Ètvrtek 1. prosince 1927

So viel Anlaß beispielsweise der Voranschlag des Eisenbahnministeriums für das Jahr 1928 in allen seinen Teilen zu kritischer Beleuchtung bietet und so dringend notwendig es wäre, so kann ich mich in der mir zur Verfügung stehenden kurzen Redezeit nicht in seiner Gänze mit ihm befassen und muß mich lediglich mit jenem Teil beschäftigen, der die Personalwirtschaft bei den Staatsbahnen betrifft. Dieser Teil erfordert schon allein deshalb eine Vorzugsbehandlung, weil in jüngster Zeit die Eisenbahner infolge der Neuregelung ihrer Besoldung, Dienst- und Rechtsverhältnisse besonders im Vordergrunde des öffentlichen Rechtes standen. Seit ungefähr sechs Jahren erfolgt bei den Eisenbahn- und Staatsbediensteten ein Abbau an den Bezügen sowohl als auch an ihren Personalständen. Mit dem Gesetz 394 von 1922 wurde dieser Abbau begonnen und verschärft mit dem Gesetz 286 vom Jahre 1924 und setzt sich weiterhin fort mit dem Gehaltsgesetz 103 von 1926. Dieses letztere Gesetz ist eigentlich eine Fortsetzung des Abbaugesetzes. Ich will gleich bei dieser Gelegenheit feststellen, daß für dieses reaktionäre Gehaltsgesetz, was wir sowohl in den Ausschüssen als auch im Plenum des Hauses im Vorjahre mit allen uns zur Verfügung stehenden parlamentarischen Mitteln bekämpft haben, auch die heutigen drei deutschen Regierungsparteien, die damals noch nicht in der Regierungskoalition gestanden sind, gestimmt haben. Auf dieses Gehaltsgesetz ist auch die Regelung der Bezüge, der Dienst- und Rechtsverhältnisse der Eisenbahnbediensteten aufgebaut. Aber nebst diesem Abbau ber Bezüge und des Personalstandes haben die Eisenbahnbediensteten noch außerdem eine Verkürzung ihrer Bezüge dadurch erlitten, daß ihnen die Regiefahrpreise, die eigentlich einen integrierenden Bestandteil ihres Einkommens bilden, um 200% im heurigen Frühjahr erhöht wurden. Auch damals hat die Regierung und das Eisenbahnministerium einen ähnlichen Vorgang eingehalten, wie es jetzt bei der Regelung der Bezüge der Rechts- und Dienstverhältnisse geschehen ist. Gestern brachten die Tagesblätter einen Bericht über die Bewegung der Eisenbahner, worin es hieß, daß nunmehr die Verhandlungen abgeschlossen, der Konflikt beendet sei und die Eisenbahnbediensteten 85 Millionen Kronen durch ihre Bewegung herausgeschlagen haben. Wurde schon während der Zeit der ganzen Bewegung die Öffentlichkeit von Seite der Regierung und des Eisenbahnministeriums irregeführt, so geschieht es zum Abschluß noch einmal und zwar in verstärktem Ausmaße. Es wird da ein Betrag genannt, der zum al!ergrößten Teil schon präliminiert ist und von dem auch schon ein Großteil seit dem 1. Jänner d. J. zur Auszahlung hätte gelangen sollen. (Posl. Schweichhart: Augenauswischerei!) Augenauswischerei, ja, wie sehr richtig in einem Zwischenruf bemerkt wurde. Ich will nun aufzeigen, woraus sich diese 85 Millionen Kronen zusammensetzen, mit denen die Öffentlichkeit da geblufft wird, was als Sieg und Erfolg der Eisenbahner während dieser letzten Bewegung hingestellt wird. Bei dieser Gelegenheit möchte ich gleich bemerken, wenn es in der Bewegung, die die Eisenbahner seit dem Herbst vorigen Jahres bis zum Ende dieses Jahres durchgemacht haben, überhaupt einen Sieger gibt, so sind diese Sieger die Regierung und das Eisenbahnministerium. Diese haben es verstanden, unausgesetzt die Öffentlichkeit, irrezuführen, fortgesetzt ihre Bereitschaft zu Verhandlungen zu dokumentieren, Verhandlungen, die wir uns aber ganz anders vorstellen als die es sind, welche die Regierung und das Eisenbahnministerium mit den Eisenbahnerorganisationen geführt haben. Diese monatelangen Verhandlungen waren nichts anderes als ein gegenseitiges sich zu überzeugen suchen, daß der eine oder der andere Teil recht hat, bei dem aber schließlich nichts heraus kam! Das Eisenbahnministerium hat bei Beginn der Verhandlungen am 13. Oktober ausdrücklich durch seine Vertreter erklären lassen, daß die Verhandlungen verbindlich seien und daß das Eisenbahnministerium selbst nach Durchbehandlung aller Forderungspunkte im Verein mit den Organisationen der Regierung den Antrag auf Abänderung der Regierungsverordnung unterbreiten wird. Dazu ist es nicht gekommen, sondern es ist das Eisenbahnministerium wieder zurückgekehrt zu jenem Pflästerchen, das man nun auf die große Wunde kleben will, zu den sogenannten Dienstzulagen. Dadurch kam es zum Abbruch der Verhandlungen am 29. Oktober und was sich seither abgespielt hat, entzieht sich unserer Kontrolle. Wir haben weder vom organisatorischen Standpunkt der Eisenbahner aus eine Möglichkeit gehabt, da mitzusprechen und zu kontrollieren, ebensowenig auch als politische Partei. Ich erkläre deshalb, daß wir für alles das, was sich seit dem 31. Oktober abgespielt hat und geschehen ist und für den Abschluß der Verhandlungen sowie das Ergebnis derselben keinerlei wie immer geartete Verantwortung übernehmen, weil wir dabei nicht mitgewirkt haben. Es ist auch nicht richtig und das werden wir in den allernächsten Tagen merken, daß die Sache als abgeschlossen angesehen werden kann. Der Ministerpräsident Švehla steht heute wie im Frühjahre auf dem Standpunkt, daß die Regierungsverordnung nicht abgeändert werden dürfe. Diese Regierungsverordnung für die Eisenbahner fußt auf dem Gehaltsgesetz auf Grund des § 210 dieses Gesetzes, der die Regierung leider ermächtigt, im Verordnungswege die Gehalts-. Dienst- und Rechtsverhältnisse der bei den staatlichen Unternehmungen beschäftigten mittels Regierungsverordnung zu regeln. Allerdings sollten bei dieser Regelung die besonderen Verhältnisse und Bedürfnisse dieser Unternehmungen berücksichtigt werden. Die damaligen Unterhändler der Regierung in der interministeriellen Kommission haben auch den Vertretern der damaligen allnationalen Koalitionsparteien und den ihnen angeschlossenen èechischen Eisenbahnerorganisationen ausdrücklich erklärt - wie uns seitens dieser Vertreter wiederholt gesagt wurde daß, nachdem der Eisenbahndienst eine höhere Bewertung infolge seiner Verantwortlichkeit seiner großen Gefahren, des aufreibenden Dienstes usw. erheischt, die Dienst- und Gehaltsverhältnisse auch im Sinne einer höheren Wertung geregelt werden. Dieses Versprechen hat die Regierung nicht eingehalten, sondern sie hat die Bestimmung "unter Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse und Erfordernisse dieser Unternehmungen" im umgekehrten Sinne ausgelegt und den Eisenbahndienst und die Arbeitsleistungen unterwertet und unter das Niveau der pragmatikalischen Angeste!lten gestellt. Im alten Österreich waren die Eisenbahner in ihren Bezügen immer etwas höher gestellt als die pragmatikalischen Angestellten. Im Jahre 1914 bekamen die pragmatikalischen Angestellten im alten Österreich die neue Dienstpragmatik, sie kam aber bei den Eisenbahnern nicht zur Durchführung und erst im Jahre 1918 waren die Bezüge der Eisenbahner durch Zulagen auf die Höhe der Bezüge der pragmatikalischen Angestellten gebracht und nun hat die Regierung eine Valorisierung der Bezüge der Eisenbahner auf Grundlage der Bezüge von 191 4 vorgenommen, die naturgemäß zu einer Unterwertung des Eisenbahndienstes führen mußte. Ich brauche nicht darüber zu reden, welche Gefahren der Eisenbahndienst in sich schließt. Wir erleben es fortgesetzt an drastischen Beispielen. Ich verweise nur auf die Eisenbahnunglücke der letzten Zeit bei Brünn, Prerau usw., auf die ungeheuere Überanstrengung des Personales im Eisenbahndienste durch den erfolgten Personalabbau, durch die Verlängerung der Dienstzeiten, Verschärfung der Turnusse usw, Ein altes Sprichwort sagt: Der Eisenbahner steht stündlich und minutlich mit einem Fuße im Grabe, mit dem andern im Kriminal. Wenn die Eisenbahnangestellten ihre Dienstvorschriften einhalten wollen, dann werden sie von der Regierung und Verwaltung als Rebellen angesehen und behandelt, Und wir haben es bei dieser Eisenbahnerbewegung erleben müssen, daß die Regierung sogar die Zensur in der Weise verschärft hat, daß sogar das Wort "passive Resistenz" in, den Zeitungen nicht genannt werden durfte, das doch nichts anderes bedeutet als Instruktionsmäßiges Arbeiten. Und was hat der Herr Ministerpräsident Švehla im Budgetausschusse gesagt, als er diesbezüglich zur Rede gestellt wurde. Es hat sich damit entschuldigt, daß unwahre Nachrichten über die Behandlung der Eisenbahner und Staatsangestellten in der Öffentlichkeit verbreitet werden und hat gemeint, daß diese unwahren Nachrichten zur Beunruhigung führen, und da sei natürlich nichts anderes übrig geblieben als durch energisches Ein greifen alle Lügen zu unterdrücken. Er werde dies auch weiterhin tun. Wenn also diese Eisenbahner ihre Vorschriften bei der Ausübung ihres Dienstes einzuhalten beabsichtigen, so wird alles mögliche in Bewegung gesetzt, um das zu verhindern. Wenn die Eisenbahner aber durch Nichtbeachtung der Dienstvorschriften verunglücken und ein großes Malheur anrichten, dann werden sie von Gesetzeswegen gepackt, auf Grund der Instruktionen angeklagt und bestraft, wie wir das an hunderten Fällen in der Èechoslovakei nachzuweisen vermögen. (Pøedsednictvi pøevzal místopøedseda Zierhut.)

Wir sehen auch an dem Gesamtstand des Personals, wie er im Voranschlag für 1928 präliminiert ist, welche neuerliche Herabsetzung hier vorgesehen ist, was eine weitere Verschärfung des Dienstes zur Folge haben wird. Der Gesamtstand, der ohnehin beim Personalabbau um rund 20.000 Bedienstete vermindert wurde, wird im Jahre 1928 noch um weitere 7.821 herabgesetzt. Auf wessen Kosten die weitere Herabsetzung des Personalstandes zum großen Teile gehen wird, brauche ich wohl nicht mehr besonders zu betonen. Es werden wiederum in erster Linie die Bediensteten der nationalen Minderheiten zum Handkuß kommen, wie dies ja seit Bestand dieses Staates schon geschieht. (Posl. Schweichhart: Was sagen die deutschen Regierungsparteien dazu?) Die deutschen Regierungsparteien resp. ihre Exponenten in der Regierung, ihre Minister, haben ja die Regierungsverordnung für die Eisenbahner mit unterschrieben, die die Regierung herausgegeben hat, ohne mit dem Vertretern der Eisenbahnerorganisationen verhandelt zu haben. Sie haben die Schuld mit auf sich geladen, daß den Eisenbahnern diese Regierungsverordnung aufoktroiert worden ist, wodurch wieder ungezählte deutsche Eisenbahnarbeiter entlassen werden. (Posl. Procházka: Podle sdìlení pana min. Spiny ani nevìdìli, o èem se jedná v min. radì!) Dr. Spina und Mayr-Hartings Namen glänzen unter dieser Regierungsverordnung.

Ebenso steht es mit den Personalausgaben. Man spricht davon, daß die Regulierung der Bezüge ein ungeheures Geld kostet. Der Ministerpräsident hat am 15. Juli im Senat bei Besprechung der Systemisierung der Dienststellen erklärt, daß die Regulierung viele hunderte Millionen kostet und ich erinnere daran, daß die Regierung bei Beratung des Gehaltsgesetzes für die Bedeckung nicht weniger als 700 Millionen angesprochen hat, über deren Verwendung bis heute trotz unseres mehrfachen Verlangens kein Ausweis dem Parlamente vorgelegt wurde, ob und inwieweit diese 700 Millionen aufgebraucht wurden. Der Herr Ministerpräsident sprach auch davon; daß niemand durch die Neuregulierung der Bezüge geschädigt sei, daß diese bei den Eisenbahnern 40 Millionen Kè gekostet hat und im Staatsvoranschlag für das Eisenbahnministerium finden wir ein Mehrerfordernis von 45,097.570 Kè vorgesehen. Das ist, also die präliminierte Summe, die noch für die Regulierung benötigt wird, trotzdem das Personal neuerlich um 7.821 Mann herabgesetzt wird. Wir finden also hier schon wieder eine Summe, die mit in diese 85 Millionen Kronen, von denen die Tagesblätter gestern geschrieben haben, hineinbezogen sind. 30 Millionen Kronen sind die Nebenbezüge und 5 Millionen Kronen für die Überstunden bereits vorhanden. Die Nebenbezüge sind eine alte Einrichtung bei den Eisenbahnen. Es gibt dafür 382 Titel unter denen sie ausgezahlt werden, Und sie bestehen seit Jahrzehnten. Sie sollten nur jetzt bei der Regulierung um 20 bis 25% erhöht werden. Fällig zur Auszahlung sind sie schon seit dem 1. Jänner dieses Jahres. Außerdem und das wurde ja auch schon vor vielen Monaten in der Öffentlichkeit kundgemacht 25 Millionen Kronen für die Rübenkampagne, d. h. für die erhöhte Dienst- und Arbeitsleistung jens Personals, welches insbesondere bei der Rübenkampagne übermäßig in Anspruch genommen wird, die nunmehr auch zur Auszahlung gelangen sollen. Auch das ist eine Summe, die nicht neu aufgebracht zu werden braucht. Weiter steht es so, daß durch die Regulierung der Bezüge bei Überführung der Bediensteten aus dem alten Schema in das neue große Fehlbeträge, d. h. Differenzen entstehen, die durch Ausgleichszulagen ausgeglichen werden sollen. Diese Ausgleichszulagen werden aber bei jedesmaliger Gehaltsvorrückung abgebaut. Bei der ersten Gehaltsverrechnung um zwei Drittel, bei der nächsten um 50% und wenn noch ein Rest da ist, so wird dann auch dieser bei der nächsten Vorrückung noch aufgehoben. Es wird also in Zukunft so sein, daß ein sehr großer Teil des Eisenbahnpersonals trotz mehrmaliger Gehaltsvorrückung in seinen Bezügen nicht mehr besser gestellt werden wird, Daraus ergibt sich, daß natürlich große Ersparnisse gemacht, die Ausgaben in der Zukunft also nicht vergrößert werden und wenn man bedenkt, daß ein Streckenbediensteter, der gegenüber seinen früheren Bezügen bei 35jähriger Dienstzeit 36.000 bis 50.000 Kè verliert, so ist es klar dargetan, daß das Eisenbahnministerium und die Regierung aus der ganzen Regulierung kolossale Ersparnisse machen, daß also keine neuen Mittel aufgewendet werden müssen und es eine Täuschung der Öffentlichkeit ist, wenn von 85 Millionen gesprochen wird, die jetzt den Eisenbahnern neu zuerkannt worden sein sollen, Die Regierung hat, um die Eisenbahner niederzuhalten und einzuschüchtern, auch noch zu anderen Mitteln gegriffen. Sie hat eine Kriegsverordnung des alten Österreichs aus dem Jahre 1914 ausgegraben, in der große Strafen gegen jene angedroht sind, die einen öffentlichen Betrieb stören. Es heißt in dieser Verordnung vom 25. Juli 1914, Nr. 155, die gleichzeitig mit den verschiedenen damaligen § 14-Verordnungen erschienen ist, im § 2, daß der öffentliche Beamte, der Bedienstete eines Staatsbetriebes, einer Eisenbahn, eines Schiffahrtsunternehmens oder einer anderen staatlich geschützten Unternehmung wegen Vergehens mit strengem Arrest von 6 Monaten bis zu einem Jahr bestraft wird usw. Das bezieht sich also nur auf den, der einen öffentlichen Betrieb stört. Nun ist aber natürlich die vorschriftsmäßige Arbeit eigentlich keine Störung eines öffentlichen Betriebes, sondern sie besteht darin, daß der Bedienstete lediglich seine Vorschriften einhält. Da finden wir nun, daß die Regierung den Spieß umdreht und den Bediensteten Kerkerstrafen androht, wenn sie die Vorschriften einzuhalten und zu beachten gedenken. Weiter hat der Herr Ministerpräsident in seiner Rede im Budgetausschuß am 8. November auch darüber gesprochen, daß, wenn die Organisationen sich an den Verhandlungstisch setzen, dann sei er da. Wenn aber die Organisationen auf dem Altstädter Ring zögen, dann sei die Polizei da, Außerdem hat er erklärt: Nicht die Organisationen, sondern das Parlament sei dazu da, um zu kontrollieren und festzustellen, ob ein Gesetz richtig durchgeführt wurde oder nicht.

Wenn der Herr Ministerpräsident die er Meinung ist, dann soll er in das Haus kommen und Rede und Antwort stehen. Wir haben es ihm wiederholt nachgewiesen, daß das Gehaltsgesetz bei der Durchführung für die Eisenbahner nicht eingehalten worden ist, Wir verlangen überhaupt, daß der Ministerpräsident hier im Hause einen Bericht darüber erstatte, was in der Frage der Regulierung der Bezüge, der Dienst- und Rechtsverhältnisse der Eisenbahner jetzt abgemacht worden ist. Der Herr Ministerpräsident hat sich darüber beklagt, daß der Parlamentarismus und die Demokratie hier auf einem so tiefen Niveau stehen. Und er erklärte weiters, er denke fortgesetzt und mehr als andere Menschen darüber nach, wie er die Demokratie und den Parlamentarismus heben könnte. Es gäbe für den Herrn Ministerpräsidenten ein sehr einfaches Rezept,. Er möge es nur so machen, wie seine Kollegen in den anderen Ländern, an den Sitzungen des Plenums teilnehmen und wenn es erforderlich ist, aufstehen und den Volksvertretern Rede und Antwort stehen. Dann würde sich auch bei uns der Parlamentarismus und mit ihm die Demokratie überhaupt haben. Aber der Herr Ministerpräsident zieht es eben weit hervor, nicht im Hause zu erscheinen und den unangenehmen Auseinandersetzungen auszuweichen. Die Eisenbahnverwaltung hat während der Bewegung der Eisenbahner auch selbst Dispositionen getroffen, die so ähnlich sind wie jene, die der Feldmarschall Hindenburg in Ostpreußen angewendet hat. Es wurden Güter hin und her gesendet, es wurden Verkehrsdispositionen getroffen, die dazu bestimmt waren, die Öffentlichkeit zu täuschen und ihr einzureden, wenn eine Stockung des Verkehres eintrete, daß dies nicht zurückzuführen sei auf die vorschriftsmäßige Arbeit der Bediensteten, sondern auf die Unzulänglichkeit der Bahnhöfe, auf die Überfüllung derselben usw. Das wurde der Öffentlichkeit ebenfalls vorgesetzt. Wir geben schon zu, daß die Bahnhofs- und Stationsanlagen wie überhaupt unsere ganzen Eisenbahnen unzulänglich sind, aber sie sind es nicht erst gestern geworden, sondern das datiert weit zurück und es wäre längst notwendig gewesen, Erweiterungen von Bahnhöfen im größerem Ausmaß vorzunehmen als es bisher geschehen ist. Es ließe sich noch sehr viel über das ganze Wesen des neuen Gehaltsgesetzes und die Regierungsverordnung, die auf dem Gehaltsgesetze fußt, sagen. Wir stehen sowohl als Partei wie auch als Eisenbahnorganisation auf dem Standpunkt, daß insolange die Regierungsverordnung nicht von Grund auf geändert wird, d, h. insolange keine Novellierung erfolgt, es unmöglich ist, die Bewertung des Eisenbahndienstes in den Gehaltsgruppen auf jene Höhe zu bringen, die ihr auf Grund der Bezüge vom Jahre 1918 und der verantwortlichen und gefährlichen Dienstleistung zukommt. Auch die Aktivitätszulage wurde sowie im alten Österreich wiederum nach dem Einwohnerschlüssel und nach den Gemeinden festgesetzt. Welche Sinnwidrigkeiten da in Bezug auf die Bemessung der Aktivitätszulage eingetreten sind, will ich nur durch den Hinweis auf Karlsbad, Schreckenstein und Reichenberg dartun. Wenn irgendeine Dienststelle des Stationsortes nicht auf dem Boden der Gemeinde liegt, wurde sie, obzwar der Bedienstete in dem Orte wohnen kann und auch tatsächlich wohnt, der in die höhere Ortsklasse eingereiht ist, in die niedrigere Aktivitätszulagengruppe eingerechnet. Darüber wird noch ausführlicher zu reden sein. Bei der Durchführung der neuen Besoldung bei den Eisenbahnern mußten sehr viele Beamte und Bedienstete in den Direktionen Überstunden leisten. Das Überstundenwesen hat überhaupt in jüngster Zeit kolossal umsichgegriffen, sowohl in den Ämtern als auch in den Stationen und beim Verkehr. Beim Verkehr und in den Stationen wird den Bediensteten für die Überstunden keinerlei Vergütung bezahlt. Jenen Beamten und Bediensteten, die jetzt bei der Überleitung des Personales in die neuen Bezüge Überstunden bis zu 140 an der Zahl im Monat geleistet haben, hat man dafür eine Remuneration gezahlt von sage und schreibe hundert bis dreihundert Kronen. Auf eine Überstunde entfallen da nicht ganz 1 Kè bis etwas über 2 Kè. Schäbiger als der schäbigste Privatunternehmer hat sich hier die Bahnverwaltung gegenüber diesen Menschen benommen, die Tag und Nacht an der Arbeit gesessen sind, um die Überleitung des Personals so rasch als möglich durchzuführen. Es wäre auch über die Unifizierung sehr viel zu reden, weil durch die Nichtunifizierung noch tausende Bedienstete nicht in die neuen Bezüge überleitet worden sind, wo viele von ihnen infolge minderer Sprachenqualifikation heute in der Gehaltsvorrückung nicht mehr vorwärts kommen können, sondern bei einem bestimmten Gehalte bis zum Ende der Dienstzeit sitzen bleiben. Die Unifizierung der Bediensteten verstaatlichter Bahnen ist in der Èechoslovakei überhaupt nach einem ganz neuen System gehandhabt worden. Während im alten Österreich bei Verstaatlichungen jenes Personal, das erklärte, unifiziert werden zu wollen, einfach übernommen wurde, hat man in der Èechoslovakei noch besondere Bedingungen vorgeschrieben, und die Entscheidung darüber, ob ein Bediensteter in den Status der Staatsbahnen übernommen wird, hat sich die Bahnverwaltung außerdem noch vorbehalten. So ist es gekommen, daß noch tausende Bedienstete nicht übernommen sind und infolgedessen nicht in die neuen Bezüge eingereiht werden können.

Es wäre auch darüber zu sprechen, wie die Arbeiter, die während des Krieges Eisenbahndienst geleistet haben, hinsichtlich der Kriegshalbjahreinrechnung in die Pension behandelt worden sind und werden, Das ist ein Kapitel, dessen Besprechung ich mir noch für einen geeigneten Zeitpunkt vorbehalte.

Wenn jetzt die Auszahlung der Nebenbezüge und der Remunerationen und der neuen Gehaltszulagen oder Dienstzulagen, wie sie nach der Regierungsverordnung bezeichnet sind, erfolgt, werden die Eisenbahner einige Kronen ausbezahlt bekommen. Dagegen ist schon wiederum etwas im Anzuge, das sind die restlichen Steuerabzüge. Es gibt eine Unzahl von Bediensteten, die für die zurückliegenden Jahre, bis 1922 Steuerrückstände haben. Diesen Steuerrückstand will nun die Bahnverwaltung zum 1. Dezember auf einmal in Abzug bringen. Sie scheint die Absicht zu haben, die Gelegenheit wahrzunehmen, jetzt, wenn aus dieser Regulierung der Nebenbezüge, Remunerationen und der Dienstzulage die Eisenbahner einige Kronen auf die Hand bekommen werden, sofort die rückständigen Steuern einzutreiben. Die Eisenbahnverwaltung aber sieht sich nicht bemüssigt, die Steuerüberzahlungen an die Bediensteten zurückzuzahlen, die mehrfach schon mehrere Jahre fällig sind. Wir haben in dieser Frage wiederholt interpelliert und interveniert, die Eisenbahnverwaltung beruft sich aber immer wieder auf die Steuerverwaltung, daß die Steuerverwaltung die Vorschreibungen nicht liefere, daß infolgedessen die Rückzahlungen nicht durchgeführt werden können. Wir fordern auch von der Eisenbahnverwaltung, daß die rückständigen Steuerzahlungen nicht jetzt am 1, Dezember auf einmal in Abzug gebracht werden und daß die überzahlten Steuerbeträge so rasch als möglich an die Bediensteten ausbezahlt werden.

Ein weiteres Kapitel, das eingehend besprochen zu werden verdienen würde, ist die Unfallsversorgung der Eisenbahnbediensteten. Die Unfallsversorgung in der Èechoslovakei ist gegenüber dem früheren Stande der berufsgenossenschaftlichen Unfallversicherung im alten Österreich bedeutend verschlechtert worden und es waltet die Tendenz vor, aus allen Verkehrsunfällen, über deren Charakter gar kein Zweifel bestehen kann, Betriebsunfälle zu machen. Wir haben eine ganze Reihe von Schiedsgerichtsentscheidungen, wo Verkehrsunfälle zu Betriebsunfällen qualifiziert worden sind. Es wäre dringend notwendig, auch diese Frage einmal eingehender zu behandeln, als es heute geschehen kann. Ich will nur einen Fall herausgreifen, um zu zeigen, mit welchen Argumenten die èsl. Eisenbahnverwaltung die verunglückten Eisenbahner um ihre Renten bringt oder diese herabzusetzen sucht. Da sagt z. B. die Staatsbahndirektion in Olmütz in einer Klagebeantwortung, folgendes: "Der Kläger wußte sicher, daß die Eisenbahngeleise dazu da sind, daß die Züge darauf fahren, und nicht dazu, daß Bedienstete darauf herumstehen." Das ist schon mehr als eine Verhöhnung eines verunglückten Menschen, der nur infolge der raschen Ausübung seines Dienstes um seine geraden Glieder oder gar um sein Leben hätte kommen können. Weiter heißt es in der Klagebeantwortung: "Sollte vielleicht der Lokomotivführer des Zuges Nr. 908 den zwischen dem ersten und zweiten Geleise stehenden Kläger bemerken und eventl. auch voraussehen, daß der Kläger im kritischen Momente sich zu sehr dem zweiten Geleise nähern oder gar dasselbe betreten wird, oder sollte er aus dem Grunde frühzeitig anhalten oder eine außerordentliche Einfahrt auf ein anderes Geleis einrichten... oder sollte eher der zwischen dem ersten und dem zweiten Geleise stehende Kläger sich nach den Sicherheitsvorschriften richten, welche er als Zugsführer kennen mußte, um seine Sicherung besorgt sein und sich nicht so zwischen die Geleise stellen, daß er vom Zuge erfaßt werden konnte? Wie aus der Klage ersichtlich ist, ist der Kläger für die erstere Alternative, Das heißt, daß der Lokomotivführer anhalten und auf ein anderes Geleise einfahren möchte, damit er den zwischen den beiden Geleisen Stehenden nicht etwa zusammenfährt." Der Zugsführer hat sich nun dem zweiten Geleise deshalb genähert, weil es schon höchste Zeit für die Abfahrt war und er sich überzeugen wollte, ob sein Zug, mit dem eine Verschubmanipulation vorgenommen worden war, bereits ordentlich zusammengeschlossen sei. Das geschieht in tausenden Fällen und derselbe Zugsführer hat das in seiner zwanzigjährigen Dienstzeit vielleicht ebenfalls hundert Male gemacht und es ist ihm nichts passiert. Wie oft kommt es vor, die Lokomotive bläst Dampf ab, es ist nichts zu hören, der Zug schleicht ein und fährt einen Menschen zusammen. Diese Klagebeantwortung ist aber nicht nur eine zynische Verhöhnung eines verunglückten Bediensteten, sondern sie ist auch ein Beweis dafür, auf welch tiefes Niveau unsere Unfallversorgung bereits angelangt ist. Darüber wird noch zu reden sein.

Ich kann nicht unterlassen, auch ein Wort über die Altpensionistenfrage zu sprechen. Seit Jahren petitionieren die Altpensionisten und fordern auch die oppositionellen parlamentarischen Parteien den Ausgleich für die Altpensionisten. Man hat ihnen Versprechungen gemacht, bis heute sind den armen Teufeln ihre kargen Ruhegenüsse nicht auf die Höhe der Neupensionistenbezüge gebracht worden. Da verweise ich besonders darauf, daß jetzt, seitdem sich die drei deutschen aktivistischen Parteien in der Regierung befinden, ebenfalls noch nichts geschehen ist, trotzdem gerade diese drei Parteien den Altpensionisten bereits wiederholt Versprechungen gemacht haben. Der Abg. Krumpe hat beispielsweise am 11. Mai in Leitmeritz in der Hauptversammlung des Verbandes der deutschen staatl. Ruheständler erklärt - das habe ich persönlich gehört - die Vorlage für die Altpensionisten werde dem Parlamente raschestens zur Verabschiedung vorgelegt werden und daß am 1. Juli d. J. mit Rückwirkung vom 1. Jänner die neuen Bezüge an die Altpensionisten zur Auszahlung gelangen werden. Bis heute ist das aber noch nicht geschehen. Diese Parteien haben also Demagogie mit den Altpensionisten getrieben. Ich möchte noch kurz auf den Ausspruch des Justizministers Mayr-Harting verweisen, den er in einer Versammlung in Westböhmen gemacht hat. Der Herr Justizminister hat sich dort in einer Versammlung damit entschuldigt, daß er sagte, wenn wir die Forderungen der Sozialdemokraten und der Oppositionsparteien überhaupt für die Altpensionisten bewilligen wollten, würden die Altpensionisten in Saus und Braus leben, Hierin charakterisiert sich das Wesen einer Partei, die sich christlichsozial nennt. vollständig. Wir fordern auch bei dieser Gelegenheit wieder die rascheste Vorlage des Entwurfes für den Ausgleich der Bezüge der staatlichen und autonomen Altpensionisten.

Zum Schluß möchte ich bemerken: Den antisozialen reaktionären Absichten und Plänen der gegenwärtig im deutsch-èechoslovakischen Regierungsblock vereinigten bürgerlichen Parteien haben wir deutschen Sozialdemokraten von allem Anfang an unseren entschiedenen Widerstand entgegengesetzt und den schärfsten Kampf angekündigt. Wir waren uns auf Grund der in der heutigen privatkapitalistischen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung wirkenden und im Schlußeffekt für das politische Handeln der Einzelmenschen wie auch der Gesellschaftsklassen und Parteien ausschlaggebenden ökonomischen Triebkräfte keinen Augenblick darüber im Unklaren, daß der Eintritt der drei deutschbürgerlichen sogenannten aktivistischen Parteien in die Regierung keinesfalls die Verständigung der Völker dieses Staates bedeutet oder zum Ziele hat, sondern lediglich einen Zusammenschluß der bürgerlich kapitalistischen Kräfte zum Zwecke der Wahrung ihrer Profit- und Klasseninteressen einerseits und zur rücksichtslosen Ausbeutung, Knechtung und Unterdrückung der Arbeiterklasse andererseits darstellt, Diese Tatsachen bestätigen sich immer weder aufs neue. Das zeigt auch gerade jetzt wieder für jedermann klar und deutlich der Angriff des Bürgerblocks auf die Sozialversicherung der Arbeiter.


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