Die deutschen Christlichsozialen sowie die
Gewerbeparteiler haben durch ihre Redner eine Rechtfertigung wegen
ihres Verhaltens bei den in Verhandlung stehenden Gesetzen, insbesondere
dem der Mietzinserhöhung abgeben lassen, um so ihren Betrug
an den Tausenden kleinen Mietern zu verschleiern. Diese Rechtfertigungen
reichen bei weitem nicht aus, den Schwindel, den sie mit ihren
Wählern betreiben, zu verdecken, sondern rufen alle bisher
begangenen Schandtaten an der armen arbeitenden Bevölkerung
vom neuen ins Bewußtsein. Um den Auswirkungen des Gesetzes
schon jetzt zu begegnen, versuchen sie mit jesuitischen Mitteln,
einerseits Einwendungen zu erheben, auf der anderen Seite aber
die Notwendigkeit der Vorlagen zu begründen. Diesen Eiertanz
der deutschen Regierungsparteien hat insbesondere der Herr Abg.
Krumpe in demagogischer Art betrieben, der ihn zum wirklichen
politischen Watschenmann der Koalition stempelte.
Schon Genosse Neurath hat die Ausführungen
des Herrn Krumpe in das richtige Licht gerückt und
den Schwindel seiner Argumentation aufgezeigt, so daß es
genügt, daß ich nur noch einige Bemerkungen hiezu mache.
Wenn Herr Krumpe wie auch die Gewerbeparteiler sich gegen
Provisorien wenden und insbesondere gegen dieses Gesetz, so tun
sie es nur, um ihren Wählern Rechnung zu tragen und ihnen
zu sagen, daß sie mit diesem Gesetz nicht einverstanden
sind. Komisch ist es, wenn Herr Krumpe sich mit einem Appell
an den Minister für soziale Fürsorge wendet und von
der Seite erwartet, daß der Wohnungsfürsorge Rechnung
getragen wird. In dem Falle wendet er sich gerade a jenen Mann,
der der Vertreter jener Richtung ist, die gerade jetzt daran geht,
alle sozialen Einrichtungen abzubauen und sie zu verschlechtern
und eine Attacke gegen die Arbeiter vorzunehmen. Herr Krumpe
sagt pathetisch, daß es Pflicht der Wirtschaft ist, für
Wohnungen zu sorgen, damit die Wohnungslosen Unterkunft finden.
Wo die Vertreter der Wirtschaft sind, wissen wir und wir wissen
auch, daß die Vertreter der Wirtschaft diejenigen sind,
die die Fäden der Wirtschaft in der Hand haben, daß
das Bürgertum und die Kapitalisten sind. Dieser Appell des
Herrn Krumpe an die Kapitalisten bedeutet aber nichts anderes
als einen glatten Schwindel, de sie betreiben. Schon seine Analyse
des Gesetzes zeigt uns, daß er vor allem die Hausbesitzer
an die erste Stelle stellt und ihnen helfen will, die Wohnungspreise
anzugleichen. Er sagt vor allem, daß an erster Stelle die
Hausbesitzer stehen, dann kommen die Mieter und in dritter Reihe
kommen die Wohnungslosen. De Wohnungslosen will er helfen und
den Hausbesitzern schafft er neue Einnahmsquellen, neue Profite
aus dem Konto des Elends der Wohnungslosen. Die Mieter, die in
die Hunderttausende und in die Millionen gehen, hat er ganz beiseite
gelassen, weil er sagen müßte daß das Opfer,
den Wohnungslosen zu helfen, vor allem die Mieter zu tragen haben
und daß die Profite die Hausbesitzer haben werden. Wegen
einiger tausender Hausbesitzer also sollen Millionen von Mietern
schwere Opfer auf sich nehmen, damit den Wohnungslosen einige
Wohnungen geschaffen werden.
Wenn der Herr Krumpe also erklärt,
daß die Wirtschaft verpfliehtet wäre, Wohnungen zu
besorgen, so ist es natürlich auf der anderen Seite sehr
komisch, wenn die Mieter getroffen werden, um den Hausbesitzern
Profite zu schaffen. - Herr Krumpe meint, daß eine
Angleichung zwischen den Löhnen und Mieten erfolgen solle
und in diesem Zusammenhang versprechen die Herren, das heißt
die christlichsoziale Partei, daß wenn die Erhöhung
der Mietzinse Lohnkämpfe auslösen werde, die christlichsoziale
Partei sich hinter das kämpfende Proletariat stellen und
dafür Sorge tragen werde, daß der Lohnkampf siegreich
beendet werde. Wie sich die Herren Christlichsozialen hinter das
kämpfende Proletariat stellen, wissen wir zur Genüge
aus der Geschichte der ganzen Lohnkämpfe. Ich will nur ein
ganz kleines Beispiel wieder aus Freiwaldau erwähnen, wo
gerade die christlichsoziale Arbeiterschaft sich im Kampfe gegen
die brutalen Ausbeuter befindet, wo die letzte Weisheit die Gendarmerie
war. So wird es natürlich überall sein, wo sich Kämpfe
durch die Verteuerung der Wohnungen, durch die Mietzinserhöhungen
entwickeln werden, daß das letzte Mittel die Gendarmerie
sein wird und da werden die Herren Christlichsozialen, die Vertreter
der Kapitalisten, zu diesem Mittel greifen, um mit Bajonetten
die Forderungen der Arbeiter niederzukämpfen. Sehr ehrlich
meint es Herr Krumpe nicht, wenn er sagt, daß sie
sich für die Kämpfenden einsetzen werden, damit die
Angleichung zwischen Mietzins und Lohn erfolgt. Ich erinnere daran,
daß das Stift Osseg, das von würdigen Herren, von den
christlichsten der Christlichen geführt wird, über viele
Besitzungen, Brauereien usw. verfügt und daß gerade
diese christlichen Herren die größten Scharfmacher
sind und Arbeiter, die daran gehen, das wirtschaftliche Los der
dortigen Arbeiterschaft zu verbessern, einfach aus der Arbeit
jagen. Herr Krumpe meint, wenn genügend Wohnungen
da sein werden, brauchen wir keinen Mieterschutz. Da natürlich
auch dieser Ausspruch eine Phrase ist, zeigt dies schon, daß
in der kapitalistischen Wirtschaftsordnung die Wohnungsfrage überhaupt
nicht gelöst werden kann. Und wenn Herr Krumpe auf
Deutschland hinweist, daß dort durch die Aufwertung der
Mietzinse es der Wirtschaft möglich war, Tausende und Abertausende
von Wohnungen zu schaffen, so wollen wir nur darauf hinweisen,
daß in der Vorkriegszeit die Wohnungsfrage eine der schwersten
sozialen Fragen war, die die bürgerlichen Regierungen nie
lösen konnten. Schon vor dem Kriege befaßten sich die
Sozialreformer mit dieser Frage und beriefen Kongresse und Konferenzen
ein, um der Lösung dieser Frage näher zu treten. Aber
Herr Krumpe sagt richtig, daß die Wohnungsfrage gleichzeitig
auch eine soziale Frage ist, daß also die Wohnungsfrage
nur mit der sozialen Frage gleichzeitig gelöst werden kann.
Aber in einer kapitalistischen Wirtschaftsordnung, wo die Arbeiterschaft
ausgebeutet, maßlos besteuert, maßlos schikaniert
und entrechtet wird, wo die soziale Stellung des Arbeiters eine
tiefe ist, ist nicht daran zu denken, daß die Wohnungsfrage
gelöst werden kann.
Und wie sehr die Wohnungsfrage eine soziale
Frage ist, will ich Ihnen an einem Beispiel anführen, dem
zuliebe ich mich eigentlich zum Worte gemeldet habe, und aus dem
ersichtlich ist, wie brutal die Unternehmer, wie brutal die kapitalistische
Klasse gegen den wirtschaftlich Schwachen vorgeht, wie brutal
die kapitalistische Klasse ihre Vorrechte gegenüber den wirtschaftlich
Schwachen ausnützt. Das mag ein Kapitel zu jenem Ausspruch
des Herrn Krumpe sein, wo er sagt, die Wohnungsfrage ist
eine soziale Frage.
Unweit von Jägerndorf ist ein kleines
Dörfchen namens Schreiberseifen-Kunau, das eine einzige größere
Fabrik hat und wo die gesamte Arbeiterschaft des Dorfes, ungefähr
500 bis 600 Personen, darauf angewiesen sind, in dieser Fabrik
ihr Brot zu verdienen. Diese Gemeinde wurde seit Jahrzelnten durch
die deutschen Agrarier verwaltet und diese Verwaltung hat es während
dieser Zeit verstanden, den ganzen Gemeindebesitz in die Hände
der Kapitalisten hinüberzuspielen. Das Gemeindegut ist alleiniges
Eigentum eines Herrn Perutz und zweier anderer Unternehmer. Die
Gemeinde selbst verfügt über ein einziges Stück
Bodenfläche, u. zw. über einen Grasplatz von einigen
Quadratmetern. Kein Gemeindehaus, keine Gemeindestube, nichts
ist da, wo die Gemeinde irgendwie amtieren könnte. Herr Perutz
ist aber nicht nur alleiniger Besitzer des Gemeindegutes, sondern
auch gleichzeitig Besitzer aller Häuser, die auf diesen Gemeindegründen
stehen und als Hausherr benimmt er sich dementsprechend den Arbeitern
gegenüber im Lohnkampfe in dem Augenblick, wo die Arbeiterschaft
daran geht, gegen die Willkür des Unternehmers aufzutreten.
Aber nicht allein, daß die Arbeiter gezwungen sind, bei
dem gewaltigen Herrn Perutz sich zu verdingen und ihre Arbeitskräfte
ihm zu verkaufen, nicht allein, daß die Arbeiterschaft,
die Gesamtbevölkerung von Schreiberseifen-Kunau gezwungen
ist, in den Häusern des Herrn Perutz zu wohnen, hat es Herr
Perutz auch verstanden, sich zum alleinigen Händler für
Lebensmittel in dem Ort zu machen. Kein einziger Geschäftsmann
kann in der Gemeinde existieren, weil Herr Perutz darüber
entscheidet, wer in seinen Häusern wohnt. Auch die Post ist
in der Verwaltung des Herrn Perutz. Er ist auch Lichtlieferant
der Gemeinde und bedeutet gleichzeitig, wie bereits erwähnt,
die einzige Einnahmsquelle für die gesamte Einwohnerschaft
des Dörfchens. Sie werden begreifen, daß es die Gemeindevertretung
verstanden hat, durch ihre jahrzehntelange Wirtschaft Grund und
Boden, die Häuser, die Post, die Geschäfte, das Licht,
mit einem Wort alles, dem alleinigen Besitz dieses Unternehmers
auszuliefern.
Man spricht jetzt von einem Mieterschutzgesetz.
Wir sehen schon jetzt, wie sich die Verhältnisse unter dem
gegenwärtigen Mieterschutzgesetz auswirken, wie es die Unternehmer
verstehen, als Hausbesitzer gegen revoltierende Arbeiter vorzugehen.
Im verflossenen Jahre gelang es der Arbeiterschaft geschlossen,
die Gemeindevertretung zu erobern. Und nun stellte sich
heraus, daß die - Gemeindevertretung, die die Arbeiterschaft
inne hat, nicht einen einzigen Raum in der Gemeinde zur Verfügung
hatte, wo sie hätte amtieren können. Nach langen Verhandlungen
gewährte Herr Perutz gnädigst in einem seiner Häuser,
die leer stehen, die Unterbringung der Gemeindekanzlei, unter
der Bedingung allerdings, daß die Gemeindevertretung nur
zu einer Zeit, die Herr Perutz selbst vorschreibt, u. zw. zweimal
in der Woche während zweier Stunden, beraten darf. Also sogar
die Gemeindevertretung ist unter die Botmäßigkeit des
Herrn Perutz gelangt. Nicht genug an dem, drohte Herr Perutz den
Arbeitern, daß jene, die die Gemeindestube betreten, aus
seiner Fabrik entlassen werden. Er diktiert also als Gewaltig
er, ob die Arbeiter ihre Rechte in der Gemeinde ausüben,
dürfen oder nicht. Er diktiert, ob die Gemeindekanzlei betreten
werden darf oder nicht. Und nun kommt das Unerhörteste. Als
sich die Arbeiter diesem Terror nicht fügten begann Herr
Perutz mit der Entlassung aller Gemeindevertreter und als die
entlassenen Gemeindevertreter nicht auf ihre Funktionen verzichten
wollten, ging er dazu über, die Familienangehörigen
dieser Gemeindefunktionäre, Frauen und Kinder, zu entlassen.
Er ging sogar so weit, die Eltern dieser Gemeindevertreter zu
entlassen, um die Gemeindevertreter zu zwingen, ihr Amt in der
Gemeindevertretung niederzulegen. An einen 60jährigen Arbeiter
stellte er die unerhörte Forderung, dieser möge seinen
Sohn aus seinem Hause entfernen, sonst würde der Alte entlassen
werden. Der alte Mann ließ es lieber darauf ankommen, als
seinen Sohn und seine Enkelkinder aus dem Hause zu jagen. Als
diese Maßnahme nichts fruchtete, ging Herr Perutz daran,
den Arbeitern, die Gemeindevertreter in ihren Wohnungen beherbergten,
mit der Delegierung zu drohen. Gewalttätig, mit Hilfe der
Gendarmerie, setzte er sich über das Mieterschutzgesetz weg,
gewaltsam wurden die Habseligkeiten der Arbeiter auf die Straße
gebracht und mit knapper Müh und Not gelang es einigen dieser
delogierten Arbeiter, Wohnungen in Häusern, die noch nicht
im Besitz des Herrn Perutz sind, zu finden. Als Herr Perutz sah,
daß die Durchbrechung des Mieterschutzes und die Umgehung
der gesetzlichen Bestimmungen nicht genügten, daß also
die Arbeiter trotz aller Drohungen noch Unterschlupf finden, ging
er daran, den anderen Hausbesitzern zu drohen, wenn sie die aufgenommenen
Gemeindevertreter und ihre Familienangehörigen nicht delogieren,
ihnen das Licht - er ist, wie gesagt, der einzige Lichtlieferant
des Ortes - zu entziehen. Unter diesem Druck ließen sich
die drei oder vier Hausbesitzer herbei, die Arbeiter aus ihren
Wohnungen zu delogieren, einzig und allein aus dem Grunde, weil
ihnen Herr Perutz mit wirtschaftlichen Maßnahmen drohte.
Und nun sagt Herr Krumpe, die Wohnungsfrage
ist eine soziale Frage. Das sagen auch wir, aber in anderem Sinne,
weil durch das Wohnungselend die wirtschaftlich Schwachen dem
Terror der Unternehmer ausgeliefert werden. Gendarmerie ist das
letzte Mittel der Unternehmer, das zeigte sich auch im Falle des
Herrn Perutz und das Skandalöse dabei ist, daß die
politische Bezirksverwaltung und die Landesverwaltung in Troppau
ruhig zusah, wie Herr Perutz in Kunau mit den Arbeitern schaltete
und waltete, sie aus den Wohnungen davonjagte und sie daran hinderte,
ihr Recht als Gemeindevertreter auszuüben. Man sieht, daß
die besitzende Klasse in diesem Staate machen kann, was sie will,
und auf die Gesetze pfeift. Wenn der Mieterschutz in der Form
der vorliegenden Gesetzesvorlage aufgehoben wird, dann wird sich
das, was sich in Kunau abgespielt hat, verhundertfachen und vertausendfachen.
Tausende Arbeiter werden aus ihren Wohnungen davongejagt, obdachlos
der Willkür der wirtschaftlich Starken ausgesetzt werden.
Wenn Herr Krumpe meint, daß das neue Mieterschutzgesetz
die Garantie schafft, daß der Mieterschutz in Gemeinden
unter 2000 Einwohnern nur durch einen Gemeindebeschluß abgeschafft
werden kann, so wissen wir, daß die Herren Bürgerlichen,
die Christlichsozialen, Gewerbetreibenden und deutschen Agrarier
diese Gelegenheit benützen werden, um gerade diese Beschlüsse
herbeizuführen und den geltenden Schutz auch in den kleinen
Gemeinden aufzuheben.
Sehr verehrte Anwesende, es ist uns klar, daß
im bürgerlichen Staate die Wohnungsfrage nicht gelöst
werden kann. Es ist eine prinzipielle Frage, wir müssen erkennen,
daß der Kampf gegen den Wohnungswucher nur ein Teil des
großen Kampfes gegen die kapitalistische Wirtschaftsordnung
ist und daß diese Frage nur im Zusammenhang mit dem großen
Kampfe des Proletariats gegen die kapitalistische Wirtschaftsordnung
gelöst werden kann. Der Arbeiterschaft kann es nur dann gelingen,
den Kampf wirksam zu führen, wenn sie eine einheitliche Front
aller Ausgebeuteten gegen jenen Wucher schafft, der mit der Kraft
des Arbeiters getrieben wird, nur dann, wenn es gelingt, die Arbeiterschaft
in einheitlicher Front zu vereinigen und bis zu jenem Augenblick
beisammenzuhalten, wo dieser Kampf endet mit der Vernichtung der
kapitalistischen Wirtschaftsordnung und der Errichtung der Diktatur
des Proletariats. (Souhlas a potlesk komunistických
poslancù.)