Hohes Haus! Als im Dezember vorigen Jahres
die Frage der Kriegsbeschädigten hier im Hause zur Verhandlung
stand, erklärten die Vertreter der Regierungsparteien, daß
das Ministerium für soziale Fürsorge in der nächsten
Zeit eine vollständige Novellierung der Kriegsbeschädigtenfürsorgegesetze
vorlegen werde, und trösteten, so die Kriegsbeschädigten.
Bis zum heutigen Tage ist dieses Versprechen nicht eingelöst,
trotzdem bereits ein Jahr verstrichen ist. Statt einer Novellierung,
statt einer Verbesserung der bestehenden Gesetze legt uns das
Ministerium für soziale Fürsorge die Verlängerung
eines unzulänglichen Gesetzes vor.
Bevor ich mich mit dem Problem der Kriegsbeschädigtenfrage
näher beschäftige, möchte ich einiges zur Vorlage
sagen. Ich habe bereits im Budgetausschusse erklärt, daß
es unmoralisch sei, wenn man die Einkommensgrenze der selbständig
Erwerbstätigen anders bemesse als bei den unselbständig
Erwerbstätigen. Damit erklärt man nicht nur, daß
man mit Steuerhinterziehungen rechnet, sondern man zwingt diese
Leute dazu. Der Referent, Koll. Pekárek, ist derselben
Meinung. Auch er ist der Ansicht, daß die Vorlage, die zur
Verhandlung steht, unmoralisch sei, und dennoch beantragte Koll.
Pekárek die Verlängerung des unmoralischen
Gesetzes, versprach aber gleichzeitig, daß bei der Novellierung
die Gleichstellung der selbständig Erwerbstätigen mit
den unselbständig Erwerbstätigen erfolgen werde. Spät
kommen unsere Herren zur Einsicht. Wir haben schon immer auf diese
Unmoral und auf das große Unrecht aufmerksam gemacht und
die Regelung dieser Frage verlangt. Auf die Frage, warum die Gleichstellung
nicht gleich geregelt werde, erklärte Koll. Pekárek,
die Zeit sei viel zu kurz gewesen, um eine Statistik der selbständig
Erwerbstätigen bereitzustellen. Eine Ausrede, an die der
Referent selbst nicht glaubt. Nachdem die Gleichstellung vorgesehen
ist, die einen Teil der Novellierung beinhaltet, hatte man also
ein ganzes Jahr die Statistik zu machen. Diese Ausrede wirkt wahrlich
zu plump. Wir wollen Ihnen jedoch heute die Gelegenheit und Möglichkeit
bieten, ein großes Unrecht und die Unmoral wieder gutzumachen
und unterbreiten Ihnen einen Antrag, wonach jenen Kriegsbeschädigten
der Anspruch auf Bezüge zusteht, dessen jährliches Einkommen
nicht größer ist als 16,000 Kè jährlich,
Ist jedoch sein höheres Einkommen kleiner als die Summe von
16,000 Kè und der Rente nach § 6, die den Kriegsbeschädigten
sonst zustehen würde, so ist ihm eine Rente in dem diese
Summe ergänzenden Betrage zuzuerkennen. In das Einkommen
wird das Einkommen aller Personen eingerechnet, zu deren Unterhalt
beizutragen der Kriegsbeschädigte nach dem Gesetze verpflichtet
ist und die mit ihm im gemeinsamen Haushalte wohnen. Der Kriegsbeschädigte,
der mit 85 bis 100% Erwerbs unfähigkeit klassifiziert wurde,
ist von der im vorhergehenden Absatze genannten Bestimmung ausgenommen.
Im Falle der Ablehnung unterbreiten wir Ihnen einen Eventualantrag,
mit welchem wir verlangen, daß die Wirksamkeit des §
2. Abs. 1 des Gesetzes vom 20. Feber 1920, Nr. 142 Slg. d. G.
u. V. " über die Bezüge der Kriegsbeschädigten
in der Fassung des Gesetzes vom 25. Jänner 1922, Nr. 39,
verlängert wird, mit der Abweichung, daß an Stelle
des Betrages von 6.000 Kè die Worte zu treten haben: Der
von der Einkommensteuer befreite Betrag (die
§§ 3, 30 und 31 des Gesetzes vom 15. Juni 1927, Nr.
76, betreffend die direkten Steuern). Mit der Annahme unserer
Anträge können Sie, meine Herren einen Teil der Fehler
und des Unrechtes, die Sie an den Kriegsopfern begangen haben,
wieder gut machen. Herr Koll. Pekárek erklärte
im Budgetausschuß, daß die Fristverlängerung
des vorliegenden Gesetzes bis zum 30. Juni 1928 erzwungen werden
mußte. Die ursprüngliche Verlängerung war bis
zum 31. Dezember 1928 geplant. Der Herr Koll. Pekárek
nennt dies einen großen Erfolg, ist sich aber dessen vielleicht
gar nicht bewußt, daß er den Schleier der Koalition
ein wenig gelüftet und den Kriegsverletzten gezeigt hat,
wie die Einstellung der bürgerlichen Koalitionsparteien gegenüber
den Forderungen der Kriegsbeschädigten im wahren Lichte aussieht.
Man wollte, nein, man will die Novellierung der Fürsorgegesetze
noch ein ganzes Jahr hinausschieben. Und dafür sollen wohl
die Kriegsverletzten dankbar sein?
Es ist auch notwendig, hier eine Äußerung
des Referenten Pekárek zu korrigieren. Koll. Pekárek
brüstete sich nämlich im Budgetausschuß, daß
es in den ersten, Jahren nach dem Kriege mehr Kriegsverletzte
gegeben hat und für sie geringe Beträge ausgegeben wurden
wogegen jetzt, trotz großer Abnahme der Kriegsopfer, größere
Beträge ausgegeben werden. Die Lösung dieses Rätsels
ist sehr einfach. Damals gab es nur Anmeldungen und mehr Erhebungen
als ausgezahlte Renten. Viele Anspruchsberechtigte mußten
jahrelang auf ihre Bezüge warten und noch heute sind sie
nicht alle zu ihrem Rechte gelangt. Also statistisch waren sie
wohl erfaßt, erhielten jedoch nicht ihre Renten. Bis heute
werden Nachzahlungen für die früheren Jahre geleistet.
Widerlegt muß auch die Behauptung des Referenten werden,
daß bei uns die Versorgung der Kriegsopfer besser sei als
in anderen Staaten. Als Beweisführung gibt Koll. Pekárek
an, daß in anderen Staaten, so in Österreich, Deutschland
usw. der Kriegsbeschädigte erst mit 25 oder 30% Arbeitsunfähigkeit
rentenbezugsberechtigt wird, wogegen die Èechoslovakei
so human sei und die Rente schon bei 20% Arbeitsunfähigkeit
zuerkennt. Daß in Polen und Frankreich
ein 15% Kriegsinvalide schon die
Rente erhält, davon machte der Koll. Pekárek
keine Erwähnung. Er möge sich aber auch sagen lassen,
daß der Kriegsverletzte, der in Österreich mit 30%
klassifiziert wird, bei uns nur 15% erhalten würde. Auf der
internationalen Kriegsverletztenkonferenz in Genf im vorigen Jahre
wurde festgestellt, daß die Versorgung der Kriegsbeschädigten
in der Èechoslovakei an der letzten Stelle marschiert.
Diese Feststellung wurde auf Grund amtlichen Materials durch genaue
vergleichende Tabellen gemacht und es ist bezeichnend, daß
auf dieser Konferenz eine Resolution angenommen werden mußte,
in welcher ausdrücklich auf die
unzureichenden Beträge der in der Èechoslovakei gewährten
Entschädigungen hingewiesen wurde und die Èechoslovakei
ersucht wird, so schnell wie möglich die Bedingungen für
die Entschädigung der Kriegsopfer mit den von ihr angenommenen
allgemeinen Grundsätzen in Einklang zu bringen. Arme Kriegsverletzte!
Wie fremd sind ihnen die Grundsätze der diese Republik regierenden
Parteien. Ihr Grundsatz ist doch: Abbau aller sozialen Lasten,
die Aufbürdung aller Lasten auf die Schultern der arbeitenden
Bevölkerung. Wenn die Kriegsverletzten wieder zu einer internationalen
Konferenz zusammenkommen, dann werden sie wieder klagen müssen,
daß ihre primitivsten Forderungen nicht erfüllt sind
und Sie werden zu der Erkenntnis kommen, daß ein Staat,
der sich in dieser von aller Welt anerkannten Forderung ablehnend
verhält, das Recht verwirkt hat, sich ein Kulturstaat zu
nennen.
Nun möchte ich mich einzelnen Fragen zuwenden,
die raschester Abhilfe bedürfen. Im Juni vorigen Jahres haben
wir allein einen Initiativantrag eingebracht und die Verlängerung
der Anmeldefrist verlangt, die am 31. Dezember 1923 abgelaufen
ist. Derselbe Antrag wurde auch von einzelnen aktivistischen Parteien
eingebracht. Während wir drängen, daß unsere Anträge
in die Beratungen einbezogen werden, haben die Agrarier und Klerikalen
ihre Anträge im Stich gelassen.
Ich will hier durchaus nicht im einzelnen aufzeigen,
wie viele Unschuldige durch die verspätete Anmeldung um ihre
Renten kamen, will auch nicht die Ursache der verspäteten
Anmeldung besprechen, weil wir: es schon einigemale von dieser
Stelle aus getan haben. Jedoch ein Brief soll Ihnen zeigen,, welches
große Unglück vermieden werden könnte, wenn Sie
unseren Antrag annehmen würden. Eine Organisation der Kriegsverletzten
wendet sich in folgendem Schreiben an uns: "Seit langer Zeit
kämpft die Organisation der Kriegsopfer mit dem Bürokratismus
dieses Staates, um die Not und das Elend zweier Kriegsopfer zu
lindern. Jedoch alles vergebens, kein Herz dieser Männer
ist zu gewinnen, um das Los dieser armen Menschen, dieser armen
Familien, die nur Not und Elend kennen, zu lindern. Denn diese
fühlen nicht den Schmerz eines Vaters, der zum Krüppel
wurde, und nun seine Familie, sein Weib und Kinder, hungern sieht.
Da unsere Schritte alle vergebens waren, so erlauben wir uns,
heute an Sie mit der innigsten und ergebendsten Bitte um Zuteilwerdung
ihrer Unterstützung in den beiden angeführten Fällen
heranzutreten. Schreiber Johann, geboren am 10. Mai 1883, verheiratet,
Vater von 6 unversorgten schulpflichtigen Kindern, von Beruf Maurer,
wohnhaft in Hengstererben, Bezirk Neudek. Dieser Kriegsbeschädigte
befindet sich mit seiner Familie in einer sehr trostlosen Lage,
keinen Verdienst, keine Kleidung, nur Not und Elend sind Gast
im Hause. Johann Schreiber war Soldat der österreichischen
Armee, wurde im Kriege verschüttet, erlitt einen Nervenzusammenbruch.
Nach der teilweisen Heilung wurde er der Arbeiterkompagnie zugeteilt,
wo er einen neuerlichen Unfall durch einen Packer erhielt. Schädel-
und Brustverletzung waren die Unfallsfolgen. Zur Zeit des Umsturzes
wurde er aus dem Reservespital in Falkenau entlassen. Nun versuchte
er wieder zu arbeiten, um das Brot für seine Familie zu schaffen,
doch seine Krankheit verfolgte ihn auf Schritt und Tritt und eines
Tages stürzte er 1 m hoch herab. Nachweisbar Schwindelanfall.
Seit dieser Zeit ist er vollständig arbeitsunfähig,
kann weder essen noch trinken, muß vollständig bedient
werden. Die Arbeiterunfallversicherung sowie die Ärzte bezeichnen
diesen Fall als Kriegsfolge und die Kriegsfürsorgeämter
weisen ihn wegen Fristversäumnis ab. Der Kriegsbeschädigte
Johann Schreiber verfügt über keine Denkkraft mehr und
hat diesen Schritt der Meldung unterlassen. Trotz aller Mühe
erhält der Genannte keine Unterstützung, kein Gnadengeld,
seine Familie, 6 Kinder im schulpflichtigen Alter und seine Frau
wurden dem Hungertuche preisgegeben, Tränen stehen jedem
in den Augen, der seine Kinder von Haus zu Haus ziehen sieht."
Ein anderer Fall. Anton Kühnl, geboren
1891, verheiratet, zwei unversorgte Kinder, von Beruf Eisenwerksarbeiter,
wohnhaft in Mühlberg, Bezirk Neudek. Der Kriegsinvalide Anton
Kühnl war Soldat der österreichischen Armee, diente
bei dem Dragonerregiment Nr. 14, machte den ganzen Weltkrieg mit,
wurde einmal verschüttet und einmal bei einem Reiterangriff
verletzt. Kühnel, der als äußerst solider und
braver Arbeiter, sowie Soldat bekannt ist, versuchte nach dem
Zusammenbruche wieder zu arbeiten, doch das Schicksal entschied
anders, denn bald erschienen Anzeichen von Geistesgestörtheit.
Rufe, wie "vorwärts", "Sturm", "Feuer"
und dergleichen setzten ein. Der Arzt bezeichnete ihn zuerst
als Simulanten, später wurde die Diagnose auf Kopfgrippe
umgetauft und beides traf nicht zu. Denn er hatte schon im Felde
nach der Verschüttung derartige Anfälle gehabt, was
Zeugen bestätigen können. Tagtäglich verschlechterte
sich die Krankheit und heute ist Kühnl vollständig gelähmt,
kann weder Speise noch Trank zu sich nehmen, verfügt über
keine Denkkraft, kann niemals das Bett verlassen, ist nur auf
seine Familie angewiesen. Nur die Phantasie des schrecklichen
Krieges hat er nicht vergessen. Krieg, Angriff und Schlachten
sind seine Worte. Liegt hier nicht ein Irrtum des Arztes vor?
Ist das ein Simulant? Ist das Grippe? In diesen Stunden des schwersten
Leidens hat die Familie, die Frau, die Anmeldungsfrist versäumt,
denn der Kriegsbeschädigte verfügte über keine
Denkkraft mehr und das soll für die Frau und Kinder zum Verhängnis
werden. Nicht genug, daß der Vater geraubt wurde, Hunger
und Elend sollen einkehren, denn es soll keine Hilfe geben. Die
Lage beider mittelloser Familien ist nicht zu schildern. Die Gemeinde,
die breite Öffentlichkeit und die Krankenversicherung, alle
haben mit, geholfen, doch die Quellen versiegten nach und nach
und nun stehen die totkranken Kriegsopfer mit ihren Familien ohne
Hilfe, ohne Mittel in der Welt, dem Bettelstabe, dem Hungertuche
preisgegeben. "Sehr verehrte Frau! In diesen schweren Stunden,
wo wir Hilfe suchen, um unseren lebendig begrabenen Kamaraden
zu helfen, bitten wir nochmals innigst um Ihre Unterstützung.
Vielleicht gibt es doch noch ein Recht auf dieser Welt, daß
diesem Ärmsten der Armen geholfen werden kann." Das
ist mehr als ein Notschrei, das ist eine Anklage gegen ein System!
(Výkøiky nìm. soc. demokratických
poslancù.) Wir kommen schon noch
in den weiteren Ausführungen darauf zu sprechen.
Ein trauriges Kapitel bildet die Nichtzuerkennung
der Renten an die Hinterbliebenen, wenn die Todesursache nicht
im Einklang steht mit der Invalidität des Verstorbenen. Das
wird hier bei beiden Fällen nachher zutreffen, Die Kriegerwitwen
und Waisen wurden und werden dadurch um berechtigte Ansprüche
gebracht, In den meisten Fällen ist nicht nachweisbar, wenn
auch der Tod die Folge der im Krieg zerrütteten Gesundheit
ist. Ganz kraß wirkt sich dieses Unrecht bei Kriegsblinden
aus. Laut Verordnung haben die Witwen oder Waisen nach verstorbenen
Kriegsblinden keinen Anspruch auf eine Rente, weil eben der Kriegsblinde
nicht an einer Krankheit gestorben ist, die den Anspruch auf eine
Invalidenrente begründet. Bei einem Kriegsblinden wird es
aber niemals oder nur in sehr seltenen Fällen gelingen oder
möglich sein, nachzuweisen, daß der Tod der den Anspruch
begründen soll, eine Folge der Invalidität ist. Diese
Bestimmung ist eine harte soziale Ungerechtigkeit, die ehestens
abgeschafft werden muß.
Viel Elend, ja Zerrüttung, nicht selten
Vernichtung von schwer erkämpften Existenzen bringen die
Forderungen nach Rückzahlung von Überzahlungen. Fast
alle Überzahlungen werden rigoros eingetrieben, mit Pfändungen
gedroht, Ansuchen um Gewährung kleinerer Ratenzahlungen bleiben
meist unberücksichtigt. Wir haben deshalb in einem bereits
im vorigen Jahre im Monate Juni eingebrachten Antrag gefordert,
den Kriegsbeschädigten die von den Landesämtern vorgeschriebenen
Übergebühren zu erlassen, doch scheint es, daß
auch dieser Antrag begraben sein soll.
Nun möchte ich noch ein paar Worte zur
Pflichteinstellung der Kriegsverletzten sagen. Die Kriegsbeschädigten
haben einen harten Kampf um ihre Existenz zu führen. Von
den Renten allein können sie nicht leben, sie müssen
also arbeiten,. Meist werden sie aus Gnade aufgenommen und sind
deshalb der ständigen Gefahr ausgesetzt, entlassen zu werden,
In erster Reihe müßten der Staat, die Bezirke und Gemeinden
und nicht zuletzt auch die Privatunternehmungen verpflichtet werden,
die freiwillige Einstellung in eine Pflichteinstellung umzuwandeln,
analog den gesetz!ichen Bestimmungen in Deutschland, Österreich,
Polen, Italien und Frankreich. Die Kriegsbeschädigten haben
ein Recht auf den Schutz des Arbeitsplatzes. Im heurigen Jahre
wurde ein Pflichteinstellungsgesetz beschlossen, doch nicht für
jene, die immer zwangsweise gedient haben, die ihre Gesundheit,
die ihre geraden Glieder eingebüßt haben, sondern für
die braven, freiwillig längerdienenden Unteroffiziere. Die
braven Helden erhielten als Belohnung das Zertifikatistengesetz,
die Kriegsverletzten, die armen Helden, erhalten Fußtritte,
und ich will gerecht sein, auch manchmal Versprechungen. Dies
will ich nun beweisen und den Wortbruch der Regierungsparteien,
insbesondere der klerikalen, den sie an den Kriegsverletzten begangen
haben, aufzeigen. Solange die deutschen Aktivisten in der Opposition
waren, verging kaum eine Gelegenheit, wo sie nicht für die
berechtigten Forderungen der Kriegsverletzten sprachen und neben
uns die Besserstellung der Kriegsopfer verlangten. In Worten und
Versprechungen blieben sie wohl die Alten, doch was sie jetzt
mit den Kriegsverletzten treiben, ist mehr als ein Doppelspiel,
mehr als ein Wortbruch, ist mehr als, ein Treubruch! Sie gehen
in die Versammlungen, geben den Kriegsverletzten Versprechungen,
halten dort schöne Reden, krebsen in diesen Versammlungen
mit ihren Initiativanträgen und stimmen dann gegen alle von
uns eingebrachten Verbesserungsanträge. Ein Beispiel soll
hierfür die Zeugenschaft ablegen. Im vorigen Jahre, wenn
ich nicht irre war es am 27. November, knapp vor Annahme des Budgets,
versammelten sich in allen großen Bezirksorten die Kriegsverletzten
und luden in diese Versammlungen die Parlamentarier der verschiedenen
Parteien ein. Sie kamen alle, um dort das Versprechen zu geben,
daß sie gewillt seien, für die berechtigten Forderungen
der Kriegsverletzten einzutreten. In einer dieser Versammlungen
trafen wir mit einem Kollegen der klerikalen Partei, dem Abg.
Krumpe zusammen. Krumpe kam und meldete sich als
erster zum Worte. Was sprach Krumpe? Welche Versprechungen gab
er den dort versammelten Kriegsverletzten? Er erklärte, daß
er und seine Partei das bindende Versprechen abgeben können,
für die berechtigten Forderungen der Kriegsverletzten einzutreten.
Wir haben dann sofort, allerdings erst nach dem Abgang des Abg.
Krumpe - er zog es vor, rechtzeitig den Saal zu verlassen,
um nicht von den anderen Parlamentariern entlarvt zu werden -
erklärt, daß diese Versprechungen niemals in die Tat
umgesetzt werden. Warum? Weil das Beispiel vorangegangen war!
Ein paar Tage vorher wurden alle von uns zum Budget eingebrachten
Verbesserungsanträge gerade von Krumpe und seiner
Partei und mit ihm von allen aktivistischen Parteien rücksichtslos
abgelehnt.
Wir haben schon in dieser Versammlung den Kriegsverletzten
erklärt, sie mögen keine allzugroßen Optimisten
sein, sie würden sich in der nächsten Zeit von der Wahrheit
unserer Worte überzeugen können, denn was Abg. Krumpe
in dieser Versammlung erklärte, sind nichts als schöne
Worte, nichts als Versprechungen. Ein paar Tage nachher konnten
sich die Kriegsverletzten von der Wahrheit unserer Worte überzeugen.
Die aktivistischen bürgerlichen Parteien lehnten alle von
uns eingebrachten Verbesserungsanträge ab.
Ich möchte nun einmal, die Worte und die
Taten der deutschen aktivistischen Parteien aus jener Zeit gegenüberstellen,
wo sie sich noch in der Opposition befanden. Mir liegt hier eine
gedruckte Rede des agrarischen Koll. Schubert vor, der
- ich wiederhole, zu einer Zeit, wo er noch Oppositionsabgeordneter
war - zur Frage der Kriegsverletzten folgendes erklärt hat:
"Der vorliegende Entwurf, betreffend die Änderungen
und Ergänzungen der Bezüge der Kriegsbeschädigten,
bedeutet keinen nennenswerten Fortschritt. Er kann den berechtigten
Forderungen der Invaliden nicht genügen, da der Antrag für
die Versorgung zu gering ist. Die Ausgaben für Militär
und andere entbehrliche Belange steigen fortwährend ins Ungemessene.
Bei den Invaliden dagegen beginnt man zu sparen und zu kargen.
Wir sehen daher in den Ansätzen nur eine provisorische Regelung.
Provisorien in unserer Gesetzgebung sind bei uns etwas ständiges.
So wird laut Regierungsbericht usw. auch der Gesetzentwurf für
die Junginvaliden, wenn ich so sagen darf, wieder ein Provisorium.
Alles wird nur von heute auf morgen, für einen kurzen Augenblick
festgelegt. Das Parlament wird mit ewigen Novellierungen, Ergänzungen
und Verlängerungen in Atem gehalten. Ein Schaffen aus dem
Vollen, wie man es von einem jungen Staatswesen und seinen Verfechtern
erwarten würde, vermißt man. Wenn die Invaliden sehen
würden, vor was für leerem Hause ihre Sache verhandelt
wird, würden sie enttäuschte Augen machen". - Was
sie seinerzeit als Vorwurf gegenüber der früheren Koalition
erklärten, setzen sie nun fort.
Unter anderem sagte aber Koll. Schubert
folgendes: "Gehen Sie hinaus und hören Sie das Urteil
der Invaliden". Wir würden von dieser Stelle aus den
Invaliden denselben Rat erteilen. "Es ist ein sehr herbes
und verbittertes Urteil. Unsere Invaliden rufen nach korrekter
und rascher Durchführung aller bereits gesetzlich verfügten
Maßnahmen, und auch die Gemeinden wünschen eine ausreichende
Unterstützung der Invaliden, damit ihnen nicht auf Umwegen
neue Belastungen erwachsen und die Regierung etwa auf Gemeindeversorgungen
spekuliert." Jetzt haben die Herren sogar diesen letzten
Weg den Invaliden versperrt. Sie haben durch die Annahme des Gemeindefinanzgesetzes
es den Gemeinden unmöglich gemacht, Unterstützungen
in Zukunft an die Kriegsverletzten verabfolgen zu können.
Schöner aber klingen noch die weiteren
Ausführungen des Abg. Schubert: "In den verschiedenen
Erklärungen der Regierungsstellen fehlt es nicht an tröstenden
Versicherungen und Versprechungen. Man sucht alles in rosiges
Licht zu stellen und Notverfügungen wie diese sollen wieder
für einige Zeit die lästigen, unangenehmen Dränger
beruhigen. Für eine dauernde Beruhigung ist diese Novelle
nicht geschaffen..... Bei der Invalidenfürsorge sollte der
engherzige fiskalische Standpunkt überhaupt ausgeschaltet
werden und es hätte hier eine wohlwollende Praxis einzusetzen.
Sparen ist recht, aber am rechten Platz. Dies zu tun, ist an anderen
Stellen des Budgets hinreichend genug Gelegenheit. Bei gutem ehrlichem
Willen wird es leicht gelingen, die berechtigten Wünsche
der Invaliden zu befriedigen, ohne die Steuerschraube neu anziehen
zu müssen". Auch Ihnen fehlt es an diesem guten Willen,
Sie wollen die berechtigten Forderungen der Kriegsverletzten nicht
erfüllen sie selbst sind ihren früheren Reden und Versprechungen
untreu geworden.
Und noch ein paar Worte, die klar und deutlich
das Gesamtbild dieser Herrschaften aufzeigen. "Auch dieser
Ansatz" - heißt es in den weiteren Ausführungen
des Abgeordneten Schubert - "ist zu niedrig. Doch
was hilft es, wenn wir einen höheren Ansatz beantragen. Unsere
Anträge werden hier und im Ausschuß glatt in Bausch
und Bogen niedergestimmt. Hier gilt nur der Wille der Koalition."
Und wie sieht es heute aus? Die Fortsetzung desselben Spiels,
alle Anträge alle Verbesserungsanträge, werden in Bausch
und Bogen glatt niedergestimmt, Hier gilt das erkläre jetzt
ich - der Wille der neuen Koalition. Und so könnte ich Ihnen
in der damaligen Rede des Koll. Schubert noch nachweisen,
wie die Einstellung damals war, solange diese Herrschaften in
der Opposition waren und wie sie sich seither geändert hat,
Doch lassen Sie mich noch eine weitere Ausführung machen,
die den Kriegsverletzten klar und deutlich zeigt, was sie von
der agrarischen Partei überhaupt zu halten und zu erwarten
haben. Im Agrarblatt "Der Dorfbote" ist ein Herzenserguß
eines gewissen Karl Maschek. Landwirt aus Maronitz zu lesen.
Der Freund der Kriegsopfer schreibt: "Ich
betone aber, daß es nötig wäre viele Invaliden
aus dem Bunde auszuscheiden und denselben die staatliche Unterstützung
zu entziehen, Wie komme ich als Steuerträger dazu, für
Invalide zu sorgen?" Diese Gehäßigkeit gegen die
Kriegsverletzten, müssen sich die Kriegsbeschädigten
gut merken.
Nur noch einen ganz kleinen Auszug aus der
Rede des damaligen Abg. Schälzky, Mitglied der christlichsozialen
Partei! Auch er beschäftigte sich mit dem Problem der Kriegsbeschädigten
und führte in seiner Budgetrede folgendes aus: "In der
Budgetdebatte nahm ich Gelegenheit, die breite Öffentlichkeit
auf die unwürdige und herzlose Behandlung der armem Kriegsopfer
hinzuweisen und den Nachweis zu erbringen, wie dieser Staat in
seinem Großmachtstaumel von den Steuergeldern des Volkes
ungeheuere Summen mit stolzer Geste dem Militarismus und der Auslandspropaganda
hinwirft gegenüber den armen Kriegsopfern aber in schäbiger
Weise knausert und spart." Und diese Parteien haben kaltblütig,
trotz ihrer früheren Reden für den Rüstungsfond,
für alle Militärvorlagen, für das Budget, das so
enorm große Summen für den Militarismus bereitstellt,
gestimmt. Und Schälzky - ich lasse allerdings große
Stücke seiner Rede unverlesen und führe nur die markantesten
Stellen an führt weiter aus: "Aber in der Weise,
wie man in diesem Parlamente Gesetze macht, daß die Entscheidung
der "Pìtka" dem Parlamente aufgezwungen wird
und alle noch so gut gemeinten und noch so
gut begründeten Abänderungsanträge von vornherein
als erledigt gelten müssen." (Posl. Hackenberg: Aber
jetzt ist es ja noch viel ärger!) Ich werde sofort darauf
zurückkommen und nachweisen, daß es jetzt noch viel
ärger ist, "Für die Geschichte dieses Staates und
die ganz eigentümliche Auffassung des Parlamentarismus ist
es notwendig, den Werdegang mancher Gesetze festzulegen. Diese
Vorlage z. B. wurde Samstag dem Hause überbracht, dann in
Druck gelegt und Donnerstag abends in ungefähr anderthalb
Stunden im sozialpolitischen Ausschusse durchgepeitscht."
Um auf den Zwischenruf des Koll. Hakkenberg
zurückzukommen, daß es jetzt noch viel ärger sei,
will ich nur auf das Beispiel, daß sich gestern hier im
Hause zugetragen hat verweisen. Damals wurden Anträge zumindest
dem Ausschusse unterbreitet. Gestern haben wir ein Novum kennen
gelernt. Wenn man die Befürchtung hat, daß ein Antrag
im Ausschuß nicht durchgehen würde, so weist man ihn
überhaupt nicht dem Ausschuß zur Beratung zu und der
Berichterstatter erstattet, wie es gestern beim Abg. Vávra
hier der Fall war, einen Bericht, und fängt an: "Im
Auftrage habe ich den Bericht zu erstatten." In wessen Auftrage?
Im Auftrage des Sechzehnerausschusses, oder in seinem eigenen
Auftrage oder im Auftrage der gesamten Koalitionsparteien? Das
überschreitet natürlich noch jenes Maß der früheren
Tatsachen, der früheren Umgehungen und Ungesetzlichkeiten.
Aber das alles genügt nicht, um vielleicht eine Gegenüberstellung
der früheren und jetzigen Einstellung der Aktivisten zu kennzeichnen.
Lassen Sie mich nur noch einen kleinen Ausschnitt der Rede des
früheren Abgeordneten Schälzky vorlesen, Er sagte
weiter: "Es ist tief bedauerlich und herzlos, daß man
gerade jetzt zu Weihnachten" also wir haben die Wiederholung
derselben Zeit - "den armen Kriegsopfern diese Enttäuschung
bereitet. Wenn man den Staatsbeamten und Lehrern als Weihnachtsgeschenk
eine Kürzung ihrer Bezüge beschert hat, bringt man es
noch übers Herz, den armen Kriegsverletzten eine solche Enttäuschung
zu bereiten". Er sagt weiter: "In letzter Stunde beschwören
wir die Herren von der Mehrheit des Hauses, von der ein solcher
Teil im Herzen für die Erfüllung der Forderungen ist,
der Stimme des Herzens Gehör zu geben und die berechtigten
Forderungen der Kriegsverletzten zu erfüllen. Gerade um die
Weihnachtszeit, die zu Werken der Liebe mahnt, sollte sie bewegen,
die inständigen Bitten der armen Kriegsopfer nicht zu überhören.
Die Kriegsverletzten bitten nicht um Gnade, sondern um ihr gutes
und heiliges Recht".