Ich will es nicht unterlassen, an einem Schulbeispiel
zu zeigen, was das bedeutet, kapitalistische Anarchie und ich
will hier ein Musterexemplar von einem Kapitalisten vorführen,
der, wie ich glaube, es verdient, der Öffentlichkeit näher
bekannt zu werden. Gerade in diesen Tagen ist der Kampf der nordböhmischen
Textilarbeiter beendigt worden. Die Unternehmer wurden durch Kampf
gezwungen, verschiedene Zugeständnisse zu machen, die sicher
klein sind und größer gewesen wären, wenn nicht
reformistische Führer in diesem Kampfe eine sehr sonderbare
Haltung eingenommen hätten. Die Arbeiter verlangten, bevor
sie die Arbeit antreten, daß ihnen gewährleistet wird,
daß keine Maßregelungen stattfinden werden und die
Unternehmer, in ihrer Angst vor den Arbeitern, waren bereit, diesen
Zugeständnisse zu machen. Aber einer von den Unternehmern,
der Herr Baron Klinger in Neustadt a. d. Tafelfichte hat erklärt:
Was die anderen Herren abmachen, was dort unterschrieben wird,
geht mich nichts an. Die Lohnforderungen werde ich bewilligen,
aus Gnade, freiwillig, weil es mir so paßt, weil ich vielleicht
guter Laune bin, aber das Recht, Arbeiter aufs Pflaster zu werfen
in meinem Betriebe, weil sie gestreikt haben, weil sie solidarisch
waren mit den anderen Arbeitern, laß ich mir nicht nehmen.
Und die Situation war so, daß die Gefahr bestand, daß
60.000 Textilarbeiter, die auch, wenn sie arbeiten, hungern müssen,
bei den elenden Löhnen, die sie beziehen, in den Steik eintreten
wollten, wenn der Konflikt in Friedland nicht beigelegt wird.
Und der Herr Baron hat erklärt: Das ist mir ganz gleich.
Sie sollen streiken, solange sie wollen, sie sollen streiken,
soviel sie wollen, ich muß einige Arbeiter aus meinem Betriebe
entlassen und lasse mir da gar nichts hineinreden. Ich erwähne
das hier nicht nur deshalb, um diesen Herrn Klinger zu charakterisieren,
von dem ich noch Folgendes sagen möchte: Wir Kommunisten
sind nicht für die Methode, des individuellen Terrors, wir
Kommunisten wissen sehr gut, daß nur durch Massenkampf etwas
erreicht werden kann. Und auch der Herr Klinger wird nur durch
Kampf der Massen gescheitert werden, um es so auszudrücken.
Aber es würde mich nicht wundern, wenn unter solchen, Umständen
der Herr Klinger einmal irgendwie eins auf seinen harten Schädel
von Arbeiterfäusten bekommen würde. Ich sage es noch
einmal, ich erwähne diesen Fall hier nicht, um Herrn Klinger
in seiner ganzen Schönheit vorzuführen, sondern ich
will an diesem Beispiel zeigen, was es im kapitalistischen System
bedeutet, wenn irgendeiner, und wäre es ein Wahnsinniger,
die wirtschaftliche Macht in der Hand hat und auch um zu zeigen,
wie es in diesen neun Jahren zurückgegangen ist mit der Macht
und dem Einfluß der Arbeiter. Auch der Herr Baron Klinger
war einmal ganz klein und schwach, im Jahre 1920, und ich kann
mich sehr gut erinnern an eine Szene, wo die Arbeiter auf dem
Hofe standen und Herr Klinger zitternd vor dem Zorn der Arbeiter,
alles unterschreiben mußte, was die Arbeiter von ihm verlangten
und heute kann er als kleiner Mussolini oder Napoleon auftreten
und erklären: Das ganze nordböhmische Industriegebiet
soll still liegen, ich will meinen Willen erfüllen, ich will
meine Rachelust befriedigen. (Výkøiky: Weil der
staatliche Unterdrückungsapparat hinter ihm steht!) Selbstverständlich
und weil die Arbeiter die Zeit, die günstig war, nicht richtig
ausgenützt haben. Das ist nur ein Beispiel dafür, wie
es heute nach neun Jahren aussieht. Schritt für Schritt ist
die Arbeiterschaft zurückgedrängt worden. Stützpunkt
für Stützpunkt, Machtposition für Machtposition
haben sie verloren. In, den Betrieben haben die Arbeiter nichts
mehr zu reden, der Unternehmer, der Ausbeuter, tritt ihnen als
"Arbeitgeber" entgegen, sie sollen noch froh sein sie
sollen noch dankbar sein, daß er ihnen noch ein Stückchen
Brot gibt, verlangt er, während sie in Wirklichkeit von
ihm in der furchtbarsten Weise ausgepreßt und ausgebeutet
werden. Wir haben es heute nach neun Jahren bürgerlicher
Diktatur soweit gebracht, daß in der Èechoslovakei
beinahe von allen kapitalistischen Ländern die niedrigsten
Löhne gezahlt werden und Wochenlöhne
von 120 Kè sind absolut keine Seltenheit, sondern im Gegenteil
überwiegend. Sogar solche demokratischen Rechte, wie das
Wahlrecht u. s. w. wurden bereits durchbrochen durch Ernennungen,
durch den Raub des Soldatenwahlrechtes und heute, 9 Jahre nachdem
die Arbeiterschaft die Macht hätte an sich reißen können,
wenn sie hätte wollen, kann jeder Polizist diejenigen, die
alle Güter durch Arbeit schaffen, wie ein Wild durch die
Straßen hetzen und mit dem Pendrek prügeln. Aber mit
all diesen Methoden hat die Bourgeoisie nicht erreicht und kann
nicht erreichen eine wirkliche dauernde Stabilisierung. Wir sehen
trotz der Konjunktur, trotz der Rationalisierung eine Verschärfung
der Klassengegensätze, erbitterte Lohnkämpfe, die überall
ausbrechen, trotzdem die Arbeiterschaft durch die Spaltung der
Gewerkschaften in ihrer Widerstandkraft geschwächt ist, wir
sehen auch, daß die Stabilisierung keine echte, keine dauernde
und wirkliche ist, an der Erstarkung der kommunistischen Partei,
trotz aller Angriffe gegen dieselbe und wir sehen es daran, daß
die Einheitsfront der Arbeitenden von unten her trotz der Sabotage
der reformistischen Führer immer mehr um sich greift. Und
die Bourgeoisie, die ganz genau spürt, daß die Stabilisierung
hier nicht vollständig gelungen ist, daß sie die Stabilisierung
nicht gesichert hat - wir haben da ja auch die Ausführungen
meines Vorredners gehört, der erklärt hat, daß
es noch nicht genug ist, wir müssen noch weiter gehen, wir
müssen das Budget noch weiter erniedrigen, d. h. den Reichen
noch mehr Steuern schenken - die Bourgeoisie plant neue Raubpläne.
Trotz des allgemeinen unerträglichen Elends sollen die Arbeitenden
noch weiter bestohlen und beraubt werden. Nach den Zöllen,
nach der Steuerreform, nach der Verwaltungsreform, nach dem Betrug
an den Staatsangestellten kommen neue arbeiterfeindliche Maßnahmen
der Regierung.
Sogar die Sozialversicherung, dieses elende
Machwerk, das den Arbeitern fast gar nichts bietet, soll noch
mehr verschlechtert werden und zugleich damit die Krankenversicherungsverwaltung
den Arbeitenden entzogen und gleichfalls die Versicherung verschlechtert
werden. Der Mieterschutz soll weiter abgebaut werden und trotz
der furchtbaren Wohnungsnot soll auch die sogenannte Bauförderung,
die ohnehin nichts bietet, noch weiter abgebaut werden. Dieser
Weg führt geradeaus zum Chaos. So wenig es der Bourgeoisie
mit den bisherigen Maßnahmen gelungen ist, das kapitalistische
System zu retten, so wenig kann es ihr mit den weiteren Maßnahmen
gelingen. Diese können nur zur Folge haben, daß sich
die Gegensätze verschärfen und daß nur eines für
die Arbeitenden übrig bleibt, nämlich die Wahl entweder
unterzugehen, in neuen Kriegen für imperialistische und kapitalistische
Zwecke geopfert zu werden, oder dem Beispiel der russischen Arbeiter
und Bauern zu folgen und mit der Waffe in der Hand sich einen
Ausweg zu bahnen.
Ganz anders als hier nach 9 Jahren bürgerlicher
Herrschaft sieht es in der Sowjetunion nach 10jähriger proletarischer
Diktatur aus. Dort halten die Arbeitenden die politische Macht
und nicht nur die politische, sondern auch die wirtschaftliche
Macht fest und unbestritten in Händen. Die Großgrundbesitzer,
die Großkapitalisten und Bankdirektoren sind verjagt worden,
die kleinen Kapitalisten, die dort noch existieren, haben nicht
einmal das Wahlrecht. Die Großbetriebe, die Banken, die
Großgrundbesitze sind ohne Entschädigung enteignet,
die alten zaristischen Schulden sind mit einem Federstrich beseitigt
worden. Die ganze Schwer- und Großindustrie, das Bergbauwesen,
Großhandel, Außenhandel und Transportwesen, ein Großteil
der übrigen großen und kleinen Industrie, auch ein
Großteil des Kleinhandels ist heute in der Sowjetunion sozialisiert.
Dort ist sogar noch mehr geleistet worden. Es beginnt dort die
Verwirklichung des Sozialismus sogar auf einem Gebiete, wo diese
am schwersten durchzuführen ist und wo viele an der Möglichkeit
ihrer Durchführung gezweifelt haben, nämlich der Aufbau
des Sozialismus auch in der Landwirtschaft, bei den Bauern, auf
dem Wege über die Genossenschaften, Während bei uns
in der Èechoslovakei es schon lange keinen Achtstundentag
gibt und sich Dr. Kramáø erst
kürzlich darüber beklagen konnte, daß es noch
nicht rasch genug mit dem Abbau des Achtstundentages geht, wird
jetzt in der Sowjetunion durch das Manifest anläßlich
des 10. Jahrestages der Siebenstundentag eingeführt werden.
Während hier bei uns die elendsten Löhne bezahlt werden,
haben sie dort bereits das Ausmaß der Vorkriegszeit überschritten.
Bei den Textilarbeitern z. B. betragen die Löhne in der Sowjetunion
nach Krieg und Bürgerkrieg, nach allen Zerstörungen
und Schwierigkeiten, die sich in der Sowjetunion ergeben haben,
mindestens zwei bis dreimal so viel als die der Textilarbeiter
bei uns, weil nämlich dort im allgemeinen der Vorkriegsstand
bereits überschritten ist, zugleich aber die schlechter bezahlten
Arbeiter rascher eine Lohnverbesserung erfahren haben, als diejenigen,
die schon diesen schlechter bezahlten Arbeitern gegenüber
früher in einer besseren Situation waren.
In der Sowjetunion sehen wir einen besonderen
Schutz für Frauen und Jugendliche, während wir in der
Èechoslovakei eine besondere und doppelte Ausbeutung der
Frauen und Jugendlichen wegen ihrer wirtschaftlichen Schwäche
beobachten können. In der Sowjetunion haben zum erstenmal
in der Weltgeschichte die Frauen die gleichen
Rechte nicht nur auf dem Papier, sondern auch in Wirklichkeit,
Während hier die Sozialversicherung verschlechtert werden
soll, sehen wir dort die Einführung der besten Sozialversicherung,
die es in der ganzen Welt gibt und überhaupt die beste soziale
Fürsorge, die es bis jetzt irgendwo gegeben hat. Die Arbeiter
erhalten in der Sowjetunion zwei bis vier Wochen bezahlten Urlaub
und den Urlaub verbringen die Arbeiter in Sanatorien, in den Grafenschlössern,
in der Krym und im Kaukasus. Während hier die Gewerkschaften
unterdrückt, gehemmt und verfolgt werden, besonders die,
welche auf dem Standpunkt des Klassenkampfes stehen, und sich
auch die Genossenschaften nicht genügend entwickeln können,
sehen wir in Rußland eine gewaltige Entfaltung der Gewerkschaften
und Genossenschaften. Während hier durch die Politik der
Regierung systematisch die Teuerung verschärft wird, sehen
wir in der Sowjetunion einen planmäßigen Abbau der
Preise, um auch auf diesem Wege die Lage der Arbeitenden zu verbessern,
Und während hier die Industrie abgebaut wird, insbesondere
in unserer Kolonie, der "Slowakei" usw., sehen wir in
der Sowjetunion einen Aufbau der Industrie, der das amerikanische
Tempo noch überbietet. Ein Prozentsatz der Zunahme der Produktion
in einem Jahre, wie er in der Sowjetunion zu konstatieren ist,
konnte nicht einmal in dem hochentwickelten Amerika festgestellt
werden. Hier sehen wir eine Akkumulation des Profits und des Kapitals
zu verschärfter Ausbeutung, dort sehen wir zum erstenmal
eine sozialistische Akkumulation und steigenden Wohlstand. Während
hier die Rationalisierung auf Kosten der Arbeiter er folgt, wird
gleichzeitig mit der Rationalisierung, mit dem Aufbau des Sozialismus
die Lage der Arbeitenden von Jahr zu Jahr in der Sowjetunion besser.
Auf allen Gebieten sehen wir einen Aufschwung, überall zeigt
sich, daß der Weg der richtige war, den die Arbeiter und
Bauern der Sowjetunion gegangen sind, und daß nur die Diktatur
den Weg zu einer besseren Zukunft frei machen kann.
Wir haben in der Èechoslovakei
als mächtigste Partei in der Regierung die Partei der èechischen
Agrarier und sie wird in ihrer Politik unterstützt durch
den Landbund, durch die Partei der deutschen Agrarier. Beide Parteien
erklären, daß sie Bauernparteien sind. Man sollte
also glauben, daß in diesem Staate eine Politik zugunsten
der Bauern gemacht wird. Was sehen wir aber in Wirklichkeit? Wir
sehen, daß die Bodenreform ein ungeheurer Betrug gewesen
ist, eine Quelle unheimlicher Korruptions- und Protektionswirtschaft.
Wir sehen, wie die arbeitenden Bauern mit dieser Bodenreform betrogen
wurden und nicht das geringste davon gehabt haben. Wir sehen,
wie hier den Bauern in keiner Weise von den Herrschenden Hilfe
gebracht wird. In Bezug auf Kredit werden sie dem Wucher ausgeliefert,
in Bezug auf Betriebsmittel kommt ihnen niemand zu Hilfe und nicht
einmal, wenn Katastrophen eintreten, sind für die armen und
kleinen Bauern Geldmittel zur Verfügung, da die Fonde nur
immer wieder den Großen zugute kommen. Wir sehen, daß
die Bauernschaft von allen Errungenschaften der Kultur abgeschnitten
ist. In den Romanen wird den Bauern geschmeichelt, in den Novellen,
Feuilletonen usw., aber in Wirklichkeit, wenn er irgendwo zu einem
Amt oder zu einer Behörde in seinem Arbeitskleid kommt, dann
wird er nur mit Verachtung behandelt und nur der vornehme Herr
im Pelz, dem wird selbstverständlich eine ganz andere Behandlung
zuteil. In der Sowjetunion, wo die Bolschewiken herrschen, die
man immer als Bauernfeinde hinzustellen trachtet, dort ist von
all dem das Gegenteil zu bemerken. Dort wurde unter die Bauern
der Boden, der Großgrundbesitz, unentgeltlich verteilt,
während hier bei uns auf die Bauern eine unerträgliche
Steuerlast drückt, insbesondere die Last der indirekten Steuern
und außerdem noch der größte Teil der sogenannten
Besitzsteuern, während in der Sowjetunion der Bauer bis jetzt
zu 25 % von den Steuern befreit war und nun nach dem Manifest
anläßlich des 10jährigen Jubiläums der Sowjetunion
bis 35% von den Steuern befreit wird. Außerdem gibt der
proletarische Staat den Bauern jede nur mögliche Hilfe, Kredite,
Betriebsmittel, Inventarhilfe, die neuesten Maschinen werden den
Genossenschaften zur Verfügung gestellt. Durch die Genossenschaften
werden die Bauern zusammengefaßt und es wird ihnen ermöglicht,
die neuesten Wirtschaftsmethoden anzuwenden. So werden sie trotz
ihres individualistischen Charakters zum Sozialismus erzogen.
Man kann ohne Übertreibung sagen: Soviel der kapitalistische
Staat auch den Bauern nimmt, so ungeheuer der Raub ist, der hier
an den Bauern begangen wird, noch zehnmal mehr gibt der proletarische
Staat den Bauern in der Sowjetunion. Und es ist kein Wunder, daß
Millionen von Bauern nach Moskau pilgern, um dort Lenin als ihren
Befreier zu verehren.
Wir haben hier in der Èechoslovakei
eine Regierung, in der auch bürgerliche Parteien der unterdrückten
Nationen vertreten sind. Die herrschende Bourgeoisie tut so, als
ob damit hier in der Èechoslovakei die nationale Frage
gelöst worden wäre. In Wirklichkeit hat sich an den
nationalen Verhältnissen hier nicht das
geringste geändert. Die Vertreter der Slovaken und die Deutschbürgerlichen
sitzen hier in der Regierung nur zu dem Zwecke, um zu verschleiern,
daß die eigenen Nationen unterdrückt sind, genau so
wie früher die Sozialdemokraten in der Regierung gesessen
sind, um zu verschleiern, daß ihre Klasse unterdrückt
und ausgebeutet ist. Ja, noch mehr: Seitdem diese bürgerlichen
Parteien in der Regierung vertreten sind, hat sich die nationale
Unterdrückung noch verschärft. Hier in der Èechoslovakei
sind alle Nationen mit Ausnahme der herrschenden versklavt, gewaltsam
unterdrückt. Man muß die Dinge beim richtigen Namen
nennen. Ein Volk, welches nicht frei über sein Schicksal,
über seine staatliche Zugehörigkeit bestimmen kann,
welches mit Waffengewalt daran gehindert wird,
ist ein versklavtes Volk und Minister, welche in der Regierung
diese gewaltsame mit Waffengewalt durchgeführte Versklavung
ihres eigenen Volkes mitmachen, sind von ihrem eigenen Standpunkt
aus schamlose Verräter. Diese sogenannten aktivistischen
Minister machen die Politik der verschärften Unterdrückung
ihrer eigenen Nation mit, um die kapitalistische Politik durchführen
zu können und die arbeitenden Massen dieser Völker können
sich doppelt bedanken bei diesen ihren sogenannten Vertretern.
Auf der einen Seite erhöhte, verschärfte nationale Unterdrückung
und zum Ausgleich erhöhte Ausplünderung und Beraubung.
Das ist das Ergebnis der aktivistischen Politik.
Kein einziges Volk hat hier das Selbstbestimmungsrecht.
Und so scharf auch der Druck ist, wagen nicht einmal die oppositionellen
Parteien, nicht einmal die oppositionellsten, die deutschen Sozialdemokraten,
klar und offen wie wir Kommunisten zu verlangen, daß jedes
Volk das Recht haben muß, über sich selbst zu bestimmen,
bis zur Losreißung vom Staat. Diese nationale Unterdrückung
zeigt sich auf allen Gebieten. Sie zeigt sich auch in einer Nadelstichpolitik.
Es wird trotz der Teilnahme von Angehörigen der verschiedenen
Nationen an der Regierung, ihnen gleichsam aufs deutlichste gezeigt,
daß sie nichts zu sagen haben, daß die Vertreter der
unterdrückten Völker sind. Nicht einmal deutsche Minister
dürfen hier deutsch sprechen und der slovakische Minister
darf nicht einmal offiziell erklären, daß es ein slovakisches
Volk gibt. Unter solchen entwürdigenden Bedingungen, die
für uns Kommunisten nicht das wesentlichste sind, die aber
bezeichnend sind für das System der nationalen Unterdrückung,
unter solchen entwürdigenden Bedingungen sitzen die Herrschaften
in der Regierung und machen das alles mit.
Wir Kommunisten treten nicht nur für die Gleichberechtigung
aller unterdrückten Nationen ein. Uns liegt die Freiheit
eines jeden Volkes am Herzen. Wie steht es um die Freiheit des
èechischen Volkes? Die Bourgeoisie hier betreibt eine Politik
- und sie muß sie betreiben unter
solchen Verhältnissen, wo die Hälfte der Bevölkerung
aus unterdrückten Nationen besteht und 99 % aus unterdrückten
Klassen - welche den Staat in vollständige Abhängigkeit
von fremden Mächten bringt. Von einer Unabhängigkeit
des èechischen Volkes kann keine
Rede sein. Aber diese Politik bedeutet auch die Bedrohung der
Freiheit des èechischen Volkes aufs äußerste.
Genau so wie die deutschen Aktivisten und die slovakischen Regierungsleute
ihr Volk verraten, genau so verraten es auch die Vertreter
der èechischen Bourgeoisie. Denn um ihre kapitalistische
Klassenpolitik durchführen zu können, um den Klassencharakter
des Staates wahren zu können, setzen sie die Freiheit des
èechischen Volkes aufs Spiel. Wir haben an dem Beispiel
des alten Österreich gesehen, wie leicht
ein solches System zusammenbricht, wie es eigentlich zum Zusammenbruch
notwendiger weise verurteilt ist. Wir haben gesehen, wie bei einem
solchen Zusammenbruch ein Volk, welches früher das herrschende
war, zu einem unterdrückten werden kann. Das èechische
Volk hat Jahrhunderte schlimmster, furchtbarster nationaler Unterdrückung
mitgemacht und die deutsche Bourgeoisie, die sich heute beklagt,
hat es noch viel schlimmer getrieben als heute die èechische
Bourgeoisie. Die èechische Bourgeoisie
läßt es ganz gleichgültig, daß die Gefahr
besteht, daß das èechische Volk wiederum unter eine
solche Fremdherrschaft geraten kann und muß, wenn diese
Politik weiter betrieben wird. Sie denkt nicht daran, um dieser
Gefahr willen ihre Herrschaft aufzugeben.
Sie muß die Èechoslovakei unter die Hörigkeit
fremder kapitalistischer Mächte bringen, von denen sie Schutz
für ihre unhaltbare Herrschaft erwartet, wodurch aber die
Èechoslovakei notwendigerweise in alle Verwicklungen hineingerissen
werden muß, welche auch die so
spät erworbene èechische Freiheit aufs äußerste
gefährden.
Es scheint ein Widerspruch zu sein und es ist doch wahr. Auch
in Bezug auf die Freiheit des èechischen Volkes zeigen
die Kommunisten die einzige Politik, welche die Freiheit des èechischen
Volkes sichern kann. Man sieht das an dem Gegensatz des Verhältnisses
auch in dieser Frage zwischen der Èechoslovakei und der
Sowjetunion. In der Sowjetunion sind alle Nationen frei und gleichberechtigt;
während man hier bei uns einen Teil des Landes,
nämlich die Ukraine, nicht einmal bei ihrem richtigen Namen
nennen darf und sie als Rußland bezeichnen muß, während
jede Nennung der Podkarpatská Ukraina konfisziert wird,
macht man es in der Sowjetunion umgekehrt. Dort wird und das ist
ein Symbol für das ganze System - der ganze Staat heute nicht
mehr Rußland genannt, sondern er heißt Sowjetunion,
um zum Ausdruck zu bringen, daß er ein Verband freier gleichberechtigter
Völker ist und nicht eine Unterdrückungsmaschine der
Nationen. Jede Nation, wenn sie nur halbwegs groß genug
dazu ist, hat ihre eigene Republik, hat das Recht, sich jeden
Tag, wenn sie es wünschen würde, von der Sowjetunion
loszureißen. Kleinere nationale Gebiete, bei denen es unmöglich
ist, Republiken zu schaffen, haben wenigstens autonome
Gebiete und wenn es schon nicht anders geht, werden wenigstens
nationale Sowjets geschaffen. Die Deutschen an der Wolga haben
ihre eigene Republik und es gibt zahllose èechische Verwaltungsgebiete,
wo sogar in ganz kleinstem Maßstabe die zersplitterten
Èechen, die dort wohnen, ihre nationale Freiheit haben.
Das gibt es in der Sowjetunion. So löst ein proletarischer
Staat die nationale Frage und gleichzeitig ist dieser Staat auch
vollständig unabhängig von den fremden imperialistischen
Mächten, obwohl sie alle zusammen mit
ihrer ganzen Macht die Unabhängigkeit der Sowjetunion untergraben
möchten. Wir haben es in Genua gesehen, als man Rußland
Kredite anbot, gegen die Preisgabe eines bloßen Prinzips.
Man verlangte von ihm nur, daß für ein paar Kapitalisten
das Privateigentum an den Produktionsmitteln anerkannt werde.
Es war materiell nur eine Kleinigkeit, denn auf die paar Betriebe
kam es nicht an, wir haben ja in der Sowjetunion auch Konzessionen.
Es war aber eine prinzipielle Frage, ob es in der Sowjetunion
einen Privateigentümer von Produktionsmitteln geben darf.
Und so unabhängig, so stark war die Sowjetunion in schwierigeren
Zeiten als heute, daß sie erklärt hat: Unter solchen
Umständen nehmen wir die Kredite nicht an, weil wir das sozialistische
Prinzip in der Sowjetunion nicht preisgeben wollen. Ich erinnere
mich noch sehr gut, daß die sozialdemokratischen Parteien,
die II. Internationale, statt es zu begrüßen und zu
unterstützen, damals über die Sowjetunion hergefallen
sind, so wie jetzt in der Frage der kriegerischen Bedrohung.
So wie in diesen großen Fragen, die ich
hier besprochen habe, so ist es auf allen Gebieten um den Unterschied
zwischen dem kapitalistischen Staat und dem proletarischen Staat
drüben bestellt. Besonders stolz sind die kapitalistischen
Staaten auf ihre, Errungenschaften auf dem Gebiete der Kultur.
Man liebt es, die Sowjetunion als ein Land der Barbarei hinzustellen,
man spricht von einem bolschewistischen Chaos, vor welchem man
die Kulturländer retten müsse. Wie steht es in Wirklichkeit
auf diesem Gebiete? Noch niemals auf der Welt sind so gewaltige
Kulturleistungen vollbracht worden wie jetzt in diesen zehn Jahren
unter der Diktatur des Proletariats. Nur der gewaltige Kampf gegen
den Analphabetismus allein, der unter der Herrschaft des Zarismus
unmöglich war, den die Kapitalisten mit allen Mitteln verhindert
haben, ist schon eine Leistung, die mit nichts anderem verglichen
werden kann. Aber davon abgesehen, eine ganze Unzahl von Schulen
aller Art und Stufen ist entstanden, Kunst und Literatur erfahren
eine neue Blüte, für alle möglich en wissenschaftlichen
Zwecke werden staatliche Mittel zur Verfügung gestellt. Und
das Entscheidendste ist, daß bei diesem ganzen Kulturaufbau
zum erstenmal ein ganz neuer Geist zum Durchbruch gekommen ist.
Während bei uns in den Schulen den Proletarierkindern und
Bauernkindern kapitalistische Moral eingeimpft wird, um das Ausbeutungssystem
auch auf diesem Wege zu festigen, lernen zum erstenmal die Proletarier-
und Bauernkinder in der Sowjetunion einen ganz neuen Geist kennen,
werden sie zu modernen klassenbewußten arbeitenden Menschen
erzogen. Während hier bei uns die Schule den Pfaffen ausgeliefert
wird, die, wie man aus den Worten meines Herrn Vorredners gesehen
hat, noch immer nicht zufrieden sind und immer mehr auf diesem
Gebiete verlangen, während die Kongrua bei uns noch die Bezahlung
auf Kosten der Ärmsten für diese Herrschaften herbeiführt,
das Konkordat vorbereitet wird, sehen wir in der Sowjetunion zum
erstenmal eine völlige Trennung von Staat und Kirche, eine
gewaltige Aufklärungsarbeit in größtem Maße
auch auf den Dörfern und es gibt schon in der Sowjetunion
Bauerndörfer, die von jedem Aberglauben frei sind. Während
hier dem Aberglauben zahllose Frauen geopfert werden, welche in
der Angst, ein Kind gebären zu müssen, das sie nicht
ernähren können, entweder dem Tode oder der Strafe,
dem Gefängnis ausgeliefert werden, sehen wir, wie in der
Sowjetunion auch diese Frage in einem neuen modernen Geiste gelöst
wurde. Während es hier in der Èechoslovakei
ein Verbrechen ist, wenn man gegen den unsinnigsten Aberglauben
ankämpft, der durch die Wissenschaft längst erledigt
ist, während hier in diesem modernen Kulturstaat die Schule
verpflichtet ist, den Kindern beizubringen, daß der erste
Mensch aus Lehm gemacht wurde und von ihm alle anderen Menschen
abstammen, wovon Darwin vor so vielen Jahren nachgewiesen hat,
daß das ein Unsinn ist, sehen wir, daß in der Sowjetunion
nicht durch die Gewalt, aber durch eine gewaltige systematische
Aufklärungsarbeit ein neues Geschlecht von Menschen erzogen
wird, welches die Welt so sieht wie sie ist und sich nicht durch
den überwundensten Aberglauben beeinflussen läßt.
Aber freilich, man sagt uns und auch sogenannte Arbeiterführer
sagen es: Was nützt das alles, wir haben hier doch die Demokratie,
die Gleichberechtigung aller, und dort in der Sowjetunion ist
die Diktatur, dort ist der Terror und ich weiß nicht, was
noch alles dort ist, wir wollen nicht unter dem Terror leben,
wir wollen frei sein. Wie steht es um diese Frage? Die ganze Demokratie
hier ist - das sollte man wirklich nicht mehr leugnen können
- ein aufgelegter Schwindel. Was ist Demokratie in Wirklichkeit?
Demokratie ist dort, wo die Massen mitzusprechen, mitzuarbeiten,
mitzuentscheiden haben und wo vor allem das geschieht, was die
Massen wollen. Haben wir eine solche Demokratie Geschieht hier
nicht genau das Gegenteil von dem, was die Massen wollen? Oder
wollen die Massen vielleicht eine derartige Steuerpolitik, wollen
sie vielleicht von den Polizisten geschlagen werden, wollen sie,
daß ihnen bei jedem Streik, bei jedem Kampfe um ein Stückchen
Brot Polizei und Waffengewalt entgegentritt. Wollen sie diese
Ausbeuterpolitik? Nein, sie werden nicht gefragt, gegen ihren
Willen wird die Politik durchgeführt. Einmal in ein paar
Jahren dürfen sie einen Stimmzettel abgeben, dabei wird die
ganze Macht der Presse, der Pfaffen, der Schule, der sogenannten
Intelligenz, die wirtschaftliche Macht, alles wird in die Wagschale
geworfen, um den Proletariern einzureden: Die Religion ist in
Gefahr, die Nation ist in Gefahr, ich weiß nicht, was noch
in Gefahr ist, damit sie ihre Ausbeuter wählen. Dann kommt
ein Parlament zustande, dann wird geschachert um die Bildung einer
Mehrheit, dann kommt eine Regierung zustande und die Bürokratie
kann während der ganzen Zeit machen, was sie will und das
nennt man Demokratie, Volkswillen. Haben wir eine Pressefreiheit,
eine Versammlungsfreiheit? Wenn die Arbeiter auf die Straße
gehen wollen, um die Sowjetunion zu feiern, wird ihnen das verboten
und wenn sie es dennoch tun, werden sie mit dem Pendrek mißhandelt.
Es vergeht fast kein Tag, wo nicht unsere Presse wegen der harmlosesten
Ausdrücke konfisziert wird.
Von einer demokratischen Freiheit ist keine
Spur und die neueste Verwaltungsreform hat die ganze Diktatur
noch verschärft. Immer klarer wird es, daß das, was
wir haben, so wie in allen kapitalistischen Staaten nichts anderes
ist als eine verhüllte Diktatur der Bourgeoisie. In der Sowjetunion
haben wir eine Diktatur des Proletariats. Aber diese Diktatur
des Proletariats ist die größte Demokratie, die überhaupt
erreichbar ist, bevor die Klassengegensätze aus der Welt
geschafft werden. Arbeiter und Bauern wählen sich die Sowjets,
während hier durch 6 Jahre niemand dem Abgeordneten etwas
dreinreden kann. Die Arbeiterräte müssen sofort zurücktreten,
wenn ihre Wähler sie nicht mehr wollen. Sie haben dort proletarische
Preßfreiheit. Selbstverständlich wird in der Presse
kein Attentat gegen die Herrschaft der Bauern und Arbeiter geduldet.
Aber die Arbeiter und Bauernkorrespondenten können ruhig
alles sagen, was sie auf dem Herzen haben, können schärfste
Kritik üben an den Zuständen, wenn ihnen etwas nicht
recht ist. Wir haben schon häufig erlebt, daß wir im
"Sozialdemokrat" Zuschriften aus Arbeiter- und Bauernkreisen,
die in der "Pravda" veröffentlicht waren, gelesen
haben, was ein Beweis ist, daß eine Pressefreiheit für
die Arbeitenden besteht, aber nicht für die Ausbeuter, während
bei uns das Umgekehrte der Fall ist.