Und nun möchte ich mich zu der zweiten
außerordentlich wichtigen Frage zuwenden, die aufgeworfen
werden muß, wenn der Staat daran geht, die innere Verwaltung
aufzubauen. Es ist dies die Frage des Zusammenlebens und der Zusammenarbeit
der Völker dieses Landes. Sooft diese Frage angeschnitten
wurde, hieß es immer, daß dieses Problem mit der Verwaltungsreform
nichts gemein habe. Dieser Meinung hat wiederholt der Herr Innenminister
Èerný Ausdruck
gegeben und auch eine ganze Reihe von Koalitionsführern.
Ja, es blieb sogar dem Herrn Vizepräsidenten Zierhut vorbehalten,
meiner Frage nach der Regelung der Geschäftssprache, wie
diese Regelung für die neugeschaffenen Organisationen stehe,
die Frage entgegenzuwerfen, was das eigentlich mit der ganzen
Landesreform und Verwaltungsreform zu tun habe. Aber wir sind
ganz anderer Meinung. Wir halten dafür, daß gerade
die Stunde, in der der innere Aufbau des Staates durchgeführt
wird, zur Aufrollung dieses Problems verpflichtet. Gerade weil
wir von der Notwendigkeit der Zusammenarbeit der dieses Land bewohnenden
Völker durchdrungen sind, gerade weil wir bereit sind, die
für die Herbeiführung dieser Zusammenarbeit notwendigen
Kräfte für dieses Werk einzusetzen, richten wir an die
Machthaber dieses Staates die Frage, ob nicht auch sie die Stunde
für gekommen erachten, um allen Völkern dieses Landes
ein wohnlich es Heim zu schaffen und dem Lande den so heiß
ersehnten Frieden zu geben, dem Lande die harmonische Zusammenarbeit
aller Völker auf sozialem und wirtschaftlichem Gebiete zu
sichern. Wir haben diese Frage im Zuge der Beratungen über
die Verwaltungsreform immer und immer wieder gestellt und durch
ein ganze Reihe von Anträgen den Weg aufgezeigt, der nach
unserer Meinung zu dem ersehnten Ziel führen soll. Auch hier
konnten wir uns wieder auf die Geschichte und vor allem
auf die alten Vorkämpfer des èechischen Volkes berufen.
Ich verweise auf die Vorgänge in den Plenarversammlungen
des Kremsierer Reichstags. Schon am 22. Jänner 1848 erklärte
Palacký im Kremsierer Reichstag: "Es muß nicht
nur jede Nationalität gewahrt, sondern
bei der provinziellen Einteilung muß die Nationalität
berücksichtigt werden, denn sonst ist die so sehr gepriesene
Gleichberechtigung eine reine Illusion. Dann ist in Steiermark
und Kärnten der Slave, in Tirol der Italiener, in Böhmen
der Deutsche eine Null. Eine unnatürliche Ehe trägt
niemals Früchte und deshalb ließ man die Ehescheidungen
zu. Ebenso ist die unnatürliche Ländervereinigung ein
Fluch der Menschheit." Palacký schlug damals, wie
Sie besonders die Mehrheitsparteien, wissen, als Lösung
die Teilung Böhmens in ein Èechisch-Böhmen und
Deutsch-Böhmen vor. Tags darauf, am 23. Jänner kam Dr
Rieger zum Wort und sagte: "Ich finde die Einteilung Österreichs
nach den bisherigen Provinzen nicht für zeitgemäß.
Ich finde einige Provinzen zu groß und
die anderen zu klein" - Argumente, die man heute für
die Verwaltungsreform mit Nutzen verwenden könnte - "so
stimme ich der von Palacký vorgeschlagenen Einteilung nach
Landesgruppen zu. Der slavische Böhme will nur selbständig
sein", sagte Dr Rieger "nicht aber erobern und
andere Elemente unterdrücken. Ich habe es mehr als genug
gefühlt, wie wehe es einem Volke tut, unterdrückt zu
sein." Karl Havlíèek, der auch zu dieser Frage
zum Worte kam, meint: "Die Nationalität bedeutet bei
uns, daß dort, wo unser Volk wohnt,
auch die Regierung èechisch sei und daß sowohl bei
den Gerichten, als auch bei den Behörden und in allen öffentlichen
Angelegenheiten die Sprache des Volkes angewendet werden möge.
Das Wort: "Überall wo unser Volk wohnt," nehmen
wir im ehrlichen Sinne. Wir verlangen, daß
die Nationalitäten zum Zwecke der Landesverwaltung in angemessener
Weise arrondiert werden. Nach diesem Grundsatze überlassen
wir die Gegenden, wo die Deutschen geschlossen wohnen, der deutschen
Verwaltung." Ich zitiere die Worte führender Menschen,
die viele Jahrzehnte zurückliegen, aber in diesem Sinne sprachen
sich auch im Laufe weiterer Jahrzehnte zahllose führende
Politiker aus und unter diesen Politikern befand sich eine zeitlang
auch Herr Dr Kramáø,
von dem bekannt ist, daß er sich für den von
sozialdemokratischer Seite, von Seliger-Nìmec-Daszyòski
eingesetzten Nationalitätenausgleichsantrag mit größter
Wärme und Begeisterung eingesetzt hat. Aber seit dem Umsturz
haben sich die Meinungen der èechischen bürgerlichen
Politiker wesentlich gewandelt, ja sie sind eigentlich ins Gegenteil
umgeschlagen. Die Èechen, die in Österreich die Apostel
der nationalen Selbstbestimmung und Verwaltung gewesen sind, sind
nun die fanatischsten Verfechter des starrsten Zentralismus
geworden. Dieselben bürgerlichen Politiker, die die
Vorkämpfer des föderalistischen Nationalitätenstaates
gewesen sind, haben sich in die Gewalthaber des èechoslovakischen
Nationalstaates verwandelt. So wurde denn nach Konstituierung
dieses Staates in den ersten Jahren
das nationale Problem, das Jahrzehnte lang das Um und Auf der
èechischen Politik gewesen ist, von den èechischen
Politikern einfach von der Tagesordnung abgesetzt, die Existenz
der nationalen Frage für den èechischen Staatsbereich
einfach abgeschafft und jede Erörterung
dieses Problems für ausgeschlossen erklärt. Als es aber
dann zur deutschen Mitarbeit kam, ist man zu einer anderen Taktik
übergegangen. Man gab wohl gütigst die Existenz eines
nationalen Problems zu, aber man erklärte gleich dieses Problem
als zeitweilig gelöst. Charakteristisch dafür ist ein
Wort des aktiven Ministers Hodža,
das er im "Pesti Napló" geschrieben hat. Das
war vor nicht langer Zeit. Er meinte: "Nun sind die deutschen
Agrarier und die deutschen Christlichsozialen zur Teilnahme
an der Regierung vorbereitet, sie werden für das Budget stimmen,
sie werden die Militärvorlagen votieren, wie jede andere
èechoslovakische Partei, sie werden die gleiche gouvernementale
Verantwortung haben, wie jede Partei der früheren Koalition",
und das bedeutet, meint Herr Dr Hodža, daß
im èechoslovakischen Staat die nationale Frage praktisch
bereits gelöst sei. (Rùzné výkøiky
nìm. soc. demokratických poslancù.)
Hohes Haus! Daß eine solche Lösung den èechoslovakischen
Machthabern praktisch erscheint, wollen wir
Ihnen glauben. Allerdings ist hier mehr der Wunsch der Vater des
Gedankens, die Wirklichkeit aber sieht anders aus. In Wirklichkeit
wurde die ausländische Öffentlichkeit hier durch Vorspiegelung
falscher Tatsachen geradezu zum Besten gehalten. Das Rezept des
Herrn Dr Hodža mag sehr
schön, es mag sehr praktisch sein, aber wahr ist es deshalb
nicht. Auch für Herrn Dr Viškovský scheint
die schöne Lösung des nationalen Problems schon entschieden
zu sein. Herr Dr Viškovský hat vor einigen
Tagen hier im Parlamente wörtlich gesagt: "Wir haben
keinen Anlaß, in der Demokratie die Selbstverwaltung gegen
den Staat zu stellen, ebenso wie den Mißbrauch der Verwaltung
zuzulassen, damit sie ein Mittel zu Agitationszwecken und ein
Feld für nationale und soziale Kämpfe werde." Hohes
Haus! Was hier gesagt wurde, ist nicht mehr und ist nicht weniger
als die Einladung an die Minoritätsparteien des Landes, alle
Hoffnungen auf Selbstverwaltung an den Nagel zu hängen, sich
mit der von Dr Viškovský verheißenen
Demokratie abzufinden, mit einem Wort, auf das gute Recht vollkommen
zu abdizieren.
Nun möchte ich mich den gestrigen Darlegungen
des Herrn Dr Kramáø zuwenden.
Auch er hat sich veranlaßt gesehen, im Ausschußberichte
wie in seinen gestrigen Schlußdarlegungen das nationale
Problem wenigstens zu streifen. Schon der Ausschußbericht
apostrophiert die Deutschen und setzt ihnen auseinander, daß
ihnen die Selbstverwaltung nichts nütze, da die Èechen
die zweite Instanz in Händen haben und daher nur die Zusammenarbeit
zwischen Staatsverwaltung und autonomer Verwaltung das wirksamste
Mittel zur Befriedigung ihrer kulturellen Bedürfnisse bilden
könne. In der Plenarberatung des Hauses ist Herr Dr Kramáø
deutlicher geworden. Man muß Herrn
Dr Kramáø als Anwalt
der deutschen Aktivisten agieren gesehen haben. Man brauchte nur
seine Darlegungen zur slovakischen und deutschen Frage nackt gegenüber
zu stellen, um sich dessen bewußt zu werden und zu begreifen,
welche Tragödie Herr Dr Kramáø der
deutschen Bevölkerung dieses Landes zu bereiten sich anschickt.
Sehen wir uns die Darlegungen des Herrn Dr Kramáø
näher an, greifen wir gleich nach
seinem Argument von der zweiten Instanz. Stolz verkündet
Herr Dr Kramáø, daß die Èechen
schon im alten Österreich gegen die wie er sich ausdrückt
- Wiener bašta die zweite Instanz besessen haben, und daß
sie auch heute die zweite Instanz fest in Händen haben. Und
nun deduziert er weiter, daß die Selbstverwaltung für
die Deutschen nur dann Zweck und Sinn hätte, wenn die Èechen
die zweite Instanz nicht in Händen
hätten. Da aber die zweite Instanz bereits in festen èechoslovakischen
Händen sei, meint Herr Dr Kramáø,
sei die Selbstverwaltung für die Deutschen schon dadurch
allein wertlos geworden. Dem gegenüber erlaube ich mir festzustellen,
daß die Behauptungen des Herrn Dr Kramáø
von der zweiten Instanz an sich unzutreffend
sind und daß diese zweite Instanz weiters angesichts der
Erfahrungen, die die Deutschen bisher mit ihrer Selbstverwaltung
trotz dieser zweiten Instanz gemacht haben, alle Schrecken für
sie verloren haben. Herr Dr Kramáø
möge also die Sorge um Selbstverwaltung getrost den Deutschen
selbst überlassen. Daß übrigens Herr Dr Kramáø
mit solcher Offenheit den nationalistischen
Charakter der zweiten Instanz enthüllt, diese Instanz ohne
Bedenken als einen èechischen nationalen Besitz
deklariert, das ist so nebenbei eine kleine Pikanterie, die hoffentlich
ihre Wirkungen in deutschen aktivistischen Kreisen draußen
nicht verfehlen wird. Und was schlägt Herr Dr Kramáø
vor? In seinem überaus großen
Wohlwollen für die Deutschen, für die er von nun an
eine neue Falte seines Herzens erschlossen hat und in seiner ganz
übergroßen Sorge um das Schicksal der deutschen aktivistischen
Parteien, die er nun ganz offen vor aller Welt unter seine Fittiche
genommen hat, weiß er sich heute, so leid ihm dies tun mag,
so sehr sein Herz darüber auch zerbrechen möge, keinen
anderen Rat, als den Deutschen, da er ihnen die zweite Instanz
nicht zu geben vermag, nunmehr auch noch die erste wegzunehmen.
Wer erinnert sich nicht an das bekannte Wort jenes Bankiers, der
seinem Diener zurief: "Johann, werf ihn hinaus, er zerbricht
mir sonst mein Herz!" Eigentlich hätte sich Herr Dr
Kramáø, wenn er
nur wollte, auch über die Kalamität der zweiten Instanz
hinweghelfen können und, da wir jetzt just mit der Verwaltungsreform
befaßt sind, auch bezüglich der zweiten Instanz gewisse
Vorsorgen für seinen Schützling treffen können.
Im alten Österreich hat Herr Dr Kramáø
sich in ähnlicher Lage wohl zu helfen
vermocht. Es wird vielleicht dem Gedächtnis des Herrn Dr
Kramáø entschwunden
sein, daß sich Herr Dr Kramáø im
Jahre 1909 mit aller Wärme für die Kreisverfassung und
Kreiseinteilung einsetzte, also damals seine Zustimmung zu dieser
Kreiseinteilung davon abhängig machte, daß den Èechen
dafür die zweite Instanz gewahrt bleibe.
Herr Dr Kramáø brauchte
also nur die zweite Instanz den Bedürfnissen der Deutschen
gemäß auszugestalten und es werden seine Bedenken sofort
hinfällig geworden.
Nicht anders steht es um die anderen Argumente
des Herrn Dr Kramáø.
Als ich ihm während seiner Darlegungen über die slovenská
krajina die Forderung nach der deutschen krajina in Erinnerung
brachte, glaubte er, mich nicht besser widerlegen zu können,
als durch der Zuruf, daß er für die protistátní
politika des Herrn Dr Czech nicht zu haben sei.
Man beachte, in der Èechoslovakei leben 2 Millionen Slovaken,
3 1/2
Millionen Deutsche. Die Forderung nach der slovenská krajina
für die 2 Millionen Slovaken erklärt Herr Dr Kramáø
als Ausfluß der státotvornost,
die Forderung der Deutschen nach deutscher Selbstverwaltung, als
Ausfluß einer protistátní politika. Der slovenská
krajina widmete der Referent in seinem Schlußwort einen
ganzen Hymnus. Dem slovakischen Separatismus brachte er geradezu
jubelnde Ovationen dar, während er die Forderung nach einer
deutschen Selbstverwaltung als staatsfeindlich in den Grund bohrte.
Für die 2 Millionen Slovaken hat Dr Kramáø
eine offene Hand, für die 3 1/2
Millionen Deutschen hat er nichts als eine glatte vorbehaltslose
und bedingungslose Eingliederung in den von ihm selbst geschaffenen
nationalistischen Staatsund Behördenapparat. Und alles das
wurde gestern im Beisein der beiden deutschen Minister, in Anwesenheit
nahezu der ganzen deutschen aktivistischen Delegation von Dr Kramáø
ausgesprochen, ohne daß sich der
leiseste Widerspruch im aktivistischen Lager geregt, ohne daß
auch nur ein einziger von den aktivistischen Abgeordneten aufgeschrien
und Dr Kramáø in
die Schranken gewiesen, gegen seine erniedrigenden Zumutungen
Einspruch erhoben und aus seinen Erklärungen die Konsequenzen
gezogen hätte. Und in dieser Tatsache erblicke ich für
meinen Teil die Katastrophe der deutschen aktivistischen Politik
dieses Landes, die sich unter die Patronanz und unter das Diktat
Dr Kramáøs
gestellt hat, sich von diesem sogenannten und oft so genannten
Erbfeind des deutschen Volkes unter die Fittiche nehmen ließ,
jede Züchtigung schweigend und demütig über sich
ergehen lässt und sich allem Anschein nach das alte kernige
Wort "Maul halten und weiter dienen" zur Devise gemacht
hat.
Nun fragen wir uns: Was bietet Herr Dr Kramáø
den Völkern dieses Landes? Den Slovaken
hat er die slovenská krajina gegeben und eine Autonomie,
von der ich für meinen Teil ruhig sagen kann, und jeder Kenner
der Vorlage, jeder Jurist und Verfassungsmensch sagen muß,
daß sie von geradezu Potemkinscher Aufmachung ist, eine
Autonomie, die ganz in die Willkür der èechoslovakischen
Machthaber gestellt, ihnen auf Gnade und Ungnade ausgeliefert
und wohl der grandioseste Hereinfall ist, den
es in der Geschichte dieses Landes in der letzten Zeit überhaupt
gegeben hat. Als ich neulich Herrn Abgeordneten Juriga hier
auf dem Podium sah, wie er sein liebes neugeborenes slovakisches
Kind streichelte und liebkoste, da hatte ich nur einen Gedanken,
daß das Erwachen der Slovaken aus dem Traume ein fürchterliches
sein wird. Denn die Slovaken haben sich - das wurde übrigens
vom Abgeordneten Juriga von dieser Tribüne hier auch
eingestanden, das Danaergeschenk des Dr Kramáø
nicht angeschaut. Die Slovaken scheinen
da einem Rausch erlegen zu sein, dessen Zeche sie selbst schließlich
zu bezahlen haben werden. Unwillkürlich habe ich mich da
an ein kleines Epigram Havlíèek-Borovskýs
erinnert, das so die ganze Situation packend und drastisch illustriert.
Es wird da von einem Bauer und einem Herrn gesprochen, die gemeinsam
aufs Eis gehen. Dieses Epigramm würde in der Paraphrase und
in Anwendung auf die èechoslovakischen Verhältnisse
etwa so lauten: "Nechoï Ferdo s Kramáøem
na led. Mnoho pøíkladù máme: Kramáø
sklouzne, a Ferdiš pøi tom nohu zláme."
lns Deutsche übersetzt: "Geh" nicht mit dem Kramáø
auf 's Eis, Ferdiš, laß Dir
's sagen. Es stürtzt der Kramáø
und es bricht der Ferdiš sich den Kragen." (Veselost.)
Doch Alles in Allem wurde den Slovaken doch Einiges wenigstens
geboten. Für die deutsche 3 1/2
Millionen zählende Bevölkerung aber hat Dr Kramáø,
haben die Koalitionsparteien, hat das neue System, der bürgerliche
Block nicht einmal das übrig, was er den Slovaken gegeben
hat. Die Minderheiten wissen also jetzt, wessen sie sich
von der èechslovakischen Koalition zu versehen haben.
Und nun müssen wir uns die Frage vorlegen,
wie sich die deutschen Aktivisten die weitere Gestaltung der Verhältnisse
in diesem Lande denken und was sie zur Durchsetzung der berechtigten
Forderungen der deutschen Bevölkerung unternommen haben,
was sie weiter zu tun beabsichtigen. Soweit wir wissen, haben
sich die deutschen aktivistischen Parteien mit der Forderung
nach nationaler und kultureller Selbstverwaltung bisher nicht
an die Oberfläche heraus gewagt und sich lediglich mit ein
paar schäbigen Brosamen begnügt, die von der reichlichen
Tafel der èechischen Koalitionsparteien abgefallen sind.
Statt ihrerseits, ebenso wie es seinerzeit
Szent-Iványi getan hat - ich erinnere an die lex
Dérer - ebenso wie es die Slovaken gemacht haben
- ich habe über den Erfolg ihrer Bemühungen schon gesprochen
- auch ihre Forderungen mit aller Schärfe zu formulieren
und zur Geltung zu bringen, haben sie alle Argumente zusammengetragen,
die der Öffentlichkeit klarlegen sollen, daß eine Geltendmachung
von programmatischen Forderungen bei diesem Stande ganz unmöglich
sei und zum Zusammenbruch der Koalition führen würde.
Daß sie damit das unerhörte Spiel der èechischen
Regierungsparteien nur erleichtert haben, brauche ich nicht erst
zu sagen. In zahllosen Reden haben die deutschen aktivistischen
Politiker - ich nenne Mayr-Harting und
auch Zierhut - der deutschen Wählerschaft immer und
immer wieder auseinandergesetzt, daß die Lehren der altösterreichischen
Ausgleichspolitik gegen die Geltendmachung konkreter programmatischer
Forderungen und gegen einen Ausgleich sprechen. Ja, aus allen
Reden, die seitens des Ministers Mayr-Harting, Zierhut
etc. gehalten worden sind, kann man ersehen, wie sie sich alle
über einen Ausgleich, eine Verständigung zwischen den
Völkern, über die Forderung nach Ermöglichung der
Zusammenarbeit auf Grund eines klaren Programms, einfach lustig
gemacht haben. Jüngst hat dies auch der Herr Minister Spina
in der Versammlung in Bärn getan, in der er auseinandersetzte,
daß die Stellung von Bedingungen einfach lächerlich
sei, denn sonst hätte die Zusammenarbeit keine zwei Monate
angehalten, denn sie wäre infolge der dadurch entstehenden
Schwierigkeiten und Streitigkeiten unmöglich gewesen. Wie
falsch diese Behauptung des Herrn Ministers Dr Spina
ist und überhaupt wie falsch alle die Behauptungen sind,
die im Zusammenhang mit dem deutsch-èechischen Ausgleich
und mit der deutsch-èechischen Verständigung gemacht
wurden, das haben wir wiederholt von dieser Stelle aus, in unserer
Presse und in sonstigen Kundgebungen auseinandergesetzt. Daß
Ausgleichspakte auch dauernde Wirkungen auslösen können,
das beweist beispielsweise der mährische
Pakt, der seinerzeit von uns wegen seiner arbeiterfeindlichen
Tendenzen auf das heftigste bekämpft wurde, der aber, wie
von deutscher und èechischer Seite zugegeben werden muß,
doch bis zu einem gewissen Grade eine nationale Entspannung, eine
Befriedigung der Verhältnisse herbeigeführt
hat und der noch heute fortbestehen würde, wenn nicht der
Umsturz gekommen wäre und diesem Ausgleichspakt das Rückgrat
gebrochen hätte. Daß ein nationaler Ausgleich von Wert
sein kann, das schrieb beispielsweise am 19. Dezember 1926,
also vor der Konstituierung der deutsch-èechischen Regierung
das Regierungsorgan des Herrn Ministerpräsidenten Švehla,
der "Venkov". Er sagte: "Der vor dem Krieg in Mähren
durchgeführte nationale Ausgleich hat nirgends unsere nationalen
Positionen geschwächt, obwohl dieser Ausgleich unter schwierigeren
Verhältnissen stattfand, als heute. Das ist uns", schließt
der Artikel, "ein Beweis, daß der nationale Frieden
nicht das Gedeihen der Nation bedroht. Ein künstlicher Schutz
hat keine Dauer". Also auch die èechischen
Koalitionsparteien halten das, was wir fordern, das, wonach die
deutsche Öffentlichkeit ruft, für möglich und es
ist daher doppelt unverantwortlich, wenn von deutschaktivistischer
Seite das Gegenteil gesagt wird. Wir wollen alles dies den
deutschen Aktivisten gesagt, ihnen in dieser Stunde noch einmal
in Erinnerung gebracht und nahegelegt haben, darnach in Zukunft
ihre Arbeit einzurichten. (Pøedsednictví
pøevzal místopøedseda Slavíèek.)
Früher einmal sind die deutschen aktivistischen
Parteien etwas beherzter aufs Ziel losgegangen. Als wir gestern
zu lesen bekamen, daß Dr Hodža wieder
einmal die Schulautonomie vorbereitet und daß man auch den
Slovaken Schulräte zugedacht hat, wie sie für uns das
alte Österreich vorgesehen hatte, wird in uns die Erinnerung
an die Rede lebendig, die Herr Minister Dr Spina im Oktober
1924 im Parlament gehalten hat und in der er vor dem versammelten
Haus sein autonomes Schulautonomieprogramm entwickelt hat. Herr
Minister Dr Spina setzte damals auseinander: "Die
kulturelle Selbstverwaltung ist unser höchstes Ziel. Sie
ist die der wahren Demokratie und eines seines kulturellen Wertes
sich bewußten Volkes einzig würdige Form. Sie allein
kann die Verhältnisse der beiden Völker, was das Schulwesen
betrifft, auf das richtige Maß zurückführen.
Sie ist unanfechtbar. Ja, wenn das Wort Autonomie ausgesprochen
wird, da sollte doch jedes Auge auf der gegnerischen Seite glänzen.
Hat aber nur ein einziger der èechischen Abgeordneten dieses
Wort bei seiner Entgegnung in den Mund
genommen? Und doch, welches Schiboleth war der Begriff der Selbstverwaltung
für die Èechen im alten Österreich!" Herr
Minister Spina schloß seine
Rede damals folgendermaßen: "Die Samospráva
war das Herzblatt der èechischen Bevölkerung im alten
Staat und wir haben die Èechen immer beneidet, wie sie
es verstanden haben, in zähem Ringen Schritt für Schritt
die Selbstverwaltung aufzubauen. Aber heute", ruft Herr Minister
Spina aus,
"kräht kein Hahn mehr nach dieser Selbstverwaltung,
die Selbstverwaltung ist aus dem politischen Wörterbuch
der Èechen verschwunden". Wohl, aber nicht nur aus
dem èechischen, sondern auch aus dem deutschen aktivistischen
Lexikon ist sie verschwunden, und zwar einfach deshalb, weil sich
die deutschen Aktivisten das èechische Lexikon
ausgeborgt haben. Die deutschen Aktivisten haben sich mit Haut
und Haaren in das èechische aktivistische Fahrwasser begeben
und sie sehen alles nur im rosigen Licht und halten alles, was
dem deutschen Volke von drüben beschert wird, so die Verwaltungsreform
usw., für eine segensreiche Einrichtung.
Alle diese Feststellungen gegenüber dem
Herrn Dr Kramáø,
gegenüber den deutschen Aktivistischen Parteien zu machen,
war der Zweck meiner Darlegungen, die die große Schuld des
internationalen Bürgerblocks, vor allem aber der deutschen
aktivistischen Parteien aufzuzeigen sollen, sie für die Vernichtung
der Demokratie und der demokratischen und kulturellen Selbstverwaltung,
für die Verschärfung der Polizeigewalt in diesem Staate,
für die Wiedereinsetzung des altösterreichischen Obrigkeitsstaates,
für die gesetzliche Festlegung der Allmacht der Bürokratie
in diesem Lande, aber auch für die Verewigung der Fremdherrschaft
in diesem Lande einzig und allein verantwortlich machen sollen.
Im übrigen lassen wir die weitere Entwicklung ruhig an uns
herankommen. Die Arbeiterklasse aller Nationen wird sich für
die schweren Stunden und die schweren Kämpfe, die ihrer harren,
rüsten und kalten Blutes auf die Auseinandersetzung mit der
internationalen Herrenklasse dieses Landes sich vorbereiten. Die
Beschlußfassung über die der Schicksalsvorlage können
wir nicht verhindern, die Vollendung dieses Schandwerkes nicht
aufhalten. Wir könnten höchstens diese Vorlage hier
auf dieser Tribüne in Stücke zerreisen und sie voller
Abscheu den Herren Aktivisten vor die Füße werfen.
Die Herren vom internationalen Bürgerblock tragen für
alles, was sich in Hinkunft als die Folge dieser Vorlage entwickelt,
die geschichtliche Verantwortung. Wie in allen, kommen auch bei
der Vollbringung des Schandwerkes nicht Rechtsfragen, sondern
Machtfragen zum Worte. Darum ist unter den Händen des Bürgerblocks
auch die Verwaltungsreform zur Machtfrage geworden. Im übrigen
können wir sagen, daß noch lange nicht aller Tage Abend
ist, daß auch die Klassenherrschaft des internationalen
Bürgerblocks ein Ende nehmen wird, daß auch die Macht
des internationalen Bürgerblocks gebrochen werden wird. Damit
wird freie Bahn geschaffen werden für den Aufstieg der Arbeiterklasse,
für ihre neue Sammlung und ihren Sieg! Hohes Haus, Ich kann
meine letzten Ausführungen nicht besser schließen,
als mit den Worten Lassalles: "Und so zeigt sich, daß
während es feststeht, daß Recht vor Macht gehen sollte,
die Macht vor Recht so lange geht, bis das Recht nun auch seinerseits
eine hinreichende Macht hinter sich gesammelt hat, um die Macht
des Unrechtes zu zerbrechen." (Souhlas a potlesk
nìm. soc. demokratických poslancù.)