So viel Anlaß beispielsweise der Voranschlag
des Eisenbahnministeriums für das Jahr 1928 in allen seinen
Teilen zu kritischer Beleuchtung bietet und so dringend notwendig
es wäre, so kann ich mich in der mir zur Verfügung stehenden
kurzen Redezeit nicht in seiner Gänze mit ihm befassen und
muß mich lediglich mit jenem Teil beschäftigen, der
die Personalwirtschaft bei den Staatsbahnen betrifft. Dieser Teil
erfordert schon allein deshalb eine Vorzugsbehandlung, weil in
jüngster Zeit die Eisenbahner infolge der Neuregelung ihrer
Besoldung, Dienst- und Rechtsverhältnisse besonders im Vordergrunde
des öffentlichen Rechtes standen. Seit ungefähr sechs
Jahren erfolgt bei den Eisenbahn- und Staatsbediensteten ein Abbau
an den Bezügen sowohl als auch an ihren Personalständen.
Mit dem Gesetz 394 von 1922 wurde dieser Abbau begonnen und verschärft
mit dem Gesetz 286 vom Jahre 1924 und setzt sich weiterhin fort
mit dem Gehaltsgesetz 103 von 1926. Dieses letztere Gesetz ist
eigentlich eine Fortsetzung des Abbaugesetzes. Ich will gleich
bei dieser Gelegenheit feststellen, daß für dieses
reaktionäre Gehaltsgesetz, was wir sowohl in den Ausschüssen
als auch im Plenum des Hauses im Vorjahre mit allen uns zur Verfügung
stehenden parlamentarischen Mitteln bekämpft haben, auch
die heutigen drei deutschen Regierungsparteien, die damals noch
nicht in der Regierungskoalition gestanden sind, gestimmt haben.
Auf dieses Gehaltsgesetz ist auch die Regelung der Bezüge,
der Dienst- und Rechtsverhältnisse der Eisenbahnbediensteten
aufgebaut. Aber nebst diesem Abbau ber Bezüge und des Personalstandes
haben die Eisenbahnbediensteten noch außerdem eine Verkürzung
ihrer Bezüge dadurch erlitten, daß ihnen die Regiefahrpreise,
die eigentlich einen integrierenden Bestandteil ihres Einkommens
bilden, um 200% im heurigen Frühjahr erhöht wurden.
Auch damals hat die Regierung und das Eisenbahnministerium einen
ähnlichen Vorgang eingehalten, wie es jetzt bei der Regelung
der Bezüge der Rechts- und Dienstverhältnisse geschehen
ist. Gestern brachten die Tagesblätter einen Bericht über
die Bewegung der Eisenbahner, worin es hieß, daß nunmehr
die Verhandlungen abgeschlossen, der Konflikt beendet sei und
die Eisenbahnbediensteten 85 Millionen Kronen durch ihre Bewegung
herausgeschlagen haben. Wurde schon während der Zeit der
ganzen Bewegung die Öffentlichkeit von Seite der Regierung
und des Eisenbahnministeriums irregeführt, so geschieht es
zum Abschluß noch einmal und zwar in verstärktem Ausmaße.
Es wird da ein Betrag genannt, der zum al!ergrößten
Teil schon präliminiert ist und von dem auch schon ein Großteil
seit dem 1. Jänner d. J. zur Auszahlung hätte gelangen
sollen. (Posl. Schweichhart: Augenauswischerei!) Augenauswischerei,
ja, wie sehr richtig in einem Zwischenruf bemerkt wurde. Ich will
nun aufzeigen, woraus sich diese 85 Millionen Kronen zusammensetzen,
mit denen die Öffentlichkeit da geblufft wird, was als Sieg
und Erfolg der Eisenbahner während dieser letzten Bewegung
hingestellt wird. Bei dieser Gelegenheit möchte ich gleich
bemerken, wenn es in der Bewegung, die die Eisenbahner seit dem
Herbst vorigen Jahres bis zum Ende dieses Jahres durchgemacht
haben, überhaupt einen Sieger gibt, so sind diese Sieger
die Regierung und das Eisenbahnministerium. Diese haben es verstanden,
unausgesetzt die Öffentlichkeit, irrezuführen, fortgesetzt
ihre Bereitschaft zu Verhandlungen zu dokumentieren, Verhandlungen,
die wir uns aber ganz anders vorstellen als die es sind, welche
die Regierung und das Eisenbahnministerium mit den Eisenbahnerorganisationen
geführt haben. Diese monatelangen Verhandlungen waren nichts
anderes als ein gegenseitiges sich zu überzeugen suchen,
daß der eine oder der andere Teil recht hat, bei dem aber
schließlich nichts heraus kam! Das Eisenbahnministerium
hat bei Beginn der Verhandlungen am 13. Oktober ausdrücklich
durch seine Vertreter erklären lassen, daß die Verhandlungen
verbindlich seien und daß das Eisenbahnministerium selbst
nach Durchbehandlung aller Forderungspunkte im Verein mit den
Organisationen der Regierung den Antrag auf Abänderung der
Regierungsverordnung unterbreiten wird. Dazu ist es nicht gekommen,
sondern es ist das Eisenbahnministerium wieder zurückgekehrt
zu jenem Pflästerchen, das man nun auf die große Wunde
kleben will, zu den sogenannten Dienstzulagen. Dadurch kam es
zum Abbruch der Verhandlungen am 29. Oktober und was sich seither
abgespielt hat, entzieht sich unserer Kontrolle. Wir haben weder
vom organisatorischen Standpunkt der Eisenbahner aus eine Möglichkeit
gehabt, da mitzusprechen und zu kontrollieren, ebensowenig auch
als politische Partei. Ich erkläre deshalb, daß wir
für alles das, was sich seit dem 31. Oktober abgespielt hat
und geschehen ist und für den Abschluß der Verhandlungen
sowie das Ergebnis derselben keinerlei wie immer geartete Verantwortung
übernehmen, weil wir dabei nicht mitgewirkt haben. Es ist
auch nicht richtig und das werden wir in den allernächsten
Tagen merken, daß die Sache als abgeschlossen angesehen
werden kann. Der Ministerpräsident Švehla steht
heute wie im Frühjahre auf dem Standpunkt, daß die
Regierungsverordnung nicht abgeändert werden dürfe.
Diese Regierungsverordnung für die Eisenbahner fußt
auf dem Gehaltsgesetz auf Grund des § 210 dieses Gesetzes,
der die Regierung leider ermächtigt, im Verordnungswege die
Gehalts-. Dienst- und Rechtsverhältnisse der bei den staatlichen
Unternehmungen beschäftigten mittels Regierungsverordnung
zu regeln. Allerdings sollten bei dieser Regelung die besonderen
Verhältnisse und Bedürfnisse dieser Unternehmungen berücksichtigt
werden. Die damaligen Unterhändler der Regierung in
der interministeriellen Kommission haben auch den Vertretern der
damaligen allnationalen Koalitionsparteien und den ihnen angeschlossenen
èechischen Eisenbahnerorganisationen ausdrücklich
erklärt - wie uns seitens dieser Vertreter wiederholt gesagt
wurde daß, nachdem der Eisenbahndienst eine höhere
Bewertung infolge seiner Verantwortlichkeit seiner großen
Gefahren, des aufreibenden Dienstes usw. erheischt, die Dienst-
und Gehaltsverhältnisse auch im Sinne einer höheren
Wertung geregelt werden. Dieses Versprechen hat die Regierung
nicht eingehalten, sondern sie hat die Bestimmung "unter
Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse und Erfordernisse
dieser Unternehmungen" im umgekehrten Sinne ausgelegt und
den Eisenbahndienst und die Arbeitsleistungen unterwertet und
unter das Niveau der pragmatikalischen Angeste!lten gestellt.
Im alten Österreich waren die Eisenbahner in ihren Bezügen
immer etwas höher gestellt als die pragmatikalischen Angestellten.
Im Jahre 1914 bekamen die pragmatikalischen Angestellten im alten
Österreich die neue Dienstpragmatik, sie kam aber bei den
Eisenbahnern nicht zur Durchführung und erst im Jahre 1918
waren die Bezüge der Eisenbahner durch Zulagen auf die Höhe
der Bezüge der pragmatikalischen Angestellten gebracht und
nun hat die Regierung eine Valorisierung der Bezüge der Eisenbahner
auf Grundlage der Bezüge von 191 4 vorgenommen, die naturgemäß
zu einer Unterwertung des Eisenbahndienstes führen mußte.
Ich brauche nicht darüber zu reden, welche Gefahren der Eisenbahndienst
in sich schließt. Wir erleben es fortgesetzt an drastischen
Beispielen. Ich verweise nur auf die Eisenbahnunglücke der
letzten Zeit bei Brünn, Prerau usw., auf die ungeheuere Überanstrengung
des Personales im Eisenbahndienste durch den erfolgten Personalabbau,
durch die Verlängerung der Dienstzeiten, Verschärfung
der Turnusse usw, Ein altes Sprichwort sagt: Der Eisenbahner steht
stündlich und minutlich mit einem Fuße im Grabe, mit
dem andern im Kriminal. Wenn die Eisenbahnangestellten ihre Dienstvorschriften
einhalten wollen, dann werden sie von der Regierung und Verwaltung
als Rebellen angesehen und behandelt, Und wir haben es bei dieser
Eisenbahnerbewegung erleben müssen, daß die Regierung
sogar die Zensur in der Weise verschärft hat, daß sogar
das Wort "passive Resistenz" in, den Zeitungen nicht
genannt werden durfte, das doch nichts anderes bedeutet als Instruktionsmäßiges
Arbeiten. Und was hat der Herr Ministerpräsident Švehla
im Budgetausschusse gesagt, als er diesbezüglich zur Rede
gestellt wurde. Es hat sich damit entschuldigt, daß unwahre
Nachrichten über die Behandlung der Eisenbahner und Staatsangestellten
in der Öffentlichkeit verbreitet werden und hat gemeint,
daß diese unwahren Nachrichten zur Beunruhigung führen,
und da sei natürlich nichts anderes übrig geblieben
als durch energisches Ein greifen alle Lügen zu unterdrücken.
Er werde dies auch weiterhin tun. Wenn also diese Eisenbahner
ihre Vorschriften bei der Ausübung ihres Dienstes einzuhalten
beabsichtigen, so wird alles mögliche in Bewegung gesetzt,
um das zu verhindern. Wenn die Eisenbahner aber durch Nichtbeachtung
der Dienstvorschriften verunglücken und ein großes
Malheur anrichten, dann werden sie von Gesetzeswegen gepackt,
auf Grund der Instruktionen angeklagt und bestraft, wie wir das
an hunderten Fällen in der Èechoslovakei nachzuweisen
vermögen. (Pøedsednictvi pøevzal místopøedseda
Zierhut.)
Wir sehen auch an dem Gesamtstand des Personals,
wie er im Voranschlag für 1928 präliminiert ist, welche
neuerliche Herabsetzung hier vorgesehen ist, was eine weitere
Verschärfung des Dienstes zur Folge haben wird. Der Gesamtstand,
der ohnehin beim Personalabbau um rund 20.000 Bedienstete vermindert
wurde, wird im Jahre 1928 noch um weitere 7.821 herabgesetzt.
Auf wessen Kosten die weitere Herabsetzung des Personalstandes
zum großen Teile gehen wird, brauche ich wohl nicht mehr
besonders zu betonen. Es werden wiederum in erster Linie die Bediensteten
der nationalen Minderheiten zum Handkuß kommen, wie dies
ja seit Bestand dieses Staates schon geschieht. (Posl. Schweichhart:
Was sagen die deutschen Regierungsparteien dazu?) Die deutschen
Regierungsparteien resp. ihre Exponenten in der Regierung, ihre
Minister, haben ja die Regierungsverordnung für die Eisenbahner
mit unterschrieben, die die Regierung herausgegeben hat, ohne
mit dem Vertretern der Eisenbahnerorganisationen verhandelt zu
haben. Sie haben die Schuld mit auf sich geladen, daß den
Eisenbahnern diese Regierungsverordnung aufoktroiert worden ist,
wodurch wieder ungezählte deutsche Eisenbahnarbeiter entlassen
werden. (Posl. Procházka: Podle sdìlení
pana min. Spiny ani nevìdìli, o èem se jedná
v min. radì!) Dr. Spina und
Mayr-Hartings Namen glänzen unter dieser Regierungsverordnung.
Ebenso steht es mit den Personalausgaben. Man
spricht davon, daß die Regulierung der Bezüge ein ungeheures
Geld kostet. Der Ministerpräsident hat am 15. Juli im Senat
bei Besprechung der Systemisierung der Dienststellen erklärt,
daß die Regulierung viele hunderte Millionen kostet und
ich erinnere daran, daß die Regierung bei Beratung des Gehaltsgesetzes
für die Bedeckung nicht weniger als 700 Millionen angesprochen
hat, über deren Verwendung bis heute trotz unseres mehrfachen
Verlangens kein Ausweis dem Parlamente vorgelegt wurde, ob und
inwieweit diese 700 Millionen aufgebraucht wurden. Der
Herr Ministerpräsident sprach auch davon; daß niemand
durch die Neuregulierung der Bezüge geschädigt sei,
daß diese bei den Eisenbahnern 40 Millionen Kè gekostet
hat und im Staatsvoranschlag für das Eisenbahnministerium
finden wir ein Mehrerfordernis von 45,097.570
Kè vorgesehen. Das ist, also die präliminierte Summe,
die noch für die Regulierung benötigt wird, trotzdem
das Personal neuerlich um 7.821 Mann herabgesetzt wird. Wir finden
also hier schon wieder eine Summe, die mit in diese
85 Millionen Kronen, von denen die Tagesblätter gestern geschrieben
haben, hineinbezogen sind. 30 Millionen Kronen sind die Nebenbezüge
und 5 Millionen Kronen für die Überstunden bereits vorhanden.
Die Nebenbezüge sind eine alte Einrichtung bei den Eisenbahnen.
Es gibt dafür 382 Titel unter denen sie ausgezahlt werden,
Und sie bestehen seit Jahrzehnten. Sie sollten nur jetzt bei der
Regulierung um 20 bis 25% erhöht werden. Fällig
zur Auszahlung sind sie schon seit dem 1. Jänner dieses Jahres.
Außerdem und das wurde ja auch schon vor vielen Monaten
in der Öffentlichkeit kundgemacht 25 Millionen Kronen für
die Rübenkampagne, d. h. für die erhöhte Dienst-
und Arbeitsleistung jens Personals, welches insbesondere bei der
Rübenkampagne übermäßig in Anspruch genommen
wird, die nunmehr auch zur Auszahlung gelangen sollen. Auch das
ist eine Summe, die nicht neu aufgebracht zu werden braucht. Weiter
steht es so, daß durch die Regulierung der Bezüge bei
Überführung der Bediensteten aus dem alten Schema in
das neue große Fehlbeträge, d. h. Differenzen entstehen,
die durch Ausgleichszulagen ausgeglichen werden sollen. Diese
Ausgleichszulagen werden aber bei jedesmaliger Gehaltsvorrückung
abgebaut. Bei der ersten Gehaltsverrechnung um zwei Drittel, bei
der nächsten um 50% und wenn noch ein Rest da ist, so wird
dann auch dieser bei der nächsten Vorrückung noch aufgehoben.
Es wird also in Zukunft so sein, daß ein sehr großer
Teil des Eisenbahnpersonals trotz mehrmaliger Gehaltsvorrückung
in seinen Bezügen nicht mehr besser gestellt werden wird,
Daraus ergibt sich, daß natürlich große Ersparnisse
gemacht, die Ausgaben in der Zukunft also nicht vergrößert
werden und wenn man bedenkt, daß ein Streckenbediensteter,
der gegenüber seinen früheren Bezügen bei 35jähriger
Dienstzeit 36.000 bis 50.000 Kè verliert, so ist
es klar dargetan, daß das Eisenbahnministerium und die Regierung
aus der ganzen Regulierung kolossale Ersparnisse machen, daß
also keine neuen Mittel aufgewendet werden müssen und es
eine Täuschung der Öffentlichkeit ist,
wenn von 85 Millionen gesprochen wird, die jetzt den Eisenbahnern
neu zuerkannt worden sein sollen, Die Regierung hat, um die Eisenbahner
niederzuhalten und einzuschüchtern, auch noch zu anderen
Mitteln gegriffen. Sie hat eine Kriegsverordnung des alten Österreichs
aus dem Jahre 1914 ausgegraben, in der große Strafen gegen
jene angedroht sind, die einen öffentlichen Betrieb stören.
Es heißt in dieser Verordnung vom 25. Juli 1914, Nr. 155,
die gleichzeitig mit den verschiedenen damaligen § 14-Verordnungen
erschienen ist, im § 2, daß der öffentliche Beamte,
der Bedienstete eines Staatsbetriebes, einer Eisenbahn, eines
Schiffahrtsunternehmens oder einer anderen staatlich geschützten
Unternehmung wegen Vergehens mit strengem Arrest von 6 Monaten
bis zu einem Jahr bestraft wird usw. Das bezieht sich also nur
auf den, der einen öffentlichen Betrieb stört. Nun ist
aber natürlich die vorschriftsmäßige Arbeit eigentlich
keine Störung eines öffentlichen Betriebes, sondern
sie besteht darin, daß der Bedienstete lediglich seine Vorschriften
einhält. Da finden wir nun, daß die Regierung den Spieß
umdreht und den Bediensteten Kerkerstrafen androht, wenn sie die
Vorschriften einzuhalten und zu beachten gedenken. Weiter hat
der Herr Ministerpräsident in seiner Rede im Budgetausschuß
am 8. November auch darüber gesprochen, daß, wenn die
Organisationen sich an den Verhandlungstisch setzen, dann sei
er da. Wenn aber die Organisationen auf dem Altstädter Ring
zögen, dann sei die Polizei da, Außerdem hat er erklärt:
Nicht die Organisationen, sondern das Parlament sei dazu da, um
zu kontrollieren und festzustellen, ob ein Gesetz richtig durchgeführt
wurde oder nicht.
Wenn der Herr Ministerpräsident die er
Meinung ist, dann soll er in das Haus kommen und Rede und Antwort
stehen. Wir haben es ihm wiederholt nachgewiesen, daß das
Gehaltsgesetz bei der Durchführung für die Eisenbahner
nicht eingehalten worden ist, Wir verlangen überhaupt, daß
der Ministerpräsident hier im Hause einen Bericht darüber
erstatte, was in der Frage der Regulierung der Bezüge, der
Dienst- und Rechtsverhältnisse der Eisenbahner jetzt abgemacht
worden ist. Der Herr Ministerpräsident hat sich darüber
beklagt, daß der Parlamentarismus und die Demokratie hier
auf einem so tiefen Niveau stehen. Und er erklärte weiters,
er denke fortgesetzt und mehr als andere Menschen darüber
nach, wie er die Demokratie und den Parlamentarismus heben könnte.
Es gäbe für den Herrn Ministerpräsidenten ein sehr
einfaches Rezept,. Er möge es nur so machen, wie seine Kollegen
in den anderen Ländern, an den Sitzungen des Plenums teilnehmen
und wenn es erforderlich ist, aufstehen und den Volksvertretern
Rede und Antwort stehen. Dann würde sich auch bei uns der
Parlamentarismus und mit ihm die Demokratie überhaupt haben.
Aber der Herr Ministerpräsident zieht es eben weit hervor,
nicht im Hause zu erscheinen und den unangenehmen Auseinandersetzungen
auszuweichen. Die Eisenbahnverwaltung hat während der Bewegung
der Eisenbahner auch selbst Dispositionen getroffen, die so ähnlich
sind wie jene, die der Feldmarschall Hindenburg in Ostpreußen
angewendet hat. Es wurden Güter hin und her gesendet, es
wurden Verkehrsdispositionen getroffen, die dazu bestimmt waren,
die Öffentlichkeit zu täuschen und ihr einzureden, wenn
eine Stockung des Verkehres eintrete, daß dies nicht zurückzuführen
sei auf die vorschriftsmäßige Arbeit der Bediensteten,
sondern auf die Unzulänglichkeit der Bahnhöfe, auf die
Überfüllung derselben usw. Das wurde der Öffentlichkeit
ebenfalls vorgesetzt. Wir geben schon zu, daß die Bahnhofs-
und Stationsanlagen wie überhaupt unsere ganzen Eisenbahnen
unzulänglich sind, aber sie sind es nicht erst gestern geworden,
sondern das datiert weit zurück und es wäre längst
notwendig gewesen, Erweiterungen von Bahnhöfen im größerem
Ausmaß vorzunehmen als es bisher geschehen ist. Es ließe
sich noch sehr viel über das ganze Wesen des neuen Gehaltsgesetzes
und die Regierungsverordnung, die auf dem Gehaltsgesetze fußt,
sagen. Wir stehen sowohl als Partei wie auch als Eisenbahnorganisation
auf dem Standpunkt, daß insolange die Regierungsverordnung
nicht von Grund auf geändert wird, d, h. insolange keine
Novellierung erfolgt, es unmöglich ist, die Bewertung des
Eisenbahndienstes in den Gehaltsgruppen auf jene Höhe zu
bringen, die ihr auf Grund der Bezüge vom Jahre 1918 und
der verantwortlichen und gefährlichen Dienstleistung zukommt.
Auch die Aktivitätszulage wurde sowie im alten Österreich
wiederum nach dem Einwohnerschlüssel und nach den Gemeinden
festgesetzt. Welche Sinnwidrigkeiten da in Bezug auf die Bemessung
der Aktivitätszulage eingetreten sind, will ich nur durch
den Hinweis auf Karlsbad, Schreckenstein und Reichenberg dartun.
Wenn irgendeine Dienststelle des Stationsortes nicht auf dem Boden
der Gemeinde liegt, wurde sie, obzwar der Bedienstete in dem Orte
wohnen kann und auch tatsächlich wohnt, der in die höhere
Ortsklasse eingereiht ist, in die niedrigere Aktivitätszulagengruppe
eingerechnet. Darüber wird noch ausführlicher zu reden
sein. Bei der Durchführung der neuen Besoldung bei den Eisenbahnern
mußten sehr viele Beamte und Bedienstete in den Direktionen
Überstunden leisten. Das Überstundenwesen hat überhaupt
in jüngster Zeit kolossal umsichgegriffen, sowohl in den
Ämtern als auch in den Stationen und beim Verkehr. Beim Verkehr
und in den Stationen wird den Bediensteten für die Überstunden
keinerlei Vergütung bezahlt. Jenen Beamten und Bediensteten,
die jetzt bei der Überleitung des Personales in die neuen
Bezüge Überstunden bis zu 140 an der Zahl im Monat geleistet
haben, hat man dafür eine Remuneration gezahlt von
sage und schreibe hundert bis dreihundert Kronen. Auf eine Überstunde
entfallen da nicht ganz 1 Kè bis etwas über 2 Kè.
Schäbiger als der schäbigste Privatunternehmer hat sich
hier die Bahnverwaltung gegenüber diesen Menschen benommen,
die Tag und Nacht an der Arbeit gesessen sind, um die Überleitung
des Personals so rasch als möglich durchzuführen. Es
wäre auch über die Unifizierung sehr viel zu reden,
weil durch die Nichtunifizierung noch tausende Bedienstete nicht
in die neuen Bezüge überleitet worden sind, wo viele
von ihnen infolge minderer Sprachenqualifikation heute in der
Gehaltsvorrückung nicht mehr vorwärts kommen können,
sondern bei einem bestimmten Gehalte bis zum Ende der Dienstzeit
sitzen bleiben. Die Unifizierung der Bediensteten verstaatlichter
Bahnen ist in der Èechoslovakei überhaupt nach einem
ganz neuen System gehandhabt worden. Während im alten Österreich
bei Verstaatlichungen jenes Personal, das erklärte, unifiziert
werden zu wollen, einfach übernommen wurde, hat
man in der Èechoslovakei noch besondere Bedingungen
vorgeschrieben, und die Entscheidung darüber, ob ein Bediensteter
in den Status der Staatsbahnen übernommen wird, hat sich
die Bahnverwaltung außerdem noch vorbehalten. So ist es
gekommen, daß noch tausende Bedienstete
nicht übernommen sind und infolgedessen nicht in die neuen
Bezüge eingereiht werden können.
Es wäre auch darüber zu sprechen,
wie die Arbeiter, die während des Krieges Eisenbahndienst
geleistet haben, hinsichtlich der Kriegshalbjahreinrechnung in
die Pension behandelt worden sind und werden, Das ist ein Kapitel,
dessen Besprechung ich mir noch für einen geeigneten Zeitpunkt
vorbehalte.
Wenn jetzt die Auszahlung der Nebenbezüge
und der Remunerationen und der neuen Gehaltszulagen oder Dienstzulagen,
wie sie nach der Regierungsverordnung bezeichnet sind, erfolgt,
werden die Eisenbahner einige Kronen ausbezahlt bekommen. Dagegen
ist schon wiederum etwas im Anzuge, das sind die restlichen Steuerabzüge.
Es gibt eine Unzahl von Bediensteten, die für die zurückliegenden
Jahre, bis 1922 Steuerrückstände haben. Diesen Steuerrückstand
will nun die Bahnverwaltung zum 1. Dezember auf einmal in Abzug
bringen. Sie scheint die Absicht zu haben, die Gelegenheit wahrzunehmen,
jetzt, wenn aus dieser Regulierung der Nebenbezüge, Remunerationen
und der Dienstzulage die Eisenbahner einige Kronen auf die Hand
bekommen werden, sofort die rückständigen Steuern einzutreiben.
Die Eisenbahnverwaltung aber sieht sich nicht bemüssigt,
die Steuerüberzahlungen an die Bediensteten zurückzuzahlen,
die mehrfach schon mehrere Jahre fällig sind. Wir haben in
dieser Frage wiederholt interpelliert und interveniert, die Eisenbahnverwaltung
beruft sich aber immer wieder auf die Steuerverwaltung, daß
die Steuerverwaltung die Vorschreibungen nicht liefere, daß
infolgedessen die Rückzahlungen nicht durchgeführt werden
können. Wir fordern auch von der Eisenbahnverwaltung, daß
die rückständigen Steuerzahlungen nicht jetzt am 1,
Dezember auf einmal in Abzug gebracht werden und daß die
überzahlten Steuerbeträge so rasch als möglich
an die Bediensteten ausbezahlt werden.
Ein weiteres Kapitel, das eingehend besprochen zu werden verdienen
würde, ist die Unfallsversorgung der Eisenbahnbediensteten.
Die Unfallsversorgung in der Èechoslovakei ist gegenüber
dem früheren Stande der berufsgenossenschaftlichen Unfallversicherung
im alten Österreich bedeutend verschlechtert worden und es
waltet die Tendenz vor, aus allen Verkehrsunfällen, über
deren Charakter gar kein Zweifel bestehen kann, Betriebsunfälle
zu machen. Wir haben eine ganze Reihe von Schiedsgerichtsentscheidungen,
wo Verkehrsunfälle zu Betriebsunfällen qualifiziert
worden sind. Es wäre dringend notwendig, auch diese Frage
einmal eingehender zu behandeln, als es heute geschehen kann.
Ich will nur einen Fall herausgreifen, um zu zeigen, mit
welchen Argumenten die èsl. Eisenbahnverwaltung die verunglückten
Eisenbahner um ihre Renten bringt oder diese herabzusetzen sucht.
Da sagt z. B. die Staatsbahndirektion in Olmütz in einer
Klagebeantwortung, folgendes: "Der Kläger
wußte sicher, daß die Eisenbahngeleise dazu da sind,
daß die Züge darauf fahren, und nicht dazu, daß
Bedienstete darauf herumstehen." Das ist schon mehr als eine
Verhöhnung eines verunglückten Menschen, der nur infolge
der raschen Ausübung seines Dienstes um seine geraden Glieder
oder gar um sein Leben hätte kommen können. Weiter heißt
es in der Klagebeantwortung: "Sollte vielleicht der Lokomotivführer
des Zuges Nr. 908 den zwischen dem ersten und zweiten Geleise
stehenden Kläger bemerken und eventl. auch voraussehen, daß
der Kläger im kritischen Momente sich zu sehr dem zweiten
Geleise nähern oder gar dasselbe betreten wird, oder sollte
er aus dem Grunde frühzeitig anhalten oder eine außerordentliche
Einfahrt auf ein anderes Geleis einrichten... oder sollte eher
der zwischen dem ersten und dem zweiten Geleise stehende Kläger
sich nach den Sicherheitsvorschriften richten, welche er als Zugsführer
kennen mußte, um seine Sicherung besorgt sein und sich nicht
so zwischen die Geleise stellen, daß er vom Zuge erfaßt
werden konnte? Wie aus der Klage ersichtlich ist, ist der Kläger
für die erstere Alternative, Das heißt, daß der
Lokomotivführer anhalten und auf ein anderes Geleise einfahren
möchte, damit er den zwischen den beiden Geleisen Stehenden
nicht etwa zusammenfährt." Der Zugsführer hat sich
nun dem zweiten Geleise deshalb genähert, weil es schon höchste
Zeit für die Abfahrt war und er sich überzeugen wollte,
ob sein Zug, mit dem eine Verschubmanipulation vorgenommen worden
war, bereits ordentlich zusammengeschlossen sei. Das geschieht
in tausenden Fällen und derselbe Zugsführer hat das
in seiner zwanzigjährigen Dienstzeit vielleicht ebenfalls
hundert Male gemacht und es ist ihm nichts passiert. Wie oft kommt
es vor, die Lokomotive bläst Dampf ab, es ist nichts zu hören,
der Zug schleicht ein und fährt einen Menschen zusammen.
Diese Klagebeantwortung ist aber nicht nur eine zynische Verhöhnung
eines verunglückten Bediensteten, sondern sie ist auch ein
Beweis dafür, auf welch tiefes Niveau unsere Unfallversorgung
bereits angelangt ist. Darüber wird noch zu reden sein.
Ich kann nicht unterlassen, auch ein Wort über
die Altpensionistenfrage zu sprechen. Seit Jahren petitionieren
die Altpensionisten und fordern auch die oppositionellen parlamentarischen
Parteien den Ausgleich für die Altpensionisten. Man hat ihnen
Versprechungen gemacht, bis heute sind den armen Teufeln ihre
kargen Ruhegenüsse nicht auf die Höhe der Neupensionistenbezüge
gebracht worden. Da verweise ich besonders darauf, daß jetzt,
seitdem sich die drei deutschen aktivistischen Parteien in der
Regierung befinden, ebenfalls noch nichts geschehen ist, trotzdem
gerade diese drei Parteien den Altpensionisten bereits wiederholt
Versprechungen gemacht haben. Der Abg. Krumpe hat beispielsweise
am 11. Mai in Leitmeritz in der Hauptversammlung des Verbandes
der deutschen staatl. Ruheständler erklärt - das habe
ich persönlich gehört - die Vorlage für die Altpensionisten
werde dem Parlamente raschestens zur Verabschiedung vorgelegt
werden und daß am 1. Juli d. J. mit Rückwirkung vom
1. Jänner die neuen Bezüge an die Altpensionisten zur
Auszahlung gelangen werden. Bis heute ist das aber noch nicht
geschehen. Diese Parteien haben also Demagogie mit den Altpensionisten
getrieben. Ich möchte noch kurz auf den Ausspruch des Justizministers
Mayr-Harting verweisen, den er in einer Versammlung in
Westböhmen gemacht hat. Der Herr Justizminister hat sich
dort in einer Versammlung damit entschuldigt, daß er sagte,
wenn wir die Forderungen der Sozialdemokraten und der Oppositionsparteien
überhaupt für die Altpensionisten bewilligen wollten,
würden die Altpensionisten in Saus und Braus leben, Hierin
charakterisiert sich das Wesen einer Partei, die sich christlichsozial
nennt. vollständig. Wir fordern auch bei dieser Gelegenheit
wieder die rascheste Vorlage des Entwurfes für den Ausgleich
der Bezüge der staatlichen und autonomen Altpensionisten.
Zum Schluß möchte ich bemerken: Den antisozialen reaktionären
Absichten und Plänen der gegenwärtig im deutsch-èechoslovakischen
Regierungsblock vereinigten bürgerlichen Parteien haben wir
deutschen Sozialdemokraten von allem Anfang an unseren entschiedenen
Widerstand entgegengesetzt und den schärfsten Kampf angekündigt.
Wir waren uns auf Grund der in der heutigen privatkapitalistischen
Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung wirkenden und im Schlußeffekt
für das politische Handeln der Einzelmenschen wie auch der
Gesellschaftsklassen und Parteien ausschlaggebenden ökonomischen
Triebkräfte keinen Augenblick darüber im Unklaren, daß
der Eintritt der drei deutschbürgerlichen sogenannten aktivistischen
Parteien in die Regierung keinesfalls die Verständigung der
Völker dieses Staates bedeutet oder zum Ziele hat, sondern
lediglich einen Zusammenschluß der bürgerlich kapitalistischen
Kräfte zum Zwecke der Wahrung ihrer Profit- und Klasseninteressen
einerseits und zur rücksichtslosen Ausbeutung, Knechtung
und Unterdrückung der Arbeiterklasse andererseits darstellt,
Diese Tatsachen bestätigen sich immer weder aufs neue. Das
zeigt auch gerade jetzt wieder für jedermann klar und deutlich
der Angriff des Bürgerblocks auf die Sozialversicherung der
Arbeiter.