Pátek 25. listopadu 1927

Sicherlich, die Sowjetunion hat auch eine Armce und da sagt man immer, auch in der Sowjetunion gebe es einen Militarismus, es ist halt nur ein roter Militarismus. Aber die Armee in der Sowjetunion, die bewaffnete Macht, die Miliz, ist etwas ganz anderes als die Armee bei uns in der Èechoslovakei. Schon die eine Tatsache, daß auch die Arbeiter in den Betrieben Waffen, Gewehre haben, ist ein Beweis dafür, daß in der Sowjetunion wirkliche Demokratie besteht. Wo nicht das geschieht, was die Massen wollen, wird sich niemand trauen, den Massen Gewehre in die Hand zu geben. Die rote Armee ist nicht wie bei uns dazu da, um Streikende gefügig zu machen, aufständische Arbeiter zu unterdrücken, die Herrschaft der Kapitalisten zu festigen, sondern um die Herrschaft der Arbeitenden gegen fremde Angriffe, gegen Versuche, sie zu stürzen, zu verteidigen. Auch gegen den Versuch eines Krieges der imperialistischen Staaten gegen die Sowjetunion. Hier bei uns sehen wir, wie zwei Milliarden jährlich dafür ausgegeben werden, um ein Machtinstrument zur Unterdrückung der Arbeiter im Innern und für imperialistische kriegerische Abenteuer nach außen zu schaffen.

Aber wir erklären wieder, und wir haben es schon oft genug erklärt: Wenn die Herrschenden das Experiment eines imperialistischen Krieges wagen sollten, dann werden die Arbeitenden wohl die Gewehre nehmen, aber sie werden nicht gegeneinander kämpfen, sie werden sich an den Fronten verbrüdern und den imperialistischen Krieg in einen Bürgerkrieg umwandeln, und wenn es die Èechoslovakei gar wagen sollte, an einem Krieg gegen den ersten proletarischen Staat der Welt teilzunehmen, gegen die Sowjetunion, dann ist es noch viel selbstverständlicher, daß die Arbeitenden die Waffen, die ihnen in die Hand gegeben wurden, nicht zum Kampfe gegen die Sowjetunion benützen werden, sondern zum Schutz der Sowjetunion für den Sieg der proletarischen Revolution.

Wir wissen, daß an dieser Entwicklung der Verhältnisse, an dieser für die Arbeitenden so traurigen Bilanz nicht nur die Kapitalisten, die 9 Jahre herrschten, schuld sind, sondern auch die reformistischen Führer der proletarischen Parteien. Sie haben in der Stunde, wo das Proletariat die Macht hätte an sich reißen können, dem Proletariat einen anderen, einen falschen Weg gewiesen. Sie sabotieren heute die Einheitsfront der Arbeitenden auch im Kampfe für die Tagesforderungen. Aber die Dinge nehmen ihren Lauf, und trotz dieser Sabotage werden sich die Arbeitenden nicht abhalten lassen, für ihre Forderungen zu kämpfen. An diesen Kämpfen für die Tagesforderungen werden sie sehen, wer ihr wirklicher Führer ist, wer es um ihre Interessen ehrlich meint. Sie werden sich um die kommunistische Partei scharen, werden Vertrauen gewinnen zu ihr und unter ihrer Führung werden sie dem Beispiele folgen, das von den Arbeitern und Bauern der Sowjetunion gegeben wurde, und sie werden mit der Waffe in der Hand das kapitalistische System vernichten und durch die Diktatur des Proletariats den Weg freimachen für den Kommunismus. (Souhlas a potlesk komunistických poslancù.)

5. Øeè posl. dr Luschky (viz str. 62 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! Der Staatsvoranschlag für das Jahr 1928 hält sich, wie zugegeben und anerkannt werden muß, auf der Ausgabenseite um 167 Millionen niedriger, als es das Präliminare für 1927 aufwies. Wir billigen die darin liegende Tendenz der Herabsetzung der Staatsausgaben, wenn wir auch eine noch stärkere Herabsetzung lieber sehen würden, wenn wir auch für die Zukunft bei manchen Kapiteln ein stärkeres Hervortreten der Sparabsichten wünschen und für die Gebarung nach dem Voranschlage hinsichtlich aller Prestigeausgaben der Regierung eine verschärfte Sparpraxis nachdrücklichst ans Herz legen wollen. Wir haben darüber keine Zweifel gelassen, daß die Methoden der bürokratischen Zusammenstellung und damit der endgültigen Festlegung des Budgets, welche unter der all èechischen Koalition eingeführt wurden und noch immer in Geltung sind, unseren Anschauungen über den Parlamentarismus nicht entsprechen. Wir halten eine Änderung dieser Methoden nach anderen hiefür vorbildlichen Parlamenten für notwendig. Das Budgetrecht unserer Nationalversammlung würde dadurch wesentlich gehoben und die Möglichkeit der parlamentarischen Prüfung des Ziffernmaterials eigentlich erst geschaffen werden. In den vorgelegten Ziffern weisen alle Ministerien bis auf das Ernährungsministerium, dessen weitere Beibehaltung wohl überhaupt fragwürdig erscheinen kann, eine Steigerung der Ausgaben aus und nur das bedeutend günstigere Präliminare der allgemeinen Kassenverwaltung bewirkt den endlichen Aktivsaldo.

Insbesondere weist das Ministerium für auswärtige Angelegenheiten bekanntlich eine fast 50%ige Steigerung gegenüber dem Vorjahre aus. Der Minister für auswärtige Angelegenheiten hat dies im Ausschuß begründet und er sah sich hiebei auch bemüßigt, zu erklären, daß für ihn durch die Änderung der innerpolitischen Konstellation kein Grund vorliege, seine außenpolitischen Richtlinien einer Revision zu unterziehen. Ich hoffe, daß damit nicht die Absicht verbunden war, den deutschen Ministern und den deutschen Regierungsparteien daraus Verlegenheiten zu bereiten. Gegen solche Anwandlungen müßten wir uns auf das allerentschiedenste verwahren. (Souhlas poslancù nìm. strany køes. sociální.) Wir können die Außenpolitik von der gesamten Staatspolitik nicht trennen und müssen verlangen, daß in beiden der Geist der Versöhnung aller der im Staate lebenden Nationalitäten sichtbaren Ausdruck findet, (Souhlas poslancù nìm. strany køes. sociální.)

Bei dieser Gelegenheit kann ich nicht umhin, dem Wunsche Ausdruck zu geben, daß sich auch die Auslandspropaganda, hierzulande Informationsdienst genannt, für welche ansehnliche Kredite in Anspruch genommen werden, in der gleichen Richtung bewege. Dazu ist notwendig, daß das Wörterbuch der offiziellen Kundgebungen einer kleinen Revision unterzogen werde, damit manche Wunde im deutschen Empfindungsleben tatsächlich vernarben kann. (Souhlas poslancù nìm. strany køes. sociální.) In diesem Sinne wäre auch eine Änderung der Schreibweise der "Prager Presse", deren Aktien sich im Portefeuille des Herrn Ministers befinden, bei Erörterung nationaler, kultureller und sozialer Probleme äußerst angebracht. Der Herr Minister Dr Beneš sagte im Außenausschuß ganz richtig, daß durch eine Propaganda, wie er sich ausdrückte, im Geiste des Hasses und der Feindschaft nur neue Konflikte zwischen den Staaten gesäet würden und daß diese Propaganda sich zur Mehrzahl auf Unrichtigkeiten, Ungenauigkeiten, unrichtigen Statistiken, unterschobenen Dokumenten und unrichtig ausgelegten Kundgebungen begründe, und er erklärte sich deshalb dagegen. Folgerichtig müßte sich demnach auch die von ihm abhängige Auslandspropaganda selbstverständlich nur auf dieser Linie bewegen (Souhlas poslancù nìm. strany køes. sociální.) Wir stimmen einer Auslandspropaganda zu, die sich zum Ziele setzt, dem Geist des Hasses und der Feindschaft überall entgegenzutreten, die Abrüstungsbewegungen zu fördern und den Völkerbundgedanken zu stärken, niemals aber Plänen, die geeignet sein können, die völkerrechtlichen Wunden der Nachkriegszeit immer wieder aufzureißen und der natürlichen Entwicklung der Machtverhältnisse in Europa in antideutschem Sinne entgegenzuwirken. Das ist zeitgemäße Politik und politische Moral, über welche der Herr Minister ja unlängst im Ausschuß eine kleine Vorlesung gehalten hat. Es ist nur merkwürdig, daß zu gleicher Zeit seine Kriegserinnerungen in der Wiener "Neuen Freien Presse" erschienen sind, über deren Objektivität und sittlichen Wert man heftig streiten könnte, (Souhlas poslancù nìm. strany køes. sociální.)

Bei diesem Kapitel muß ich mit aller Offenheit sagen, daß wir, wie alle Minderheiten, über die Minderheitenpolitik des Völkerbundes schwer enttäuscht sind, Solange der Völkerbund nicht die strikte Durchführung der Minderheitenschutzverträge mit seiner überstaatlichen Autorität verlangt und kontrolliert, sondern Quertreibereien eher Gehör schenkt, bleiben die Minderheitenschutzbestimmungen der internationalen Verträge ein inhaltsloses Blatt Papier und diskreditieren ihre Urheber im sittlichen Urteil der Welt. Immer mehr und mehr reift bei allen Minderheiten ohne Unterschied der Nation daher auch die Erkenntnis - und das bezeugen die Minderheitenkongresse - daß die bisherige Sicherung des Minderheitenschutzes in Europa unzulänglich ist und daß dieses für den Frieden Eurpas so überaus wichtige Problem nur in der Richtung des Eigenrechts der Nationen gegenüber den Mehrheitsvölkern gelöst werden kann.

In der gleichen Erkenntnis dürfte sich auch der Minister für Schulwesen Dr Hodža bewegt haben, als er von der Minderheitenpolitik als einer entscheidenden Schicksalsfrage unlängst im Budgetausschuß,. sprach. Ich möchte den Herrn Minister gleich an den alten Spruch erinnern: "Bis dat, qui cito dat. Doppelt gibt, wer schnell gibt," Der Anlaß dazu ist ohnedies durch das Gesetz über die Verwaltungsreform gegeben, das zwangsläufig eine Novellierung des Gesetzes vom 9. April 1920 über die Verwaltung des Schulwesens erfordert. Wir erwarten von der ehesten Vorlage eines solchen Gesetzentwurfes den Grundstein zur nationalen Schulautonomie, welche allein imstande sein kann, den nationalen Schulkampf einzustellen und seine Stelle den friedlichen Wettstreit um die Höchstleistung der Völker in der Schule als Quelle der allgemeinen Wohlfahrt zu setzen, Der anerkennenswerte Wille des Herrn Ministers - und ich will daran glauben darf nicht an dem Widerwillen und den Vorurteilen mancher aus einer früheren Zeit übernomnenen Untergebenen scheitern.

Die Schulverhältnisse, wie sie liegen, sind in manchen Gegenden und in mancher Hinsicht auf die Dauer einfach unerträglich, Der krasseste Fall hiefür ist - ich muß ihn immer wieder anführen - der Bezirk Hultschin, wo in drei Dutzend Gemeinden - der Bezirk besitzt überhaupt nur 38 Gemeinden - tausende deutsche Bewohner und Staatsbürger den allgemeinen Schulgesetzen entgegen mangels deutscher Schulen in der Heimats- oder in der Nachbargemeinde noch immer gezwungen sind, ihre Kinder in auswärtige Schulen zu schicken oder den Notbehelf des kostspieligen Privatunterrichtes durchzuhalten, nur deshalb, weil ihnen das Kulturgut der eigenen Schule aus vergeblichen Entnationalisierungsgründen noch vorenthalten wird. 400 deutsche Kinder müssen auf diese Art in die Troppauer Schulen gehen. Nun ist die Zugsverbindung so eingerichtet, daß die armen Kinder schon um 6,51 Uhr früh in Troppau eintreffen müssen, um erst wieder um 18 20 Uhr abends heimreisen zu können, falls sie an den bestimmten Tag noch Nachmittagsunterricht haben. Fällt dieser weg, so steht ihnen auch erst der Zug um 13,22 Uhr ab Troppau zur Verfügung, so daß mit Recht behauptet werden kann, daß sie den ganzen Tag unterwegs sein müssen, um überhaupt nur den Schulbesuch bestreiten zu können. Meine Herren, ist es nicht unverantwortlich, durch derartige physische Überanstrengung den Schulerfolg schon von vornherein zu gefährden und eine derart unterschiedliche Behandlung zwischen Kindern deutscher und èechischer Nationalität zu machen, um schon frühzeitig die Seele des kleinen Kindes mit nationalem Haß zu vergiften? Der Privatunterricht ist ein Notbehelf, der eingeführt wurde, um in äußersten Fällen bei Leistungsfähigkeit seitens der Eltern eine Abhilfe gegen diese besprochenen Übelstände zu schaffen. 190 Kinder müssen ihn in Anspruch nehmen und waren beim Privatunterricht auch bis vor kurzem allen Schikanen ausgesetzt, welche dabei denkbar sind. Die Angelegenheit wurde gewaltsam so politisiert, daß sie schon unlösbar scheinen soll. Und doch ist der Erfolg ein sehr fraglicher. In einer Gemeinde Bolatitz besuchen 37 Kinder den Privatunterricht, 45 auswärtige Schulen, macht in Summa 82, angemeldet waren für den deutschen Unterricht 202. 120 hatten keine Möglichket, deutschen Unterricht zu genießen und war en demnach gezwungen, èechische Schulen zu besuchen. Was war der Erfolg? Von diesen restlichen haben jetzt 5 ihren Schulbesuch in Berlin und Ratibor. Ob auf diese Weise bessere Staatsbürger erzogen werden, ist sehr zu bezweifeln.

Auf der anderen Seite sehen wir, wie èechische Schulen in deutschen Gemeinden für kaum eine Handvoll Kinder nur so aus dem Boden schießen. Wo ist da die Entpolitisierung der Schule? Und doch muß es dazu kommen, wenn der Glaube an die Gerechtigkeit in unserem deutschen Volke nicht vernichtet werden soll. Für jedes Volk ist eine Schule eine Lebensfrage und ich bin, überzeugt, daß kein besserer Beweis für den nationalen Friedenswillen gegeben werden kann, als durch die nationale Schulautonomie, welche niemandem Unrecht tut, dem eigenen Volke aber sein natürliches Recht gewährt. Wir verlangen deshalb nichts Unbilliges, wenn wir für die vorhandenen Übelstände die eheste loyale Remedur verlangen. Ich halte übrigens auch den sozialen Aufstieg eines Volkes durch eine gute Schule bedingt, Die Moral der Schule ist die Moral der künftigen Generation und Volksbildung, ist eine der wichtigsten Voraussetzungen des Volkswohlstandes, an dem alle Völker des Staates in gleicher Weise interessiert sind. Viele soziale Fragen harren ja der ehesten Erledigung, denen eine gute Schulausbildung eine sehr wertvolle Unterstützung für die Zukunft sein wird und kann. Allem voran wird die Staatsregierung in den sozialen Fragen an die Aufbesserung der Ruhebezüge der sogenannten Altpensionisten herantreten müssen, die grundsätzlich wohl auch die Zustimmung aller Parteien findet, und jetzt um so mehr, als ja bekannt ist, daß die Staatsrechnungsabschlüsse der Jahre 1925 und 1926 bedeutende Überschüsse aufweisen, welche wohl sehr berechtigterweise für solche Zwecke in Verwendung genommen werden sollten. Die Bevölkerung billigt auch unterschiedslos die Forderung nach Aufhebung der verschiedenen Unterschiede der Staatspensionisten überhaupt, welche ja nur der Zufall des Zeitpunktes der Pensionierung zu ungleicher Behandlung geführt hat. Der Gedanke, daß Staatsangestellte schutzlos und schuldlos Opfer der staatsrechtlichen Veränderungen bleiben sollen, ist vielen, nicht nur den Altpensionisten und anderen Pensionistenkategorien, die schlechter gestellt sind, unerträglich. Gleiches Recht für alle, ist auch da das Ziel der Bestrebungen meiner Partei. Das Los der sogenannten Altpensionisten duldet keinen weiteren Aufschub. In gleicher Weise muß ich da auch der Altpensionisten gedenken, welche oft in blühender Arbeitskraft vor zwei Jahren ihren Beruf verlassen mußten, um nur auf die Pensionsbezüge angewiesen zu sein, welche weit hinter jenen zurückstehen, die oft nur wenige Tage später, aber nach dem neuen Gehaltsgesetz pensioniert wurden. Auch da erheischt das soziale Gewissen die Forderung nach einer Ausgleichung und Berücksichtigung.

Nicht zuletzt ist da auch der ehemaligen Unteroffiziere der ehemaligen österreichisch-ungarischen Armee zu gedenken, welche in die èechoslovakische Armee übernommen wurden und dann oft nach Jahren eines Tages wieder entlassen wurden, u. zw. ohne Abfertigung und ohne Pension. Sehr naheliegend wäre es, diesen Unteroffizier en wieder die Möglichkeit der Reaktivierung zu bieten, sie wieder einzustellen, schon um dem vom Herrn Minister für nationale Verteidigung beklagten Mangel an längerdienenden Unteroffizieren rascher abhelfen zu können. Damit wäre auch die agitatorisch von den Oppositionsparteien so ausgenützte vorläufige Verlängerung der Militärdienstzeit, welche auf den Mangel von Unteroffizieren zurück geführt und damit begründet wurde, früher behoben.

Weiters gehört zu den sozialen Aufgaben, welche uns bevorstehen, die Sorge für jene alten bedürftigen Personen, die nicht unter das Gesetz über die Sozialversicherung fallen und für welche die Armenpflege der Gemeinden wohl nicht entsprechend oder überhaupt nicht aufzukommen vermag; weiters die eheste Novellierung der Kranken- und Pensionsversicherung der Privatangestellten, die Unfallversicherung der Land- und Forstarbeiter, die Sanierung der Bruderladen und der Übergang vom Genter System zur Arbeitslosenversicherung. Gleichzeitig urgiere ich die Erledigung des Antrages der Senatoren Stolberg, Scholz und Genossen, betreffend die gesetzliche Regelung der Verhältnisse der Sozialversicherung im Hultschiner Gebiet, durch welchen die Regierung aufgefordert wird, ehestens einen Gesetzentwurf vorzulegen, in welchem die Überprüfung der nach den früheren reichsdeutschen Gesetzen bereits versicherten und versorgungsberechtigten Personen sowie auch die Anerkennung der erworbenen Ansprüche und Anwartschaften in Ausführung des Art. 312 des Versailler Friedensvertrages geregelt wird. Ich kann nicht umhin, dem Bedauern Ausdruck zu geben, daß diese wichtige Materie bisher nur ganz unzulänglich oder oft sogar gegenteilig durch die Praxis und den Verordnungsweg behandelt wurde. Es erscheint mir unzweifelhaft, daß alle diese angeführten Aufgaben soziale Pflichten sind, deren Erfüllung wir im Rahmen der finanziellen Möglichkeit mit aller Eindeutigkeit anstreben müssen.

Im Verkehrswesen stelle ich zu den Verkehrsproblemen die allgemeine Erscheinung fest, daß der auf vielen Gebieten der Verkehrsmittel feststellbare ungeheure Foftschritt der Technik beim Eisenbahnwesen wenigstens bei uns ausgeblieben ist. Die Zugsverbindungen halten sich höchstens auf dem Stande der Vorkriegszeit, ja sie haben sich sogar verschlechtert. Da ist es doch begreiflich, daß das Auto und das Flugzeug immer größere Konkurrenten des Eisenbahnverkehrs werden müssen. Ich glaube, die Eisenbahnverwaltung wird deshalb gut tun, einerseits durch fortschreitende Ökonomisierung des Betriebes, andererseits durch weitergehendes Entgegenkommen gegenüber den Bedürfnissen des Personen- und Frachtenverkehres das Möglichste zu leisten. Es wird notwendig sein, daß da insbesondere Autoverkehrslinien zur Ergänzung des Eisenbahnnetzes gefördert und nicht verhindert werden. Und dieses Hand-in-Handarbeiten aller Verkehrszweige und Verkehrsmöglichkeiten wird sicherlich mehr Nutzen bringen, als die Unterbindung von Verkehrsmitteln, wie es Autos und die Flugzeuge sind, denen doch die Zukunft gehört. Ob die Staatsbahnen verpachtet werden sollen oder nicht, berührt die Bevölkerung nur insoferne, als sie eine Verbesserung der Zugsverbindungen sowie eine Verbilligung der Tarife herbeisehnt. Wer es macht, ist gleichgültig, wenn es nur geschieht. So könnten z. B. - das wäre eine wesentliche Verbesserung -, die überflüssig langen und höchstens den dortigen Bahnhofswirtschaften dienenden Aufenthalte in den Grenzstationen weiter verkürzt werden. Die Schnellzüge könnten oft zu dem gemacht werden, was sie sein sollen, nämlich zu Schnellzügen, während sie es in Wirklichkeit nicht sind, Ein typischer Fall ist die Verbindung von Schlesien über Nordmähren und Ostböhmen nach Prag. Ich bin gezwungen, wiederholt den sogenannten Sudetenschnellzug über Hannsdorf und Königgrätz zu benützen. Ich glaube, für diese Route würden sich auch im schlesischen Gebirgsterrain eine Verbesserung der Fahrtzeit leicht erzielen lassen, wenn nicht anders, so doch durch die Einführung von Triebwagen, die bei dem geringen Personenverkehr auch vollkommen ausreichen und viele der Schwierigkeiten überwinden würden. Jedenfalls ist es im Interesse der Belebung und Förderung der Wirtschaft, daß den Verkehrsfragen überall wohlwollende Unterstützung, gewährt wird und das Verkehrswesen sich bei uns entwickle.

Das erste Dezennium des neuentstandenen Staates wird bald vorüber sein. Von maßgebender Seite wurde ja vor einigen Wochen mit dem Hinweise darauf schon aufmerksam gemacht, daß für die günstige Abrechnung der Zehnjahresbilanz noch viel getan und verbessert werden soll, damit sie ehrenvoll ausfalle. Eine äußerst günstige Gelegenheit hiefür wäre die Umstellung der Motive zur Bodenreform. Ich kann da beim besten Willen nicht in das Lob einstimmen, welches der Durchführung der Bodenreform noch immer ostentativ gewidmet wird. Die Bodenreform als solche billigen wir programmatisch und sind uns ihrer sozialen Bedeutung, wenn sie eine soziale Lösung erfährt, voll bewußt. Aber wir verhehlen uns nicht, daß die Durchführung der Bodenreform Mängel aufweist, vielerorts, deren Beseitigung bei gutem Willen im Jubiläumsjahr wohl geschehen müßte, falls man wirklich ein Ruhmesblatt für diese Bodenreform für die Geschichte schaffen wollte. Ich glaube, die Richtschnur kann das allgemein geklärte Urteil jener werden, welche, und das ist wichtig, national und materiell desinteressiert die Bodenreform als soziales Problem und nur als solches gelöst wissen wollen. Da vereinigen sich unsere Wünsche mit nationalen Gedanken. Denn auch in nationaler Beziehung: erwarten wir uns manche Besserung im Jubiläumsjahr, vor allem ein stärkeres Hervortreten einer sichtbaren Verständigung zwischen den Nationalitäten des Staates. Wenn nicht alle Anzeichen trügen, so wird ja der Verständigungsgedanke mit seiner Werbekraft immer mehr Gemeingut aller Völker dieses Staates, und in rechtzeitiger Erkenntnis haben wir als deutsche Partei deshalb auch das Versöhnungswerk von allem - Anfang an aktiv mitgemacht und übernehmen, für diesen Schritt, diesen Versuch alle Verantwortung für die Geschichte unseres Volkes, welche darüber objektiver und gerechter urteilen wird, als es oft die Gegenwart zu tun sich bemüßigt fühlt. Wir sind , uns aber auch immer bewußt gewesen, daß die Schwierigkeiten nicht gering sind, welche wir dabei zu überwinden haben werden schließlich ist aller Anfang schwer - und welche dadurch entstehen, daß wir bei selbstverständlicher Aufrechterhaltung unserer Anschauungen Erfüllungen und nicht den Schein der Preisgabe unseres Programmes

und unserer Absichten bewirken wollen.

Unsere ganze Einstellung ist davon beseelt, unsere Partner im Verständigungswerk von der Gerechtigkeit unserer Sache und unseres Standpunktes zu überzeugen und damit dem deutschen Volkes innerhalb des Staates seine Gleichberechtigung zu erringen, ein hohes Ziel, das aller Mühen und Anstrengungen wert ist. Unsere Stellungnahme zu den Lebensinteressen unseres Volkes ist ja den maßgebenden Stellen bekannt und hat sich niemals verändert. Auf dieser mittleren Linie, die wir damit gefunden zu haben glauben, werden sich früher oder später alle zur gemeinsamen Wohlfahrt treffen müssen. Deshalb braucht auch durch diesen Schritt keine Kluft im Sudetendeutschtum aufgetaucht zu sein und alle agitatorischen Gegenaktionen einzelner politischer Parteien zu diesem Zweck haben doch bei der Reife unseres Volkes keine Aussicht auf dauernden Erfolg.

Unsere tatsächliche politische Schicksalsgemeinschaft aller Deutschen in diesem Staate ist der stärkste Faktor und stärker als politische Phantasie oder jedweder Parteiegoismus. Wir sind bestrebt, die Einigkeit mit unserem Volke und den Parteien desselben auch politisch nicht zu stören und diese gegebene Tatsache auch im politischen Leben sich auswirken zu lassen. Wir verhalten uns deshalb maßvoll zu den anderen deutschen Parteien und ihren Anschauungen, was wir leider auf der Gegenseite oft nicht feststellen können. Wo eine Kluft sich auftut, suchen wir sie zu überbrücken. Das ist die Wahrheit. Auch eine Berichterstattung im Auslande, die sich in anderer Richtung bewegt, ist unrichtig. So ist es vorgekommen, daß ein Bericht über den deutschen Minderheitenkongreß in Riga im Sommer d. J. in der ausländischen Presse tendenziös er " stattet wurde. Es ist unrichtig, daß auf dem deutschen Minderheitenkongreß in Riga die Gegensätze zwischen Aktivisten und Negativisten in unangenehmster Weise aneinander stießen, wie ein gewisser Herr Franz Bacher, Hauptleitungsmitglied der deutschdemokratischen Freiheitspartei, in der "Neuen freien Presse" vom 19. August 1927 behauptete, und damit einen ganz anderen Eindruck hervorrief, als er tatsächlich bei diesem Kongreß ausgelöst wurde. Wahr ist, daß bei diesem Kongreß nur Deutsche und nicht internanationale Minderheiten anwesend waren und auch wir Deutschen, vertreten durch Senator Dr Brunar und mich, programmäßig aufgefordert wurden, Lageberichte je nach der Auffassung unserer politischen Einstellung dort abzugeben, daß unsere Ausführungen beiderseits im versöhnlichen und sachlichen Tone gehalten waren und daß wir uns am Schluß der Kongreßberichterstattung unter dröhnendem Beifall der ganzen Versammlung die Hände schüttelten. Es ist deshalb ganz unangebracht und falsch, zu berichten, daß die Mißstimmung allgemein und unangenehm auffiel. Eine solche tendenziöse Berichterstattung bringt sicherlich dem ganzen Deutschtum auch gar keinen Gewinn. Unsere Überzeugung ist, daß, wer von deutscher Seite die deutschen Regierungsparteien hemmungslos bekämpft, höchstens nur erreichen kann, daß die Stellung der deutschen Reierungsparteien innerhhalb der Regierungsmehrheit geschwächt wird und daß daraus kein Vorteil, sondern nur höchstens Nachteile für das gesamte deutsche Volk erwachsen.

Unsere Aufgabe bleibt es, aus dieser Erkenntnis heraus jedenfalls den bisherigen Weg als den einzig möglichen, dessen theoretische Beurteilung für das praktische Leben ja nicht genügt, bahnbrechend fortzusetzen, um dem deutschen Volke seine natürlichen und gesetzlichen Rechte zu erringen. Ich meine, da können und sollen alle Deutschen im Staate mithelfen, um dies nicht nur schneller, sondern auch wirkungsvoller zu bewerkstelligen und dem Leben, wie es einmal der Fall ist, mehr Kompromisse abzuringen, als es vielleicht unter den gegebenen Verhältnissen bisher der Fall sein konnte. Wir erachten es als unsere Pflicht, in diesem Sinne politisch zu arbeiten, niemandem anderen zu Liebe als unserem eigenen Volke, Und Sache der Regierung wird es wohl sein, die Erfüllung lebenswichtiger Interessen für unser Volk, die ja mit den Staatsinteressen gleich laufen, baldigst zu ermöglichen. In dieser Erwartung werden wir für den Voranschlag stimmen, zum Beweise unseres ehrlichen Willens zur positiven Arbeit und damit allseits der Weg freibleibe zur loyalen Zusammenarbeit und zu erfüllender Tat. (Potlesk poslancù nìm. strany køes. sociální.)



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