Wir haben vor Beratung dieses Budgets auch
eine Stimme aus den Reihen der deutschen Regierungsparteien vernommen.
Die "Deutsche Presse" hat, als der Staatsvoranschlag
im Parlament eingebracht war, geschrieben, man müsse sich
diesen Voranschlag genau ansehen und prüfen, ob er allen
Bedürfnissen und Forderungen der deutschen Bevölkerung
entspreche. In demselben Aufsatz wurde dann aufgezeigt, daß
man manches auszusetzen habe, besonders an dem, Schulbudget, an
den Ausgaben für die innere Verwaltung und für den Militarismus.
Es wurde dort dargetan, daß bei den Militärausgaben
durchaus nicht gespart werde. Nach solchen Äußerungen
müßte man annehmen, daß sich die Mehrheitsparteien
nicht auf die bloße Hinnahme des Staatsvoranschlages beschränken
werden, sondern daß sie im Budgetausschuß dafür
sorgen wollen, daß ihren Forderungen entsprochen werde.
Der heurige Staatsvoranschlag ist der Ausdruck rücksichtsloser
Klassenpolitik und èechoslovakischnationalistischer Machtpolitik.
Während der Finanzminister versucht hat,
in vielen Ressorts zu sparen, während er im Budgetausschuß
und auch hier wiederholt gesprochen hat, es müsse eine sparsame
Wirtschaft eingeführt werden, und den Gemeinden vorgeworfen
hat, daß sie zu unwirtschaftlich seien, hat er trotzdem
die Courage nicht aufgebracht, auch nur eine Million, auch nur
einen Zehntausender beim Militärbudget weniger auszugeben.
Im Gegenteil. Heuer ist das Heereserfordernis noch um 30 Millionen
höher als im Vorjahre. Wir erfahren aus dem Voranschlag nichts
darüber, was es mit dem Rüstungsfond ist, für den
die deutschbürgerlichen Parteien im Vorjahr eingetreten.
Warum spart man dort, wo es sich um soziale Fürsorgeeinrichtungen
handelt? Weshalb schreibt man den Gemeinden Sparsamkeit vor, zu
welchem Zwecke erfolgt durch Unterbringung der Einnahmen der Abbau
wichtiger sozialer Ausgaben der Gemeinde, wenn man beim Militärbudget
auch nicht einen Heller zu ersparen vermochte, wenn man nicht
den Mut hat, auch dort jenen Geist der Finanzpolitik hineinzutragen,
von dem nach der Meinung des Finanzministers die übrigen
öffentlichen Einrichtungen, Bezirke und Gemeinden sich leiten
lassen müssen. (Pøedsednictví pøevzal
místopøedseda Stivín.) Die Christlichsozialen,
die Gewerbeparteiler und die Landbündler haben im Büdgetausschuß
nicht den leisesten Versuch unternommen, irgend etwas zu ändern.
Im Gegenteil, man ist von der Finanzpolitik des jetzigen Finanzministers
geradezu begeistert. Man kann auch als Angehöriger der bürgerlichen
Klassen mit dieser Finanzpolitik zufrieden sein, man wird da geschont,
während, wie aus den Einnahmen hervorgeht, die werktätige
Bevölkerung immer mehr zu den Staatslasten herangezogen wird.
Sehen wir doch, daß nur 30.33 Prozent der Staatseinnahmen
in der Form der direkten Steuern hereingebracht werden, daß
aber die Verbrauchssteuern 31,8% und weiters die Verkehrssteuern
38,59 % ausmachen. Daraus geht hervor, daß sich die jetzige
Finanzpolitik der èechisch-deutschen Koalitionsregierung
in der Richtung bewegt, auf indirektem Wege die Lasten des Staates
zu decken, während die besitzenden Klassen
geschont werden. In der Steuerreform ist das auch zum Ausdruck
gekommen. Man hat in den letzten Tagen erkannt, daß da mit
viel zu wenig Scharfsicht vorgegangen worden ist. Der Artikel
VII des Steuergesetzes muß rasch reformiert werden. Eine
Interpretation dieses Artikels ist jetzt erforderlich, weil durch
die Steuerreform ohne diese Interpretation eine ganze Menge von
Gewinnen, Wertsteigerungen u. s. w. nicht erfaßt wurden.
Ein Zeichen dafür, daß man durchaus nicht immer mit
jener Gewissenhaftigkeit bei der Festsetzung von Abgaben der besitzenden
Klassen vorgeht, die beobachtet wird, wenn es sich darum handelt,
die Steuerkreuzer aus den arbeitenden Klassen herauszuholen. Da
hat man dafür gesorgt, daß kein Arbeitereinkommen,
das das Existenzminimum überschreitet, verschont wird, da
hat man durch den Steuerabzug gründlich peinlich vorgebaut,
daß von der Arbeiterschaft dem Staate ja kein Steuerbetrag
hinterzogen werden kann.
Der Staatsvoranschlag, der vor uns liegt, ist
der Voranschlag eines Klassenstaates. Seine Einnahmen beweisen,
daß man vom rein kapitalistischen Klassenstandpunkt aus
die Staatsverwaltung organisiert: Schonung der besitzenden Klassen,
Belastung der Besitzlosen. Noch deutlicher ist diese Klassenpolitik
des Staatsvoranschlages bei den Ausgaben. Da merken wir erst recht,
daß der größte Teil der Staatsgelder dazu verwendet
wird, die Vorherrschaft und die Macht der kapitalistischen Klassen
im Staate zu stützen. So hat die Arbeiterklasse kein Interesse
an den Ausgaben für die Militärverwaltung. Die Ausgaben
für militärische Zwecke sichern den Industriellen, die
sich mit der Erzeugung von Kriegswerkzeugen befassen, Profite
und Gewinne. Das Proletariat. die Arbeiterklasse hat an dem Militarismus
kein Interesse, nicht in der Zeit des Friedens, und sie hat insbesondere
deswegen kein Interesse am Militarismus, weil alle Rüstungen
schließlich eine Gefährdung des Friedens bedeuten.
Woran sich die Kapitalistenklasse nicht stößt, weil
im Falle eines kriegerischen Konfliktes die Kapitalisten es im
Klassenstaate so einzurichten wissen, daß auch dann ihre
Profite keine Einschränkung erfahren. Wir haben kein Interesse
daran, daß der Staat von Jahr zu Jahr die polizeilichen
Einrichtungen immer mehr ausbaut und vergrößert, wir
sind nicht daran interessiert, daß die Ausgaben für
diese Zwecke steigen, weil in der Hauptsache alle diese Einrichtungen
die Aufgabe haben. zur Niederhaltung der Arbeiterklasse beizutragen.
Es ist also in der Èechoslovakischen Republik seit dem
Eintritt der Deutschen keine Wendung zum Besseren eingetreten.
Es hat sich nichts geändert an dem nationalistischen Machtcharakter
der èechoslovakischen Staatsverwaltung. Vor allem geht
der Zug gegen die Arbeiterklasse. Nehmen wir
einmal die Ausgaben, die für die einzelnen Zweige der Staatsverwaltung
gemacht werden. Während z. B. für die Bürokratie,
für den Machtapparat des Staates, für die militärische
Verwaltung, für die Staatsschuld 68,99 % der Ausgaben verwendet
werden, kommen auf die Wirtschaftspolitik, auf die Kulturpolitik
und Sozialpolitik zusammen nur 31.01% der Ausgaben. Im Motivenbericht
des Voranschlages wird das allerdings etwas günstiger dargestellt,
aber eine genaue Nachprüfung ergibt schon, daß für
die Sozialpolitik und für die Kulturpolitik in Prozenten
viel weniger übrigbleibt, als der Motivenbericht glauben
machen, will. Im Motivenbericht und im Budget werden übrigens
einzelne Ausgaben unter die Sozialpolitik eingestellt, die in
andere Kapitel gehören, damit das Kapitel "Ministerium
für soziale Fürsorge" nicht gar so armselig erscheint.
Man tut sich heuer darauf viel zugute, daß man den Betrag
für Arbeitslosenunterstützung um 10 Millionen erhöht
hat. Aber was bedeutet das im Vergleich zu anderen Staaten,
die wirtschaftlich genau dieselben Schwierigkeiten zu überwinden
gehabt haben und noch überwinden müssen, wie die Èechoslovakei.
Man vergleiche die Ziffern, die über die Leistungen der Arbeitslosenfürsorge
in Österreich Aufschluß geben. Oder
nehmen wir Deutschland her, das über eine Milliarde für
Zwecke der Arbeitslosenfürsorge ausgibt, ein Betrag, der
sich im Vergleich zu anderen Posten dort schon sehen lassen kann.
Er zeigt, daß man in Deutschland doch auch die Arbeitslosenfrage
von einem weiterblickenden Standpunkt aus beurteilt.
Und nun unsere Kulturerfordernisse! Auch da
können uns die deutschen Regierungsparteien nicht sagen,
daß sie irgendeinen Schritt nach vorwärts zustande
gebracht haben. Da sind sie in diesem Budget vollständig
leer ausgegangen. Man hat auf sie nicht die geringste Rücksicht
genommen, aber für sie genügt es, daß im Budget
an der sozialen Fürsorge gespart wird, für sie genügt
es, daß sie auf die Richtung vertrauen können, in der
sich die innere Politik bewegt, die sich gegen die Arbeiter kehrt,
alles andere übergehen sie. Wie oft ist nicht schon während
der jetzigen Regierungsmehrheit von der nationalen Schulautonomie
gesprochen worden! Erinnern wir uns daran, daß einmal hier
von dieser Stelle aus vor nicht vielen Jahren, unmittelbar nach
den letzten Parlamentswahlen der jetzige Minister Dr Spina
erklärt hat, die Forderung nach der nationalen Schulautonomie
sei eine ernste Sache für seine Partei, ohne die es keinen
Ausgleich und keinen Frieden geben könne. Nun, in Worten
hat man ihnen die nationale Schulautonomie zugesagt, in zwei Reden,
in einer Rede seinerzeit im Budgetausschuß und dann im Schulausschuß
u. zw. wurde sie vom Schulminister Dr Hodža
zugesagt. Gestern haben wir wieder in der
Beantwortung einer Interpellation gelesen, daß die nationale
Schulautonomie in Aussicht genommen werde. Es scheint aber nicht
weit her zu sein mit dem Ernste, der da vorausgesetzt werden sollte,
sonst wäre es undenkbar, daß im Budgetausschuß
der Schulminister mit keinem Worte auf diese wichtige Frage zu
sprechen kam. Es hat sich auch kein Mitglied der Koalitionsparteien
gefunden, das neugierig gewesen wäre und Aufschluß
verlangt hätte. Man hat eben viel zu viel mit dem Abbau der
Sozialpolitik zu tun und ist nicht neugierig, was in nächster
Zeit hinsichtlich der Schulautonomie geschehen wird. Es mag ja
vorkommen, daß bei einzelnen kleinen Schul-Streitfragen
etwas mehr Verständnis und Entgegenkommen als früher
gezeigt wird, aber der Grundzug der ganzen Schulpolitik ist der
alte geblieben.
Als deutsche Sozialdemokraten sind wir gegen
die Richtung, die Sie in der Innenpolitik mit Hilfe der Deutschen
etabliert haben. Unsere Stellung zum Staatsvoranschlag ist schon
dadurch gegeben, daß er einen rein kapitalistischen Charakter
hat, dessen Ausgaben zum allergrößten Teile zur Stärkung
der kapitalistischen Herrschaft, der Klassenherrschaft verwendet
werden und dessen Einnahmen in unerhörter Weise die arbeitenden
Klassen belasten. Wir können in der Art der Mitwirkung der
deutschen bürgerlichen Parteien keinen Fortschritt für
die arbeitende Bevölkerung dieses Staates erblicken. Die
deutschen aktivistischen Parteien in der neuen Regierung haben
auch in nationalpolitischer Beziehung vollständig versagt,
sie mußten versagen, weil sie sich aus kleinen egoistischen
Klasseninteressen dieser Regierungskoalition angeschlossen haben.
Die Landbündler machen eine ausgesprochene Politik für
die Interessen der Großbauern. Wenn man die Sache so darzustellen
versucht, als ob sich damals, als die Landbündler in die
Regierungsmehrheit traten, um die Frage der Erhaltung der Landwirtschaft
gehandelt hätte, wenn man davon spricht, daß das den
entscheidenden Einfluß auf ihren Entschluß gehabt
hätte, so stimmt das mit der Wirklichkeit nicht überein.
Werden zur Landwirtschaft auch die kleinen Bauern gerechnet, diese
Hunderttausende von kleinen Bauern, die wirtschaftlich gewiß
überaus schlecht gestellt sind, so haben die Landbündler
nicht das Recht zu behaupten, ihre Politik sei von den
Interessen der Landwirtschaft diktiert gewesen. Ihre Politik war
diktiert von den Bedürfnissen der Großbauern, und sie
haben damit, daß sie die Schutzzölle geschaffen haben,
zwar das Großbauerntum im èechischen Gebiete in Böhmen,
Mähren usw. wirtschaftlich gestärkt, aber sie haben
dem kleinen Landwirte keinen Dienst erwiesen, ganz abgesehen davon,
daß sie durch die Hochschutzzollpolitik die Lebenshaltung
der arbeitenden Klassen stark verteuert haben.
Wenn die Christlichsozialen erklären,
ihr Eintritt in die Regierung sei von dem Bedürfnis, im Interesse
der deutschen Bevölkerung der Èechoslovakei an der
Lösung der innerstaatlichen Fragen mitzuwirken, diktiert
gewesen, so ist diese Behauptung durch die Taten widerlegt worden.
Einmal hat der jetzige Justizminister Dr. Mayr-Harting
einem Redakteur der "Reichspost" in Wien gegenüber
über die Motive seiner Politik Mitteilungen gemacht. Auf
die Frage, welche Richtlinien in der neuen Regierungskoalition
beobachtet werden sollen, hat er geantwortet: "Der Eintritt
der Deutschen in die Regierung hat nichts an den Programmpunkten
der Parteien, als deren Vertreter die deutschen Minister in die
Regierung eingetreten sind, geändert; weder in nationaler,
noch in kultureller, noch in wirtschaftlicher Hinsicht. Die nicht
leichte Aufgabe der ersten deutschen Minister muß es sein,
diesen Forderungen im Interesse des gesamten sudetendeutschen
Volkes Schritt für Schritt Geltung zu verschaffen. Das Tempo
muß mit Rücksicht auf die wohl jedermann einleuchtende
heikle Lage ein langsames und vorsichtiges sein, ohne daß
dabei der Ehre und den Interessen der deutschen Sache Eintrag
geschieht".
Über die Bedeutung einer solchen Erklärung
gegenüber einem Redakteur der "Reichspost" sind
wir uns alle im klaren. Nicht vorwärts im Sinne einer neuzeitlichen
Politik, vielmehr mit Eilschritten nach rückwärts geht
es, insbesondere wenn es sich um Sozialpolitik, um Kulturfragen,
um wirtschaftliche Fragen handelt. Die Methoden der Behandlung
staatlicher Fragen sind die gleichen wie früher. Im Budgetausschuß
hat zwar der Herr Ministerpräsident recht schöne Worte
über den Parlamentarismus gefunden. Nur das Plenum des Parlaments
gefällt ihm nicht. Dafür werde in den Ausschüssen
gearbeitet. Aber die Arbeit in den Ausschüssen ist genau
so wie sie früher war: Was im engen Kreis der Koalition ausgekocht
wird, das muß bedingungslos angenommen und geschluckt werden.
Derselbe Zug der Vergewaltigung und Nullifizierung der Opposition
wie früher geht durch die parlamentarischen Arbeiten
weiter. Geradezu komisch nimmt es sich aus, wenn der jetzige Ministerpräsident
ein Loblied auf die Freiheit in der Èechoslovakei anstimmt,
wenn er behauptet, daß die Èechoslovakei anstimmt,
wenn er behauptet, daß die Èechoslovakei das freieste
Land der Welt sei. Entweder ist der Ministerpräsident
Dr. Švehla noch wenig in der Welt herumgekommen und
weiß nicht, wie es in den anderen Staaten ausschaut, welche
Anschauungen über politische Freiheit dort bestehen, oder
aber er kennt seine Regierungskollegen und seine Koalitionsgenossen
zu genau und weiß, daß man ihnen alles bieten darf.
Worin besteht denn die Freiheit, die es in der Èechoslovakei
geben soll? Etwa in der Zunahme der Konfiskation unserer Blätter,
etwa darin, daß die Überwachung der Versammlungen wieder
genau so vor sich geht wie es im ehemaligen Österreich war,
etwa darin, daß die Bevölkerung immer mehr bevormundet
wird, vielleicht darin, daß die Verwaltungsarbeiten in den
Bezirken nicht mehr der freien Bestimmung der Bevölkerung
überlassen werden, sondern ihr ein Vormund aufgezwungen wird,
in Form eines staatlichen Bürokraten als Vorsitzenden. Etwa
darin, daß man einen Teil der Verwaltungskörperschaften,
die doch auf dem Prinzip der Selbstverwaltung der Bevölkerung
beruhen sollten, ernennt, um geschützt zu sein gegen
Entscheidungen, die man nicht will, weil sie sich vielleicht mit
der gerade herrschenden Richtung der èechoslovakischen
Staatspolitik kreuzen. Oder darin, daß man mit Polizeimaßnahmen
vorgeht gegen die Arbeiterschaft, wenn sie daran geht,
auf dem Wege des Lohnkampfes ihre Lebensverhältnisse zu bessern?
Auf keinem Gebiete merken wir ein Zunehmen der freiheitlichen
Einrichtungen. Es wird nicht mehr lange dauern, wenn die jetzige
Regierungskoalition so weiter wirtschaftet und weiter arbeiet:
dann werden wir zurückfallen in eine Atmosphäre, in
Zustände, wie sie in der Vorkriegszeit nur in Preußen
und in Österreich zur Zeit des Ausnahmszustandes herrschten.
Von demokratischen Freiheiten heute zu sprechen, ist wahrhaftig
nur möglich gegenüber Abgeordneten, die vom Standpunkt
ihrer Partei ein Interesse daran haben, daß die Wahrheit
verschleiert werde.
Unsere Stellung zum Staatsvoranschlag ist ablehnend.
Wir stimmen da mit der Mehrheit der Bevölkerung überein.
Schon längst hat die jetzige Regierungskoalition nicht mehr
das Recht, im Namen der Mehrheit der Bevölkerung aufzutreten
und zu sprechen. Wären wir in einem wirklich demokratischen
Lande und gäbe es bei uns jene Zustände, von denen der
Ministerpräsident im Budgetausschuß phantasiert hat,
dann müßte er nach dem Ausgange der Gemeindewahlen
die Gesamtheit der Wählerschaft entscheiden lassen, ob eine
Wendung in der Innenpolitik eintreten soll oder ob die jetzige
Mehrheit im gleichen Geiste fortführen darf. Deutlich und
klar ist bei den letzten Gemeindewahlen an die jetzige Regierungskoalition
eine Absage gegeben worden und jede Nachwahl unterstreicht das
Ergebnis, aus jeder Nachwahl sehen wir, daß die Unstimmigkeit,
der Wider wille, die Abneigung gegen die jetzige Regierungspolitik
steigt. Was wäre daher zu tun? Nicht auf Jahre sich einzurichten,
damit man die Bedrückungspolitik fortsetze, sondern an die
Wähler zu appellieren, die Wählerschaft zu befragen,
ob sie mit der jetzigen Politik einverstanden ist oder nicht.
Umso notwendiger wäre das, als die deutschen bürgerlichen
Regierungsparteien bei den letzten Parlamentswahlen diese Frage
ihres Eintrittes in eine solche Mehrheit nicht zur Diskussion
gestellt haben. Sie sind ins Parlament gekommen, haben die Stimmen
der Wähler erhalten, weil sie damals vor den Wahlen erklärt
haben, rücksichtslos und geschlossen eine Politik für
die Gleichberechtigung der Minderheitsvölker in diesem Staate
fortzusetzen, weiter zu kämpfen für die Forderungen
der nationalen Minderheiten, daß sie treu bleiben werden
den Schwüren und Gelöbnissen, die sie wiederholt
abgelegt haben. Jetzt haben sie diese Gelöbnisse vergessen.
Das Vertrauen der deutschen Bevölkerung in der Èechoslovakei
haben sie mißbraucht. Uns deutsche Arbeiter haben sie nicht
überrascht, wir wußten, daß sie ihre
sozialen und nationalen Beteuerungen nur solange aufrecht erhalten
werden, solange ihr Klasseninteresse ihnen nicht eine andere Methode
der Politik vorschreibt. Zu dieser anderen Methode der Politik
sind sie nun übergetreten, da haben sie sich gefunden mit
den èechischen Christlichsozialen, mit den èechischen
Agrariern und Gewerbeparteilern, ihre Politik wird nun geleitet
von Haß gegen die Arbeiter, in ihrer Politik entscheiden
nur reaktionäre Motive, ihre Politik ist ausschließlich
und allein darauf gerichtet, die Arbeiterklasse
niederzuhalten, ihre Vorlagen, die sie auf dem Gebiet der Sozialpolitik
ankündigen, sind Herausforderungen. Die Arbeiterklasse wird
diese Herausforderungen aufnehmen. Wir sind bereit, den uns aufgezwungenen
Kampf zu führen, diesen Kampf nicht nur im Interesse der
Arbeiterklasse allein, sondern im Interesse der Gesundung dieses
Staatswesens zu führen. Den Staatsvoranschlag lehnen wir
ab, er ist der Voranschlag eines Klassenstaates, der Voranschlag
einer Klassenregierung. Wir aber wollen, daß im Staatsvoranschlag,
daß in der Staatswirtschaft den Bedürfnissen der breiten
Schichten der arbeitenden Bevölkerung Rechnung getragen werde.
Die jetzige Koalition wird nicht solange halten,
als man sich vornimmt. Als die allnationale Koalition noch bestand,
ist wieder
holt erklärt worden: "Diese sei fest,
die hält aus". Wir hören auch jetzt wieder: "Es
bestehe keine Ursache, an der weiteren Aufrechterhaltung dieser
Politik zu zweifeln" Das kann ein rasches Ende haben. Es
gibt ein Sprichwort: "Ende gut, alles gut". Wir sind
überzeugt, das Ende dieser Regierung wird nicht gut sein
in diesem Sinne, es wird begrüßt werden von den arbeitenden
Klassen dieses Staates. Wir lehnen diesen Staatsvoranschlag ab.
Für uns bedeutet er die Ankündigung scharfer Kämpfe.
Wir Sozialdemokraten sind bereit, diese Kämpfe aufzunehmen,
wir werden sie im Interesse der Arbeiterklasse erfolgreich führen.
(Souhlas a potlesk nìm. soc. demokratických poslancù.)
Es ist selbstverständlich, daß wir
Kommunisten das Budget des kapitalistischen Staates und dieser
Regierung, zu der wir nicht das geringste Vertrauen haben, ablehnen.
Aber wir müssen feststellen, daß unsere Ablehnung des
Budgets sich grundsätzlich unterscheidet von der Art und
Weise, in welcher andere oppositionelle oder richtiger gesagt
scheinoppositionelle Parteien das Budget ablehnen. Wir lehnen,
das Budget ab, nicht nur wegen seines arbeiterfeindlichen Charakters,
sondern auch um damit zu demonstrieren unsere unversöhnliche
Feindschaft gegen diesen kapitalistischen Staat, während
alle andern sogenannten oppositionellen Parteien das Budget nur
ablehnen, weil sie in der gegenwärtigen Regierung nicht vertreten
sind. Eine Reihe von diesen Parteien, z. B. die èechischen
reformistischen Parteien haben genau solche Budgets dem kapitalistischen
Staat bewilligt, auch die deutschen Sozialdemokraten bewilligen
das Budget nicht deshalb nicht, weil es das Budget
eines kapitalistischen Staates
ist, denn auch sie sind einverstanden mit der
Bewilligung genau solcher Budgets durch sozialdemokratische Parteien
in anderen Staaten, wo diese sozialdemokratischen Parteien an
der Regierung teilnehmen. Wir Kommunisten allein bringen
durch die Ablehnung zum Ausdruck, daß wir nicht auf dem
Boden dieses kapitalistischen Staates stehen, sondern diesen Staat
als Feind der arbeitenden Klasse bekämpfen. Dieser kapitalistische
und (Další slovo bylo usnesením pøedsednictva
posl. snìmovny ze dne 25. listopadu
1927 podle §u 9. lit. m) jedn. øádu vylouèeno
z tìsnopisecké zprávy. Viz strana 76 této
tìsnopisecké zprávy.) Charakter der èechoslovakischen
sogenannten demokratischen Republik, der wird besonders klar,
wenn wir vergleichen das Ergebnis von neun
Jahren sogenannter bürgerlicher Demokratie und das von 10
Jahren Diktatur des Proletariats in einem wirklichen Staate der
Arbeiter und Bauern.
Der Unterschied zeigt sich schon in der Art
und Weise, wie in diesen beiden Staaten der Jahrestag der Entstehung
dieser Staaten gefeiert wurde. Was haben wir hier in dieser sogenannten
demokratischen Republik gesehen? Wie ist hier der neunte Jahrestag
gefeiert worden? Bei dem größten Teil der Bevölkerung,
bei den arbeitenden Massen haben wir Enttäuschung, Empörung,
Erbitterung gesehen über all das, was ihnen in diesen neun
Jahren hier widerfahren ist; und außerhalb der Grenzen dieses
Staates? War da irgend ein Angehöriger eines anderen Volkes,
der mitgefeiert hat? Nicht ein einziger, nur Gleichgültigkeit
oder Haß bei den anderen Völkern, denn nicht nur in
unserem eigenen Staat wird hier von den Herrschenden unterdrückt,
sie üben auch Unterdrückung gegen andere Völker,
stemmen sich gegen die Vereinigung, gegen das Selbstbestimmungsrecht
des österreichischen Volkes, sie haben andere Volksteile
weggerissen durch den Gewaltfrieden! Nirgends eine Spur von Sympatie
für diesen Staat! Wenn nicht Gleichgültigkeit und Haß
und Verachtung!
Wie ganz anders war die Feier des zehnten Jahrestages
des ersten Arbeiter- und Bauernstaates der Welt. Das ganze Volk
der Sowjetunion, 130 Millionen, sie waren von Jubel erfüllt,
sie haben den Sieg gefeiert, sie haben zum Ausdruck gebracht,
daß in diesen zehn Jahren für sie regiert, für
sie etwas geleistet wurde. Und nicht nur in den Grenzen der Sowjetunion,
weit über die Grenzen dieses Staates hinaus, man kann ohne
Übertreibung sagen, in der ganzen Welt hat der beste Teil
des Volkes, hat der arbeitende Teil des Volkes, haben die Arbeiter
und Bauern den Sieg der Sowjetunion als ihren eigenen Sieg mitgefeiert,
haben empfunden, daß hier etwas gewaltiges, Weltgeschichtliches
geschehen ist, daß eine neue Zeit anbricht, eine Zeit, in
der es keine Klassenunterdrückung geben wird in der vielmehr
eine neue Welt aufgebaut wird.
Diese Gefühle der Bevölkerung, dieser
Unterschied in der Art, wie die beiden Jahrestage gefeiert wurden,
ist eine Selbstverständlichkeit, wenn man das Ergebnis jener
zehn Jahre mit dem Ergebnis dieser neun Jahre vergleicht. Dort
sehen wir die Herrschaft der Arbeitenden und Aufbau des
Sozialismus zum ersten Mal in der Welt, hier sehen wir wiedererstarkte
Diktatur der Ausbeuter und verschärfte kapitalistische Anarchie
der Wirtschaft. (Výkøiky: Und Herrschaft des Pendrek.)
Jawohl. Es war ja anders vor 9 Jahren. Damals hat
man den Massen geschmeichelt, die Bourgeoisie war schwach, man
hat ihnen alles mögliche versprochen, wir haben beinahe sozialistische
Regierung gehabt, jedenfalls waren Sozialisten in den Regierungen.
Aber bald ist es anders geworden. Die sozialistischen Minister
haben den Fußtritt erhalten, den sie auch verdienten. Dafür
nimmt man jetzt die Aktivisten " die bürgerlichen Aktivisten
der unterdrückten Nationen in die Regierung, damit sie gegen
ihre eigene Nation genau denselben Verrat verüben wie ihn
die Reformistenführer gegen ihre eigene Klasse verübt
haben.
Von Sozialismus ist keine Spur hier zu entdecken,
höchstens wenn man vielleicht den Plan, die Bahnen an das
Privatkapital zu verschachern, als Sozialismus bezeichnen will.
Die Kapitalisten, die Großgrundbesitzer, haben nicht nur
ihr Vermögen behalten, auch die durch die Bodenreform sozusagen
Enteigneten haben sie ja bezahlt bekommen. Man hat ihnen noch
Millionen und Milliarden in allen möglichen Formen hinzugeschenkt
für verkrachte Banken, für nicht genug eingeheimste
Kriegsgewinne, für Verluste bei der Kriegsanleihe, unter
allen möglichen Titeln hat man ihnen noch Millionen und Milliarden
geschenkt. Protektionskinder haben noch Restgüter bekommen.
Die Kapitalisten, die Privatunternehmer sind wieder die Herren
der Wirtschaft. Das bedeutet, daß bei uns wiederum vollständig
die kapitalistische Anarchie mit allen ihren Folgen eingeführt
ist. Auf der einen Seite gerade jetzt Hochkonjunktur, gewaltige
Profite, auf der andern Seite dennoch Arbeitslosigkeit und Lohndruck.
Wir haben die Rationalisierung. Da will man uns einreden, daß
das eine Verbesserung der Wirtschaft bedeutet, die allen zugute
kommt, ein Heben des Niveaus der Wirtschaft. Wir sehen aber, daß
diese Rationalisierung die Lage der Arbeitenden aufs furchtbarste
verschlechtert, daß diese sogenannte Rationalisierung nichts
anders ist als eine verschärfte Ausbeutung und Auspressung
der Arbeitenden, die zur Folge hat, daß noch mehr Arbeiter
aufs Pflaster fliegen.