Diese Zwangsanleihe ist ein Schlag gegen die
Selbstverwaltung der Zentralsozialversicherungsanstalt. Es handelt
sich hier um eine Anstalt, der nach dem Gesetz die Selbstverwaltung
zugesichert ist, und davor hätte der Gesetzgeber unter allen
Umständen Respekt haben sollen. Ich erinnere daran, daß
über die Frage der Vermögensanlage der Krankenversicherungsanstalten
und auch der Zentralsozialversicherungsanstalt im sozialpolitischen
Ausschuß sehr viel gesprochen worden ist. Es sei erinnert
daran, daß die Kapitalsdeckung, das Kapitalsdeckungsverfahren
bei der Sozialversicherung gerade von jenen Parteien am meisten
angegriffen worden ist, die jetzt an einem Gesetze mitgearbeitet
haben, das der Zentralsozialversicherungsanstalt die Anleihe von
einer Milliarde auferlegt, sie zwingt, dem Straßenfonds
eine Milliarde in 10 Jahresraten zur Verfügung zu stellen.
Im Gesetze über die Sozialversicherung heißt es bezüglich
der Vermögensanlage im § 180: "Das Vermögen
der Versicherungsanstalt kann lediglich zu den Zwecken, zu denen
es vorgeschrieben ist, verwendet werden." Und nun wird aufgezählt:
Anlegung in inländischen Wertpapieren - da enthält das
Gesetz schon, wieviel Prozent so angelegt werden müssen,
ferner in inländischen Hypothekaranleihen, die Pupillarsicherheit
genießen, bei inländischen Geldinstituten, für
deren Verwendbarkeit Staat, Land, Gau, Bezirk usw. haften. Kurz
es ist im § 180 ganz klar vorgeschrieben, wie die Gelder
angelegt werden sollen. Ich verweise darauf und es hat das auch
schon ein Vorredner getan, daß in der Hetze gegen die Sozialversicherung
gerade von den Landbündlern und den Gewerbeparteilern am
meisten beanständet worden ist, daß wir durch die Sozialversicherung
die Möglichkeit schaffen, in Prag viele Millionen anzusammeln,
daß sie eine solche sinnlose Politik nicht verstehen, weil
der Staat eines schönen Tages kommen und die Gelder beschlagnahmen
kann. Das haben uns die Landbündler und Gewerbeparteiler
immer in den Bezirken draußen bei der Hetze gegen die Sozialversicherung
vorgehalten und haben. Den Gewerbetreibenden und Bauern wurde
gesagt: Was ist die Sozialversicherung? Nichts anderes
als ein Gesetz, durch das euch die Kronen aus der Tasche genommen
werden, damit man sie in Prag aufspeichert, wo sie eines schönen
Tages von der èechischen Regierung beschlagnahmt werden
können. Und nun gehen dieselben Gewerbeparteiler
und Landbündler in die Regierungsmehrheit dazu über
und bestimmen durch einen Gesetzesparagraphen, daß die Sozialversicherungsanstalt
dem Straßenfond eine Milliarde zur Verfügung stellen
soll. Die Folgen sind leicht auszudenken. Es ist ganz klar, daß
die Arbeiter darin eine schwere Verletzung der Autonomie der Träger
der Sozialversicherung erblicken, daß sie jedes Vertrauen
zum Staat und zur Sozialversicherungsanstalt verlieren müssen.
Denn wenn es so steht, daß eine Regierung, eine Parlamentsmehrheit,
ohne weiters berechtigt ist, die Gelder der Sozialversicherungsanstalt
für irgendeinen Zweck zu verlangen und als Darlehen zu fordern,
dann kann man es der Bevölkerung nicht verübeln, wenn
sie fürchtet, daß es noch ärger kommen kann.
Übrigens ist eines bezeichnend. Die Zentralsozialversicherungsanstalt
besteht erst ein Jahr, ist noch in der Entwicklung begriffen und
schon geht die Regierung her und nimmt eine Milliarde für
sich als Darlehen in Anspruch. Es gibt ja auch noch andere Institute,
anderer Versicherungseinrichtungen, wo gleichfalls Geld angesammelt
ist. So in der Arbeiterunfallsversicherungsanstalt und in der
Pensionsversicherungsanstalt. Da drängt sich einem eben die
Frage auf, warum bei der Sozialversicherung diese Zwangsmaßnahme
getroffen wird. Vielleicht denkt die Regierung schon heute daran,
daß wenn die jetzige Aktion ohne großen Widerspruch
glatt durchgeht, es dann leichter sein wird, auch nach den Mitteln
anderer derartiger Einrichtungen zu greifen. (Posl. Grünzner:
So spekulieren die deutschen Regierungsparteien!) Das, was
man in der Begründung dieses § 4 anführt, ist mehr
oder weniger an den Haaren herbeigezogen. In dem Bericht des Senates
an das Abgeordnetenhaus wird gesagt, daß durch diese Verfügung
die in der Zentralsozialversicherungsanstalt konzentrierten Kapitalien
erst die richtige Bestimmung erhalten, weil sie so die Möglichkeit
zu einer produktiven Arbeitslosenfürsorge, nicht nur direkt
für die vorbereitenden Straßenarbeiten geben, sondern
auch für die damit zusammenhängenden Arbeiten in den
Brüchen, Zementwerken usw. Gewiß, die Mittel der Zentralsozialversicherungsanstalt
sollen nicht brachliegen, sondern zugunsten humanitärer Zwecke
verwendet werden, sie sollen verwendet werden zur Beschaffung
von Arbeitsmöglichkeiten, vielleicht auch zu Zwecken des
Wohnungsbaues. (Posl. de Witte: Sinngemäß sollen
sie verwendet werden!) Das alles wäre eine sinngemäße
Verwendung. Es fehlt auch an Armenhäusern, an Heilanstalten,
es fehlt an Wohlfahrtseinrichtungen! (Posl. de Witte: Ee fehlt
auch an Nervenheilanstalten!) Gewiß. Es fehlt aber an
so vielen Wohlfahrtseinrichtungen, für die die Mittel unserer
Sozialversicherungsanstalt bereit stehen sollten. Wenn aber der
Staat mit einem Federstrich eine Milliarde in Anspruch nimmt und
der Zentralsozialversicherungsanstalt die Möglichkeit nimmt,
über diesen Betrag zu verfügen für Forderungen
humanitärer Zwecke, so steht das im Gegensatz zu dem Geist
des Gesetzes.
Daran hat man nicht gedacht bei Schaffung der
Sozialversicherung, daß die Regierung deren Mittel für
sich in Anspruch nehmen wird, ohne die Selbstverwaltung zu berücksichtigen,
die der Zentralsozialversicherung garantiert ist. Das hat niemand
vorausgesetzt. Wir sind, wenn so ein Schritt unternommen wird,
zu der Befürchtung berechtigt, daß es noch ärger
kommen kann. Jetzt hat man die Mittel der Zentralsozialversicherungsanstalt
für den Straßenfond in Anspruch genommen, jetzt wird
eine Milliarde gefordert, es kann bei der Art, wie man bei uns
Gesetze und einzelne solcher Vorstöße begründet,
schließlich einmal dazu kommen, daß man für andere
Zwecke solche Mittel in Anspruch nimmt und das so hinstellt, als
ob es sich ebenfalls um die Beschaffung von Arbeitsmöglichkeiten
usw. handeln würde. So sehr wir dafür sind, daß
für die Pflege der Straßen die nötigen Mittel
beschafft werden, so sehr wir dafür sind, daß alle
jene, die die Straßen benützen und durch ihre Benützung
sie stärker beschädigen, herangezogen werden zur Aufbringung
der Mittel für die Straßenpflege, so sehr sind wir
aber dagegen, daß es in der Weise geschieht, wie es hier
vorgesehen ist. Wir verwahren uns gegen die Inanspruchnahme der
Gelder der Zentralsozialversicherungsanstalt für solche Zwecke,
dafür, daß der Straßenfond mit Mitteln versehen
wird. Sicherlich wird die Zentralsozialversicherungsanstalt in
eigenem Wirkungskreise und auf Grund der vorhandenen Notwendigkeiten
bereit sein, auch solche allgemeine Zwecke zu fördern durch
Bereitstellung von Krediten. Aber über sie hinweggehen, sie
einfach nicht zu befragen, sie so zu behandeln, wie es hier geschieht,
dagegen müssen wir flammenden Einspruch erheben und bedauern
insbesondere, daß der Vorstoß des Finanzministers
gegen eine humanitäre Anstalt die Unterstützung gefunden
hat durch deutsche politische Parteien. Fast scheint es, als ob
man diesen Parteien alles zumuten könnte, als ob sie bereit
wären, durch dick und dünn mit dieser Regierung zu gehen,
als ob ihnen nichts zu arg und zu widerlich wäre, als daß
sie nicht nur, um sich in der Regierung als brauchbare Werkzeuge
zu betätigen, bereit wären, alles mitzumachen. Das ist
eine Politik, für die wir kein Verständnis haben. Sie
entwickelt sich zu einer reinsten Zuhälterpolitik.
Meine sehr verehrten Herren! Was wir an dem
Gesetzentwurf verurteilen, das ist der Angriff auf die Selbstverwaltung
der Zentralversicherungsanstalt, das ist die Unzulänglichkeit
in den Einrichtungen des Fondes, die Auslieferung des Fondes an
die Bureaukratie (Souhlas na levici.), das ist die Ausschaltung
der Mitbestimmung der Vertreter der Bevölkerung, was eine
Gefahr bedeutet für die ordentliche Verwendung, für
die wirklich gerechte Verwendung der im Straßenfond zusammengezogenen
Gelder. (Výkøiky posl. Hackenberga.)
Aus allen diesen Gründen können wir
für den Gesetzentwurf nicht stimmen, sondern müssen
ihn ablehnen, vor allem deshalb, weil wir damit unsere Verwahrung
und unseren schärfsten Protest gegen jenen Schritt zum Ausdruck
bringen wollen, der im § 4 unternommen wird. Wir müssen
uns dagegen wehren, daß man die Mittel, die die Arbeiter
und Arbeitgeber aufgebracht haben, zwangsweise als Darlehen für
den Straßenfond anfordert, ohne auch nur einen Augenblick
daran zu denken, daß man damit das Vertrauen zu dieser Anstalt
schwer erschüttert.
Wenn jetzt daran gegangen wird, die Straßenpflege
zu fördern, für die Erhaltung der Straßen größere
Mittel aufzubringen, dann wäre auch daran zu erinnern, daß
seit Jahren eine Schichte arbeitender Menschen darauf wartet,
daß ihre Dienstverhältnisse geregelt werden, die Straßenwärter.
Wiederholt ist im Hause die Regierung befragt worden, was sie
zu tun gedenkt und ob sie bereit ist die Dienstverhältnisse
dieser Schichte dauernd zu regeln. Immer wieder hat man das hinausgezogen
und gerade in der letzten Zeit hört man wieder sagen, daß
es derzeit ganz undenkbar sei, die Dienstverhältnisse der
Straßenwärter zu regeln.
Ich schließe, indem ich nochmals mich
gegen die Art und Weise verwahre, wie bei uns an sich notwendige
und wichtige Sachen parlamentarisch und gesetzlich geregelt und
erledigt werden. Ich schließe mit der Verwahrung dagegen,
daß man auf keinem anderen Wege die Mittel für den
Straßenfond zusammenzubringen versucht, als indem man eine
neugeschaffene Institution förmlich vergewaltigt, ihr einfach
auferlegt, daß sie ihre Gelder diesem Straßenfond
als Darlehen zur Verfügung stellen soll. Diese Verletzung
der Selbstbestimmung der Autonomie der Zentralsozialversicherungsanstalt
kann keine guten Früchte tragen. Aber nicht nur das Vertrauen
zu dieser Anstalt wird erschüttert, wenn Sie und die Regierung
so vorgehen, sondern es wird auch das Vertrauen zum Staate erschüttert
und zur Staatsverwaltung. Wenn eine Staatsverwaltung ohne Rücksicht
auf humanitäre und demokratische Grundsätze und auf
andere Bestimmungen so vorg hen kann, dann verdient diese Staatsverwaltung
kein Vertrauen, sondern dann ist gegenüber dieser Staatsverwaltung
und den Parteien, die dabei mittun, das größte Mißtrauen
am Platze. Wir halten es für ganz unmöglich, daß
ohne Mitwirkung der deutschen Regierungsparteien dieser Angriff
auf die Selbstverwaltung der Zentralsozialversicherungsanstalt
durchführbar gewesen wäre und wir werden in den Kreisen
der deutschen Bevölkerung noch darüber reden, daß
die drei deutschbürgerlichen Parteien die Hand dazu geboten
haben, daß eine derartige Handlung von der Regierung eingeleitet
und vom Parlamente vorgenommen werden konnte.
Wir stimmen gegen den Gesetzentwurf, weil er
unseren Anforderungen nach keiner Richtung hin entspricht. (Potlesk
nìm. soc. demokratických poslancù.)