Eine ganz ähnliche Sache ist in den letzten
Jahren immer hinsichtlich der Lehrergehalte durchgeführt
worden. Die Länder sind immer mehr und mehr an den Staat
verschuldet, weil sie einfach nicht imstande waren, die vom Parlament
hier ohne Zustimmung der Länder beschlossene Erhöhung
der Lehrergehälter aus Eigenem zu tragen. Sie haben vorschußweise
vom Staate Beträge bekommen und sind dadurch immer ärger
in Schulden gegenüber dem Staate geraten. Soll das vielleicht
eine Sanierung der Länder, der Gemeinden und Bezirke sein?
Verurteilt man damit nicht absichtlich von vornherein die Länder
zu vollständiger finanzieller Abhängigkeit vom Staat?
Dasselbe gilt auch von den Bezirken und Gemeinden. Man hätte
sich mit einer Beschränkung der Umlagen ohne weiteres abfinden
können, wie ich schon im Ausschuß ausgeführt habe.
Ich will diese Ausführungen hier nicht wiederholen. Es ist
sicher, daß in erster Linie die Höhe der Umlagen mitschuldig
war, daß unsere Wirtschaft im allgemeinen nicht vorwärts
kommen, auch nicht bilanzieren, nicht kalkulieren konnte, weil
sie nicht von vornherein wußte, wie hoch diese Umlagen sein
werden, die ihr von den Bezirken und Gemeinden aufgehalst werden.
Man hätte sich damit abfinden können, wenn dafür
andere Einnahmequellen für die Länder, Bezirke und Gemeinden
erschlossen worden wären. Aber im Gegenteil, man nimmt jetzt
noch den Gemeinden und Bezirken vieles von dem, was sie bisher
zu Recht hatten und gewährt ihnen eine Erhöhung der
Umlagen auf 300 bzw. 150% im weit eingeschränktem
Maße, ja in viel eingeschränkterem Maße, als
es die ursprüngliche Regierungsvorlage getan hat; denn insoweit
der Schuldendienst für Bauten und Unternehmungen und andere
Einrichtungen schon gedeckt ist durch den Betrieb der Anlagen
selbst, wird das betreffende Darlehen nach den Abänderungsvorschlägen
der Regierungsparteien in die Berechnungsgrundlage nicht miteinbezogen.
Außerdem darf nunmehr von den erhöhten Umlagen unter
keinen Umständen etwas für a ußerordentliche Erfordernisse
verwendet werden, was noch in der Regierungsvorlage vorgesehen
war. Alles muß nun zur Verzinsung und Tilgung der Schulden
verwendet werden. Etwas Ähnliches bestimmt ein Regierungsantrag
zu § 20, wonach neue Anleihen nur unter noch weit beschränktere
Bedingungen als früher aufgenommen werden können. Auch
dadurch ist die Regierungsvorlage für die Gemeinden noch
wesentlich verschlechtert worden. Man schützt also nicht
die Gemeinden, sondern das Interesse der Gläubigerbanken
und schafft gleichsam ein Staatsmonopol für den inländischen
Kapitalsmarkt, von dem man die Gemeinden so gut wie ganz ausschließt.
Man verweist die Gemeinden und Bezirke auf den sogenannten Dotierungsfond,
der aber eine leere Schüssel darstellen wird, der selbst
nichts hat und aus dem man bei dem besten Willen den notleidenden
Selbstverwaltungskörpern nichts wird geben können. Zur
Vorlage der Gesuche an diesen Fond werden Fristen festgesetzt,
die oft gar nicht werden eingehalten werden können. Denn
bis 30. November wird nach den neuen Bestimmungen des § 4
oft der Schulvoranschlag noch gar nicht feststehen, denn bis dahin
hat man noch immer die Möglichkeit, gegen den Schulvoranschlag
zu rekurieren und die vorgesetzte Aufsichtsbehörde hat dann
noch nicht entschieden, ob dem Rekurs stattgegeben werde oder
nicht. Nun ist dieser 30. November gleichzeitig eine unüberschreitbare
Frist zur Vorlage der Gemeindevoranschläge, und wer bis dahin
den Voranschlag nicht vorgelegt hat - und der Voranschlag hat
auch den Schulvoranschlag mitzuenthalten - verliert von vornherein
den Anspruch, etwas aus diesem Dotationsfond zu bekommen. Wenn
die Bezirke, bzw. die Bezirksbehörden, wie es dort heißt,
die Gesamtübersicht der Voranschläge ihres Bezirkes
mit den vorgeschriebenen Äußerungen dazu nicht bis
längstens Ende Jänner an die Landesbehörde vorlegen,
so verliert der betreffende Bezirk und alle Gemeinden des Bezirkes,
obwohl sie doch gewiß gar keine Schuld daran haben, den
Anspruch auf eine Überweisung aus dem Fond. Das ist doch
unerhört, und das haben sich die Herrschaften, die diese
Anträge eingebracht haben, jedenfalls auch nicht gut überlegt.
Die Städte werden in der Regel aus diesem Fond überhaupt
nichts bekommen, weil nach dem Antrag der Regierungsparteien zunächst
auf die finanziell schwächeren Gemeinden mit einer niederen
Umlagengrundlage Rücksicht zu nehmen ist. Also, in erster
Linie werden die Städte, die die Unterstützung am notwendigsten
hätten, von vornherein nichts bekommen, weil sie eine höhere
Umlagengrundlage haben als die Dörfer. Je früher die
Städte zugrunde gehen, desto besser. Das scheint die Tendenz
gewesen zu sein und so etwas beantragen auch Deutsche, die doch
anstreben, auf Grund der Selbstverwaltung der Gemeinden auch eine
Selbstverwaltung in höherem Sinne innerhalb dieses Staates
zu erlangen.
Es kommt aber noch besser. Weil die Städte
noch zu wenig belastet sind, sollen sie nach den Anträgen
der Regierungsparteien nicht nur in Mähren, sondern auch
in allen anderen Ländern ein Fünftel der uneinbringlichen
Verpflegskosten tragen, die für ihre Ortsangehörigen
in öffentlichen Spitälern, Gebärhäusern und
Irrenanstalten erwachsen sind. In Mähren war seinerzeit
ein harter Kampf wegen des Verpflegskostendrittels von allen in
Betracht kommenden Gemeinden deutscher und èechischer Nationalität
geführt worden, die alle verlangt haben, daß dieses
Verpflegskostendrittel beseitigt werde, weil die Gemeinden zugrunde
gehen müßten. In vielen Gemeinden hat es ja weit über
100% Umlagen ausgemacht, was sie hiefür leisten mußten.
Nun waren aber die Bestimmungen in Mähren, mit Ausnahme der
Höhe von einem Drittel, jetzt nur ein Fünftel, für
eine Reihe von Gemeinden wesentlich günstiger als gegenwärtig
die Bestimmungen nach dem Ausschußantrag sind. Man hat damals
z. B. für Gebäranstalten noch keine Verpflegskostenbeiträge
der Gemeinden eingehoben, jetzt wird das auch mit einbezogen.
Dann waren Gemeinden unter 5.000 Einwohnern im mährischen
Landesgesetze noch besonders berücksichtigt. Auch diese Ausnahme
ist nun gefallen. Meiner Berechnung nach macht dieses Verpflegskostendrittel,
wie es jetzt beantragt wird, pro Kopf und Jahr mindestens drei
Kronen aus, also bei 20.000 Einwohnern einer Gemeinde 60.000 Kronen
jährlich mehr als bisher. Als Ersatz für diese neuen
Ausgaben haben nun die Städte und Gemeinden jährlich
einen Betrag in Höhe von 10% der Grundsteuer an den
Elementarschadensfonds abzuführen, obwohl sie von der Grundsteuer
nicht einen Heller bekommen und zwar haben sie auch dann zu zahlen,
wenn sie keine Zuschläge einheben. Das ist nach dem Abänderungsantrage
der Regierungsparteien in der Begründung ausdrücklich
hervorgehoben. Sämtliche Geldstrafen und auch die Verzugszinsen
fallen ferner nicht der Gemeinde zu, sondern dem Staat. (Posl.
dr. Rosche: Beider Steuerreform ist es ebenso!) Man sieht
also wieder, welche Tendenz herrscht. Auch die Geldstrafen nach
dem Gesetze über die direkten Steuern sollen nicht mehr der
Gemeinde zufallen, sondern dem Staate. Jedenfalls hat der Staat
die Absicht, auch die Armenfürsorge zu übernehmen, da
er ja angeblich die Sozialversicherung ausbauen will u. s. w.
vielleicht in dem Sinne, daß die Gemeinden wirklich entlastet
werden. Allerdings haben wir in den Gemeinden vorläufig noch
nichts davon bemerkt. Im Gegenteil, die Einführung des Genter
Systems und die bürokratische Handhabung der Sozialversicherungsvorschriften
nötigen die Gemeinden, mehr für das Armenwesen zu tun
als früher.
Auch die sogenannten Verbesserungsanträge
der Regierungsparteien hinsichtlich der Geldstrafen, die über
den Bürgermeister verhängt werden, wenn er nicht Ordre
pariert, Geldstrafen bis zu 5.000 Kronen, gehen dahin, daß
nun nicht wie nach dem Regierungsentwurf diese Geldstrafen in
den Ortsarmenfonds bzw. in die Gemeindskasse fließen, sondern
auch diese Geldstrafen sollen nun in die Staatskasse bzw. an den
Bezirksausschuß fließen. (Posl. dr Rosche: Was
werden denn dann die Bürgermeister für einen Gehalt
kriegen müssen?) Ja, damit sie diese 5.000 Kronen ein
paarmal im Jahre bezahlen können, wird man ihre Bezüge
erhöhen müssen! Bekanntlich wird dem Bürgermeister
nun nach dem Antrag der Regierungsparteien angedroht, daß
er abgesetzt werden kann, wenn er den Weisungen von oben aus grober
Fahrlässigkeit, wie es da heißt, nicht pünktlich
nachkommt. (Posl. Wünsch: Was ist denn grobe Fahrlässigkeit?)
Was das ist, bestimmt die Bezirksbehörde. Nicht der Bezirksausschuß,
nicht die Bezirksvertretung, sondern das Bezirksamt, also der
Bezirkspascha bestimmt, wann eine grobe. Fahrlässigkeit vorliegt,
und er verhängt auch die Geldstrafen. (Posl dr. Rosche:
In den Strafbestimmungen sind die Worte "grob" und "leicht"
willkürlich zusammengeworfen!) Genau so, wie bei der
Reform der direkten Steuern. Es ist selbstverständlich nicht
zu erwarten, daß viele Leute ein besonderes Vernügen
daran finden werden, Bürgermeister zu sein, wenn solche drakonische
Strafbestimmungen fortwährend wie ein Damoklesschwert über
ihrem Haupte schweben. Der Bürgermeister hat überhaupt
nach dem Sinne dieses Gesetzes nicht mehr die Stellung eines Hausherrn,
sondern die eines Hausknechtes. (Posl. Wünsch: Was geschieht
denn mit den Ministern, wenn sie fahrlässig sind?) Für
die gelten diese Bestimmungen selbstverständlich nicht, wir
haben ja überhaupt keine Handhabe, um sie zur Verantwortung
zu ziehen. Aber die Bürgermeister müssen natürlich
parieren und müssen sich zu einer so untergeordneten Bedientenrolle
im Staate hergeben. Ich möchte sogar sagen, daß ein
Hausknecht dagegen noch eine ideale Stellung hat, weil er wenigstens
seiner Arbeitsleistung entsprechend bezahlt wird. In der Gemeinde
aber ist es in Hinkunft selbstverständlich dem Ermessen der
Aufsichtsbehörden erster und zweiter Instanz anheimgestellt,
den Bürgermeistergehalt zu kürzen. Denn die Aufsichtsbehörde
hat das Recht, Abstriche zu machen, wenn sie der Ansieht ist,
daß die Gemeinden zu stark belastet sind. Ja, die Bezirke
haben sogar die Pflicht dazu, dies zu tun, weil sie sonst wegen
dieser Pflichtvernachlässigung keine Dotationen mehr vom
Lande bekommen. Wenn also der Bürgermeister irgendwo eine
Entschädigung für seine Arbeitsleistung bekommt, muß
er darauf gefaßt sein, daß sie ihm im Voranschlag
durch die Aufsichtsbehörde gekürzt wird, wenn es ihr
so paßt. Denn selbstverständlich ist die Bestimmung
bestehen geblieben, daß in Hinkunft die Posten des Voranschlages
nach Belieben durch die Aufsichtsbehörde geändert werden
können, ohne daß dagegen auch nur ein Rekurs möglich
wäre. Es ist ja unerhört, daß man nicht einmal
ein Rechtsmittel gegen derartig einschneidende Eingriffe in die
Beschlüsse der Gemeindevertretung zuläßt. Es wird
einfach alles von oben her diktiert und damit muß sich die
Gemeinde zufrieden geben, muß kuschen und weiterdienen.
Allerdings möchte ich an dieser Stelle
freudig anerkennen, daß durch die Abänderungsanträge
der Regierungsparteien in dieser Hinsicht ausnahmsweise scheinbar
eine kleine Erleichterung geschaffen wurde. Denn es sollen nicht
mehr, wie bisher Eingriffe in das Voranschlagsrecht der Gemeinden
jederzeit gestattet sein, sondern nur dann, wenn trotz der bewilligten
Höchstzuschläge die Bedeckung des Voranschlages nicht
vollkommen zu erreichen ist. Leider werden aber die höchsten
Zuschläge in der Regel nicht zur völligen Bedeckung
des Voranschlages ausreichen. Denn außer der Schuldentilgung
hat jede Gemeinde doch eine Menge anderer Aufgaben zu erfüllen,
und es ist sehr wahrscheinlich, daß viele über diese
200% hinauskommen werden, damit sie nur ihre Schulden tilgen können,
d. h. die Verzinsung und Amortisation der Schulden aufbringen.
Für die übrigen Gemeindezwecke bleibt kein roter Heller
übrig. Es ist also sicher, daß dieser scheinbar gut
gemeinte Verbesserungsantrag nie oder fast nie in Anwendung kommen
wird und daß er die Gemeindefreiheit in Wahrheit nicht mehr
schützen wird, wie der Zusatzantrag zu § 3, wonach die
beabsichtigten Änderungen zu den Voranschlägen den betreffenden
Selbstverwaltungsverbänden mitzuteilen sind, damit sie sich
hierüber binnen 14 Tagen äußern. Nun, solche Äußerungen
werden bekanntlich nur dann beachtet, wenn es der Behörde
gerade in den Kram paßt. Das kennen ja schon alle Gemeinden
zur Genüge aus der Handhabung der Gewerbeordnung, z. B. bei
Erteilung einer Konzession, wobei die Gemeinde hinsichtlich des
Lokalbedarfes sich äußern darf. Diese Äußerung
wird in den meisten Fällen nicht beachtet. Wenn es der Bezirksbehörde
paßt, gibt sie die Konzession, wenn auch die Gemeinde meint,
es sei kein Lokalbedarf vorhanden. Das ist eine reine Formalität,
welche die Behörde nicht im mindesten bindet. Gebunden an
Händen und Füßen wird in diesem ganzen Gesetze
nur die Selbstverwaltung, den Staatsorganen hingegen wird ein
Übermaß von Freiheit und Ungebundenheit eingeräumt,
wie es sonst nur in absolutistischen Staaten üblich ist.
Mit Rücksicht auf die beschränkte Redezeit will ich
nichts von dem wiederholen, was ich seinerzeit zur Begründung
dieser meiner Behauptung schon im Ausschuß gesagt habe.
Nur ganz kurz möchte ich noch auf jene Ziffern verweisen,
die ich zum Vergleiche aus Österreich und Deutschland gebracht
habe, um dem Herrn Finanzminister zu zeigen, daß seine Ansicht
nicht die alleinseligmachende ist, daß nämlich die
Gemeinden über ihre Verhältnisse leben, indem sie angeblich
3 Milliarden jährlich verbrauchen, das ist fast ein Fünftel
des gesamten öffentlichen Bedarfes. (Pøedsednictví
pøevzal místopøedseda inž. Dostálek.)
Diese Berechnung von ihm kann man in Zweifel
ziehen, da er keine Details gebracht hat. Nach meinen Berechnungen,
die ich mit Hilfe des landesstatistischen Amtes in Schlesien gemacht
habe, verbrauchen die Gemeinden kaum 2 Milliarden, d. i. ungefähr
1/8 des gesamten öffentlichen Aufwandes.
Nun, demgegenüber bekommen in Deutschland die Gemeinden jetzt
noch ein Viertel, nämlich von 10 Milliarden Mark 21/2
Milliarden jährlich und sie verlangen jetzt, was sie vor
dem Kriege hatten, nämlich ein Drittel sämtlicher öffentlicher
Einnahmen für Gemeindezwecke. Man sieht also, daß dort
für die Gemeinden und die Gemeindefreiheit viel größeres
Verständnis vorhanden ist, als bei uns; man wird nicht behaupten,
daß das Deutsche Reich schlecht dabei fährt, man soll
sich nur ein Beispiel an dem Aufblühen nehmen, wie es jetzt
dort drüben zu verzeichnen ist und das letzten Endes auf
die Kräfte zurückzuführen ist, die sich freiwillig
in den Dienst der Selbstverwaltung stellen und dort in den Gemeinden,
Kreisen usw. mitarbeiten, um wieder in die Höhe zu kommen.
In Österreich ist der Anteil der Gemeinden an den öffentlichen
Einnahmen noch größer. In den Vereinigten Staaten,
was ich im Ausschuß noch nicht gesagt habe, bekommt
der Staat für seine Verwaltung nur 10% der öffentlichen
Lasten, bei uns dagegen 65%. In Amerika werden dafür 40%
für städtische Zwecke und 20% für die Kreisverbände
verausgabt, zusammen 60%, in der Èechoslovakei
selbst nach Engliš kaum 30%, für die gesamte
Selbstverwaltung. Man sieht, daß die Behauptung des Herrn
Ministers, daß die Selbstverwaltung über ihre Verhältnisse
lebe und noch viel zu gut dotiert sei, nicht richtig ist. Überall
in der Welt, in England und in den anderen Staaten, wo immer man
sich umschaut, auch in dem nordischen Staaten, in Norwegen, Schweden
usw. findet man, daß die Selbstverwaltung einen viel größeren
Teil der öffentlichen Ausgaben bekommt und für sich
mit Recht in Anspruch nimmt, viel mehr als bei uns in der
Èechoslovakei. Trotzdem ist hier so ein Riesengeschrei
erhoben worden, die Herren Engliš und
Konsorten haben nach der Methode: "Haltet den Dieb! "
gehandelt, um die Verantwortlichkeit von sich abzuwälzen
und haben jetzt die Steuerträger gegen die Selbstverwaltung
aufgehetzt. Ob diese Methode wissenschaftlich genannt werden kann,
möchte ich bezweifeln. Mehr wissenschaftliche Fundierung
als dieser Regierungsentwurf zeigen dafür die Abhandlungen
des èechischen Professors dr Drachovský
und des dr Mildschuh, die beide auf Grund umfangreichen statistisch
en Materials zu dem Schlusse kommen, daß sich vom Jahre
1914 bis 1926 der Bedarf ungefähr um das Sechsfache, die
Bedeckung durch Zuschläge nur um das Dreifache erhöht
hat. Gewiß ein Zeichen äußerster Sparsamkeit
der Selbstverwaltung. Das gleiche Bild ergibt sich auch aus einem
Vergleich mit dem Groß- und Kleinhandelsindex. Auch darnach
sind die Ausgaben der Selbstverwaltungskörper kaum halb so
stark gestiegen als das Preisniveau. Soll das ein Beweis der Leichtsinnsepidemie
sein, wie jetzt vom Wissenschaftler Engliš zur Begründung
dieses Zwangsjackengesetzes hinsichtlich der Selbstverwaltung
kühnlich behauptet wird? Calumniare audacter, semper aliquid
haeret. Nur immer kühn und beharrlich verleumden, dann bleibt
schon immer etwas hängen.
Mit so schwächlichen Mitteln hat man den
Kampf gegen die Selbstverwaltung geführt, und zwar wie es
scheint, mit Erfolg. Das Schlagwort von der verschwenderischen
Finanzpolitik der Selbstverwaltung wurde so oft wiederholt, bis
es schließlich von vielen unkritischen Menschen, das sind
ja die meisten, als Binsenwahrheit hingenommen wurde. Dem Reklamechef
der Kukirol-Werke würde ein solcher Erfolg alle Ehre machen.
Dem Herrn Finanzminister und Universitätsprofessor Dr. Engliš
braucht nach einem solchen Ruhm nicht zu gelüsten. Die
Gründe für diese Lügenpropaganda müssen viel
tiefer liegen. Ich habe schon früher darauf verwiesen, daß
die freie Selbstverwaltung ein Teil des nordisch-germanischen
Wesens ist und dieses erfreut sich nun einmal hierzulande bei
der herrschenden Schicht, zumindestens bei der hiesigen Bürokratie,
keiner großen Beliebtheit, trotz der schönen Symbiosen-Theorie.
Wohl haben die Deutschen ihre Stadtrechte und die höhere
Kultur ins Land gebracht, aber gerade deshalb will man sich jetzt
davon freimachen und nach dem französischen Präfekturen-
oder Departementssystems die Provinz, namentlich die deutsche
Provinz, geistig totmachen. Deshalb der Kampf gegen die Selbstverwaltung
auf der ganzen Linie und mit allen Mitteln, nach dem Grundsatz:
Hilf, was helfen kann! So enthält dieses Gesetz nicht bloß
finanzrechtliche Probleme, sondern vor allem ein politisches Problem
erster Ordnung. Man hat es geschickt in den Kuchen der finanziellen
Notwendigkeiten eingebacken, so daß die deutschen Aktivisten,
das soll hier zu ihrer Ehre angenommen werden, den Braten gar
nicht gerochen haben. Durch die bis ins Kleinste gehende Beaufsichtigung
und Schematisierung will man unsere deutsche Selbstverwaltung
aus einem wildwuchernden Walde, in dem jeder Baum und Strauch
seiner Art gemäß frei und unbeschnitten zum Himmel
emporwächst und gerade deshalb alles, was in ihm steckt,
zur vollen Entfaltung bringt, nach dem. Pariser Muster zu einem
wohlgepflegten Park in französischem Stile mit fein säuberlich
geschnittenen Bäumen, Hecken und Beeten machen, damit sich
darin die großen Herren frei von Sorge ergehen können.
Zur Vorsicht wird auch noch an allen Ecken und Enden ein staatlicher
Parkwächter aufgestellt und jedes Lebewesen, das sich nicht
vorschriftsmäßig benimmt, wird sofort gefangen genommen
und in einen der vielen Käfige eingesperrt. Das ist der wahre
Zweck dieses Gesetzes im Zusammenhang mit der sogenannten Verwaltungsreform.
Daß dadurch die Handlungs- und Verantwortungsfreudigkeit
der Bevölkerung lahmgelegt wird, ist in den Augen der hohen
Bürokratie selbstverständlich kein Schade. Denn sie
will allein herrschen und deshalb muß die demokratische
Verwaltung einer bürokratischen Verwaltung weichen. Die weise
Fürsorge von oben für den braven Bürger soll an
die Stelle der Selbstverantwortung und an die Stelle der Selbstverwaltung
treten. Der Bürger braucht nicht mehr denken und handeln,
das tun für ihn schon hier die hohen Herren in Prag. Ohne
daß er sich den Kopf zu zerbrechen braucht, kann er schlafen,
so viel er will, wenn er nur tagsüber brav arbeitet und zahlt,
wie ihm vorgeschrieben wird; im Übrigen kann er sich die
Zipfelmütze über die Ohren ziehen. Diesem polizeistaatlichen
Ideal will man durch das Gesetz einen Schritt näher kommen
und deshalb müssen wir uns dagegen auf das heftigste zur
Wehr setzen.
Im Ausschuß hat man alle unsere Anträge
rücksichtslos niedergestimmt, wie es hier üblich ist
und nicht anders erwartet wurde. Man hat uns nicht einmal Zeit
gelassen, sie zu begründen. So hatte ich z. B. in der ersten
Gruppe zur Begründung von 16 Anträgen 15 Minuten Redezeit,
also nicht einmal eine Minute zur Begründung eines Antrages.
Ich muß deshalb hier wenigstens noch ganz kurz auf einzelne
dieser Anträge zurückkommen, um Ihnen darzulegen, wie
wir uns eine Abänderung des Gesetzes, bzw. der Verhältnisse
vorgestellt haben. (Posl. dr Rosche: Bei dieser Beteiligung
des Hauses hätte man im Ausschusse uns mehr Zeit lassen können,
das Haus hätte die Reform bei dieser Beteiligung in einem
halben Tage erledigen können!) Es ist gar nicht verwunderlich,
daß hier eine derartige Teilnahmslosigkeit herrscht, wenn
man bedenkt, daß von vornherein feststeht, daß durch
alles Reden nichts mehr geändert werden kann. Man hat die
hohe Bürokratie einfach an die Stelle der Demokratie gesetzt;
was dort im Ministerium ausgearbeitet wird, das gilt schon, und
wir wissen, daß kein Beistrich geändert werden kann.
Dann soll man Lust und Freude aufbringen, auch hier noch mitzuwirken.
Die Herren von der Koalition scheinen es nicht notwendig zu haben,
sich mit dem Gegenstande zu beschäftigen, für sie ist
es eine res judicata, für sie ist es abgetan, weil sie schon
seinerzeit untereinander ausgeknobelt haben, wie die Sache wird,
und alles, was hier vor sich geht, im Ausschuß und in der
Plenarberatung, ist für sie eine leere Formalität, die
mitgenommen werden muß, die aber in Wahrheit für sie
eine Belastung darstellt, von der sie sich, soweit sie können,
drücken.
Wir haben zunächst wie die anderen Parteien
den Antrag auf Übergang zur Tagesordnung eingebracht, weil
wir der Ansicht sind, daß unter allen Umständen zuerst
das richtige statistische Material hätte vorgelegt werden
müssen. Wir wissen, daß noch 8 Monate Zeit sind, bevor
das Gesetz in Kraft tritt, und es ist keine Entschuldigung, wenn
man sagt, es müsse bis Mittwoch der nächsten Woche erledigt
sein. Das ist nicht notwendig, es könnte ganz gut erst in
zwei bis drei Monaten erledigt werden, es würde wohl dem
Staate dabei nichts passieren. Man hat aber keine Lust, diese
statistischen Daten beizubringen, auch keine Lust, wie seinerzeit
aufgetragen war, eine Enquete mit Fachmännern und mit den
Vertretern der Selbstverwaltungsverbände einzuberufen, weil
man weiß, wenn man die Fachleute und diejenigen hören
würde, an deren eigenem Leib sich das Gesetz auswirken wird,
dann würde kein gutes Haar an dem bleiben, was am grünen
Tische die hohe Bürokratie ausgearbeitet hat und hier dem
leeren Hause vorlegt.
Dieser Antrag auf Übergang zur Tagesordnung
ist selbstverständlich abgelehnt worden. Wir verlangen, da
er abgelehnt wurde, nun die Zuweisung an den Verfassungsausschuß,
u. zw. deshalb, weil dieses Gesetz nicht nur finanzieller Natur
ist, sondern die ganze Struktur der Verwaltung umändert und
viel vorwegnimmt, was erst durch das Gesetz über die Reform
der Verwaltung in Wirklichkeit treten, bzw. beschlossen werden
soll. Es wäre unter allen Umständen notwendig, auch
nach der Geschäftsordnung, daß sich der Verfassungsausschuß
zunächst mit diesem Gesetz beschäftige, bevor es in
das Abgeordnetenhaus kommt und da würden wahrscheinlich auch
Änderungen daran vorgenommen werden. Aber auch das wird jedenfalls
abgelehnt werden.
Nun haben wir verlangt, daß man, wenn
schon dieser Entwurf als Grundlage genommen werden muß,
wenigstens derartige Änderungen an ihm vornimmt, um das Gesetz
halbwegs erträglich zu machen, sei es auch nur als Provisorium.
Wir haben die Heranziehung der Einkommensteuer auch für die
Zuschläge der Selbstverwaltungskörper gefordert, u.
zw. bis zu einem Viertel der Höchstsätze der übrigen
Zuschläge. Das wären für die Gemeinden 50%, für
die Bezirke 27 und für die Länder 40%, zusammen also
117%. Dadurch würde nicht nur erzielt werden, daß den
Gemeinden, ebenso den Bezirken und Ländern neue Einnahmsquellen
erschlossen werden, man würde auch jene weiteren Kreise der
Bevölkerung, die bisher direkt zu den Gemeindelasten nichts
beitragen, mit dazu heranziehen, man würde in ihnen das Verantwortungsbewußtsein
mehr stärken, es würde dadurch das erzielt werden, was
die Regierung auf einem anderen Wege erzielen will, nämlich
die Einschränkung der Ausgaben, indem diese Kreise nun ein
Interesse daran hätten zu sparen. Aber auch dieser Antrag
wurde selbstverständlich nicht angenommen. Wir haben dazu
gewünscht, daß das Diensteinkommen der öffentlichen
Angestellten mit Zuschlägen der Selbstverwaltungskörper
nicht belastet werden darf, weil wir der Ansicht sind, daß
diese, die in der Regel doch nur in den niederen Gehaltsstufen
stehen, nicht mehr als das Existenzminimum bekommen, das für
ihre Lebenshaltung notwendig ist, und weil auch andere Länder,
z. B. Deutschland und Österreich, diese Beschränkung
mit aufgenommen haben.
Die Ausgleichsfonds wollten wir naturgemäß
beseitigt wissen, weil auch der Finanzminister Engliš
schon im Motivenbericht, der doch größtenteils
aus seiner Feder stammt, erklärt hat, daß diese Ausgleichsfonds
nur Notbehelfe sind und daß er nicht gerne daran gehe, eine
solche Konstruktion zu schaffen. Er versprach, daß bei der
definitiven politischen Konstruktion der Selbstverwaltungsverbände
auch der Ausgleichsfonds beseitigt und eine gewisse Beziehung
zur Einkommensteuer hergestellt werden wird. Wir sind der Ansicht,
daß diese definitive Konstruktion der höheren und niederen
Selbstverwaltungsverbände, von denen er spricht, tatsächlich
durch den Antrag der Regierungsparteien vorweggenommen wurde,
so daß man jetzt unter allen Umständen daran gehen
müßte, infolge Änderung der politischen Struktur
der Wirtschaftsverbände auch eine Änderung dieser Anträge
bzw. der Regierungsvorlage vorzunehmen, weil die Voraussetzungen
dafür jetzt gegeben sind. Die Ausgleichsfonds müßten
in erster Linie fallen u. zw. nach Ansicht des Finanzministers,
weil er sagt, daß derjenige, der die Verantwortung für
den Haushalt hat, auch naturgemäß mit direkten Einnahmsquellen
rechnen muß und nicht angewiesen sein soll, bei irgendwelchen
Fonds betteln zu gehen. (Posl. dr Rosche: Ist im Gesetze eine
Bestimmung, was, solange der Ausgleichfonds besteht, die Gemeinde
machen soll, wenn sie nichts bekommt?) Diese Bestimmung fehlt.
(Posl. dr Rosche: Die Umlagen dürfen sie nicht erhöhen
und aus dem Ausgleichfonds bekommen sie nichts! Was sollen sie
dann machen?) Bankerott, das ist das Einzige. Das gehört
auch in das Gesetz. Das ist die naturnotwendige, logische Folge.
Nur Bankerott können sie machen.