Hohes Haus! Wenn ich zu der gegenwärtigen
Vorlage das Wort ergreife, so will ich vorerst meinem Bedauern
und meiner Enttäuschung Ausdruck geben, daß wir wiederum
gezwungen sind, ein Provisorium über die Wohnungsfrage hier
in Verhandlung zu ziehen. Wir sind der Ansicht, daß diese
Frage so dringend und brennend ist, daß mit Provisorien
keine Lösung zu finden ist und daß diese Frage eine
endgültige Lösung dringend erheischt. Einmal auch deswegen,
um der ständigen Beunruhigung der Bevölkerung ein Ende
zu machen, der Bevölkerung, die durch die ewig drohenden
kommenden Gesetze leicht geneigt ist, Tatarennachrichten Glauben
zu schenken und sich vielfach in fruchtlosen Protesten dagegen
zu erschöpfen. (Výkøiky posl. Wünsche.)
Wir hoffen und erwarten zuversichtlich,
daß es das letzte Provisorium ist, das uns von der Regierung
in Angelegenheit der Wohnungsfrage vorgelegt wird. Ich möchte
heute schon an das Ministerium für soziale Fürsorge
den dringenden Appell richten, mit den Vorbereitungen zu dem endgültigen
Wohnungsgesetz rechtzeitig, noch in diesem Sommer zu beginnen,
denn der Terminablauf dieses Provisoriums kann nicht überraschend
kommen, da er ja eindeutig für den 31. März 1929 bestimmt
ist. Diese Vorlage ist ein einjähriges Provisorium mit dem
Zweck und der Absicht, über die Lücke zwischen dem endgültigen
Wohnungsgesetz und dem jetzigen Mieterschutzgesetz hinwegzuhelfen.
Es sind deshalb alle jene Kritiken verfehlt, die dieses Provisorium
vom Standpunkt des großen Wohnungsgesetzes betrachten. Das
Provisorium mit einjähriger Dauer kann den verschiedenen
Anforderungen, die von vielen Seiten an ein Wohnungsgesetz gestellt
werden, selbstverständlich nicht gerecht werden, da dieses
kurzfristige Gesetz nicht dazu berufen ist, die Wohnungsfrage
in ihren Hauptgrundsätzen zu lösen. Da aber dieses Provisorium
keine rein mechanische Verlängerung der bisherigen Wohn-
und Baugesetze darstellt, (Výkøiky posl.
Wünsche.) sondern Änderungen
mit sich bringt, nimmt es zu den grundlegenden Fragen, die heute
im Mittelpunkte des Streites stehen, Stellung. So kann ich sagen:
Die Grundtendenz dieser Vorlage ist die, die Zwangswirtschaft
auf dem Gebiete des Wohnungswesens allmählich abzubauen und
das Wohnungswesen der Privatwirtschaft allmählich zuzuführen.
Die Zwangswirtschaft ist ein Erbe der Kriegs- und Nachkriegszeit.
Kriegs- und Nachkriegszeit haben eine Hypertrophie von Zwangsmaßnahmen
geboren, auf allen Gebieten des wirtschaftlichen Lebens. Über
den Wert und Unwert dieser Zwangsmaßnahmen ist heute das
Urteil nicht mehr geteilt. So haben wir gesehen, daß das
Wirtschaftsleben, sobald es sich wieder regen konnte, von selbst
naturgemäß mit den Zwangsmaßnahmen aufgeräumt
hat und daß sie viel später erst theoretisch aufgehoben
wurden, als das praktische Leben sie erledigt hat. Lediglich die
Zwangswirtschaft auf dem Gebiete des Wohnungswesens ist geblieben,
nicht so sehr aus der sozialen Not begründet als vielmehr
aus dem Umstande, weil das Wohnungsgebiet jenes ist, das am leichtesten
durch die Zwangswirtschaft zu erfassen ist, da sein Gegenstand
unbeweglich und infolgedessen allen Gesetzesbestimmungen leichter
zuzuführen ist. Wenn nun das gegenwärtige Gesetz die
Tendenz erkennen läßt, allmählich die Zwangswirtschaft
abzubauen, so stimmen wir dem zu. Unsere Partei steht auf dem
Standpunkt, daß der Mieterschutz allmählich abzubauen
ist, insoweit es die sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse
zulassen, (Výkøiky posl. Wünsche.)
abzubauen im Interesse aller Beteiligten
und das sind die Mieter, die Hausbesitzer und vor allem die Wohnungslosen
selbst. (Výkøiky posl. Wünsche.)
Das Recht der freien Bewirtschaftung der
Häuser leitet sich aus dem Begriff des Eigentums selbst ab;
da wir das Privateigentum als solches anerkennen, erkennen wir
auch die einzelnen Rechte, die daraus erfließen, an. Freilich,
auch wir erkennen das Eigentum nicht etwa voll und unbeschränkt
an. Jedes Privateigentum ist belastet mit der großen sozialen
Hypothek, die auch in Notzeiten flüssig gemacht werden muß.
So verwerfen wir nicht grundsätzlich jede Zwangsmaßnahme,
aber wir stehen auf dem Standpunkt, daß Ausnahmegesetze
nicht zur Regel werden dürfen und nicht stabilisiert werden
dürfen und daß man vor allem jener Not beikommen muß,
zu deren Bekämpfung Ausnahmsgesetze geschaffen worden sind.
Drei Gruppen sind an diesem Gesetz interessiert, und diese drei
Gruppen umfassen die gesamte Bevölkerung. Deswegen finden
auch die Beratungen dieses Gesetzes so starken Widerhall, wie
kein anderes, weil die ganze Bevölkerung damit irgendwie
getroffen wird. Drei Gruppen: Die Gruppe der Hausbesitzer, die
Gruppe der Mieter und vor allem die Gruppe der Wohnungslosen.
Die Interessen der Letzteren scheinen mir die wichtigsten und
bedeutendsten. Wert und Unwert eines Gesetzes wird hauptsächlich
danach zu bemessen sein, wie es der letzten Gruppe, der der Wohnungslosen,
gerecht wird. Über Allen steht das Recht des Einzelnen auf
menschenwürdiges Unterkommen, auf menschenwürdiges Unterkommen
für sich und seine Familie. Dieses menschenwürdige Unterkommen
hat ihm eigentlich die Wirtschaft zu verschaffen; die Sozialpolitik
soll nur dort, wo die Wirtschaft versagt, korrigierend eingreifen.
(Posl. Schmerda: Das ist Demagogie, was Sie da betreiben!)
Das ist nicht wahr. Man versucht die Wohnungsnot statistisch
etwa aus der Welt zu schaffen. Es ist ein müßiges Beginnen,
mit Zahlen und Ziffern beweisen zu wollen, daß keine Wohnungsnot
besteht. Es lassen sich Ziffern anführen, daß in einzelnen
Städten die Zahl der Wohnungen gegen die Friedensziffer gewachsen
ist, daß die Kopfzahl der Bevölkerung sich aber verringert
hat. Das ist ein scheinbarer Beweis für ein Nichtbestehen
der Wohnungsnot. Wer jedoch draußen im Leben zu tun hat,
dem tritt die Wohnungsnot in tausend Formen entgegen. Wenn etwa
aus dieser Statistik hervorgeht, daß sich der Lebensstandard
auf dem Gebiete des Wohnungswesens im allgemeinen gehoben hätte,
so ist das nur zu begrüßen, vom Standpunkt der Menschlichkeit
und auch vom Standpunkt der Wirtschaft, denn in tausenden Wellen
schlägt auch diese Besserung in das allgemeine Wirtschaftsleben
zurück.
Wenn wir nun etwa fragen, ob das bisherige
Gesetz imstande war, die Wohnungsnot wirksam zu bekämpfen,
so muß darauf mit einem entschiedenen und klaren "Nein"
geantwortet werden. Der bisherige Mieterschutz schützte zwar
die Mieter, die beati possidentes, die tatsächlich Wohnungen
haben, die bestehenden Familien. Aber er läßt die neuzubildenden
Familien vor der gräßlichen Ungewißheit, ob es
ihnen möglich sein wird, ein Heim zu finden, wo eine Familiengründung
möglich ist. Wir haben zwar Häuser und Räume gebaut
und wir wissen heute, daß viele Neubauten schon leer stehen.
Das Raumschaffen allein behebt die Wohnungsnot noch nicht, es
muß auch die Möglichkeit da sein, solche Räume
zu mieten, d. h. sie vor allem zu bezahlen. Das ist wohl das schwerwiegendste
Moment an den bisherigen Wohnungsgesetzen, das zur Kritik heraus
fordert, daß die bisherigen Wohnungsgesetze eine ungeheure
Ungleichheit auf dem Gebiete des Zins- und des Mietwesens geschaffen
haben. (Výkøiky na levici.) Ist
es nicht eine schreiende Ungerechtigkeit, wenn beispielsweise
ein Beamter 5.000 Kronen Miete bezahlt und 24.000 Kronen Gehalt
bekommt, denselben, wie sein begünstigter Kollege, der im
Besitze seiner alten Wohnung nur 1200 Kronen Miete jährlich
dafür zu erlegen hat? Ist es nicht eine furchtbare Ungerechtigkeit,
daß ein Arbeiter mit 600 Kronen Monatseinkommen beispielsweise
150 Kronen an Miete zu entrichten hat, also ein Viertel seines
Gesamteinkommens, während sein Arbeitskollege, der mit ihm
am selben Webstuhl in der zweiten Schicht steht, mit demselben
Einkommen monatlich nur 30 Kronen zu zahlen hat, ein Zwanzigstel
des Gesamteinkommens? (Výkøiky na levici.)
Diese furchtbare Ungerechtigkeit liegt
drückend auf unserer ganzen Wirtschaft, auf unseren Angestellten,
auch auf unseren Arbeitern.
Dagegen ist der Satz aufgestellt worden, es
müßten die Mieten den Löhnen angeglichen werden.
Ich bekämpfe den Satz und sage umgekehrt: Die Löhne
müssen den Mieten angeglichen werden, und daran hindert die
jetzige Ungleichheit und bringt Einzelnen ungeheure Verluste,
weil bisher die Gehälter und Löhne bei Lohnbewegungen
u. s. w. nach dem Index der alten Wohnungen geregelt worden sind,
weil die Zahl der Herausgenommenen nicht die Möglichkeit
hat, ihren Standpunkt zu vertreten, d. h. den Index der Neuwohnungen
anzuwenden. Erst eine gewisse Gleichheit ist imstande, eine vollkommene
Lohn- und Gehaltsangleichung an die Mieten zu erzwingen und zu
erzielen. Ich sage Ihnen heute schon: ich selbst stehe auf dem
Standpunkte, daß über diesen Rahmen der jetzigen Mietzinserhöhung
hinaus jede weitere Erhöhung bei den jetzigen Lohn- und Preisverhältnissen
vollkommen untragbar ist und daß zur Zeit eines neuen Wohnungsgesetzes,
das im nächsten Frühjahr geschaffen werden soll, gleichzeitig
die Vorlage des Finanzministeriums über die Erhöhung
der Ortszulagenklassen für die Staatsbeamten kommen muß,
und zwar in einer Weise, die auch den tatsächlichen Ortsverhältnissen
gerecht wird und nicht nur mechanisch von der Zahl der Einwohner
von 2000 bis 25.000 die genannte Zulage abhängig macht. Wenn
die Arbeiterschaft - und sie wird es bei der Vorlage neuer Wohnungsgesetze
tun müssen - in eine Lohnbewegung eintritt, wird sie unsere
volle Unterstützung und unsere Hilfe finden. Denn diese Lohnbewegung
ist vollkommen gerecht, und absolut naturnotwendig. (Výkøiky
na levici.) Ich glaube, unsere Wirtschaft
ist imstande, auch diese Lohnzuschläge aus dem Titel der
erhöhten Mietzinse zu tragen. Die Bilanzen des letzten Jahres
erweisen es, und es ist eine Ungerechtigkeit, daß das Lohnminus
durch einen Beitrag des Hausbesitzers gedeckt werden soll, wie
es tatsächlich geschieht. Deutschland hat die Mieten auf
110 % des Friedensmietzinses gesteigert und ist in die glückliche
Lage gekommen, für das Bauwesen jährlich Milliarden
bereitzustellen und so die Wohnungsnot zu bekämpfen.
Wenn ich noch kurz auf einen anderen Übelstand
hinweisen möchte, so ist es der, daß der Mieterschutz
in Verbindung mit der Wohnungsnot ein staatsbürgerliches
Recht des einzelnen tatsächlich illusorisch macht, das Recht
der Freizügigkeit. Durch die Unbeweglichkeit des ganzen Wohnungsmarktes
ist der Einzelne oft wider seinen Willen an einen Ort und eine
Wohnung gebunden, weil auch die Tauschmöglichkeiten fehlen.
(Posl. Hackenberg: Und das wird besser, wenn bei den neuen
Mietverträgen der Mieterschutz außer Kraft gesetzt
wird?) Ich komme gleich darauf. Es ist heute eine Vergeudung
wirtschaftlicher Kräfte, das beispielsweise täglich
etliche 50 Arbeiter von Bodenbach nach Aussig und umgekehrt fahren,
weil es ihnen unmöglich ist, in ihrem Arbeitsorte Wohnung
zu bekommen, weil jedes Fluktuieren im Wohnungswesen aufgehört
hat, so daß eine Auswahl für den Einzelnen nicht besteht.
Die Beweglichkeit des Wohnungswesens ist eine absolute Notwendigkeit
und wenn der griechische Naturphilosoph als Grundsatz aufstellt,
daß das Wesen alles Seins in den Worten enthalten sei: ØEÈTINA
- alles fließt, alles bewegt sich" - so gilt dieser
Grundsatz auch für das Wirtschaftsleben und ganz besonders
für das Wohnungswesen. Die Erstarrung des Wohnungssystems
ist ein Fluch für die ganze Bevölkerung und zwingt den
Einzelnen in Verhältnisse hinein, die oftmals mit jammervoller
Verärgerung verbunden sind, so daß er seines Lebens
nicht froh werden kann.
Nun sind auf dem Gebiete des Wohnungswesens
Forderungen extremster Form von beiden Seiten aufgestellt worden.
So haben die Mieter - und zwar spreche ich von den sozialdemokratisch
geleiteten Mietervereinen - die Forderung aufgestellt, den bisherigen
Mieterschutz zu stabilisieren, zu verbessern und dann in ein dauerndes
Gesetz überzuleiten. Das heißt, daß der Hausbesitzer
nach diesem Gesetz niemehr das freie Verfügungsrecht über
sein Eigentum bekommen kann, daß der jetzige Mieterschutz
eine ständige Einrichtung werden soll. Da es unmöglich
wäre, mit dieser Halbheit etwas zu schaffen und sich logischer
Weise dieser Schutz auch auf Neubauten erstrecken müßte,
würde es bedeuten, daß jede private Bautätigkeit
aufhören müßte, also die Sozialisierung des Hausbesitzers,
mit anderen Worten nach dem Beispiele von Wien die Ausscheidung
des gesamten Wohnungswesens aus der freien Privatwirtschaft. (Výkøiky
na levici.) Als Begründung wird angegeben,
daß die Privatwirtschaft nicht in der Lage gewesen sei,
das Wohnungsbedürfnis der Masse zu befriedigen. (Posl.
Wünsch: Wohnen Sie vielleicht auch in einer Kellerwohnung?)
Wenn Sie so viel Wohnungslosen geholfen haben werden wie ich,
dann werden Sie erst sprechen können. (Výkøiky:
Die Bodenbacher reden anders von Ihnen!) Den
Nachweis werden Sie nicht erbringen können. (Výkøiky
na levici.)
Es wird darauf hingewiesen, daß auch
selbst im Frieden schon das Wohnungselend geherrscht hat. Es geht
das auch aus Ziffern hervor, und ich gebe zu, daß damals
schon übermäßig viele Leute in überfüllten
Kellerwohnungen geschmachtet haben. (Poslanec Heeger: Heute
nicht mehr?) Auch heute, ich bestreite gar nicht das Wohnungselend,
denn ich kenne es ja aus eigener Erfahrung. An diesem Wohnungselend
war nicht so sehr das Bauwesen schuld, denn zu derselben Zeit
standen zahllose Wohnungen frei, sondern die sozialen Verhältnisse.
Denn die sozialen Verhältnisse wirken sich bei jedem gewöhnlich
auf dem Gebiete des Wohnungswesens zuerst aus. Dort beginnt er
zu sparen, sich einzuschränken. So war das Wohnungselend
der Massen der Vorkriegszeit mehr ein soziales Elend als ein direktes
Wohnungselend. Das haben wir auch heute noch. Wir werden mit der
Baupolitik allein das Wohnungselend nicht beseitigen. Hand in
Hand muß gehen die soziale Gesundung. Das Bereitstellen
von Wohnungen genügt nicht. Bereitgestellt muß auch
ein Einkommen werden, um diese Wohnungen bezahlen zu können.
Schuld daran waren gewisse antisoziale Gesetze, die wir aus dem
alten Österreich herübergeschleppt haben. (Výkøiky
na levici.) Das ist vor allem das Gesetz
über die Mietzinssteuer. Der Staat selbst verteuert das Wohnen
ungeheuer, wir sind belastet mit dieser alten Steuer, die in unser
ganzes Wirtschaftsleben heute nun einmal einkalkuliert ist und
an der heute noch unsere Finanzwirtschaft fest hält. (Výkøiky
nìm. soc. demokratických poslancù.) Die
Mietzinssteuer, die ein Drittel des gesamten Mietzinses beansprucht,
muß natürlich zur Folge haben, daß das Wohnen
unmäßig verteuert wird und Wohnungselend entsteht.
Die Sozialisierung des Hausbesitzes ist uns schon in Wien vorgemacht.
In Wien ist der Hausbesitz faktisch sozialisiert, er ist dort
tatsächlich enteignet, indem die Häuser vollkommen erträgnislos
gemacht worden sind, denn für eine Dreizimmerwohnung in der
schönsten Lage Wiens ist pro Monat kaum ein Butterbrot an
den Hausherrn abzuführen, eben infolge der Konfiszierung
der gesamten Mieten durch die Stadtgemeinde Wien. Die Stadtgemeinde
Wien hat dafür neue Wohnungen geschaffen, das gebe ich zu.
Wir haben aber noch nicht die nötige Distanz zu diesen Schöpfungen,
um sie vollkommen richtig beurteilen zu können. Heute melden
sich aber schon bedeutende Kapazitäten auf dem Gebiete der
Sozialpolitik und des Wohnungswesens, die das Wiener Exempel verwerfen
und es bekämpfen. (Odpor poslancù nìm.
soc. demokratické strany.) Meine
Herren, vom Standpunkt Ihrer Partei kann ich es Ihnen gewiß
nachfühlen, daß Sie die Schaffung großer Parteikasernen
in Wien befürworten, jene Parteikasernen, (Trvalý
hluk. - Výkøiky na levici.)
die es ermöglichen, die darin
wohnenden Menschen an Leib und Seele tagtäglich zu kontrollieren
und sie so an die Partei zu halten. Man sollte aber neben den
großen Parteipalästen der Stadt Wien, neben diesen
Parteikasernen auch die Bilder der verfallenen Häuser zeigen
und es wird ein erschreckendes Mißverhältnis herauskommen
zwischen den neugeschaffenen und den künstlich zugrundegerichteten
Wohnungen. Wir lehnen das Wiener Exempel ab, grundsätzlich
ab, zumal es sich wirtschaftlich bis heute noch nicht bewährt
hat. (Výkøiky: Da wird man aber gleich
in Wien aufhören, weil Sie es wollen!) Das
können Sie machen, wie Sie es wollen.
Andererseits lehnen wir auch den extremen Standpunkt
der andern Seite ab, nämlich die Forderung der Hausbesitzer
auf eine volle Valorisierung der Zinse nach dem Friedensindex.
Es wäre eine ungerechte Bereicherung aus Inflation und Kriegszeit,
wenn eine solche vollkommene Valorisierung der Mietzinse durchgeführt
würde. Eine solche Valorisierung würde bedeuten, daß
das im Hausbesitz angelegte Kapital ungefähr die siebenfache
Verzinsung brächte gegenüber dem in Renten angelegten
Kapital. Wir lehnen aber auch die Forderung ab, den Hauszins lediglich
gleichzustellen dem Rentenertrag aus Bargeld, der der absoluten
Ziffer nach gegenüber der Friedenszeit gleichgeblieben ist;
wir lehnen es ab, denn es ist ein Unterschied zwischen dem Rentenkapital
und dem im Hausbesitz angelegten Kapital. Das Rentenkapital erfordert
keinerlei Aufwendungen, das im Hause angelegte Kapital erfordert
bedeutende Aufwendungen. Und diese Aufwendungen sind sogar übervalorisiert,
da gerade der Preisindex des Bauwesens bedeutend höher ist
als der allgemeine Lebenshaltungsindex überhaupt. Soll eine
Angleichung der Mieten in alten Häusern an jene in neuen
Häusern notwendig sein, so kann sie nicht restlos zugunsten
des Hausbesitzers erfolgen, sondern zum großen Teil zugunsten
der Allgemeinheit, die daraus die Mittel schöpfen möge,
dem Wohnungselend zu steuern, den Wohnungsfond zu stärken.
Wir werden nicht anstehen, bei Gelegenheit der Beratung des neuen
Gesetzes auch die Wohnbausteuer als solche hinzunehmen, weil öffentliche
Opfer zur Bekämpfung der Wohnungsnot unbedingt notwendig
sind, und wir werden auch den Mut haben, diese öffentlichen
Mittel zu bewilligen. (Posl. Schmerda: Mut hat auch der Mameluk!)
Nicht jeder.
Nun zum Gesetze selbst. Man hat gegen das Gesetz
eingewendet, daß es den Mieterschutz förmlich zerstöre,
u. zw. durch Einführung vieler neuer Kündigungsgründe.
Meine Herren, dem kann ich nicht beistimmen. Drei neue Kündigungsgründe
sind in das Gesetz eingeführt worden, von denen einer unbedeutender
ist als der andere. Durch diese drei Kündigungsgründe
wird der allergrößte Teil der Mieter nicht betroffen.
Es ist dies Punkt 16 § 1, die Kündigungsmöglichkeit
bei Vierzimmerwohnungen. Diese Kündigungsmöglichkeit
ist so verklausuliert und so herabgesetzt, daß sie selten
wird anwendbar sein. Erstens wird das eigene Bedürfnis des
Hausbesitzers oder dessen verheirateter Kinder verlangt, zweitens
die nicht genügende Benützung der Wohnung, d. h., es
müssen zwei Personen weniger wohnen, als Zimmer vorhanden
sind, ohne Rücksicht auf die Nebenräume, und drittens
noch die Bereitstellung der Ersatzwohnung. Dieser Kündigungsgrund
könnte ebenso beinahe wegfallen, da er in der Praxis kaum
jemals zur Anwendung kommen wird. Gegen den Punkt 17 kann doch
niemand Einwand erheben. Der ist tatsächlich da, um einer
gewissen wucherischen Ausnützung des Mieterschutzgesetzes
einen Riegel vorzuschieben. Es gibt Hausbesitzer, Leute, die sich
ein neues Haus gebaut oder ein altes Haus besitzen, in diesen
Häusern die Parteien ruhig wechseln lassen und ihnen neue
Lasten auferlegen, selbst aber unter dem Schutzes des Gesetzes
in einem fremden Hause billig zur Miete wohnen. In Fällen
solch wucherischer Ausnützung soll nun gemäß Punkt
17 die Kündigung möglich sein. Das ist doch eine selbstverständliche
und gerechte Sache. Die dritte Änderung ist Punkt 19, der
fremden Gesandschaften die Möglichkeit gibt, ihre eigenen
Leute in eigenen Häusern unterzubringen, eine Forderung der
Außenpolitik. Die praktische Auswirkung dieses Punktes ist
so gering, daß ihm nur wenige zu spüren bekommen werden.
Eine Änderung bringt § 6 mit sich,
nämlich in der Weise, daß nunmehr nach dem Tode des
Mieters die Wohnung erblich übergehen kann nur an seine Familienangehörigen,
so weit sie Erben sind, nicht, wie bisher, an die Erben überhaupt.
Damit ist ausgesprochen, daß dem Konkubinat nicht dieselben
Rechte eingeräumt werden wie der Familie und daß aus
dem Konkubinat nicht familienrechtliche Ansprüche erwachsen
können. (Odpor poslancù nìm. strany
soc. demokratické. - Výkøiky:
Und wie ist es auf den Pfarreien, Herr Krumpe, was ist mit dem
Fall Troppau?) Im Falle Troppau
haben Sie lediglich die Aussage eines entlassenen Beamten gebracht
und selbst dazu geschrieben, daß er das nicht werde aufrecht
erhalten können. Die Aussage war fett gedruckt, aber der
Zusatz im Kleindruck dahinter gesetzt, daß er wahrscheinlich
die Zeugen dafür nicht werde beibringen können. Damit
ist Ihr ganzes Vorgehen gerichtet, es sind Verleumdungen bis aufs
letzte (Výkøiky na levici: Und was wird
mit den Pfarrersköchinnen?) Ich
weiß wohl, daß die Pfarrersköchinnen zum eisernen
Bestand Ihrer Agitation gehören. (Rùzné
výkøiky.) Ich möchte
nur sagen, daß eine Politik, die sich auf die Pfarrersköchin
aufbaut, sehr jammervoll ist. (Veselost.)
Nun zur Erhöhung der Mietzinse. Das Gesetz
sieht eine Erhöhung der Mietzinse um 20% am 1. Juli und um
20% am 1. Jänner des nächsten Jahres vor. Diese 20%
beziehen sich aber auf den Grundmietzins des Jahres 1914. Es ist
notwendig, das zu sagen, denn viele Agitatoren von draußen
und sehr intelligente Redakteure haben das nicht gewußt
und haben der Bevölkerung einen Popanz vorgemacht, indem
sie von einer Mietzinserhöhung ins Ungeheure sprachen. Ich
kann dabei den Ausrechnungen des Herrn Abg. Katz nicht
ganz folgen. Der Abg. Katz hat gestern berechnet,
daß diese Mietzinserhöhung allein eine 12%ige Erhöhung
des gesamten Einkommens bedingen müßte, daß also
die Bergarbeiter 7 % neben ihrer Lohnerhöhung noch vom alten
Lohn auf die Mietzinserhöhung zuzuzahlen hätten. Die
Lohnerhöhung beträgt 2 Kè
pro Schicht, und bei 4 Schichten per Woche - ich nehme
den schlechtesten Fall an - haben wir eine Lohnerhöhung von
32 Kè im Monat. Demgegenüber steht nach der Mietzinserhöhung
vom 1. Juli eine Mehrbelastung von rund 6 Kè monatlich,
das macht also nicht ganz ein Fünftel
der Lohnerhöhung aus. Der Herr Abg. Katz hat aber
ausgerechnet, daß das 12% des gesamten Einkommens ausmacht.
Dieses Einmaleins habe ich nicht gelernt, es scheint auch nicht
ganz richtig zu sein. Es ist dasselbe Beispiel, wie auch einige
Prager. Blätter unrichtige Berichte gebracht haben und über
die angebliche Einschränkung des Mieterschutzes und über
große Mietzinserhöhungen und dann mit Behagen die Proteste
dagegen abdruckten als Dokumente gegen die Regierungsparteien.
Erst haben sie selbst falsche Gesetze abgedruckt und finden nun
nicht den Mut, sie zu widerrufen, und lassen die Bevölkerung
Sturm laufen. Ein solches Vorgehen ist gewissenlos, da es die
Bevölkerung aufregt und ihr die Wahrheit vorenthält.
(Posl. Wünsch: Wie ist das mit der Gewissenhaftigkeit
ihrer Parteigenossen in Truppau?) Das habe ich schon gesagt.
Der bedeutendste Punkt ist in den §§
31 und 14 enthalten, die Neueinführung der Vertragsfreiheit.
Ich gebe zu, daß hier das Schwergewicht der ganzen Vorlage
liegen wird, nämlich die Ausscheidung aller Neuvermietungen
aus dem Mieterschutz. Theoretisch mag es ja als großer Sprung
betrachtet werden, praktisch bringt es keine Neuerung; denn bisher
konnte kein einziger Mieter mit dem Mieterschutzgesetz in der
Hand eine Wohnung suchen, er hätte niemals eine gefunden.
Sie wissen ja alle, mit was für dunklen Abmachungen überall
Neuvermietungen vorgenommen worden sind, daß kein Mieter
mit dem alten Mietzins eine Wohnung finden konnte und daß
mit allen freiwerdenden Wohnungen Wucher und Handel getrieben
wird. Das neue Gesetz macht dem nun ein Ende und befreit Neuvermietungen
vom Mieterschutz, was eine bedeutende Wirkung für die Wohnungslosen
haben wird. Unter der Wirkung des Mieterschutzes sind zweifellos
viele Wohnungen nicht vermietet worden. Wir haben zwar ein Gesetz,
das die Zusammenlegung von Wohnungen verbietet, wir haben zwar
die Möglichkeit, zu Neuvermietungen zu zwingen; aber beide
Gesetze haben vollkommen versagt, da der Wohnungsbedarf der einzelnen
Hausbesitzer namentlich bei Kleinwohnungen in keinem Falle gedeckt
ist. Selbst wenn die Hilfe der Behörden in Anspruch genommen
wurde, um Neuvermietungen zu erzwingen, so schaffte ein Rekurs,
der aufschiebende Wirkung hat, diese Hilfe wieder aus der Welt
und ich kenne solche Rekurse, die heute schon zwei bis drei Jahre
unerledigt liegen. So haben diese beiden Gesetze vollkommen versagt.
Zur Vollständigkeit eines Wohnungsgesetzes gehörte das
schärfste Beschlagnahmerecht. Ohne das ist das Wohnungsgesetz
als solches unvollständig und kann dem Wucher keinesfalls
vollkommen begegnen. Was wir mit dem Beschlagnahmegesetz erlebt
haben, werden Sie vielleicht wissen. Bei ihren Agitationen haben
Sie es gelobt, in der Praxis haben wir das Gegenteil erlebt. Deshalb
sind die Beschlagnahmegesetze abgesondert. Durch diese Vertragsfreiheit
werden namentlich auf dem flachen Lande viele Wohnungen der Vermietung
zugeführt werden, die derzeit leer stehen, da sie aus Sorge
vor dem Umstand, daß ein mißliebiger Mieter nicht
mehr herauszubekommen wäre, nicht mehr vermietet werden,
weil auch die Mietzinse in keinem Verhältnis stehen zu den
Unannehmlichkeiten, die die Vermietung mit sich bringt. Der Mieter
selbst, der in seiner Wohnung sitzt, ist durch diese Paragraphen
nicht betroffen. Eigentlich zum Schutze des Mieters ist der Absatz
3 des § 14, der ihm auch die Möglichkeit des Vertragsabschlusses
gibt. Bisher hat das Mieterschutzgesetz einen Vertrag nach dem
Bürgerlichen Gesetzbuch unmöglich gemacht. Nun hat der
Mieter die Möglichkeit, sich gegen eventuelle Zufälle
eines neuen Mieterschutzgesetzes zu schützen, sei es daß
er Aufwendungen machen will für die Wohnung, sei es daß
er sie machen will für sein Geschäft; er hat die Möglichkeit,
einen Mietvertrag abzuschließen, dessen Mindestdauer mit
vier Jahren bemessen ist, wodurch er sich seine Wohnung sichert
gegen alle eventuellen Abbaubestimmungen eines künftigen
Wohnungsgesetzes. (Posl. Heeger: Was muß er dafür
bezahlen?) Er muß den Vertrag ja nicht abschließen,
nur wenn er ein persönliches Interesse hat, sonst ist es
seinem freien Willen überlassen. (Výkøiky
na levici.)
Nun, meine Herren, der viel umkämpfte
Punkt wegen der Aufhebung des Mieterschutzes in den Gemeinden
unter 2000 Einwohnern. Ich sage es offen, ich vertrete diese Ansicht
nicht, daß der Mieterschutz in kleinen Gemeinden unter 2000
Einwohnern aufzuheben ist. Auch dieser Paragraph ist ein Werk
des Kompromisses, wie auch die anderen Parteien mit ihren Ansichten
nicht ganz durchgedrungen sind und sehr viel nachlassen mußten.
In Wirklichkeit ist diese Möglichkeit der Aufhebung des Mieterschutzes
in Gemeinden unter 2000 Einwohnern äußerst eingeschränkt,
so daß es sich nur um sehr wenige Fälle handeln kann.
Es heißt, daß diese Gemeinden, die in Frage kommen,
nur der Hausklassensteuer unterworfen sein dürfen, das heißt,
daß nur diejenigen Gemeinden davon betroffen werden, die
weniger als ein Drittel ihrer Räume vermietet haben. Dadurch
sind Industriegemeinden sowie Landgemeinden, die an den Rändern
der Industriezentren liegen, von vornherein ausgeschlossen, weil
ja diese Gemeinden durchwegs der Mietzinssteuer unterliegen. Dieses
Moment ist von ungeheuerer Bedeutung, so daß sich dieser
Paragraph tatsächlich nur mehr auf solche Gemeinden bezieht,
wo fast keine Vermietungen stattfinden. Dazu kommt ein zweites
Moment, nämlich daß es von der Gemeindevertretung beschlossen
werden muß. Es kann solche Gemeinden geben, wo Mieter sich
in der Gemeindevertretung befinden, und die werden sich dagegen
wehren. Denn es sind nicht überall die Agrarier in der Mehrheit,
es sind auch andere Parteien vertreten und die meisten Gemeindevertretungen
werden es sich überlegen, den Mieterschutz in ihren Gemeinden
aufzuheben, weil sie bei eventuellen Delegierungen voll verantwortlich
gemacht werden könnten für die Unterbringung des Betreffenden,
der delogiert worden ist. Als letztes Regulativ bleibt noch die
Bestätigung der politischen Behörde, so daß gegen
alle Mißbräuche die denkbar möglichsten Vorsorgen
getroffen worden sind, so daß der Kreis der dadurch Betroffenen
tatsächlich gering ist. (Posl. Wünsch: Christlichsozialer
Sozialismus!) Christlichsozialen Sozialismus gibt es nicht,
da sind Sie wenig aufgeklärt.