Sicherlich, die Sowjetunion hat auch eine Armce
und da sagt man immer, auch in der Sowjetunion gebe es einen Militarismus,
es ist halt nur ein roter Militarismus. Aber die Armee in der
Sowjetunion, die bewaffnete Macht, die Miliz, ist etwas ganz anderes
als die Armee bei uns in der Èechoslovakei. Schon
die eine Tatsache, daß auch die Arbeiter in den Betrieben
Waffen, Gewehre haben, ist ein Beweis dafür, daß in
der Sowjetunion wirkliche Demokratie besteht. Wo nicht das geschieht,
was die Massen wollen, wird sich niemand trauen,
den Massen Gewehre in die Hand zu geben. Die rote Armee ist nicht
wie bei uns dazu da, um Streikende gefügig zu machen, aufständische
Arbeiter zu unterdrücken, die Herrschaft der Kapitalisten
zu festigen, sondern um die Herrschaft der Arbeitenden gegen fremde
Angriffe, gegen Versuche, sie zu stürzen, zu verteidigen.
Auch gegen den Versuch eines Krieges der imperialistischen Staaten
gegen die Sowjetunion. Hier bei uns sehen wir, wie zwei Milliarden
jährlich dafür ausgegeben werden, um ein Machtinstrument
zur Unterdrückung der Arbeiter im Innern und für imperialistische
kriegerische Abenteuer nach außen zu schaffen.
Aber wir erklären wieder, und wir haben
es schon oft genug erklärt: Wenn die Herrschenden das Experiment
eines imperialistischen Krieges wagen sollten, dann werden
die Arbeitenden wohl die Gewehre nehmen, aber sie werden nicht
gegeneinander kämpfen, sie werden sich an den Fronten verbrüdern
und den imperialistischen Krieg in einen Bürgerkrieg umwandeln,
und wenn es die Èechoslovakei gar wagen sollte,
an einem Krieg gegen den ersten proletarischen Staat der Welt
teilzunehmen, gegen die Sowjetunion, dann ist es noch viel selbstverständlicher,
daß die Arbeitenden die Waffen, die ihnen in die Hand gegeben
wurden, nicht zum Kampfe gegen die Sowjetunion benützen werden,
sondern zum Schutz der Sowjetunion für den Sieg der proletarischen
Revolution.
Wir wissen, daß an dieser Entwicklung
der Verhältnisse, an dieser für die Arbeitenden so traurigen
Bilanz nicht nur die Kapitalisten, die 9 Jahre herrschten, schuld
sind, sondern auch die reformistischen Führer der proletarischen
Parteien. Sie haben in der Stunde, wo das Proletariat die Macht
hätte an sich reißen können, dem Proletariat einen
anderen, einen falschen Weg gewiesen. Sie sabotieren heute die
Einheitsfront der Arbeitenden auch im Kampfe für die Tagesforderungen.
Aber die Dinge nehmen ihren Lauf, und trotz dieser Sabotage werden
sich die Arbeitenden nicht abhalten lassen, für ihre Forderungen
zu kämpfen. An diesen Kämpfen für die Tagesforderungen
werden sie sehen, wer ihr wirklicher Führer ist, wer es um
ihre Interessen ehrlich meint. Sie werden sich um die kommunistische
Partei scharen, werden Vertrauen gewinnen zu ihr und unter ihrer
Führung werden sie dem Beispiele folgen, das von den Arbeitern
und Bauern der Sowjetunion gegeben wurde, und sie werden mit der
Waffe in der Hand das kapitalistische System vernichten und durch
die Diktatur des Proletariats den Weg freimachen für den
Kommunismus. (Souhlas a potlesk komunistických poslancù.)
Hohes Haus! Der Staatsvoranschlag für
das Jahr 1928 hält sich, wie zugegeben und anerkannt werden
muß, auf der Ausgabenseite um 167 Millionen niedriger, als
es das Präliminare für 1927 aufwies. Wir billigen die
darin liegende Tendenz der Herabsetzung der Staatsausgaben, wenn
wir auch eine noch stärkere Herabsetzung lieber sehen würden,
wenn wir auch für die Zukunft bei manchen Kapiteln ein stärkeres
Hervortreten der Sparabsichten wünschen und für die
Gebarung nach dem Voranschlage hinsichtlich aller Prestigeausgaben
der Regierung eine verschärfte Sparpraxis nachdrücklichst
ans Herz legen wollen. Wir haben darüber keine Zweifel gelassen,
daß die Methoden der bürokratischen Zusammenstellung
und damit der endgültigen Festlegung des Budgets,
welche unter der all èechischen Koalition eingeführt
wurden und noch immer in Geltung sind, unseren Anschauungen über
den Parlamentarismus nicht entsprechen. Wir halten eine Änderung
dieser Methoden nach anderen hiefür vorbildlichen
Parlamenten für notwendig. Das Budgetrecht unserer Nationalversammlung
würde dadurch wesentlich gehoben und die Möglichkeit
der parlamentarischen Prüfung des Ziffernmaterials eigentlich
erst geschaffen werden. In den vorgelegten Ziffern weisen alle
Ministerien bis auf das Ernährungsministerium, dessen weitere
Beibehaltung wohl überhaupt fragwürdig erscheinen kann,
eine Steigerung der Ausgaben aus und nur das bedeutend günstigere
Präliminare der allgemeinen Kassenverwaltung bewirkt den
endlichen Aktivsaldo.
Insbesondere weist das Ministerium für
auswärtige Angelegenheiten bekanntlich eine fast 50%ige Steigerung
gegenüber dem Vorjahre aus. Der Minister für auswärtige
Angelegenheiten hat dies im Ausschuß begründet und
er sah sich hiebei auch bemüßigt, zu erklären,
daß für ihn durch die Änderung der innerpolitischen
Konstellation kein Grund vorliege, seine außenpolitischen
Richtlinien einer Revision zu unterziehen. Ich hoffe, daß
damit nicht die Absicht verbunden war, den deutschen Ministern
und den deutschen Regierungsparteien daraus Verlegenheiten zu
bereiten. Gegen solche Anwandlungen müßten wir uns
auf das allerentschiedenste verwahren. (Souhlas poslancù
nìm. strany køes. sociální.)
Wir können die Außenpolitik von der gesamten Staatspolitik
nicht trennen und müssen verlangen, daß in beiden
der Geist der Versöhnung aller der im Staate lebenden Nationalitäten
sichtbaren Ausdruck findet, (Souhlas poslancù nìm.
strany køes. sociální.)
Bei dieser Gelegenheit kann ich nicht umhin,
dem Wunsche Ausdruck zu geben, daß sich auch die Auslandspropaganda,
hierzulande Informationsdienst genannt, für welche ansehnliche
Kredite in Anspruch genommen werden, in der gleichen Richtung
bewege. Dazu ist notwendig, daß das Wörterbuch der
offiziellen Kundgebungen einer kleinen Revision unterzogen werde,
damit manche Wunde im deutschen Empfindungsleben tatsächlich
vernarben kann. (Souhlas poslancù nìm. strany
køes. sociální.) In diesem Sinne wäre
auch eine Änderung der Schreibweise der "Prager Presse",
deren Aktien sich im Portefeuille des Herrn Ministers befinden,
bei Erörterung nationaler, kultureller und sozialer Probleme
äußerst angebracht. Der Herr Minister
Dr Beneš sagte im Außenausschuß ganz richtig,
daß durch eine Propaganda, wie er sich ausdrückte,
im Geiste des Hasses und der Feindschaft nur neue Konflikte zwischen
den Staaten gesäet würden und daß diese Propaganda
sich zur Mehrzahl auf Unrichtigkeiten, Ungenauigkeiten, unrichtigen
Statistiken, unterschobenen Dokumenten und unrichtig ausgelegten
Kundgebungen begründe, und er erklärte sich deshalb
dagegen. Folgerichtig müßte sich demnach auch die von
ihm abhängige Auslandspropaganda selbstverständlich
nur auf dieser Linie bewegen (Souhlas poslancù nìm.
strany køes. sociální.) Wir stimmen
einer Auslandspropaganda zu, die sich zum Ziele setzt, dem Geist
des Hasses und der Feindschaft überall entgegenzutreten,
die Abrüstungsbewegungen zu fördern
und den Völkerbundgedanken zu stärken, niemals aber
Plänen, die geeignet sein können, die völkerrechtlichen
Wunden der Nachkriegszeit immer wieder aufzureißen und der
natürlichen Entwicklung der Machtverhältnisse in Europa
in antideutschem Sinne entgegenzuwirken. Das ist zeitgemäße
Politik und politische Moral, über welche der Herr Minister
ja unlängst im Ausschuß eine kleine Vorlesung gehalten
hat. Es ist nur merkwürdig, daß zu gleicher Zeit seine
Kriegserinnerungen in der Wiener "Neuen Freien Presse"
erschienen sind, über deren Objektivität und sittlichen
Wert man heftig streiten könnte, (Souhlas poslancù
nìm. strany køes. sociální.)
Bei diesem Kapitel muß ich mit aller
Offenheit sagen, daß wir, wie alle Minderheiten, über
die Minderheitenpolitik des Völkerbundes schwer enttäuscht
sind, Solange der Völkerbund nicht die strikte Durchführung
der Minderheitenschutzverträge mit seiner überstaatlichen
Autorität verlangt und kontrolliert, sondern Quertreibereien
eher Gehör schenkt, bleiben die Minderheitenschutzbestimmungen
der internationalen Verträge ein inhaltsloses Blatt Papier
und diskreditieren ihre Urheber im sittlichen Urteil der Welt.
Immer mehr und mehr reift bei allen Minderheiten ohne Unterschied
der Nation daher auch die Erkenntnis - und das bezeugen die Minderheitenkongresse
- daß die bisherige Sicherung des Minderheitenschutzes in
Europa unzulänglich ist und daß dieses für den
Frieden Eurpas so überaus wichtige Problem nur in der Richtung
des Eigenrechts der Nationen gegenüber den Mehrheitsvölkern
gelöst werden kann.
In der gleichen Erkenntnis dürfte sich
auch der Minister für Schulwesen Dr Hodža
bewegt haben, als er von der Minderheitenpolitik
als einer entscheidenden Schicksalsfrage unlängst im Budgetausschuß,.
sprach. Ich möchte den Herrn Minister gleich an den alten
Spruch erinnern: "Bis dat, qui cito dat. Doppelt gibt, wer
schnell gibt," Der Anlaß dazu ist ohnedies durch das
Gesetz über die Verwaltungsreform gegeben, das zwangsläufig
eine Novellierung des Gesetzes vom 9. April 1920 über die
Verwaltung des Schulwesens erfordert. Wir erwarten von der ehesten
Vorlage eines solchen Gesetzentwurfes den Grundstein zur nationalen
Schulautonomie, welche allein imstande sein kann, den nationalen
Schulkampf einzustellen und seine Stelle den friedlichen Wettstreit
um die Höchstleistung der Völker in der Schule als Quelle
der allgemeinen Wohlfahrt zu setzen, Der anerkennenswerte Wille
des Herrn Ministers - und ich will daran glauben darf nicht an
dem Widerwillen und den Vorurteilen mancher aus einer früheren
Zeit übernomnenen Untergebenen scheitern.
Die Schulverhältnisse, wie sie liegen,
sind in manchen Gegenden und in mancher Hinsicht auf die Dauer
einfach unerträglich, Der krasseste Fall hiefür ist
- ich muß ihn immer wieder anführen - der Bezirk Hultschin,
wo in drei Dutzend Gemeinden - der Bezirk besitzt überhaupt
nur 38 Gemeinden - tausende deutsche Bewohner und Staatsbürger
den allgemeinen Schulgesetzen entgegen mangels deutscher Schulen
in der Heimats- oder in der Nachbargemeinde noch immer gezwungen
sind, ihre Kinder in auswärtige Schulen zu schicken oder
den Notbehelf des kostspieligen Privatunterrichtes durchzuhalten,
nur deshalb, weil ihnen das Kulturgut der eigenen Schule aus vergeblichen
Entnationalisierungsgründen noch vorenthalten wird. 400 deutsche
Kinder müssen auf diese Art in die Troppauer Schulen gehen.
Nun ist die Zugsverbindung so eingerichtet, daß die armen
Kinder schon um 6,51 Uhr früh in Troppau eintreffen müssen,
um erst wieder um 18 20 Uhr abends heimreisen zu können,
falls sie an den bestimmten Tag noch Nachmittagsunterricht haben.
Fällt dieser weg, so steht ihnen auch erst der Zug um 13,22
Uhr ab Troppau zur Verfügung, so daß mit Recht behauptet
werden kann, daß sie den ganzen Tag unterwegs sein müssen,
um überhaupt nur den Schulbesuch bestreiten zu können.
Meine Herren, ist es nicht unverantwortlich, durch derartige physische
Überanstrengung den Schulerfolg schon von vornherein
zu gefährden und eine derart unterschiedliche Behandlung
zwischen Kindern deutscher und èechischer Nationalität
zu machen, um schon frühzeitig die Seele des kleinen Kindes
mit nationalem Haß zu vergiften? Der
Privatunterricht ist ein Notbehelf, der eingeführt wurde,
um in äußersten Fällen bei Leistungsfähigkeit
seitens der Eltern eine Abhilfe gegen diese besprochenen Übelstände
zu schaffen. 190 Kinder müssen ihn in Anspruch nehmen und
waren beim Privatunterricht auch bis vor kurzem allen Schikanen
ausgesetzt, welche dabei denkbar sind. Die Angelegenheit wurde
gewaltsam so politisiert, daß sie schon unlösbar scheinen
soll. Und doch ist der Erfolg ein sehr fraglicher. In einer Gemeinde
Bolatitz besuchen 37 Kinder den Privatunterricht, 45 auswärtige
Schulen, macht in Summa 82, angemeldet waren für den
deutschen Unterricht 202. 120 hatten keine Möglichket, deutschen
Unterricht zu genießen und war en demnach gezwungen, èechische
Schulen zu besuchen. Was war der Erfolg? Von
diesen restlichen haben jetzt 5 ihren Schulbesuch in Berlin und
Ratibor. Ob auf diese Weise bessere Staatsbürger erzogen
werden, ist sehr zu bezweifeln.
Auf der anderen Seite sehen wir, wie èechische Schulen
in deutschen Gemeinden für kaum eine Handvoll
Kinder nur so aus dem Boden schießen. Wo ist da die Entpolitisierung
der Schule? Und doch muß es dazu kommen, wenn der Glaube
an die Gerechtigkeit in unserem deutschen Volke nicht vernichtet
werden soll. Für jedes Volk ist eine Schule eine Lebensfrage
und ich bin, überzeugt, daß kein besserer Beweis für
den nationalen Friedenswillen gegeben werden kann, als durch die
nationale Schulautonomie, welche niemandem Unrecht tut, dem eigenen
Volke aber sein natürliches Recht gewährt. Wir verlangen
deshalb nichts Unbilliges, wenn wir für die vorhandenen Übelstände
die eheste loyale Remedur verlangen. Ich halte übrigens auch
den sozialen Aufstieg eines Volkes durch eine gute Schule bedingt,
Die Moral der Schule ist die Moral der künftigen Generation
und Volksbildung, ist eine der wichtigsten Voraussetzungen des
Volkswohlstandes, an dem alle Völker des Staates in gleicher
Weise interessiert sind. Viele soziale Fragen harren ja der ehesten
Erledigung, denen eine gute Schulausbildung eine sehr wertvolle
Unterstützung für die Zukunft sein wird und kann. Allem
voran wird die Staatsregierung in den sozialen Fragen an die Aufbesserung
der Ruhebezüge der sogenannten Altpensionisten herantreten
müssen, die grundsätzlich wohl auch die Zustimmung aller
Parteien findet, und jetzt um so mehr, als ja bekannt ist, daß
die Staatsrechnungsabschlüsse der Jahre 1925 und 1926 bedeutende
Überschüsse aufweisen, welche wohl sehr berechtigterweise
für solche Zwecke in Verwendung genommen werden sollten.
Die Bevölkerung billigt auch unterschiedslos die Forderung
nach Aufhebung der verschiedenen Unterschiede der Staatspensionisten
überhaupt, welche ja nur der Zufall des Zeitpunktes der Pensionierung
zu ungleicher Behandlung geführt hat. Der Gedanke, daß
Staatsangestellte schutzlos und schuldlos Opfer der staatsrechtlichen
Veränderungen bleiben sollen, ist vielen, nicht nur den Altpensionisten
und anderen Pensionistenkategorien, die schlechter gestellt sind,
unerträglich. Gleiches Recht für alle, ist auch da das
Ziel der Bestrebungen meiner Partei. Das Los der sogenannten Altpensionisten
duldet keinen weiteren Aufschub. In gleicher Weise muß ich
da auch der Altpensionisten gedenken, welche oft in blühender
Arbeitskraft vor zwei Jahren ihren Beruf verlassen mußten,
um nur auf die Pensionsbezüge angewiesen zu sein, welche
weit hinter jenen zurückstehen, die oft nur wenige Tage später,
aber nach dem neuen Gehaltsgesetz pensioniert wurden. Auch da
erheischt das soziale Gewissen die Forderung nach einer Ausgleichung
und Berücksichtigung.
Nicht zuletzt ist da auch der ehemaligen
Unteroffiziere der ehemaligen österreichisch-ungarischen
Armee zu gedenken, welche in die èechoslovakische Armee
übernommen wurden und dann oft nach Jahren eines Tages wieder
entlassen wurden, u. zw. ohne Abfertigung und
ohne Pension. Sehr naheliegend wäre es, diesen Unteroffizier
en wieder die Möglichkeit der Reaktivierung zu bieten, sie
wieder einzustellen, schon um dem vom Herrn Minister für
nationale Verteidigung beklagten Mangel an längerdienenden
Unteroffizieren rascher abhelfen zu können. Damit wäre
auch die agitatorisch von den Oppositionsparteien so ausgenützte
vorläufige Verlängerung der Militärdienstzeit,
welche auf den Mangel von Unteroffizieren zurück geführt
und damit begründet wurde, früher behoben.
Weiters gehört zu den sozialen Aufgaben,
welche uns bevorstehen, die Sorge für jene alten bedürftigen
Personen, die nicht unter das Gesetz über die Sozialversicherung
fallen und für welche die Armenpflege der Gemeinden wohl
nicht entsprechend oder überhaupt nicht aufzukommen vermag;
weiters die eheste Novellierung der Kranken- und Pensionsversicherung
der Privatangestellten, die Unfallversicherung der Land- und Forstarbeiter,
die Sanierung der Bruderladen und der Übergang vom Genter
System zur Arbeitslosenversicherung. Gleichzeitig urgiere ich
die Erledigung des Antrages der Senatoren Stolberg, Scholz
und Genossen, betreffend die gesetzliche Regelung der Verhältnisse
der Sozialversicherung im Hultschiner Gebiet, durch welchen die
Regierung aufgefordert wird, ehestens einen Gesetzentwurf vorzulegen,
in welchem die Überprüfung der nach den früheren
reichsdeutschen Gesetzen bereits versicherten und versorgungsberechtigten
Personen sowie auch die Anerkennung der erworbenen Ansprüche
und Anwartschaften in Ausführung des Art. 312 des Versailler
Friedensvertrages geregelt wird. Ich kann nicht umhin, dem Bedauern
Ausdruck zu geben, daß diese wichtige Materie bisher nur
ganz unzulänglich oder oft sogar gegenteilig durch die Praxis
und den Verordnungsweg behandelt wurde. Es erscheint mir unzweifelhaft,
daß alle diese angeführten Aufgaben soziale Pflichten
sind, deren Erfüllung wir im Rahmen der finanziellen Möglichkeit
mit aller Eindeutigkeit anstreben müssen.
Im Verkehrswesen stelle ich zu den Verkehrsproblemen
die allgemeine Erscheinung fest, daß der auf vielen Gebieten
der Verkehrsmittel feststellbare ungeheure Foftschritt der Technik
beim Eisenbahnwesen wenigstens bei uns ausgeblieben ist. Die Zugsverbindungen
halten sich höchstens auf dem Stande der Vorkriegszeit, ja
sie haben sich sogar verschlechtert. Da ist es doch begreiflich,
daß das Auto und das Flugzeug immer größere Konkurrenten
des Eisenbahnverkehrs werden müssen. Ich glaube, die Eisenbahnverwaltung
wird deshalb gut tun, einerseits durch fortschreitende Ökonomisierung
des Betriebes, andererseits durch weitergehendes Entgegenkommen
gegenüber den Bedürfnissen des Personen- und Frachtenverkehres
das Möglichste zu leisten. Es wird notwendig sein, daß
da insbesondere Autoverkehrslinien zur Ergänzung des Eisenbahnnetzes
gefördert und nicht verhindert werden. Und dieses Hand-in-Handarbeiten
aller Verkehrszweige und Verkehrsmöglichkeiten wird sicherlich
mehr Nutzen bringen, als die Unterbindung von Verkehrsmitteln,
wie es Autos und die Flugzeuge sind, denen doch die Zukunft gehört.
Ob die Staatsbahnen verpachtet werden sollen oder nicht, berührt
die Bevölkerung nur insoferne, als sie eine Verbesserung
der Zugsverbindungen sowie eine Verbilligung der Tarife herbeisehnt.
Wer es macht, ist gleichgültig, wenn es nur geschieht. So
könnten z. B. - das wäre eine wesentliche Verbesserung
-, die überflüssig langen und höchstens den dortigen
Bahnhofswirtschaften dienenden Aufenthalte in den Grenzstationen
weiter verkürzt werden. Die Schnellzüge könnten
oft zu dem gemacht werden, was sie sein sollen, nämlich zu
Schnellzügen, während sie es in Wirklichkeit nicht sind,
Ein typischer Fall ist die Verbindung von Schlesien über
Nordmähren und Ostböhmen nach Prag. Ich bin gezwungen,
wiederholt den sogenannten Sudetenschnellzug über Hannsdorf
und Königgrätz zu benützen. Ich glaube, für
diese Route würden sich auch im schlesischen Gebirgsterrain
eine Verbesserung der Fahrtzeit leicht erzielen lassen, wenn nicht
anders, so doch durch die Einführung von Triebwagen, die
bei dem geringen Personenverkehr auch vollkommen ausreichen und
viele der Schwierigkeiten überwinden würden. Jedenfalls
ist es im Interesse der Belebung und Förderung der Wirtschaft,
daß den Verkehrsfragen überall wohlwollende Unterstützung,
gewährt wird und das Verkehrswesen sich bei uns entwickle.
Das erste Dezennium des neuentstandenen Staates
wird bald vorüber sein. Von maßgebender Seite wurde
ja vor einigen Wochen mit dem Hinweise darauf schon aufmerksam
gemacht, daß für die günstige Abrechnung der Zehnjahresbilanz
noch viel getan und verbessert werden soll, damit sie ehrenvoll
ausfalle. Eine äußerst günstige Gelegenheit hiefür
wäre die Umstellung der Motive zur Bodenreform. Ich kann
da beim besten Willen nicht in das Lob einstimmen, welches der
Durchführung der Bodenreform noch immer ostentativ gewidmet
wird. Die Bodenreform als solche billigen wir programmatisch und
sind uns ihrer sozialen Bedeutung, wenn sie eine soziale Lösung
erfährt, voll bewußt. Aber wir verhehlen uns nicht,
daß die Durchführung der Bodenreform Mängel aufweist,
vielerorts, deren Beseitigung bei gutem Willen im Jubiläumsjahr
wohl geschehen müßte, falls man wirklich ein Ruhmesblatt
für diese Bodenreform für die Geschichte schaffen wollte.
Ich glaube, die Richtschnur kann das allgemein geklärte Urteil
jener werden, welche, und das ist wichtig, national und materiell
desinteressiert die Bodenreform als soziales Problem und nur als
solches gelöst wissen wollen. Da vereinigen sich unsere Wünsche
mit nationalen Gedanken. Denn auch in nationaler Beziehung: erwarten
wir uns manche Besserung im Jubiläumsjahr, vor allem ein
stärkeres Hervortreten einer sichtbaren Verständigung
zwischen den Nationalitäten des Staates. Wenn nicht alle
Anzeichen trügen, so wird ja der Verständigungsgedanke
mit seiner Werbekraft immer mehr Gemeingut aller Völker dieses
Staates, und in rechtzeitiger Erkenntnis haben wir als deutsche
Partei deshalb auch das Versöhnungswerk von allem - Anfang
an aktiv mitgemacht und übernehmen, für diesen Schritt,
diesen Versuch alle Verantwortung für die Geschichte unseres
Volkes, welche darüber objektiver und gerechter urteilen
wird, als es oft die Gegenwart zu tun sich bemüßigt
fühlt. Wir sind , uns aber auch immer bewußt gewesen,
daß die Schwierigkeiten nicht gering sind, welche wir dabei
zu überwinden haben werden schließlich ist aller Anfang
schwer - und welche dadurch entstehen, daß wir bei selbstverständlicher
Aufrechterhaltung unserer Anschauungen Erfüllungen und nicht
den Schein der Preisgabe unseres Programmes
und unserer Absichten bewirken wollen.
Unsere ganze Einstellung ist davon beseelt,
unsere Partner im Verständigungswerk von der Gerechtigkeit
unserer Sache und unseres Standpunktes zu überzeugen und
damit dem deutschen Volkes innerhalb des Staates seine Gleichberechtigung
zu erringen, ein hohes Ziel, das aller Mühen und Anstrengungen
wert ist. Unsere Stellungnahme zu den Lebensinteressen unseres
Volkes ist ja den maßgebenden Stellen bekannt und hat sich
niemals verändert. Auf dieser mittleren Linie, die wir damit
gefunden zu haben glauben, werden sich früher oder später
alle zur gemeinsamen Wohlfahrt treffen müssen. Deshalb braucht
auch durch diesen Schritt keine Kluft im Sudetendeutschtum aufgetaucht
zu sein und alle agitatorischen Gegenaktionen einzelner politischer
Parteien zu diesem Zweck haben doch bei der Reife unseres Volkes
keine Aussicht auf dauernden Erfolg.
Unsere tatsächliche politische Schicksalsgemeinschaft
aller Deutschen in diesem Staate ist der stärkste Faktor
und stärker als politische Phantasie oder jedweder Parteiegoismus.
Wir sind bestrebt, die Einigkeit mit unserem Volke und den Parteien
desselben auch politisch nicht zu stören und diese gegebene
Tatsache auch im politischen Leben sich auswirken zu lassen. Wir
verhalten uns deshalb maßvoll zu den anderen deutschen Parteien
und ihren Anschauungen, was wir leider auf der Gegenseite oft
nicht feststellen können. Wo eine Kluft sich auftut, suchen
wir sie zu überbrücken. Das ist die Wahrheit. Auch eine
Berichterstattung im Auslande, die sich in anderer Richtung bewegt,
ist unrichtig. So ist es vorgekommen, daß ein Bericht über
den deutschen Minderheitenkongreß in Riga im Sommer d. J.
in der ausländischen Presse tendenziös er " stattet
wurde. Es ist unrichtig, daß auf dem deutschen Minderheitenkongreß
in Riga die Gegensätze zwischen Aktivisten und Negativisten
in unangenehmster Weise aneinander stießen, wie ein gewisser
Herr Franz Bacher, Hauptleitungsmitglied der deutschdemokratischen
Freiheitspartei, in der "Neuen freien Presse" vom 19.
August 1927 behauptete, und damit einen ganz anderen Eindruck
hervorrief, als er tatsächlich bei diesem Kongreß ausgelöst
wurde. Wahr ist, daß bei diesem Kongreß nur Deutsche
und nicht internanationale Minderheiten anwesend waren und auch
wir Deutschen, vertreten durch Senator Dr Brunar und mich,
programmäßig aufgefordert wurden, Lageberichte je nach
der Auffassung unserer politischen Einstellung dort abzugeben,
daß unsere Ausführungen beiderseits im versöhnlichen
und sachlichen Tone gehalten waren und daß wir uns am Schluß
der Kongreßberichterstattung unter dröhnendem Beifall
der ganzen Versammlung die Hände schüttelten. Es ist
deshalb ganz unangebracht und falsch, zu berichten, daß
die Mißstimmung allgemein und unangenehm auffiel. Eine solche
tendenziöse Berichterstattung bringt sicherlich dem ganzen
Deutschtum auch gar keinen Gewinn. Unsere Überzeugung ist,
daß, wer von deutscher Seite die deutschen Regierungsparteien
hemmungslos bekämpft, höchstens nur erreichen kann,
daß die Stellung der deutschen Reierungsparteien innerhhalb
der Regierungsmehrheit geschwächt wird und daß daraus
kein Vorteil, sondern nur höchstens Nachteile für das
gesamte deutsche Volk erwachsen.
Unsere Aufgabe bleibt es, aus dieser Erkenntnis
heraus jedenfalls den bisherigen Weg als den einzig möglichen,
dessen theoretische Beurteilung für das praktische Leben
ja nicht genügt, bahnbrechend fortzusetzen, um dem deutschen
Volke seine natürlichen und gesetzlichen Rechte zu erringen.
Ich meine, da können und sollen alle Deutschen im Staate
mithelfen, um dies nicht nur schneller, sondern auch wirkungsvoller
zu bewerkstelligen und dem Leben, wie es einmal der Fall ist,
mehr Kompromisse abzuringen, als es vielleicht unter den gegebenen
Verhältnissen bisher der Fall sein konnte. Wir erachten es
als unsere Pflicht, in diesem Sinne politisch zu arbeiten, niemandem
anderen zu Liebe als unserem eigenen Volke, Und Sache der Regierung
wird es wohl sein, die Erfüllung lebenswichtiger Interessen
für unser Volk, die ja mit den Staatsinteressen gleich laufen,
baldigst zu ermöglichen. In dieser Erwartung werden wir für
den Voranschlag stimmen, zum Beweise unseres ehrlichen Willens
zur positiven Arbeit und damit allseits der Weg freibleibe zur
loyalen Zusammenarbeit und zu erfüllender Tat. (Potlesk
poslancù nìm. strany køes. sociální.)