Es ist notwendig, einmal offen und rückhaltlos
über diese Dinge zu sprechen, die bereits der Geschichte
angehören, weil nur so für die Zukunft vermieden werden
kann. in ähnliche Fehler zu verfallen.
Politik muß nur mit Möglichkeiten
rechnen. In das Reich der Träume und Wünsche dürfen
wir uns dabei nicht verlieren. Von solchen Erwägungen ausgehend
haben auch im Vorjahre die deutschen Mehrheitsparteien
ihre Beteiligung an der Regierung beschlossen. Dabei waren sie
sich der Tatsache voll bewußt, daß von ihnen eine
verantwortungsschwere Aufgabe übernommen wird, deren Ziel
vorläufig jedoch nur darin bestehen konnte, der einseitig
èechischen Verwaltung ihre Schärfe
zu nehmen und die Unterlagen für eine gedeihliche Zusammenarbeit
zu schaffen. Wir sind überzeugt, daß schon dieser erste
Schritt, der zum Anfang der offenen politischen Zusammenarbeit
mit den Tschechen geführt hat, den deutschen Mehrheits parteien
später einmal als eine Tat im guten Sinne angerechnet werden
wird, die, wenn sich die politischen Verhältnisse zu Gunsten
der sozialistischen Parteien ändern sollten. aneifernd fortwirken
wird. Wir sind der Meinung, daß künftige Regierungen
ohne Mitbeteiligung deutscher Parteien zu den Unmöglichkeiten
gehören werden.
Beachtenswert ist, daß das Vorgehen der
an der Mehrheit beteiligten deutschen Parteien in den deutschen
Kreisen eine verschiedene Beurteilung findet, die je nach der
Einstellung des Beurteilers wohlwollend, neutral und auch recht
abfällig ist. (Výkøiky posl. Wünsche.)
Wohlwollende Beurteilung finden wir bei jenen
Menschen, die mitten im Erwerbsleben stehend aus eigener Erfahrung
wissen, daß noch so schöne Redensarten nichts nützen,
wenn ihnen nicht ebensolche Taten folgen. Diese Menschen, die
im täglichen Daseinskampfe allen Widerwärtigkeiten des
Lebens zu trotzen haben, kennen auch alle Widerstände, die
oft der Verwirklichung bester Absichten entgegenstehen.
Trotzdem harren sie auf ihren Posten aus, weil sie nicht davonlaufen
können und sie vermögen das auch nicht zu tun, weil
sie der mit ihrem Berufe verbundene Besitz am Orte festhält.
Andererseits ist ihnen klar, daß sie unter neuen
Verhältnissen sich erst einleben und ihre Existenz neu aufbauen
müßten. Zu diesem Kreise von Menschen gehören
vor allem die Landwirte und die Gewerbetreibenden, bei denen die
Politik der deutschen Mehrheitsparteien auch anerkennende Zustimmung
gefunden hat. Dazu würde sich aber auch die Arbeiterschaft
gesellen, wenn ihnen das die durch politische Doktrinen gefesselte,
klassenmäßig eingestellte Denkweise zulassen würde.
Der neutrale Beurteiler, der früher einmal
vielleicht begeisterter Anhänger nationaler Schlagworte war,
sah sich durch den Entwicklungsgang der deutschen Politik
enttäuscht und wartet jetzt ab, welche Erfolge die Politik
der deutschen Mehrheitsparteien mit sich bringen wird. (Výkøiky
posl. Wünsche.)
Eine ganz eigene Menschensorte bilden jedoch
die abfälligen Beurteiler, die sich nicht genug
tun können, die deutschen Mehrheitsparteien des völkischen
Verrates zu zeihen und sie zu beschimpfen. (Výkøiky
posl. dr Schollicha.) Wie
weit bei diesen Menschen die Verbohrtheit geht,
ist daraus zu entnehmen, daß einer von ihnen erst vor wenigen
Tagen der deutschen Öffentlichkeit die Ansicht unterbreitet
hat, die deutschen Mehrheitsparteien von der Tätigkeit in
den Schutzvereinen auszuschließen. Und es ist merkwürdig,
daß sich deutsche Zeitungen gefunden haben, die Ausbrüche
eines derartigen Irrsinnes auch noch abdrucken! Sie müssen
doch blind sein, wenn die nicht einsehen, daß das Groß
der Mitglieder in den deutschen Schutzvereinen aus den Kreisen
der Bauern und Gewerbetreibenden stammt und daß die deutsche
Schutzvereinsarbeit schwer gefährdet würde, wenn diese
Kreise zum Fehlen kämen. Es ist wirklich ein frivoles
Spiel, das hier gegenüber den deutschen Mehrheitsparteien
getrieben wird, die ohne Wahl der Mittel unter allen
Umständen zu nationalen Verrätern gestempelt werden
sollen. Unsere Meinung ist, daß der Boden unserer völkischen
Schutzvereine frei von einem jeden politischen Hader bleiben muß,
wenn nicht der völkische Schutzvereinsgedanke schweren
Schaden nehmen soll.
Ein anderer Beurteiler wieder bezeichnet die
Vertreter der deutschen Mehrheitsparteien als deutschsprechende
Èechen, die mit dem deutschen Volke keinen Zusammenhang
haben sollen.
Auf derartige lächerliche Meinungen einzugehen, erübrigt
sich. Nichtsdestoweniger erinnern mich derartige Äußerungen
daran, daß es neben den arbeitenden, schaffenden Menschen
eine Anzahl Nichtstuer gibt, die nur mit sogenannten klugen Ideen
und klugen Redensarten die übrige Menschheit glücklich
machen wollen. Diese Glücklichmacher kommen einmal mit kulturellen,
dann wieder mit sozialen und ein anderesmal mit nationalen Problemen.
(Výkøiky posl. Schmerdy.) Wirtschaftliche
Probleme zu behandeln, liegt ihnen aber ferne, weil
sich hier ihr Geist auch an reale Grundlagen halten müßte,
mit denen aber ihr Phrasentum nichts zu tun haben will. Die wirtschaftliche
Betätigung dieser Menschen erschöpft sich nur im Jammern
über ungenügende Einkünfte und in zeitweiligen
Forderungen nach erhöhten Gehältern.
Die deutschen Mehrheitsparteien haben mit ihrer politischen Einstellung
im Budgetausschusse einige Meinungen auf deutscher oppositioneller
Seite ausgelöst, die wesentlich zur Belebung der dort geführten
Debatten beigetragen haben.
Die eine Meinung kam aus dem Lager der deutschen
Nationalpartei durch den Mund des Kollegen Dr Rosche, der
sich vom Irredentismus abkehrte und zur Mitarbeit meldete.
(Posl. dr Schollich: Aber zu einer anderen wie Sie!) Was
gibt es für Unterschiede? Sie haben Gelegenheit, hier eine
genauere Definition zu geben. (Výkøiky
posl. dr Schollicha.) Unterstrichen wurden
die Äußerungen des Dr Rosche seither noch durch
eine Rede des Senators Dr Brunar in Leitmeritz,
der ausführte, daß seine Partei weder eine negativistische,
noch eine irredentistische Partei sei. Seine Partei stehe
auch auf dem Boden der realen Tatsachen, von dem aus die Möglichkeit
der Politik beurteilt wird. An eine gewalttätige Änderung
der bestehenden Verhältnisse ist nach der Meinung
Dr Brunars auch nicht zu denken.
Koll. Dr Rosche hat in seiner letzten
Rede am Samstag hier im Hause seine früheren Äußerungen
wiederholt und erneuert ausgesprochen, daß er und seine
Partei unter der Bedingung eines Ausgleiches von Volk zu Volk
zur Mitarbeit bereit sind. (Výkøiky posl.
dr Schollicha.) Diese Erklärung
ist meiner Anschauung nach viel zu allgemein gehalten, als daß
sie eine praktische Auswirkung finden könnte. Erforderlich
wäre, daß Dr Rosche gleichzeitig seinen Plan
entwickelt hätte, wie er sich den Ausgleich von Volk zu Volk
vorstellt, wie er ihn einleiten und wie er ihn zur
Durchführung bringen will. Ich kann mir die Durchführung
des Planes nicht anders denken, als daß Vertreter des deutschen
Volkes sich mit Vertretern des èechischen
Volkes zusammenfinden und daß sie auf Grund vorbereiteter
Materialien den gemeinsamen Weg finden, den beide Völker
für die Zukunft miteinander und nebeneinander gehen wollen.
Dazu wurde aber schon der Anfang gemacht damit, daß
der Bund der Landwirte und die übrigen deutschen Mehrheitsparteien
schon vor Jahren ihre ursprüngliche politische Meinung revidiert
und ihre Politik in Anlehnung an die tatsächlichen Verhältnisse
eingerichtet haben. Dem Bund der Landwirte wurden gerade deshalb
von der deutschen Nationalpartei die schwersten Vorwürfe
gemacht und er mußte von dieser Seite häufig anhören,
daß er eine würdelose Anbiederungspolitik betreibe.
(Výkøiky posl. dr Schollicha.)
Und nun kommt dieselbe deutsche Nationalpartei,
die ihre geänderte politische Einstellung mit verschiedenen
Verklausulierungen verbrämen will und erklärt durch
Dr. Rosche, daß sie auch ihren bisherigen Grundsatz:
"Alles oder nichts!" aufgegeben hat, denn die Deutschen
würden ihrer Meinung nach auch den Obolus gerne entgegennehmen,
den ihnen der Ministerpräsident für ihre
Dienste am Ende einer jeden Woche nur geben möge. (Posl.
dr Schollich: Das ist eine Verdrehung, Herr Kollege)!) Bitte,
ich bin Zuhörer gewesen, ich war Ohrenzeuge, ich weiß
ganz genau, daß diese Äußerung von ihm getan
wurde und ich kann hier nichts anderes wiedergeben, als was ich
im Budgetausschuß zu hören Gelegenheit hatte. Das schmerzt
Sie freilich, aber es ist ein Beweis, daß Sie auch kleiner
geworden sind im Laufe der Zeit. (Posl. dr Schollich: Aber
hören Sie schon einmal auf mit diesen Dummheiten! Sie sind
ein altes Weib. Jedes Mal wiederholen Sie denselben Unsinn!) Es
mag Ihnen, Herr Koll. Schollich, peinlich sein, diese Feststellung.
(Výkøiky posl. Hodiny a dr Schollicha.)
Es ist wirklich im Interesse der
sudetendeutschen Sache zu bedauern, daß die deutsche Nationalpartei
nicht schon vor dem Eintritt des Bundes der Landwirte und der
deutschen christlichsozialen Volkspartei in die jetzige
Mehrheit die gleichen Anschauungen hatte. Das hiedurch verstärkte
deutsche Gewicht hätte sich im Einflusse ganz anders auswirken
können, als es tatsächlich geschieht. (Výkøiky
posl. dr Schollicha.)
Wenn der von Volk zu Volk gewünschte Ausgleich
von der deutschen Nationalpartei ehrlich gemeint ist, dann möge
sie doch trachten, auf èechischer
Seite die verständnisvollen
Partner ausfindig zu machen, die der Bund der Landwirte,
die deutsche christlichsoziale Volkspartei, die deutsche Gewerbepartei
und die Arbeiterparteien bereits gefunden haben. Vielleicht
gelingt es ihnen, unter den èechischen Nationaldemokraten
Gläubige zu finden, die überzeugt sind, daß sie
die besten Absichten hegen. Mit Reden allein von der Parlamentstribüne
aus ist nichts zu erreichen, dazu muß sich eben die Aufklärungsarbeit
im engeren Kreise gesellen. Wenn dann
die deutsche Nationalpartei auf èechischer Seite das von
ihr gewünschte Verständnis gefunden haben wird, dann
ist es sicher nicht mehr schwer, auch jenen Ausgleich zu verwirklichen,
den sie anstrebt. (Posl. dr Schollich: Ihr
allein könnt es also nicht!) Sie
wissen, wenn am Wagen ein Pferd mehr eingespannt ist, geht es
rascher vorwärts. (Výkøiky posl.
dr Schollicha.)
Wenn die deutsche Nationalpartei diesen neuen
politischen Weg beschritten hat, so scheint es mir, als ob sie
hiezu durch das Ergebnis der letzten Gemeindewahlen veranlaßt
worden wäre. Vielleicht hat die deutsche Nationalpartei auch
erkannt, daß eine politische Partei, die nur der Negation
wegen lebt und sonst keine Tätigkeit entwickelt, schließlich
an Vereinsamung eingehen muß. Es wird aber auch der Gedanke
ausgelöst, als ob nur durch eine Änderung ihrer bisherigen
politischen Taktik erreicht werden soll, den deutschen Aktivismus
in Mißkredit zu bringen und in die Reihen der deutschen
Mehrheitsparteien Verwirrung zu tragen. Zu dieser Anschauung bringt
mich die Tatsache, daß Dr. Brunar, der seinerzeit
vor den Parlamentswahlen im Herbste 1925 einer der eifrigsten
Verfechter der deutschen Einheitsliste war und der damit den Anfang
zur Beseitigung der bestehenden deutschen bürgerlichen Partei
en machen wollte, seiner ursprünglichen Idee nunmehr untreu
geworden ist und eine andere Form anstrebt, alle deutschbürgerlichen
Parteien trotzdem unter die Führung der deutschen Nationalpartei
zu bringen. (Posl. dr Schollich: Wer hat denn die Einheitsfront
verraten?) Die Tatsachen sprechen anders, Herr Kollege, das
wissen Sie aus eigener Erfahrung. Auf den Gedanken gelangte ich
aber auch durch die Wahrnehmung, daß die gleichen geheimen
Einflüsse sich bemerkbar machen, die schon einmal versucht
haben, durch Einleitung eines übereifrigen Tempos den deutschen
Aktivismus ad absurdum zu führen.
Wenn die von der deutschen Nationalpartei eingeleiteten
Bestrebungen ehrlich gemeint sind und wenn dieselben von ihrem
letzten Parteitage in Mährisch Schönberg aus den Anfang
nehmen, dann war von vornherein erforderlich, daß dieser
Parteitag auch gewisse Änderungen des Parteiprogrammes vornehmen
mußte. Das ist jedoch nicht geschehen und deshalb ist auch
ihrer Bereitwilligkeit gegenüber Vorsicht am Platze. Die
Zeit wird erst lehren müssen, was gut an den Absichten der
deutschen Nationalpartei ist. Dem Dr. Rosche dagegen, der
mitten im Wirtschaftsleben steht, glaube ich, daß er gewillt
ist, jenen Zustand zu erreichen, der die deutsche Kultur und die
deutsche Wirtschaft auf dem Boden des Staates sichern hilft. In
dieser Hinsicht haben wir gemeinsame Ziele!
Eine andere Meinung äußerten die
deutschen Nationalsozialisten, deren Vertreter Koll. Knirsch
gleichfalls die Bereitschaft zur Mitarbeit aussprach. Wenn
auch späterhin mit Rücksicht auf die verdutzte
Parteianhängerschaft einige Vorbehalte gemacht wurden, so
ist sicher, daß von ihm der Staat anerkannt ist und daß
die deutschen Nationalsozialisten gewillt sind, unter besonderen
Bedingungen aus dem Schmollwinkel hervorzutreten.
Koll. Knirsch hatte die Liebenswürdigkeit,
während der Generaldebatte im Hause meine im Budgetausschuß
vorgebrachten Gedankengänge abzulehnen. Ich erwähnte
dort, daß ein Deutschland, das alle seine Kinder vereinigen
konnte, noch niemals bestanden hat. Das stimmt auch, denn eine
Menge Deutsche haben immer außerhalb des Deutschen Reiches
Grenzen gewohnt. Die Beispiele des Deutschen Reiches bis 1806
und des Deutschen Bundes bis 1866 anzuführen, genügt
nicht, weil es sich in beiden Fällen um keine Nationalstaaten
in dem vom Abg. Knirsch gedachten Sinne gehandelt hat.
Koll. Knirsch sprach auch von einer
Neuordnung der Dinge, die auf friedlichem Wege kommen oder ihren
Weg durch ein Meer von Blut bahnen wird. Ich erinnere daran, daß
wir "Blut und Tränen" - Reden schon des öfteren
anhören konnten. Die Abg. Kreibich und Lodgman
sprachen auch schon in ähnlichem Sinne. Davon sprachen also
nur Männer, für welche die Äußerungen immer
nur Redensarten geblieben sind. Wer aber an verantwortlicher Stelle
steht, spricht wie der reichsdeutsche Außenminister dr Stresemann,
der gelegentlich seines Besuches Mitte November l. J. in Wien
den bei ihm erschienen Vertretern der Presse u. a. sagte: "Wer
nach den Erlebnissen des letzten Krieges noch jemals die Hand
dazu bieten würde, daß ein neuer Krieg entsteht, der
müsse als Verbrecher bezeichnet werden." (Výkøiky
posl. Wünsche.)
Der Weg der Verständigung allein ist es,
der uns vorwärts... (Posl. Wünsch: Steuerreform,
Zölle, Verwaltungsreform, das ist der Weg, der uns zur Verständigung
führt!) Dazu zahlen Sie doch nichts, Herr Kollege! (Veselost.
- Výkøiky posl. Wünsche.)
Der Weg der Verständigung allein ist es,
der uns vorwärts bringen kann. Auch die deutschen Sozialdemokraten
benützten die Verhandlungen im Budgetausschusse zu eingehenden
Kritiken der deutschen Mehrheitsparteien. Ihnen antwortete jedoch
in jüngster Zeit einer ihrer Parteigenossen und zwar der
ehemalige österreichische Saatssekretär Dr Renner, der
vor wenigen Tagen im österreichischen Nationalrate darauf
hinwies, daß es den Anschein habe, daß wenigstens
allmählich die Deutschen im èechoslovakischen
Staate zu einem Regime der Anteilnahme an der Staatsgewalt gelangen
können. Woher weiß das Dr. Renner? Die Antwort dafür
liegt auf der Hand. Dr. Renner, der zuletzt anläßlich
der Gemeindewahlen im Oktober l. J. in Prag weilte, mußte
seine Informationen von den deutschen
Sozialdemokraten in der Èechoslovakei erhalten haben, die
damit als Informatoren des Dr. Renner eigentlich anders sprachen,
als sie sonst in ihren Reden im Budgetausschusse und hier im Hause
ausführten.
Der Weg der Verständigung allein ist es,
der uns vorwärts bringen kann. In diesem Sinne bewegten sich
im Budgetausschusse auch unsere Reden und ebenso die Ausführungen
des Ministerpräsidenten Švehla. Der Ministerpräsident
fand damals recht warme Worte über das Verhältnis
der Èechen zu den Deutschen. Notwendig bleibt freilich,
daß seine Worte auch Leben erhalten und Verwirklichung erfahren.
Dazu gehört, daß der um den Ministerpräsidenten
befindliche verständnisvolle und verständigungsbereite
Kreis von Mitarbeitern erweitert wird und daß
die Angsthasen, die da glauben. daß eine Berücksichtigung
berechtigter deutscher Wünsche einen Aufruhr auslösen
würde, endlich auch Männer werden. Um der Wahrheit
zu dienen und dabei das Gute zu wollen, dazu gehört
eben auch Mut auf èechischer Seite.
Im übrigen lehrt die Vergangenheit, daß der Eintritt
der Deutschen in die Regierung der seinerzeit von einzelnen Teilen
des èechischen Volkes als Grund zur Entfachung einer Revolution
bezeichnet worden sein soll, diese Wirkung gar nicht ausgelöst
hat. Heute sind viele vernünftig denkende Èechen froh,
daß es dazu kam, weil die Mitbeteiligung der Deutschen an
der verantwortlichen Leitung des Staates eine allen fühlbare
Entspannung mit sich gebracht hat.
Die deutschen Mehrheitsparteien werden nicht
müde werden, berechtigte Ansprüche dauernd zu wiederholen.
Die Auswirkung ihrer endlichen Erfüllung wird dann die èechische
Öffentlichkeit abermals belehren, daß dadurch dem Staat
kein Nachteil zugefügt worden ist, sondern daß damit
die Zahl der zufriedenen Bürger im lnteresse
des Staates auf beiden Seiten eine Vermehrung erfahren hat. (Potlesk.)
Meine Damen und Herren! Es ist für einen
Deutschen tief beschämend, nach den nur von Unterwürfigkeit
strotzenden Ausführungen meines Vorredners das Wort ergreifen
zu müssen. Im Namen der volksbewußten sudetendeutschen
Bevölkerung weise ich mit aller Entschiedenheit diese Besudelung
der sudetendeutschen Freiheitsbewegung mit aller Entschiedenheit
zurück.
Ich will mich nun unter der Maulkorbgeschäftsordnung
dieses Parlamentes an die Besprechung des eigentlichen Themas
heranwagen und die auswärtige Vertretung sowie - was bei
einem Staate der Nachkriegszeit, also im Zeitalter des Völkerbundes,
selbstverständlich ist - auch die einen Teil der Außenpolitik
und der Außenvertretung des Staates bildende Landesverteidigung
einer Besprechung unterziehen. Im Grunde genommen, sollte man
sich bei Besprechung dieses Themas außerordentlich kurz
fassen können, denn bei Anbruch dieses Zeitalters wurde doch
laut und feierlich verkündet, daß der Militarismus
abgeschafft wird und daß auf der Grundlage des allgemeinen
Friedens es nun nicht mehr notwendig sei, wie im Vorkriegszeitalter
diesen beiden Gebieten, der auswärtigen Vertretung und der
Landesverteidigung, ein so weitgehendes Augenmerk zuzuwenden.
Wenn wir aber den in Verhandlung stehenden Staatsvoranschlag zur
Hand nehmen, werden wir, insbesondere soweit es sich um die Steuerträger
handelt, feststellen müssen, daß in Wirklichkeit das
Gegenteil eingetreten ist. Der Aufwand, der für die auswärtige
Vertretung und für die Landesverteidigung in diesem Staate
getrieben wird, weist so hohe Zahlen auf, daß man
sich unwillkürlich in das Vorkriegszeitalter des Rüstungsfiebers
versetzt glaubt.
Bei der Gründung dieses Staates wurde
von den leitenden Persönlichkeiten die Abschaffung des stehenden
Heeres und die Einführung des Milizsystems als nächstes
Ziel verkündet. Im Budgetausschuß erklärte vorige
Woche Herr Kriegsminister Udržal,
diesbezüglich befragt, daß es zwar richtig sei, daß
Kriegsminister Klofáè seinerzeit
von der Einführung des Milizsystems gesprochen habe, aber
daß er nach gründlichem Studium erkannt habe, daß
dieses System für den èechischen Staat - soll wohl
heißen: für den èechischen Nationalstaat - nicht
tauge und daß er nunmehr auch zur Ablehnung des Milizsystems
gelangt sei. Kriegsminister Udržal
für seine Person erklärte, daß er zwar auch vom
Milizsystem gesprochen habe, aber nur in Verbindung mit den Schwierigkeiten,
die seiner Einführung entgegenstehen. Wir sehen also, daß
der wütende Antimilitarist Klofáè
sich im neuen Staate zum begeisterten Verehrer
des Militarismus bekehrt hat, u. zw. - sprechen wir es doch ganz
offen aus - in dem Augenblicke, wo dieser Militarismus
seinen èechischnationalen Zielen dienstbar gemacht werden
kann.
Herr Außenminister Dr. Beneš
hat in den letzten Jahren außerordentlich viel von der Abrüstung
gesprochen. Er hat sich bekanntlich nach allen Regeln der diplomatischen
Kunst für die Sicherung des Weltfriedens eingesetzt. Er hat
bekanntlich im Jahre 1924 sein berüchtigtes Genfer Protokoll
produziert.
Meine sehr verehrten Anwesenden! Meines Erachtens
ist die Außenvertretung eines Landes von der Landesverteidigung
nicht zu trennen und müßte bei einem ehrlichen Bestreben
nach Abrüstung die Landesverteigungspolitik in denselben
Bahnen geführt werden und nicht, wie wir es in diesem Staate
erleben müssen, geradezu entgegengesetzt.
Im Staatsvoranschlag 1927 - ich kann nur, mit
Rücksicht auf die Kürze der Zeit, skizzenartig sprechen
- wurde, um die Weltöffentlichkeit irrezuführen, das
Heeresbudget um 460 Millionen herabgesetzt. Mit dem Gesetz vom
17. Dezember 1926 wurde die Höchstgrenze des Heeresbudgets
für die kommenden 11 Jahre mit 1400 Millionen festgesetzt.
Freilich war man gleichzeitig besorgt, in irgend einem andern
Kapitel, dem Kapitel 22, jährlich für 11 Jahre hindurch
315 Millionen Kronen für Rüstungszwecke unterzubringen.
Nach außen hin Abrüstung, nach innen hin Aufrüstung!
Dr. Beneš Lieblingswunsch, das
Genfer Protokoll, ist bekanntlich an dem Widerstand der englischen
Dominions gescheitert. Frankreich ist heute der militärisch
best ausgerüstete Staat der Welt. Deutschland, Bulgarien,
Österreich, Ungarn sind restlos entwaffnet. Deutschland ist
überdies in den Locarnovertrag eingetreten, womit es freiwillig,
also ohne Zwang. die Ostgrenzen Frankreichs anerkannt hat. Der
Locarnovertrag steht unter Garantie Englands und Italiens und
trotz Locarnovertrages, trotz restloser Abrüstung Deutschlands
keine Räumung des Rheinlandgebietes und - was bedeutungsvoll
ist - keine Herabsetzung der Rüstungen in den andern Staaten,
die auf Grund des Völkerbundpaktes ebenfalls zu dieser Abrüstung
verpflichtet sind. An Stelle der Abrüstung, an Stelle der
Betätigung wahrer Friedensliebe sehen wir Frankreich begriffen
im Ausbau eines Bündnissystems, vor allem mit seinen östlichen
Vasallenstaaten und ich behaupte, daß in dem Ausbau eines
solchen Bündnissystems die größte Gefahr für
den Weltfrieden überhaupt ruht.
Dr. Beneš erklärte im Budgetausschuß,
daß die Frage der Abrüstung nicht allein vom militärischen,
sondern auch vom wirtschaftlichen Standpunkt aus betrachtet werden
müsse und daß es schon ein großer Erfolg sei,
wenn man sich heute mit dieser Frage auf internationalem Forum
überhaupt beschäftigt. Fragen wir uns nun nach dem praktischen
Erfolg dieser Beschäftigung! Aufrüstung trotz der erzwungenen
Abrüstung Deutschlands, Österreichs, Ungarns und Bulgariens.
Und es ist ja niemandem unbekannt, wenn ich heute feststelle,
daß trotz der Abrüstung dieser genannten Staaten heute
die stehenden Heere der anderen Staaten Europas ihrer Gesamtzahl
nach bedeutend größer sind, als sie das ganze Vorkriegseuropa
aufweisen konnte. Wir sehen also, daß die ganzen Abrüstungs-
und Friedensschalmeien nur einer Komödie dienen, aufgeführt,
um die Hegemoniestellung Frankreichs auf weitere Jahrzehnte hinaus
zu sichern und die Niederhaltung des deutschen Volkes in Mitteleuropa
gewissermaßen zu besiegeln.
Ich möchte heute nur Gelegenheit nehmen,
darauf hinzuweisen, daß ausdrücklich im Artikel VIII,
Abs. 1 der Völkerbundsatzungen auch die sogenannten Siegerstaaten
verpflichtet sind abzurüsten. Ich möchte darauf hinweisen,
daß in Wirklichkeit alle die Schlagworte wie "Heiligkeit
der Friedensverträge", "Abrüstungsbestrebungen,
Erhaltung des allgemeinen Weltfriedens" u. dgl. letzten Endes
zu nichts anderem dienen, als zur Sicherung des Raubes vom Jahre
1918 und 1919. Aus diesem Grunde auch die gutgespielte Entrüstung
gegen alle Bestrebungen nach Revision der Friedensverträge.
Es ist bezeichnend, daß sich heute noch führende Staatsmänner
finden, die an die Heiligkeit dieser Friedensverträge appellieren,
obwohl führende Männer aus dem gegnerischen Lager ich
nenne nur den Engländer Kynes, über dieses Friedensdiktat
Worte gefällt haben, wie sie schärfer aus unserem Munde
nicht gefällt werden können. (Pøedsednictvi
pøevzal místopøedseda Slavíèek.)
Ich führe nur an: "Die Politik Deutschland
für eine Generation der Knechtschaft zuzuführen, einer
ganzen Generation das Glück zu rauben, das Leben von Millionen
menschlicher Wesen zu vernichten, sollte verabscheuungswürdig
sein, selbst wenn diese Politik möglich wäre, selbst
wenn sie uns bereichern würde, selbst wenn sie nicht den
Verfall des gesamten zivilisierten Lebens von Europa nach sich
ziehen würde".
Daß die Friedensbestimmungen undurchführbar
sind, wird von allen vernünftigen Menschen der Welt erkannt
und nur der Kriegsgewinnler unter den Staatsmännern klammern
sich noch an die Unabänderlichkeit dieser Diktatsbestimmungen.
Ihre Revision ist nicht nur im Interesse der Besiegten, sondern
im Interesse der gesamten Menschheit gelegen. Der beste Beweis,
daß niemand, auch nicht der grimmige Deutschenfeind Clémanceau,
an die Unabänderlichkeit dieser Friedensverträge jemals
geglaubt hat, beweist die Note vom 16. Juni 1919, in welcher es
wörtlich hieß: "Der Friedensvertrag schafft gleichzeitig
einen Apparat für die friedliche Erledigung aller völkerrechtlichen
Fragen durch gegenseitige Übereinstimmung, wodurch die im
Jahre 1919 geschaffene Regelung selber von Zeit zu Zeit abgeändert
und den Verhältnissen angepaßt werden kann."