Wir glaubten stets, daß es nur um Industrien
geht, die in deutschen oder ungarischen Händen waren. Leider
müssen wir konstatieren, daß es jener Industrie, die
in rein slovakischen Händen ist, auch nicht besser geht und
daß auch sie, wenn nicht rasch Hilfe kommt, dem Tode geweiht
ist. Dies ist vor allem die altberühmte Lederindustrie in
Lipt. Sv. Mikuláš. Im alten Ungarn war die Mikulášer
Lederindustrie der Stolz des Landes und Lipt. Sv. Mikuláš
war ein derartiges Zentrum im alten Ungarn für die Lederindustrie,
wie Manchester in England für die Textilien. 1914 arbeiteten
in dieser Branche in Lipt. Sv. Mikuláš 16 Betriebe,
seit dem Umsturz haben 8 Betriebe die Arbeit vollkommen eingestellt.
Im Jahre 1914 beschäftigten diese 16 Betriebe 1369 Arbeiter
mit 4155 Familieangehörigen. Im Jahre 1927 beschäftigten
die noch arbeitenden Betriebe 379 Arbeiter mit 1079 Familienangehörigen.
Die ganze Industrie war auf 1510 HP eingerichtet. 1914 wurden
8133 Arbeitstage wöchentlich gearbeitet, 1927 sind es nunmehr
1628. Die Kapazität war vor dem Kriege eine wöchentliche
Ledererzeugung von 9 Waggons, heute ein Waggon und 36 Zentner.
Also nur 15% der Friedenskapazität. Der Vorwurf, daß
die Mikulášer Industrie nichts investiert habe und
nicht modern sei, entspricht nicht der Wahrheit, denn seit
1922 hat diese Industrie 10 Millionen Kè für Modernisierung
ausgegeben. Die Ursachen, daß diese alberühmte Industrie
in die heutige traurige Lage kam, sind folgende: Vom Jahre 1919
bis 1920 wurde die Lederausfuhr verboten. Die Mikulášer
Industrie verlor durch dieses Verbot ihr Hauptabsatzgebiet,
die ungarische Tiefebene. Im Jahre 1922 kam der Übergang
von der Inflation zur Deflation. Dieser Übergang hat die
Industrie in Mikuláš ganz besonders getroffen, sie
hat die Rašín'sche Finanzpolitik und die Härten
derselben am eigenen Leibe sehr gespürt. Im Jahre 1925 erhielten
die Fabriken Aufträge aus Rußland und konnten sieh
mit Rohmaterial eindecken. Doch die Russen haben die Bestellungen
storniert und die Ware blieb am Lager. Im Jahre 1926 war schon
spürbar, daß die Inlandskaufkraft sehr gesunken war.
Unter der Bevölkerung war kein Geld mehr, denn die Vermögensabgabe,
die rückständigen Steuern und die andern Lasten hatten
alles aufgesogen. Exportmöglichkeiten waren nicht vorhanden,
denn die verfehlte Außenpolitik des Herrn Ministers Beneš
hat es so weit gebracht, daß selbst ein Lederexport
in die verbündeten Staaten der Kleinen Entente unmöglich
ist. Ein Lederfabrikant, der geschäftlich in Hamburg war,
erzählte unter bitteren Vorwürfen gegen unseren Herrn
Außenminister, wie der große Stresemann direkt nach
Hamburg gereist ist, um die dortigen Handelskreise aufzusuchen
und ihre Wünsche und Beschwerden kennen zu lernen. Unser
Herr Außenminister, meinte der Fabrikant, hat noch nicht
das Bedürfnis empfunden, sich mit den Vertretern der Industrie
darüber auszusprechen, welches ihre Wünsche wären
und wie man eine Gesundung herbeiführen könnte, denn
ohne Export kann die Lederindustrie nicht leben. Die Mikulášer
Lederindustrie ist weit über 100 Jahre alt. Eine junge arbeitswillige
Generation, die nicht gewillt ist, einen langsamen wirtschaftlichen
Tod dahinzusterben, wandert nach Ungarn aus, wo die natürlichen
Absatzgebiete der Slovakei sind. Mit dem Zugrundegehen der Lederindustrie
in Mikuláš werden abermals tausende und abertausende
Menschen brotlos, der Handel und die Landwirtschaft verlieren
die Konsumenten und der Staat die Steuerzahler. An diese Lederindustrie
knüpft sich in Mikuláš ein großes Schustergewerbe
und ganze Gebiete haben sich hier mit ihren Schuhen versorgt.
Dank der Ausbreitung der Firma Baa ist dieses Gewerbe heute
auch gänzlich lahmgelegt und diese kleinen Gewerbetreibenden,
die einst gut situierte Bürger waren, klagen heute und sind
besorgt um ihre Existenz, stecken in Schulden und können
kaum das verdienen, was sie zum täglichen
Leben benötigen. Alle diese Fälle haben wir in der Ostslovakei
schon durchgemacht, wo mit dem Zusammenbruch der Monarchie mit
dem Abbau des Eisenwerkes in Krompach auch die ganze Eisenindustrie
im Gölnictale zugrunde gegangen ist.
Es ist daher eine wichtige Aufgabe des Staates,
der argbedrängten Industrie in der Slovakei, falls er seine
Steuersubjekte erhalten will, ohne Zögern zu Hilfe zu eilen.
Diese Hilfe muß in erster Reihe handelspolitisch sein, durch
Abschließung günstiger Handelsverträge muß
für Absatzgebiete gesorgt werden und das Außenmtnisterium
hat dafür zu sorgen, daß die Industrie die nötigen
Absatzgebiete erhält. In finanzpolitischer Beziehung sollte
der Industrie durch langfristige Darlehen geholfen werden. Deutschland
und Ungarn gewähren ihrer Industrie langjährige billige
Kredite. Die Steuerrückstände der Vermögensabgabe
und der Einkommensteuer sollten abgeschrieben werden; die Umsatzsteuer
müßte reduziert werden oder ganz wegbleiben. Deutschland
hat die Umsatzsteuer von 4% auf ein halbes Prozent reduziert.
Dr Hodáè, der Generalsekretär des Verbandes
der Industrie, sagt in seinem Berichte: Die Industrie der Èechoslovakischen
Republik zahlt dreimal so viel Steuern als die Industrie Deutschlands.
Zur Hebung des Exportes sollten Exportprämien
eingeführt werden. Eine Verminderung der sozialen Lasten
müßte unbedingt durchgesetzt werden, wenn wir unsere
Industrie konkurrenzfähig machen wollen. Bezüglich der
Post- und Telegraphengebühren ist die Èechoslovakische
Republik der teuerste Staat. Die Industrie der Slovakei sollte
ebenfalls einen Anteil an den Staatslieferungen erhalten.
Ein besonderes Kapitel ist die Frage der Eisenbahntarife,
welche in ihrer jetzigen Form und Höhe unser ganzes Wirtschaftsleben
einschränken, wo auf 10 km Staatsbahn 8 km Privatbahn fallen,
wo das Eisenbahnnetz der jetzigen Staatsform durchaus noch nicht
angepaßt ist. Der Ausbau der Verbindungsbahnen ist eine
der wichtigsten Forderungen der Slovakei, vor allem der Ausbau
der Verbindungsbahn Margetcany Rotenstein welche die Mittelslovakei
mit der Ostslovakei verbindet; ferner der Ausbau der Eisenbahnlinie
Handlova-Stubna, welche Bahn das Kohlenbecken Handlova der Ostslovakei
näher bringen wird. Der Unterschied zwischen den Frachtsätzen
der Staatsbahnen und der Privatbahnen muß unter allen
Umständen ausgeglichen werden, wenn auch dieser Unterschied
dem Staate 60 Millionen Kè trägt. Aber dieser Ertrag
geht zu Lasten der Slovakei. Sämtliche Ausnahmstarife sind
aufzuheben und in das Schema der normalen Tarifklassen
aufzunehmen. Unsere Bahnen zahlen heute die größte
Verkehrssteuer in ganz Europa, nämlich 15% beim Lastenverkehr
und 30% Steuer bei der Personenbeförderung.
Durch den Abbau der Industrie in der Slovakei
wurde auch der Landwirtschaft riesiger Schaden verursacht. Die
intensive Landwirtschaft der Slovakei ist teilweise durch die
Bodenreform vernichtet und teilweise zur extensiven Landwirtschaft
übergegangen. Um die Erwerbsmöglichkeiten in der Ostslovakei
zu fördern, müßte in erster Reihe daran gegangen
werden, den Fremdenverkehr intensiv zu unterstützen. Die
ganze Slovakei mit ihren herrlichen Quellen und Bädern ist
für den Fremdenverkehr wie geschaffen. Und ebenso wie in
der Schweiz und in Deutschösterreich tausende und abertausende
Menschen vom Fremdenverkehr leben, könnte es auch
in der Slovakei sein. Die Fremden bringen Geld ins Land und im
Jahre 1925 hat der Fremdenverkehr der Èechoslovakei 530
Millionen eingetragen. Deshalb sollte der Fremdenverkehr intensiver
gefördert und die Kurorte aufs höchste
unterstützt werden. Ist ja doch der Staat selbst der größte
Kur- und Badeortebesitzer. Dabei sehen wir aber insbesondere in
den staatlichen Kurorten der Hohen Tatra eine Stagnation. An neue
Investitionen wird dort gar nicht gedacht und trotzdem die Privatkurorte
in der Hohen Tatra ganzjährigen Betrieb haben, sind die staatlichen
Kurorte in den Sommermonaten kaum 6 Wochen geöffnet. In den
Wintermonaten ist sozusagen kein Verkehr in den staatlichen Kurorten
der Tatra. Man muß eben den Fremden, die zur Erholung
einen Kurort aufsuchen, den Aufenthalt angenehm zu gestalten wissen.
Dies fehlt aber in den staatlichen Kurorten. Trotzdem mehr als
die Hälfte der Gäste in der Tatra-Lomnitz Deutsche und
Ungarn sind, finden wir dort nur èechische und französische
Aufschriften. Es wäre für den Staat wie für den
Fremdenverkehr von größten Nutzen, wenn die staatlichen
Tatrakurorte an kapitalskräftige Gesellschaften oder Private
vermietet würden, die zugleich verpflichtet würden,
neue Investitionen zu machen und einen ganzjährigen Betrieb
einzuführen, wodurch sich für die heimische Bevölkerung
neue Erwerbsmöglichkeiten erschließen würden.
Das Eisenbahnministerium kommt zwar dem Fremdenverkehr in lobenswerter
Weise entgegen, doch wäre noch manches zu tun. Von großer
Wichtigkeit wäre es, direkte Züge Budapest-Poprad einzustellen,
die das ganze Jahr verkehren, wodurch die Fremden aus Ungarn und
den Balkanstaaten die Tatra bequem erreichen könnten. Eine
zweite sehr wichtige Verbindung wäre Berlin-Breslau-Hohe
Tatra-Poprad, da ja die Reichsdeutschen stets große Tatra-Freunde
waren und der Stand ihrer Valuta es ihnen ermöglicht, unsere
Tatrabäder zu besuchen.
Würde der Staat auf dem Gebiete der Volkswirtschaft
wirklich planmäßig und zielbewust vorgehen, der Bevölkerung
Erwerbsmöglichkeit schaffen, Industrie, Landwirtschaft und
Gewerbe heben, dann würde gerne jeder Steuern zahlen. Aber
bei der derzeitigen wirtschaftlichen Verelendung werden auch die
strengen Paragraphen nicht helfen, weil einfach das Geld zum Steuerzahlen
fehlt.
Für die slovakischen Politiker aber mögen
diese heute hier angeführten traurigen Tatsachen ein Memento
sein. Nicht das ist das Wichtige, ob die Krankenkassa ihren Sitz
in Mikuláš oder Rosenberg hat, sondern das wichtigste
Problem ist, die wirtschaftliche Verelendung der Slovakei zu beseitigen
und wenn hier nicht bald geholfen wird, dann wird eben das Volk
selbst bei der nächsten Gelegenheit sein Urteil über
seine Führer fällen. Wie sehr die wirtschaftlichen Fragen
im Vordergrund stehen, beweist ja die Weltwirtschaftskonferenz
in Genf. Aber eine andere Frage ist, ob Genf die Fehler von Versailles
wird gutmachen können. (Potlesk.)
Hohes Haus! Ich habe bereits in der Generaldebatte
des Budgetausschusses darauf hingewiesen, daß die in Verhandlung
stehen den Vorlagen die erste größere und wichtige
gesetzgeberische Arbeit darstellen, für die auch die deutschen
Regierungsparteien die volle Verantwortung zu übernehmen
haben, und erklärte damals, daß es uns wohl äußerst
schwer fallen, ja vielleicht unmöglich gemacht würde,
diese Verantwortung zu übernehmen, wenn nicht die äußersten
Härten aus der Regierungsvorlage beseitigt würden. Ich
glaube wohl nicht erst die Versicherung geben zu müssen,
daß ich angesichts dieser Erklärung nicht vor Sie hintreten
würde, um für das Gesetz einzustehen, wenn ich nicht
die volle Überzeugung hätte, daß es gerade den
deutschen Regierungsparteien gelungen ist, in der monatelangen
Zusammenarbeit mit den übrigen Mehrheitsparteien in allen
Teilen dieser Vorlage eine große Reihe namhafter Abänderungen
durchzusetzen, die, obwohl sie nicht alle Wünsche befriedigen
können, und das wird wohl nie der Fall sein, doch als eine
ganz wesentliche Verbesserung des Gesetzes anzusehen sind. Allerdings
muß ich hier feststellen, daß hiebei das Entgegenkommen
der Finanzverwaltung und die Einsicht der übrigen Koalitionsparteien
einen nicht geringen Anteil haben. Es wird wohl zugegeben werden
müssen, daß es sich bei der vorliegenden Vorlage, wie
der Berichterstatter Dr. Hnídek erklärte um
eine der dringendsten und unaufschiebbarsten Staatsnotwendigkeiten
handelte, die ihre baldigste und rascheste Erledigung forderte.
Und trotzdem wird niemand ernstlich behaupten können, daß
man einer sachlichen und gründlichen Beratung ausgewichen
wäre. In ausdauernder, ruhiger und gewissenhafter Beratung
wurde das Werk, allerdings erst im Rahmen der Regierungsmehrheit
beraten, wobei als Grundlage für die Beratungen die Eingaben
und Forderungen aller wirtschaftlichen Korporationen und Organisationen
ohne Unterschied der Partei und Nation dienten. Hunderte von Anträgen
und Anregungen wurden eingehend überprüft, zum Teil
auch berücksichtigt, fast zu allem nahm der Herr Finanzminister
oder einer der Herren Finanzreferenten Stellung. Aber auch dem
Budgetausschuß wurde Gelegenheit gegeben, ohne besondere
Überhastung an die Arbeit zu gehen und es muß konstatiert
werden, daß dies auch von Seiten der Opposition in reichem
Maße und in durchaus sachlicher Weise ausgenützt wurde.
Jetzt stehen wir vor der Vollendung dieses
Werkes und es war höchste Zeit, daß es geschaffen wurde.
Der Rechtszustand auf dem Gebiete des Steuerwesens, namentlich
der direkten Steuern war unerträglich geworden, denn mehr
als 70 Gesetze und Verordnungen waren es, nach denen sich die
Steuerbehörde und die Steuerträger zu richten hatten.
Kein Wunder, wenn sich weder die Beamten noch die Steuerzahler
auskannten, kein Wunder, wenn schließlich weder die Behörde
noch die Steuerträger wußten, was zu zahlen war. Es
mußte deshalb zu einer Reform dieses Steuerunwesens geschritten
werden, die denn auch schließlich über einmütige
Forderung der ganzen Bevölkerung ohne Unterschied der politischen
Überzeugung und ohne Unterschied der einzelnen Stände
und Klassen erfolgte. Die Kritik, die hier geübt wird, gilt
des halb weniger der Reform, die allgemein als eine Notwendigkeit
angesehen wird, als der Art ihrer Durchführung. Die Lasten,
die allen Produktionsschichten durch einen geradezu unerhörten
Steuerdruck aufgehalst wurden, waren nicht mehr zu ertragen. Dem
siebenfachen Einkommen gegenüber der Vorkriegszeit stand
mindestens das Zehnfache allein an direkten Steuern gegenüber,
eine Tatsache, die schließlich zur Konkurrenzunfähigkeit
unserer Produktion, zu niederer Lebenshaltung und zur Steigerung
der Arbeitslosigkeit führen mußte. Damit soll durchaus
nicht behauptet werden, daß der Niedergang unserer Volkswirtschaft
und die andauernde Wirtschaftskrise allein auf den Steuerdruck
zurückzuführen war. Ich gebe da jenen recht, die behaupten,
daß die besondere Wirtschaftskrise dieses Staates, die sich
von der Weltwirtschaftskrise sehr wohl unterscheidet, zum großen
Teile durch die Staatsverwaltung selbst verursacht wurde, nachdem
bei den meisten Maßnahmen, die der Hebung der Wirtschaft
dienen sollten, nicht immer nur Gründe wirtschaftlicher Natur,
sondern sehr oft auch solche rein nationaler die wichtigste Rolle
spielten, wobei gerade diese der Wirtschaft dieses jungen Staates
am meisten abträglich waren. Man hatte es eben ganz übersehen,
daß die Èechoslovakei mehr als 70% der Industrie
des alten Österreichs übernommen hatte, ohne sich um
das Absatzgebiet dieses Großstaates zu bekümmern, ja
noch mehr, statt sich diese Absatzgebiete zu sichern, machte man
sich den größten Teil derselben
zum Feinde. Ursache dieser ganz verkehrten Wirtscschafts- und
Handelspolitik schien wohl auch ein wenig der Umstand zu sein,
daß der Großteil der so übernommenen Industrie
in deutschen Händen lag, an deren Fortbestand, geschweige
denn an deren gedeihlichen Entwicklung man nicht das geringste
Interesse zeige. Ich unterstreiche da die Worte des Kollegen Dr.
Rosche, daß das èechoslovakische Wirtschaftsgebiet
bei vernünftiger Führung, die frei von nationaler Gehässigkeit
die wirtschaftlichen Probleme zu lösen
versucht hätte, das konsolidierteste Gebilde Mitteleuropas
sein könnte. Wirtschaftspolitik zu treiben muß deshalb
unsere erste Hauptaufgabe sein, eine Wirtschaftspolitik, die die
materielle Existenz aller Bevölkerungszweige zu sichern imstande
ist und die dann auch zum wirtschaftlichen Gedeihen des Staates
beiträgt, wovon schließlich alles wirtschaftliche Leben
abhängig ist. Ich gebe deshalb der Hoffnung Raum, daß
man nunmehr zur Einsicht gekommen ist, und daß endlich unsere
ganze Wirtschaftspolitik auch auf anderen Grundlagen aufgebaut
wird. Es war deshalb höchste Zeit, daß zunächst
eines der Haupthindernisse beseitigt wurde, das unserer Produktion
im Wege stand und das die Lasten, die diese niederdrückten,
erleichtern soll. Es sind dies neben dem Gesetz über die
direkten Steuern das Gesetz über die Regelung der Finanzwirtschaft
der autonomen Verbände und das Gesetz über die Stabilisierungsbilanzen.
Die Stabilisierungsbilanzen sind eine Ergänzung
zur Steuerreform. Sie sollen es vor allem ermöglichen, ein
wirkliches Bild des Vermögensstandes zu bieten, so daß
dann die Betriebsbilanzen wieder ihren wirtschaftlichen Wert gewinnen.
Heute richtet sich der ständige Wert nach der Krone und deshalb
soll dieses Gesetz die richtige Einschätzung jener Werte
ermöglichen, die als Investitionskapital der Erwerbssteuer
unterliegen, ebenso aber auch eine richtige Berechnung ihres Ertrages
und angemessene Abschreibungen gestatten. Dieses Gesetz ist nicht
obligatorisch, sondern fakultativ. Jeder Betrieb, der an den Steuererleichterungen
teilnehmen will, kann im Laufe von 5 Jahren ab 1927 eine Ausgangsbilanz
aufstellen, welche als Grundlage zur Stabilisierungsbilanz dient.
Im Budgetausschusse wurde die Wirksamkeit dieses Gesetz auch auf
landwirtschaftliche Betriebe aufgebaut, so bald diese ordentliche
Bücher führen und ordnungsgemäße Betriebsabschlüsse
ausweisen. Da diesem Gesetz von keiner Seite ernstliche Schwierigkeiten
bereitet wurden, habe auch ich keine Ursache, mich näher
damit zu beschäftigen und es mag genügen, wenn ich es
als einen Fortschritt auf dem Gebiete unserer wirtschaftlichen
Gesetzgebung begrüße
Heiß umstritten ist dagegen das Gesetz
über die Regelung der Finanzwirtschaft der autonomen Verwaltungskörper.
Ich gebe zu, daß man bezüglich dieses Gesetzes von
verschiedener, ja sagen wir von ganz entgegengesetzter Meinung
sein kann, ich meine aber, daß man dieses Gesetz auch von
zwei Seiten beurteilen muß. Es ist ein großer Unterschied,
ob ich dieses Gesetz vom Standpunkte der Gemeinde aus betrachte,
die darin eine Vergewaltigung aller Autonomie und aller ihrer
Gemeinderechte sieht, oder vom Standpunkte des seufzenden Steuerzahlers,
der in der vollen Umlagefreiheit eine ebensolche Ausschöpfung
seiner ohnedies leeren Taschen erblickt. Denn Tatsache ist es,
daß die Zuschläge ein Vielfaches der staatlichen Steuern
betragen und soll die Steuerreform ihr Hauptziel, eine Herabsetzung
der öffentlichen Lasten erreichen, dann bleibt eben nichts
anderes übrig, als auch die Zuschlagshöhe der Selbstverwaltungskörper
zu regeln. Dies bedeutet meiner Meinung nach nicht so sehr eine
Einschränkung der Autonomie, als nur eine Einschränkung
der Machtvollkommenheiten jener, die ohne Rücksicht auf den
Steuerzahler glaubten, mit den Gemeindefinanzen umgehen zu können,
wie sie wollen. Es mag richtig sein, daß viele Gemeinden
nicht die alleinige Schuld an der Höhe ihrer Zuschläge
tragen und daß andere Umstände, die Kriegsanleihe,
schlechte unzureichende Zuweisung der Umlagen durch die Finanzbehörde,
dazu beigetragen haben; ebenso richtig aber ist es, daß
viele Gemeindevertreter in der Nachkriegszeit einfach darauf losgewirtschaftet
haben, ohne Rücksicht auf die Steuerzahler und dies meistens
aus dem Grunde, weil die Mehrheit ihrer Wähler eben keine
Steuerzahler waren. Aus diesem Grunde habe ich gar keine Ursache,
mit diesem Gesetze der Öffentlichkeit aus dem Wege zu gehen,
dies umsomehr, als ich überzeugt bin, daß gerade die
Beschränkung der Umlagenhöhe sich im besserem Sinne
zugunsten unserer Volkswirtschaft auswirken wird, ohne daß
dabei auch nur eine einzige Gemeinde finanziell zugrunde gehen
muß.
Was nun das Gesetz über die direkten Steuern
anbelangt, so habe ich eingangs meiner Ausführungen behauptet,
daß es uns gelungen ist, wesentliche Verbesserungen an der
ursprünglichen Vorlage vorzunehmen. Daß tatsächlich
gewaltige Veränderungen an der Vorlage erfolgt sind, wird
allgemein bestätigt und es wird gesagt, daß keine Vorlage
so verändert ins Haus zurückgekehrt ist, wie diese Vorlage.
Allerdings wird behauptet, daß die Vorlage durch die Veränderungen
nur verschlechtert wurde und daß die meisten Änderungen,
so erklärt man wenigstens sozialistischerseits, nur im Interesse
der kapitalistischen Schichten erfolgt seien. Dem gegenüber
stelle ich fest, daß auf der anderen Seite wieder die Vertreter
der sogenannten kapitalistischen Schichten die Gegenbehauptung
aufstellen, daß für sie sowohl in der Vorlage als auch
durch ihre Änderungen so gut wie nichts geschehen ist.
Wenn ich mir nun die Meinungen dieser zwei
Gruppen gegenüberhalte, dabei mich der Debatten erinnere,
die über die Abänderungen geführt wurden, so komme
ich zu dem Schlusse, daß beide ein wenig unrecht haben und
daß die Wahrheit wohl am besten in der Mitte zu suchen ist.
Wir haben getan, was wir tun konnten, und beide Gruppen unter
Berücksichtigung der gegenwärtigen wirtschaftlichen,
finanziellen und politischen Verhältnisse so zu berücksichtigen,
damit nicht eine der Gruppen durch die andere geschädigt
wird; und wenn auch hier eine volle Befriedigung nicht erzielt
werden konnte, so deshalb, weil ja auch dieses Gesetz den Stempel
des Kompromisses trägt, das die Gegensätze der einzelnen
Berufs- und Produktionsschichten zu überbrücken hatte.
Eine der wichtigsten Änderungen gegenüber
dem jetzigen Zustande ist die, daß das Steuerjahr mit dem
Wirtschaftsjahr zusammenfallen wird; dadurch wird auch die Finanzverwaltung
Zeit gewinnen, die alten Steuerrückstände, die 4 Milliarden
betragen dürften, aufarbeiten zu können. Daß dies
in einer Weise geschieht, daß damit nicht die einzelnen
Steuerträger umgebracht werden, muß vorläufig
der Finanzverwaltung überlassen werden, die ja schließlich
ein Interesse daran haben muß, daß die Steuerzahler
von der neuen Steuerreform in möglichst solventem Zustande
übernommen werden können. Das Steuerjahr 1927 ist einbekenntnisfrei,
da für das Jahr 1926 keine Steuern bemessen werden. Die Steuern
müssen also in diesem Falle nach den Ergebnissen des Jahres
1925 bezahlt werden, während die endgültige Regelung
über die Steuerhöhe durch das Einbekenntnis im Jahre
1928 für das Jahr 1927 erfolgen wird.
Eine weitere, sehr wichtige Neuerung wird dadurch
erfolgen, daß der Steuerträger für jede Steuer
ein separates Steuerkonto erhalten wird, das dem Steuerträger
eine genaue Übersicht über die Vorschreibung der einzelnen
Steuern und über seine geleisteten Zahlungen gestattet.
Was nun die einzelnen Steuergattungen anbelangt,
so glaube ich, mich kurz fassen zu können, da ja darüber
das Gesetz selbst einen ziemlich einwandfreien und übersichtlichen
Aufschluß gibt und die Presse über die wichtigsten
Änderungen das Publikum zeitgerecht unterrichtet hat.
Bezüglich der Einkommensteuer ist in der
Hauptsache hervorzuheben, daß hier eine einwandfreie festzustellende
Erniedrigung von 40% vorgenommen wurde, was eine
bedeutende Entlastung für sämtliche Steuerzahler beinhaltet.
Ebenso wurde eine Erhöhung des Existenzminimums von 6000
auf 7000 Kè vorgenommen, das sich bei kinderreichen Familien
bis auf 11.000 erhöhen kann. Ganz besonders hervorzuheben,
und ich erkläre das im Gegensatze zu einer ganzen Reihe der
Oppositionsredner, als einen weiteren Vorteil für die Arbeitnehmer
und Angestellten, ist die Einführung des Lohnabzuges für
die Arbeiter und Angestellten, die es diesen ermöglicht,
die Steuer in Wochen oder Monatsraten abzustoßen. Als Vorteil
erkläre ich dies deshalb, weil der § 30, der die Sätze
für die Lohnabzüge enthält, eine weitere bedeutende
Ermäßigung nicht nur gegenüber dem bisherigen
Einkommensatze, sondern auch gegenüber den übrigen Steuerträgern,
die die Steuer nach dem § 18 bezahlen müssen, ergibt.
Ich erlaube mir, dies an der Hand einiger vergleichender Gegenüberstellungen
festzustellen u. zw. werde ich mich mit einigen Stichproben auf
die Lohnabzüge von Wochenlöhnen beschränken.
Der Abzug beginnt mit einem Wochenlohn von 193 Kè, das
bedeutet ein Bruttojahreseinkommen von 10.036 Kronen, was nach
dem alten Gesetz, wenn man alle gestatteten Abzüge insgesamt
mit 30% angenommen
abrechnet, ein Nettoeinkommen von 7030 Kronen darstellt. Für
diese 7030 Kronen hätte er ohne Lohnabzug folgende Zahlung
zu leisten: nach dem bisherigen Gesetze 116 Kronen einschließlich
Kriegssteuer, sonst 90 Kronen, nach § 18 des neuen Gesetzes
80 Kronen und nach § 30 des neuen Gesetzes 25 Heller wöchentlich,
das sind jährlich 13 Kronen, also 103 bezw. 80 Kronen weniger.
Bei einem Wochenlohn von 230 Kè, d. i. jährlich 11.960
Kè, bezw. 8372 Kè, nach dem alten Gesetz 144, nach
§ 18, 111, und nach § 30 wöchentlich eine Krone,
d. i. 52 Kè; bei Kè 280 d. i. 14.560
bezw. 10.192 Kè nach dem alten Gesetz 252 Kè, nach
§ 18, 165 Kè, nach § 30 wöchentlich 2.50
Kè, das ist also jährlich 104 Kronen. Die Lohnsteuer
gilt bis zu einem Wochenlohn von 453, bezw. einem Monatsgehalt
von 1963 Kè.
Schon diese wenigen Beispiele müssen genügen,
um die Vorteile des Lohnabzuges gegenüber dem Einbekenntnis
und der Zahlung nach § 18 sicherzustellen. Es wäre aber
ein Unrecht, wenn in Fällen des Lohn- und Gehaltsabzuges
nicht auf mehrbelastete Haushalte Rücksicht genommen würde.
Die Frage regelt der § 31, demzufolge sich die Wochenlohngrenze
bei einem Familienstande von 3 Personen auf 222 Kronen, bei 4
Personen auf 246 Kronen, bei 5 Personen auf 289 Kronen erhöht
und zur Gänze entfällt bei einem Familienstand von 6
Personen. Dasselbe gilt bei entsprechender Hinaufsetzung all dieser
Beträge bei 10-, 14-, 28tätiger oder monatlicher Auszahlung.
Alle übrigen Steuerzahler haben die Steuer nach § 18
zu entrichten. Diese Steuer wird nach § 20 ermäßigt
bis zu einem Gesamteinkommen von 26.000 Kronen um ein Zehntel
für den zweiten und um je zwei Zehntel für jeden weiteren
Familienangehörigen, bei einem Einkommen von 26.000 bis 52.000
um je ein Zehntel für den zweiten und jeden weiteren Familienangehörigen.
Wenn wir also in voller Objektivität die
Lage der Arbeiter und kleineren Angestelltenschaft gegenüber
dem jetzigen Stande betrachten, so muß zugegeben werden,
daß sie sich gegenüber dem bisherigen Einkommensteuergesetze
bedeutend verbessert hat und es ist zumindest stark übertrieben,
wenn von einer Verschlechterung die Rede ist. Ich gebe zu, daß
eine weitere Hinaufsetzung des Existenzminimums wünschenswert
gewesen wäre, es muß aber hier festgestellt werden,
daß auch die Finanzverwaltung mit einer gewissen Einnahmenhöhe
rechnen muß und daß der Entfall auf der einen Seite
zur Folge hat, daß er auf die andere Seite abgewälzt
werden muß, ferner, daß sich diese andere Seite genau
so zur Wehr setzt, wie die erste. Zumindest stark übertrieben
ist es auch, wenn behauptet wird, daß sich durch die Lohnabzugssteuer
die Zahl der Arbeitersteuerzensiten erhöhen wird. Dem kann
unmöglich so sein, da ich eine ganze Menge neuer Lohnverträge
kenne, aus denen hervorgeht, daß der überaus größte
Teil der Arbeiter, wenigstens Nord- und Ostböhmens die Lohnhöhe
von 193 Kè nicht erreicht und deshalb
aus der Steuer herausfällt.