsaktion bemerkbar
macht. Wir wissen zur Genüge, was die Finanzverwaltung zu
sagen weiß, daß nämlich die Steuerzahlungspflicht
auch durch das Ausbleiben von Vorschreibungen bezw. durch Berufungen
gegenüber erfolgten Vorschreibungen nicht unterbunden wird
und daß die Steuer eben gezahlt werden muß, auch wenn
sie nicht vorgeschrieben wurde. Wenn der Steuerträger nach
dem Zeitpunkte der Fälligkeit die Steuer nicht zahlt, tritt
je nach der Wahl der Steuerbehörde entweder administrative
oder gerichtliche Exekution ein. Wir wissen das, aber wie gesagt,
es handelt sich im Augenblick nicht darum, mit der finanziellen
Führung des Staates etwa darüber zu streiten, ob ein
Steuerzahler nebst den gesetzmäßigen Verpflichtungen,
die er hat, auch eine moralische Verpflichtung hat, die Steuer
zu bezahlen, wenn er sie nicht vorgeschrieben erhält oder
vorgeschrieben erhalten hat. Wenngleich das Gesetz solches bestimmt,
so mag dem Schöpfer des Gesetzes etwas anderes vorgeschwebt
haben, als es die abnormale Zeit, die Nachkriegszeit auf steuertechnischem
Gebiete war. Ich streite aber mit der Finanzverwaltung und der
Steuerverwaltung nicht gegenüber ihrer Meinung von der Verpflichtung
etwa des Steuerträgers, seine Steuern auch zu bezahlen, auch
wenn er sie nicht vorgeschrieben erhält, oder dann zu bezahlen,
wenn er sie für 4, 5, 6 Jahre vorgeschrieben erhält.
Nicht das ist der Zweck meiner Übung, ich lüfte nur
heute den Vorhang von der Bühne der Wirklichkeit und zeige
auf, von welcher Wirkung die Depurierung, das große Reinemachen
begleitet war, und daß - das sei zuerst erwähnt - der
Anfang der Depurierung in eine Zeit fiel, die man wirtschaftlich
als die schlechteste Zeit der Nachkriegszeit klassifizieren kann,
nämlich in das Jahr 1926, das kein Konjunkturjahr, sondern
in gesamtvolkswirtschaftlicher Beziehung außerordentlich
passiv war. Wir brauchen nur die große Zahl von Konkursen
und Ausgleichen dieses Jahres durchzulesen, um den Beweis für
diese Behauptung zu erbringen. In dieser Zeit setzte die Depurierungsaktion
mit einer Strenge ein, die geradezu beispiellos genannt werden
muß. In vielen Gegenden ging von dieser Zeit an der Exekutor
sozusagen von Haus zu Haus. Oft wurde das letzte Stück brauchbarer
Habe gepfändet, wie ich schon vorher aufgezeigt habe oder
durch Zwischenrufe bestätigt worden ist, um dem Finanzminister
die Mittel zu seiner die Wirtschaft vollständig ignorierenden
Ausgabenpraxis zu schaffen. Wie viele Existenzen wurden hiedurch
vernichtet, auch solche, die sich andererseits trotz schlechten
Geschäftsganges noch hätten halten können, wenn
ihnen nicht die Finanzpraxis des Finanzministers den Rest ihres
Lebens aus ihrem Wirtschaftskörper gezogen hätte. Wie
viel maßloses Elend ist in der Zeit, beginnend vom Jahre
1926, in welchem diese Depurierungsaktion einsetzte, nicht gestiftet
worden!
Ich habe schon in meiner Steuerrede im Jahre
1926 darauf verwiesen. In Gablonz a. N. fanden in dieser Zeit,
für welche der Staatsrechnungsabschluß, den wir heute
im Hause hier vorliegen haben, gilt, 1712 Feilbietungen statt,
166 Transferierungen, 39 gerichtliche Versteigerungen von Häusern
und 32 von Mobiliar. In Morchenstern, einer Gemeinde von 8.000
Einwohnern und 2.000 Haushaltungen, sind zu der Zeit, für
welche der Rechnungsabschluß abschließt, innerhalb
weniger Wochen 736 Exekutionen geführt worden. Jeder dritte
Steuerträger, jede dritte Haushaltung dieser Stadtgemeinde
wurde rücksichtlos exequiert. In Reinowitz, einer Gemeinde
von 1.200 Einwohnern, fanden 100 Exekutionen statt. (Posl.
Krebs: Kein Wunder, daß man solche Beträge herauspreßt!)
Allerdings; wer die Kosten bezahlt, ist eine andere Frage.
In Grünwald mit 3.000 Einwohnern 300, in Hennersdorf mit
530 Einwohnern und 140 Haushaltungen 70 Exekutionen. Wir erlebten
eine Tatsache, daß in einzelnen Orten 30 bis 50% der Steuerträger
exequiert wurden. In Josefsthal betrug die Zahl der Feilbietungen
an einem Tage dieser Zeit, nämlich am 11. November 1925,
80. In Schlag wurden damals von 700 Parteien 400 exequiert. In
Seidenschwanz von 600 Parteien 200, in Labau von 300 Parteien
135. Das, was ich hier anführe, ist nur ein Teil des Bildes,
das ein Bezirk liefert, nicht das ganze Bild des Bezirkes Gablonz
a. N. Das sind Zahlen, die ich nur flüchtig einholen konnte,
auf Grund meiner einfachen statistischen Praxis, mit steht kein
statistischer Apparat wie der Staatsverwaltung zur Verfügung.
Aber das Bild, das ich hier in einigen Zahlen entworfen habe,
ist eben das Bild des Jahres, das der Staatsrechnungsabschluß
in Zahlen charakterisiert. (Posl. Knirsch: Ob das in
èechischen Gegenden auch so gewesen
ist?) Kollege Knirsch, ich
komme auf die Richtung des Fiskus in diesem Staate noch zu sprechen,
von der wir wissen, daß sie keine allgemeine, sondern sehr
wohl eine national-tendenziöse ist.
Die Sache ist heute so, daß die Steuerzahler
Steuerschuldner schlechthin geworden sind. An den schwarzen Brettern
der Gemeinden hängen die Namen derselben zu Hunderten. Die
Sache ist aber heute so, daß niemand sich geniert, öffentlich
ausgestellt zu sein. Diese öffentliche Bekanntmachung des
Steuerzahlers als Steuerschuldners war in normaler Zeit immerhin
ein Mittel zur Kritik und Erziehung gegenüber dem Steuerzahler
zu 100% oder nahe an 100% Steuermoral. In dieser Zeit aber ist
das kein Mittel zur Kritik gegenüber dem Steuerzahler, sondern
gegenüber dem Staat, der es zu Verhältnissen kommen
ließ, daß wir heute solche Dinge erleben.
Diese Methoden der Steuerbehörden, die
in den Jahren 1925 und 1926 einsetzten, wurden fortgeführt
und wir stehen heute noch nicht an ihrem Ende. Wenn man da mitten
im Leben ist - natürlich, die Herren Theoretiker des Finanzministeriums
kommen niemals in das Leben hinaus, sie schauen dieses Leben nicht
- wenn man also mitten im Leben lebt und mitten im Leben eines
wirtschaftlich, industriell hochstehenden oder hoch gestandenen
Gebietes, und die geschilderten grauenvollen Fälle fiskalischen
Wahnsinns Tag für Tag sich vollziehen sieht, dann kann man
zu keinem anderen Urteil kommen als zu dem, die Steuerverwaltung
handle nach dem Worte "Nach uns die Sintflut"! Längst
ist es vorbei, daß die Finanzverwaltung vorsichtig nur einen
Teil des Ertrages der Arbeit abschöpft. Man wagt sich an
die Substanz heran und schöpft auch sie ab. Zunächst
war die Opposition rege gegen eine solche Art, heute finden wir
in breiten Teilen der Staatsbevölkerung eine Resignation
ungeheuerer Art gegenüber solchen Methoden der Steuerbehörden,
die auch durch die regste Opposition der letzten Jahre nicht verbessert
werden konnte. Alle Initiative ist erschlagen, der Mensch, der
arbeiten soll, um mehr als den Ertrag seiner Arbeit dem Staate
in der Form von Steuern abzuführen, hört endlich auf
zu arbeiten, auch wenn er seine Steuermoral zum höchsten
Grade entwickelt hätte. Schließlich läßt
man sich resigniert seine Habe wegnehmen, wie das tagtäglich
zu bemerken ist. Fast genügt die Zahl der Lastautomobile
nicht, um solche von Steuerbehörden gepfändete Habe
abzuholen. In Kalsching in Südböhmen hat man, wie ich
schon einmal erwähnte, erst in den letzten Tagen einem kleinen
Bauern die letzte Kuh aus dem Stalle geholt. Da kann man schon
sagen, daß man mit dem Standpunkt der Finanzverwaltung "Nach
uns die Sintflut" fast das Richtige trifft.
Nun, meine Herren, komme ich zu der Richtung
des Fiskus. Koll. Knirsch hat in einem Zwischenruf mich
hierauf aufmerksam machen wollen. Ich darf gestehen, daß
ich auf diese Seite des ganzen fiskalischen Experimentes selbst
durch Beobachtung der Wirklichkeit gekommen bin. Meine Verehrten,
wir haben erlebt, daß in den letzten Wochen die Klagen über
die Praktiken der Steuerbehörden ganz besonders aus deutschen
Bezirken einlaufen. Das läßt zu dem Schluß kommen,
daß die Hand des Finanzministers, wie dies Koll. Knirsch
ja auch meint, in der Tat auf den deutschen Gegenden härter
liegt als auf den anderen. Eine solche Behauptung wäre unzulänglich,
wenn wir sie nicht mit eigenen gegenständlichen Beweisen
belegen könnten. Aber wir haben solche gegenständliche
Beweise - und nicht nur einen - die uns diese Tendenz des Fiskus
beweisen. Ich nannte in meiner. Zahlen die Erträgnisse der
einzelnen Steuergattungen für das Jahr 1926 und führte
in Bezug auf die Grundsteuer an, daß die Summe dieser eingehobenen
Steuer im Betrage von 105.56 Mill. Kronen um 34.2 Mill. Kronen
hinter dem Ansatze des Voranschlages im Betrage von 139.8 Mill.
Kronen zurückbleibt. Der Rückstand am Ende des Jahres
1296 überstieg die Höhe der eingehobenen Steuer dieser
Art fast um 25%. Bei der Grundsteuer finden wir also, ohne daß
das Finanzministerium Grund zum Einschreiten findet, ein Anwachsen
des Außenstandes. Bei jenen Steuergattungen, welche von
der Industrie, dem Handel und Gewerbe geleistet werden müssen,
haben wir das nicht zu verzeichnen. Im Gegenteil, da macht sich
die da von mir geschilderte Grausamkeit in der Eintreibung in
der furchtbarsten Weise bemerkbar. Also auf der Wirtschaft,
der Industrie und dem Handel, die heute noch zum größten
Teil in deutschen Händen liegen, lastet der Steuerdruck mehr
als auf den èechischen Agrariern. Das ist eine sehr interessante
Richtung, die sich der Fiskus zurecht gelegt hat.
Von dieser Richtung des Fiskus sprach ich schon
einmal früher. Es war das in der schon vorerwähnten
Steuerrede des Jahres 1926. Damals wies ich an der Studie des
Ladislaus Weiler, die im Jahre 1925 als Veröffentlichung
des Instituts für Statistik der Minderheitsvölker
an der Universität in Wien erschienen war, die nationale
Einseitigkeit des èechoslovakischen Fiskus nach. Aus den
Statistiken des Ladislaus Weiler kann man viel ersehen. Während
die deutschen Städte nach dieser Statistik kaum ein Vierzehntel
der Bevölkerung des Staates ausmachen, zahlen sie beinahe
ein Viertel der gesamten Steuern. (Hört! Hört!) Die
èechische Landbevölkerung hingegen, welche die steuerkräftigste
Kategorie der Èechen sind... (Posl.
Krebs: Siehe ihre Sparkasseneinlagen!) Ja,
mit dem Geld der Sparkassen wollen die Èechen jetzt
im deutschen Gebiete investieren.
Also die èechische Landbevölkerung, die die steuerkräftigste
Kategorie der Èechen sind, müßten ihrer Kopfzahl
nach ein Viertel der Gesamtsteuern tragen, zahlen aber in Wirklichkeit
nur etwas über ein Zehntel. Schon diese Zahlen geben Anlaß
zu der Annahme, daß die Deutschen Böhmens einen unverhältnismäßig
höheren Anteil an den Staatslasten zu tragen haben. Nicht
weniger deutlich erhellt das aus den verschiedenen Beziehungszahlen
der Statistik. Wir sehen aus den Zahlen der Weilerschen Statistik
weiter, daß die Städte mit rein deutscher Bevölkerung
den größten Prozentsatz an Steuerzahlern aufzuweisen
haben, nämlich 9.79%. Die rein èechischen Städte
bleiben um mehr als 1% hinter diesem Steuersatz
zurück. Auch was die Steuerzahlung auf den Kopf der Bevölkerung
anlangt, marschieren die Deutschen an erster Stelle.
Das muß uns zu der Ansicht bringen, daß
der Herr Finanzminister ebenso einseitig expropriiert, wie der
Herr Präsident des Bodenamtes es die Jahre herauf getan hat
und es weiter tun wird und wie es ja auch der Herr Innenminister
tun wird, wenn er zur Durchführung der Verwaltungsreform
gelangen wird. Aber wir wollen dem Herrn Finanzminister doch bescheidenerweise
sagen, daß wir zumindest nicht einfältig genug sind,
diese Richtung des Fiskus nicht zu erkennen. Wir erkennen sie
und bekämpfen sie. Wir fordern, wie auf allen Gebieten, so
auch hier - und wir fordern das nützlicherweise auch für
den Staat - daß uns Gerechtigkeit wird. Es kann selbst für
den Staat nicht von Nutzen sein, durch einen einseitig gegen das
deutsche Element geführten Steuerterror vorzugehen. Das deutsche
Element war sicherlich in wirtschaftlicher und finanzieller Beziehung
so bedeutsam auch für den Staat und ist es noch, daß
es von Einsicht getragene verantwortliche Staatsmänner von
einem solchen Terror zu schonen hätten.
Meine Herren, habe ich jetzt von einer nationalen
Tendenz des Fiskus gesprochen, so kann ich seine soziale Tendenz
nicht unerwähnt lassen. Auch diese Tendenz wirkt sich
am deutschen Volke mehr aus als am èechischen, schlägt
somit in die nationale Tendenz über. Es sind im Jahre 1926
nach dem uns vorliegenden Staatsrechnungsabschluß an Einkommensteuer
3.191 Millionen Kronen eingetrieben worden,
an Umsatz- und Luxussteuer 2.130 Millionen Kronen, an Zöllen
989.7 Millionen Kronen, an Zuckersteuer 306.9 Millionen Kronen.
Das sind nur einige Zahlen, welche die große Rechnung illustrieren,
die der arbeitende Mensch dem Herrn Finanzminister zu zahlen hat.
Diese Meinung von einer Überlastung der breiten Schichten
der Bevölkerung hängt sich nicht nur an die ungeheuere
Summe etwa der von mir schon erwähnten Umsatzsteuer, der
Zölle, der Zuckersteuer usw., sondern auch an die 3131 Millionen
Kronen der Einkommensteuer, die heute nachgerade zu einer Steuer
des kleinen Mannes geworden ist, wenn wir ihr auf diesen kleinen
Mann entfallendes Teilergebnis berücksichtigen.
Die Staatsverwaltungen haben jeweils nach solchen
Steuern gesucht, welche, auf breitester Grundlage ruhend, den
größten Effekt verbürgten. Es war einmal im alten
Österreich auch so, aber bis zu einem solchen Ende der Belastung
der kleinen Leute, das muß ich schon sagen, bis zu einer
solchen sozialen Tendenz in der Handhabung des fiskalischen
Instruments, wie dies hier im èechoslovakischen Staat der
Fall ist, ist man doch anderswo nie gekommen. Wahrscheinlich soll
aber dies der Ausdruck der hier in diesem Staate mehr als irgendwo
anders gepriesenen Demokratie sein. (Výkøiky
posl. Krebse.) Meine
Herren, wir erheben gegen diese unsoziale Tendenz des Fiskus schwerste
Anklage und fordern ihre Revision.
Was die Gebühren für Rechtshandlungen anbelangt, so
wurden sie im Jahre 1926 mit 584 Mill. Kè veranschlagt,
795.16 Mill. Kè sind aber tatsächlich eingehoben worden.
Es wurde diese Summe schon voranschlagsgemäß von 584
Millionen im Jahre 1926 auf 650 Millionen Kè im Jahre 1928
erhöht und wir können uns vorstellen, was aus diesem
Titel künftig an Einnahmen für den Staat kommen wird,
wenn die Überschreitungen der kommenden
Jahre sich etwa ebenso in der Form halten, wie die Überschreitungen
des Jahres 1926. Das Recht ist, so wie es durch diese Ziffern
illustriert wird, so teuer geworden, daß es nur noch Wohlhabende
lockt, sich in Prozesse einzulassen. Wohin soll das aber führen,
wenn das Recht für einen Mittellosen unerschwinglich wird?
Ist das auch eine Legitimation für die Demokratie?
In dieses Kapitel fällt der in der 108.
Jahreshauptversammlung des Reichenberger Handelsgremiums vom 19.
März 1928 gerügte Modus der hohen Mahngebühren
nach dem neuen Steuergesetze. Die Mahngebühr betrug bisher
2.10 Kè, vom 1. Jänner 1928 angefangen wird die Mahngebühr
für eine Steuerschuld von 100 bis 100.000 Kè ein halbes
Prozent, für jede weitere 100.000 Kè 100 Kè
mehr betragen. Wird also am 1. Jänner
1928 eine auf den Betrag von 20.000 Kè lautende Mahnung
hinausgegeben, so hat der Steuerschuldner hierfür eine Mahngebühr
von 100 Kè zu entrichten. Bei 100.000 Kè Steuerschuld
hat er 500 Kè an Mahngebühren zu entrichten.
(Posl. Krebs: Das ist teuerer als durch den Rechtsanwalt!)
Ja! Aber auch für die Steuerpfändung erhöhen
sich die Gebühren in geradezu erschreckender Weise. Diese
Gebühr betrug bis Ende 1927 5.20 Kè, sie erhöht
sich ab 1. Jänner 1928 auf 1%, und zwar auch
in den Fällen, wo kein pfändungsfähiger Gegenstand
vorgefunden wurde. Außerdem berechnet der Staat bei einer
Versteigerung 1 1/2%
von dem Erlös der gepfändeten Gegenstände.
Aber zurück zum Rechnungsabschluß
1926. Was ich bezüglich der Mahngebühren und hohen Pfändungsgebühren
gesagt habe, schien mir notwendig zu sagen in Verbindung mit dem,
was ich vorhergehend über den Staatsrechnungsabschluß
äußerte. Ich sprach von vielen Fällen unerhörter
Belastung, wie es durch diesen Staatsrechnungsabschluß erwiesen
wird. Wir fordern eine Korrektur der Ausgaben des Staates zum
Zwecke der Möglichkeit einer Erleichterung des Steuerträgers.
Wie sehr bisher dem entgegen gehandelt wird, zeigt das Kapitel
"Die Kosten für die Sicherheit des Staates im Jahre
1926", wiederum nach dem Staatsrechnungsabschluß.
Da ersehen wir nunmehr, daß für den politischen Dienst
des Innenministeriums i. J. 1926 anstatt der veranschlagten 68.4
Millionen Kè, 121.2 Millionen Kè ausgegeben wurden,
desgleichen für Polizeiämter und Polizeiorgane statt
71 Millionen Kè deren 110.5 Millionen Kè
und für die Gendarmerie statt 115.86 Millionen Kè
198.6 Millionen Kè. Die Kosten für die gleichen Zwecke
Karpathorußlands sind hierbei noch nicht berücksichtigt
und übersteigen den Voranschlag auch bis zu 100%. Ob es
allen Anstrengungen gelingen wird, in die Abrechnung des Ministeriums
für nationale Verteidigung Licht zu bringen, bleibt dahingestellt.
Wie kann es möglich sein, das wäre eine Frage, die man
wohl an den Minister für Landesverteidigung stellen könnte,
vorausgesetzt daß er hier wäre, daß dort
für Reisen und Fahrten 57.62 Millionen Kè ausgegeben
wurden? (Posl. Krebs: Die Reiseauslagen
des tapferen Soldaten Švejk!) Ja,
wobei noch im Jahre 1926 aus Ersparungsgründen die Manöver
nur in beschränktem Maße durchgeführt wurden.
Man könnte sehr böse Folgerungen aus diesem Betrag ziehen.
Nach dem Rechnungsabschluß trägt eine Einlage bei der
Landesbank in Prag in der Höhe von 663 Tausend Kè
die Bestimmung "für besondere Zwecke des èechischen
Jockey-klubs" und die Ausgaben für Belebung des Fremdenverkehrs
aus der Touristik überschreiten um rund 1 Mill. Kè
den Voranschlag, weil dem Gebirgsverein Radhoš eine
Einlage von 1 Million Kè gegeben wurde. Wann und wo haben
einmal deutsche Organisationen einen ähnlichen Betrag erhalten?
Auch der Rechnungsabschluß für 1927 weiß hierüber
nichts zu berichten.
Eine jede der heute in meinem Bericht zum Staatsrechnungsabschluß
genannten Zahlen ist ein Beweismittel für den ungeheueren
Steuerdruck. Es kann gar nicht anders sein, als daß es zum
ruinösesten Fiskalismus kommt, wenn man sich Pläne zurechtlegt,
deren Verwirklichung Milliarden kostet. Da tritt der Herr Finanzminister
für ein liberaleres Vorgehen bei der Steuereinhebung ein.
Die Steuerämter werden nach seinem Ukas beauftragt, bei der
Einhebung der Steuern auf die wirtschaftlichen Verhältnisse
jedes einzelnen Steuerzahlers Rücksicht zu nehmen, insbesondere
Raten zu gewähren, mit den Pfändungen und Exekutionen
sehr vorsichtig zu Werke zu gehen. Mir will scheinen, daß
diese Epistel des Herrn Finanzministers stark im Gegensatz zu
den Richtlinien wirtschaftlicher und finanzieller Führung
des Staates steht, die er ja selbst angibt und für die die
Steuerämter in Bezug auf deren Durchführung ja nichts
anderes als Instrumente sind. Der Liberalismus in der Steuereinhebung
hat zur Voraussetzung die Ordnung und Gesundung in der finanziellen
Führung des Staates, die Gesundung aber kann nur eintreten
durch eine weise Beschränkung und Einschränkung. Aussichten
für eine solche sind freilich keine vorhanden. Wenn der Herr
Finanzminister besondere Reorganisationen seines Ressorts plant,
kann man eher auf das Gegenteil schließen. (Posl. Krebs:
Höchstens bei der sozialen Verwaltung, da wird gestrichen!)
Ja, sehr richtig, ob es sich nun um Kriegsinvalide oder um
die Pensionen handelt. Wir haben den staatsfinanziellen kategorischen
Imperativ immer nur bei solchen Ausgaben des Staates kennengelernt.
Nach dem Staatsrechnungsabschluß für 1926 hat der Finanzminister
seinen Apparat in ausgiebigster Weise vergrößert und
dotiert, doch wohl nur zu dem Zwecke, den Steuerträger noch
kräftiger und organisierter anzugehen.
Der Voranschlag für 1926 sah für das Finanzministerium
an ordentlichen Ausgaben 325 Millionen Kè vor. Fast in
allen Abteilungen wurden die Personalausgaben überschritten,
und zwar um 40 bis 50%, insgesamt um 167 Millionen Kè.
Dafür wurden die außerordentlichen Ausgaben bis auf
42 Millionen Kè auf das nächste Jahr verschoben, so
daß sich in der Gesamtsumme das falsche Bild einer Überschreitung
der Gesamtausgaben um nur 11 Millionen
Kè ergibt, und zwar auf 522 Millionen Kè. Dabei
sind jedoch die 142 Millionen Kè, die außerordentlich
mehr veranschlagt waren, nur als aufgeschobene, nicht als ersparte
Lasten zu betrachten. An Steuer strafen, Exekutionsgebühren
und Verzugszinsen, die sicher auch als Eintreibungsmittel anzusprechen
sind, wurden 145 Millionen Kè verrechnet, das ergibt einen
Gesamtaufwand auf Kosten der Steuerträger von 667 Millionen
Kè, unter Hinzurechnung der geschobenen Investitionen 810
Millionen Kè. Für das Jahr
1928 hat nun der Herr Finanzminister für sein Ressort 534
Millionen Kè in den Voranschlag gestellt, gegenüber
einem Voranschlag von 510 Millionen Kè im Jahre 1926. Wir
können beiläufig feststellen, was aus diesen 534 Millionen
Kè letzten Endes werden wird, wenn im
Jahre 1928 sich die Schiebung in der Art wie 1926 vollziehen wird.
Wenn der Herr Finanzminister sein Ressort in
diesem Sinne reorganisiert, läßt das in der Tat eine
Fortsetzung der Steuerfolter befürchten. Diese Befürchtung
ist leider umso berechtigter, wenn wir erwägen, daß
das Mehr an Aufwand für das Finanzministerium gefordert wird,
trotzdem das Steuerreformgesetz ein Großteil der Arbeiten
der Steuerämter auf Krankenversicherungsanstalten, auf Arbeitgeber
und Arbeitnehmer überwälzt. Man müßte meinen,
daß es also eher zu einer Einschränkung des Apparates
des Finanzministeriums kommen könnte. Aber der Herr Finanzminister
scheint übermütig geworden zu sein, wegen des Erfolges
des Jahres 1926, wegen des Plus von 3.4 Milliarden Kè
an Steuern, Abgaben und Gebühren, die er in diesem Jahre
gegenüber der Voranschlagssumme eingehoben hat, und scheint
nur das eine als Aufgabe sich vorgestellt zu haben, den Apparat
auszugestalten, um diesen Triumph des Jahres 1926 im künftigen
Jahre noch zu erhöhen. Aber wir stellen
bescheidenerweise und von Verantwortung getragen an den Herrn
Finanzminister die Anfrage, wie lange er glaubt, daß eine
solche Gewaltmethode geübt werden kann. (Pøedsednictví
pøevzal místopøedseda Slavíèek.)
Wir hoffen, daß der Kampf,
den wir nun gegen derartige Gewaltsmethoden der Finanzverwaltung
zu organisieren beginnen werden, so stark werden wird, daß
auch diesen verantwortlichen Herren der Kopf einigermaßen
zurecht gesetzt wer den wird.
Man hat den Herrn Dr Engliš einen
guten Finanzminister geheißen. Man begrüßte seine
letzte Ernennung, wie man seine erste nicht begrüßt
hatte. Es war eitel Freude und Hoffnung. Man war der Meinung,
er sei der einzige, der Ordnung in die verkommene Finanzführung
bringen könnte. Man begegnete ihm mit einem so großen
Vertrauen, wie es selten einem Finanzminister entgegengebracht
wurde. Der Effekt dieses guten Finanzministers - gut in Anführungszeichen
- ist allerdings anders, als man erwartet hat. Er setzte allem,
was bisher auf dem Gebiete der Finanzverwaltung geschehen ist,
die Krone au f, so sehr er nur Theoretiker war. Man lebt heute
nicht mehr in der Meinung, er sei ein guter Finanzminister. Vielleicht
ist diese Meinung nur noch in der nächsten Umgebung des Finanzministers
verbreitet. Ja, es fängt selbst den engsten Freunden des
Herrn Ministers an, um seine Popularität bange zu werden.
Wenn man miterleben muß, wie seine Gesetze durchgeführt
werden, überkommt jeden das Grausen. Von dem Steuerreformgesetz
erleben wir jetzt die ersten Segnungen, wie ich das eben in meiner
heutigen Stellungnahme hinsichtlich der Wirkungen derselben aufgezeigt
habe. Noch ist aber nicht genug getan. Ich komme aus dem Gablonzer
Bezirke und erfuhr dort in den letzten Wochen von großen
Neuerungen, die sich die Steuerbehörden, zumindest dieses
Gebietes, zurechtgelegt haben. Dort setzt man über rückständige
Steuerzahler ganz einfach die Zwangsverwaltung ein. In der letzten
Woche sind viele derartige Zwangsverwaltungen eingesetzt worden.
Das ist wohl der Gipfel von allem. Der Effekt der Arbeit des Finanzministers
zeigt sich auch in der Einleitung der neuen Ära auf, wie
sie bei der Durchführung des neuen Steuergesetzes kommen
soll. Die Vorbereitungen zeigen sich zunächst einmal in der
großen Aktion der Steuerbekenntnisablegung, die bis zum
Wahnwitz in den letzten Wochen durchgeführt wird und eines
zur Folge hatte, das über die weitesten Bevölkerungsschichten
Unruhe gebracht wurde, woraus durch Verschiebung von Vermögen
dem Staate unermeßlicher Schaden entstand, so daß
man die hierfür verantwortlichen Faktoren eigentlich auf
die Anklagebank setzen möchte.
Wir appellieren heute neuerdings an die Steuerverwaltung,
von jenen Methoden der Staatsführung, wie sie sich gerade
im Staatsrechnungsabschlusse des Jahres 1926 kennzeichnen, abzugehen.
Je eher man zu einer einsichtigen Behandlung des Staatsbürgers
auch in seiner Eigenschaft als öffentlicher Steuerträger
schreitet, umso besser. Wir haben nur zu mahnen und zu warnen.
Die Tat liegt auf der anderen Seite und sie auszulösen, gebietet
allerdringlichst auch das Interesse des Staates. (Souhlas
a potlesk nìm. nár. socialistických poslancù.)