Im Zusammenhang damit möchte ich besonders
auf die letzten Ereignisse in der Glasindustrie zu sprechen kommen.
Etwas Besonderes und viel Besprochenes in der Zeit der Konjunkturperiode
waren die Löhne und Verdienste der Glasarbeiter. Besonders
in den Hirnen der Spießbürger, nicht zuletzt in den
Amtsräumen der Steuerämter spukte die Idee herum,
daß die Glasschleifer in der Zeit der Konjunkturperiode
einen zwischen 500 bis 1000 Kè sich bewegenden Verdienst
zu verzeichnen hatten. Mit einer gewissen Gier warteten die Steuerämter
schon darauf, um Gelegenheit zu bekommen, diese
hohen Verdienste der Glasschleifer einer entsprechenden Besteuerung
unterwerfen zu können. Dazu gestatte ich mir nun die Beantwortung
der Frage, wie weit diese angeblichen Löhne den Tatsachen
entsprochen haben. Bis zum Jahre 1920, u. zw. zum Feber
1920 erzielten die Glasschleifer des Isergebirges einen durchschnittlichen
Wochenverdienst von 50 bis 120 Kè, also auch schon in einer
Zeit, wo man von einer ausgesprochenen Konjunkturperiode sprach.
In dem Zeitpunkte der erhöhten Teuerungszuschläge
für die Glasarbeiter betrug im Jahre 1920 der Verdienst der
Glasschleifer bei ungefähr durchschnittlicher Verdienstberechnung
wöchentlich 278 Kè für die Flaconschleifer und
289 Kè für die Kristallschleifer. Das waren in Wirklichkeit
jene ungeheueren Verdienste, über die
man soviel herumgeschrieen hatte und auf die man mit soviel Gier
wartete, um sie besteuern zu können. Es ist sicher, daß
man diese "ungeheueren" Verdienste der Glasschleifer
von der Tatsache ableitete, daß die Unternehmer schon während
der Kriegszeit im Allgemeinen ungeheuere Verdienste hatten und
später in den Jahren 1918, 1919 und 1920 reich geworden sind,
ohne zu wissen wie. Daraus schloß man nun auf die Löhne
der Arbeiter, die mit den von mir angeführten Löhnen
das Auskommenfinden mußten. Wie lange hat für die Glasschleifer
im besonderen diese so viel besprochene Konjunktur angehalten?
Nicht länger als ungefähr ein Jahr hatten die Arbeiter
Gelegenheit mit einem Durchschnittsverdienst, wie ich es erwähnt
habe, ihr Dasein zu fristen. Bereits im Jahre 1921 mußten
die Flaconarbeiter ihre Arbeitszeit auf 4 Tage wöchentlich
einschränken, so daß sich auch ihr Verdienst entsprechend
verringerte. (Posl. Wünsch: Davon haben aber die Bürgerlichen
nicht gesprochen!) Nein, davon haben sie sicherlich nicht
gesprochen. Ganz besonders aber verschärfte sich die Krise
für die Glas arbeiter im Jahre 1922. Seit September 1922
liegen die Dinge so, daß in den beiden Branchen, der Kristallerie
und der Flaconbranche, fast überhaupt keine Arbeitsmöglichkeit
vorhanden ist. Die Leute leiden unter einer vollkommenen Arbeitslosigkeit
und mußten mit der spärlichen Arbeitslosenunterstützung
ihr Auskommen finden. (Výkøiky na levici.)
Von damals bis heute hat sich diese Krise
in der Glasindustrie fürchterlich ausgewirkt. Ganz
besonders stieg die Not im Jahre 1925 durch die Einführung
der deutschen Zölle auf die Erzeugnisse der Glasindustrie
des Iser-Gebirges, welche Maßnahme nichts anderes war, als
eine Gegenmaßregel gegen die ungeheuer hohen Zölle,
welche der èechoslovakische Staat auf
die aus Deutschland eingeführten Chemikalien legte. Es entstand
eine Situation, durch die den Arbeitern jede Lebensmöglichkeit
geraubt war.
Ich will nur einige Momente hervorheben, die
in der verschärften Krise zutage traten. Es ist nur naheliegend,
daß die Unternehmer in der Zeit der Krise dazu übergingen,
eine ungeheuere Schmutzkonkurrenz zu entfalten, um nur irgendwelche
Aufträge, ganz gleichgültig zu welchen Preisen, erhalten
zu können. Aber diese ungeheuere Konkurrenz der Unternehmer
mußte sich auf dem Rücken der Arbeiter auswirken, indem
ein ständiges Sinken der Löhne eintrat. Es genügte
nicht der auf dem Wege des Vertragsverhältnisses herbeigeführte
Lohnabbau, sondern es wurden auch die so herabgedrückten
Löhne weiter bis auf das tiefste Niveau herabgesetzt. Dazu
kommt das Fehlen jeglichen Verständnisses der Regierung dieses
Staates, ganz gleichgültig, welchen Namen sie trug, für
eine vernünftige Wirtschaftspolitik sowie das Fehlen entsprechender
Handelsverträge mit den für diese Erzeugnisse in Frage
kommenden Absatzgebieten. Hiezu tritt andererseits die außerordentliche
Ausbreitung der Produktion der Schmirgelware. Die Exporteure benützten
die Krise dazu, die Rohprodukte als Fertigware auf den Markt zu
bringen, um sich um jeden Preis Geschäfte und Profit zu sichern.
Die Regierung blieb allen diesen Dingen gegenüber gleichgültig.
Sie hatte nicht das geringste Interesse und legte nicht die geringste
Bemühung an den Tag, hier einigermaßen helfend einzugreifen.
(Posl. Wünsch: Es hat sich ja nur um Glasarbeiter gehandelt!)
Ja, das ist richtig, es waren nur Glasarbeiter, was liegt
denn in diesem Staate daran, wenn 1000 oder 2000 Glasarbeiter
zugrundegehen! Das alles erzeugte eine unerträgliche Situation,
die zu besonderen Auswirkungen führen mußte. Ich verweise
hiebei noch auf die vielen Vorsprachen, die seitens der Gewerkschaften
der verschiedenen Parteien und seitens der Gemeinden bei den Regierungsstellen
stattgefunden haben, wo man immer mit Versprechungen getröstet
wurde. Aber bis auf den heutigen Tag ist auch nicht ein Versprechen
seitens der Regierungsstellen eingehalten worden. Erschwerend
kam hinzu, daß durch das famose Genter System die Glasarbeiter
zum größten Teil ausgesteuert und so der größten
Not preisgegeben waren. Es ist kein Wunder, wenn die Arbeiter,
die keine Möglichkeit sahen, aus dieser Situation herauszukommen,
zu einem Mittel gegriffen haben, um durch eine öffentliche
gewaltige Kundgebung ihren Protest zum Ausdruck zu bringen. Es
ist mehr als verständlich, daß am 21. März d.
J. die Glasarbeiter zu Tausenden und Abertausenden aufmarschierten,
nicht um irgendwelche Ungeheuerlichkeiten zu begehen, sondern
einzig und allein, um die Regierung im letzten Augenblick noch
einmal auf den Ernst der Situation aufmerksam zu machen, gleichsam
einen Mahnruf an die Regierung zu richten, endlich helfend einzugreifen.
(Výkøiky na levici.) Es
war das eine Hoffnung, der sich die Glasarbeiter hingaben, die
aber bis heute eine leere Hoffnung geblieben ist. Ich erinnere
mich an die Reden, die bei dieser Demonstration von den verschiedenen
Vertretern der Gewerkschaften gehalten wurden und ich weiß
mich noch sehr gut daran zu erinnern, daß es nicht zuletzt
auch die Reformisten waren, die erklärten, es werde dies
die letzte ruhige Demonstration der Glasarbeiter sein; wenn die
Regierung nicht unverzüglich ein greife, würden die
Arbeiter zur Selbsthilfe greifen. Aber nichts ist geschehen, die
Regierung ist weiter in ihrer Gleichgültigkeit geblieben
und so kam es am 28. März zu jener Demonstration, die so
viel in der bürgerlichen Presse besprochen wurde. Es war
eine spontane Kundgebung, wo eine Reihe jener Erzeugnisse, in
denen die Arbeiter eine Hauptursache ihrer Not und ihres Elends
erblickten, zertrümmert wurde. Aber die Schuld daran liegt
nicht an den Arbeitern, die Schuld an den Ereignissen liegt bei
allen jenen, die diese Situation heraufbeschworen haben. Die Schuld
liegt bei der Regierung, die jahrelang gleichgültig dieser
Not der Glasarbeiter zugesehen hat. Das Ergebnis dieser Demonstration
von 28. März war der Ausnahmszustand und die in diesem Ausnahmszustand
herbeigeführten Beratungen mit den Vertretern der Regierung.
Ich kann es mir nicht verwehren, hier einige
ganz besondere Begebenheiten aus der Zeit des Ausnahmszustandes
festzuhalten. Vor allem kann man sich des Eindruckes nicht erwehren,
daß dieser Ausnahmszustand nichts anderes bezweckte, als
der Regierung die Möglichkeit zu geben, sich mit ihrer Ratlosigkeit
hinter diesem Ausnahmszustand verstecken zu können. (Sehr
richtig!) Denn was ist bis heute geschehen? Man hat mitten
in der Nacht eine Reihe, unserer besten Vertrauensmänner
aus den Betten herausgeholt. Man hat sogar eine hochschwangere
Frau in einer derartigen Weise behandelt, daß sie zum Sturz
über eine hohe Steinstiege kam. Eine 17jährige Arbeiterin,
die überhaupt nicht an der Demonstration beteiligt war, wurde
um 1/23 Uhr früh von ungefähr
8 bis 10 Gendarmen aus der Wohnung geholt und ins Gefängnis
gebracht, obwohl sie den ganzen Tag über, während die
Demonstrationen stattfanden, bei der Arbeit gesessen ist. (Výkøiky
posl. Wünsche.) Ja, es ist sogar vorgekommen,
daß man Gruppen von Schulkindern die über den Marktplatz
in Morchenstern nach Hause gingen, auseinandergetrieben hat. (Výkøiky
na levici.) Leute, die die Kundmachung
der Ausnahmsverfügungen lasen, wurden von den Ankündigungstafeln
fortgejagt. Arbeiter, die beim Mittagsessen vor der Fabrik saßen,
wurden aufgefordert, ihren Platz zu verlassen obwohl sie nur frische
Luft schöpfen wollten, um die kleine Stunde, die ihnen als
Mittagspause gegönnt ist, richtig ausnützen zu können.
Ich verweise noch auf die Räumung des Arbeiterheims, wo sich
die Arbeiter zusammengefunden hatten, nicht zu einer Versammlung,
um sich über die gegenwärtige Situation auf dem Wege
von Konferenzen zu besprechen, sondern nur um sich durch gegenseitigen
Meinungsaustausch über die Dinge zu unterhalten. Sie wurden
aus diesem Arbeiterheim herausgetrieben, während an anderen
Stellen des Ortes die Gendarmerie die Gasthäuser überfüllte,
beim Kartenspielen stundenlang die Zeit zubrachte und sich auch
ziemlich reichlich dem Alkoholgenuß hingegeben hat. Dies
konnte in anderen Lokalen unter dem Protektorat der Gendarmerie
vor sich gehen. Aber bei dieser Gelegenheit werde ich ein ganz
besonderes Merkmal nicht vergessen. Ein staatsgefährliches
Dokument sollte im Arbeiterheime verbrannt werden. Arbeiter, die
mixt Aufräumungsarbeiten beschäftigt waren, die Ordnung
in die Archive brachten usw., waren gerade dabei, ein altes Lampion
in den Ofen zu stecken und in diesem Augenblick trat der Oberkommissär
in die Gaststube und rief: "Halt, was wird hier verbrannt?"
Er greift in den Ofen hinein und zieht das zerknitterte, zerrissene
alte Lampion heraus. Der Staat war gerettet! Ich führe das
nur an, um sagen zu können: Wenn jemals einige Paragraphen
des Schutzgesetzes eine berechtigte Anwendung gefunden hätten,
so wäre es diesmal der Fall gewesen. Man hätte jene,
die diesen Ausnahmszustand angeordnet haben, nach dem Schutzgesetz
verfolgen müssen, weil sie die Macht dieses Staates bis auf
das tiefste Niveau der Lächerlichkeit blamiert haben. Das
ist und war keine Kraft, das ist keine Macht, die man vordemonstriert
hat, sondern das ist eine ausgesprochene Schwäche, die die
Regierung in dieser Situation an den Tag gelegt hat.
Wenn in diesen Gebieten über die Zeit
des Ausnahmszustandes Ruhe gewesen ist, wenn heute Ruhe ist, so
sage ich hier: Nicht deshalb, weil man Hunderte und Aberhunderte
von Gendarmen hingeschickt hat, die nicht wußten, was sie
tun sollten, sondern deshalb, weil die Arbeiter irrtümlicherweise
von der Hoffnung befangen waren, daß die einberufenen Beratungen
mit den Vertretern der Regierung, den verschiedenen Ministerien,
doch schließlich eine Basis schaffen werden, von der die
Arbeiter erwarten dürfen, daß eine wenn auch nicht
große, aber doch eine geringe Linderung ihrer Notlage herbeigeführt
würde.
Da will ich mich dem zweiten besonderen Merkmal
zuwenden, dem Ergebnis dieser Beratungen. Was ist eigentlich das
Ergebnis dieser Beratungen? Bis jetzt ist es gleich Null. Nichts
anderes, als daß die Herren Vertreter der Regierung immer
wieder vor das Forum der Beratungen mit der Äußerung
hintraten: Wir kommen hieher, um uns über die Ursachen der
Verhältnisse in diesem Gebiete informieren zu lassen und
wir werden mit besonderer Aufmerksamkeit den Bericht an die kompetenten
Stellen weiterleiten. (Výkøiky na levici.)
Nun scheint es aber doch nicht ganz richtig
zu sein, wenn ich sage, daß nichts erreicht worden ist.
Es wurde ein Arbeitsausschuß ins Leben gerufen, der die
Aufgabe haben sollte, die notwendigen sachlichen Vorbereitungen
zu treffen, damit die Regierung in der Lage ist, hier wirklich
lindernd einzugreifen. Wieweit sich diese Dinge entwickelt haben,
ist den Arbeitern nicht zur Kenntnis gekommen, aber auch nicht
uns. Andererseits ist festzuhalten, daß trotz der Versprechungen
der Regierung, daß hier unbedingt etwas getan werden müsse,
bis heute nicht das geringste Versprechen eingehalten wurde.
Ja, die Handelskammer von Reichenberg hat einen Betrag von 60.000
Kè den notleidenden Glasarbeitern zur Verfügung gestellt;
allerdings ist meines Wissens dieser Betrag bis heute noch nicht
zur Auszahlung gebracht worden. Weiters erklärten
auch die Vertreter der Regierung, daß es erforderlich sein
werde, seitens der Regierung den notleidenden Glasarbeitern eine
finanzielle Unterstützung zur Verfügung zu stellen.
Bis heute hat man allerdings noch nichts davon gehört, daß
die Regierung bereit wäre, hier mit einer entsprechenden
Summe den notleidenden Glasarbeitern unter die Arme zu greifen.
Es zeigt sich also mit voller Deutlichkeit, daß diese Beratungen
keinen anderen Zweck und Sinn hatten, als eine Beruhigung der
Gemüter zu erzielen, dadurch die Forderungen der Glasarbeiter
zu verschleppen und schließlich, wenn die Gemüter genügend
beruhigt sind, die ganze Sache ins Wasser fallen zu lassen. Aus
diesem Grunde müssen wir von dieser Stelle aus den schärfsten
Protest gegen das Verhalten der Regierung gegenüber den Glasarbeitern
zum Ausdruck bringen. Ich möchte bei dieser Gelegenheit insbesondere
an die deutschbürgerlichen Parteien die Frage richten: Wo
sind Sie denn geblieben mit Ihrem Kampfe um das Wohl der deutschen
Nation, also auch um das Wohl der deutschen Arbeiter? Hier hätten
Sie die beste Gelegenheit gehabt, helfend einzugreifen und den
deutschen Arbeitern zu zeigen, welchen Sinn und Zweck es überhaupt
hat, daß Sie heute in der Regierung sitzen.
Ich möchte im allgemeinen sagen, daß
wir vollauf die Forderungen der Glasarbeiter bis zur letzten Konsequenz
unterstützen werden. Insbesondere richte ich von dieser Stelle
aus an den Herrn Justizminister Mayr-Harting die Aufforderung,
das eingeleitete Strafverfahren gegen die wegen Beteiligung an
der Demonstration gerichtlich Verfolgten einzustellen, anderseits
richte ich an die gesamte Regierung die Aufforderung, eine entsprechende
Unterstützung den notleidenden Glasarbeitern unverzüglich
angedeihen zu lassen.
In einer solchen Situation ist es mehr als
berechtigt, daß wir sagen: Weg mit der Steuerreform, wobei
ich auf die Anträge verweise, die von unserem Klub im Budgetausschuß
eingebracht worden sind. Weg mit der Lohnsteuer, weg mit der Vorlage
über die Regelung der Finanzwirtschaft der Gemeinden!
Her mit der progressiven Besteuerung des Einkommens bei Steuerfreiheit
des Lohn- und Arbeitseinkommens bis zu 12.000 bzw. 18.000 Kè,
rascheste Erfüllung der von den Glasarbeitern aufgestellten
Forderungen! (Potlesk poslancù strany
komunistické.)
Meine hochverehrten Herren! Eine der schwersten
Fragen unseres wirtschaftlichen Lebens ist die Frage der Steuer.
Als der Herr Finanzminister seine Steuerreform ankündigte,
erwartete die Bevölkerung eine allgemeine Steuererleichterung,
die sich der schweren wirtschaftlichen Lage anpassen würde.
Denn die Methoden, nach d enen in der Nachkriegszeit die Steuerrückstände
eingetrieben wurden, sind nicht nur unhaltbar, sondern die Bevölkerung
direkt malträtierend. Durch die vielen neu eingeführten
Steuerarten und dadurch, daß bei der Steuerverwaltung an
Stelle der alten erprobten Beamten neue Kräfte, oft ohne
genügende Fachkenntnisse eingesetzt wurden, entstand ein
derartiges Chaos im Steuersystem, aber auch in der Steuerverwaltung,
daß sich selbst hervorragende Steuerfachleute nicht mehr
auskannten. Die Vermögensabgabe war vorgeschrieben und die
Steuerzahler waren in großer Sorge, woher sie diese horrenden
Summen für die Vermögensabgabe nehmen werden. Und schon
kam die zweite Vermögensabgabe, und zwar in der Form, daß
die Einkommensteuer in einer die finanziellen Kräfte der
Steuerzahler weit übersteigenden Höhe auf vier bis fünf
Jahre rückwirkend vorgeschrieben wurde. Trotz der vielen
Berufungen gegen diese riesige Steuer mußte die vorgeschriebene
Summe durch die Steuerzahler bezahlt werden, auch wenn sie sich
das dazu nötige Geld zu 14% ausborgen mußten. Rücksichtslos
ging der Fiskus daran, selbst die Steuerrückstände,
die noch vor dem Umsturz entstanden waren, einzutreiben. Doch
die Forderungen der Bevölkerung an den Staat wurden nicht
berücksichtigt und an erster Stelle unter den vielen Forderungen
stand die Anerkennung der Kriegsanleihe.
Es wird jetzt stets damit argumentiert, die
Steuermoral sei gesunken, es wären deshalb drakonische Maßregeln
notwendig, man hörte, es müssen straffe, schwere Strafen
eingeführt werden, um die Steuermoral zu heben. Die Ansicht,
daß der Steuerzahler keine Steuermoral hat, hat sich derart
eingebürgert, daß man sogar vom kleinsten Steuerbeamten
immer hört, der Steuerzahler habe keine Moral. Was ist das
aber für eine Moral des Staates, des Fiskus, der die Schulden
des Staates, vor allem die Kriegsanleihe, nicht anerkennen will?
Gibt es nur eine Moral, die des Steuerzahlers? Der Stärkere
bleibt immer der Sieger und der arme Bürger und Steuerzahler
ist eben der Schwächere und muß geknebelt werden. Er
ist derjenige, bei dem die Steuermoral gesunken ist, gegen ihn
braucht man, um seine Moral zu heben, drakonische Maßregeln,
der Fiskus aber braucht keine Moral, er hat nur das Recht, dieselbe
von anderen zu fordern.
Das Chaos im Steuerwesen in der Slovakei wurde
am stärksten, als aus den Gemeindenotären und städtischen
Notären politische Beamte gemacht wurden. Solange die Gemeindenotäre
und die Bezirksnotäre die Steuern vorschrieben und auch den
Kataster führten, herrschte Ordnung. Sie verwalteten den
Kataster und es wurden im Kataster alle Sachen pünktlich
durchgeführt. Auf einmal kam ein neues System, die Steuern
wurden den Notären weggenommen, der Kataster ging zu den
Steuerämtern über und das Resultat war ein Chaos, so
daß wir heute wieder dort angelangt sind, daß der
Kataster behufs Korrektur und Durchführung der Güterübertragungen
wieder an die Notäre zurückgekommen ist. Ich glaube,
auch die Steuervorschreibungen werden in Kürze wieder dort
hin gelangen, von wo sie ausgegangen sind.
Doch was nützt jede Steuereform, wenn
die ungerechteste aller Steuern, die alles verteuernde und das
ganze wirtschaftliche Leben hemmende Umsatzsteuer auch noch weiter
belassen wird? Die riesige Unsicherheit auf dem Gebiete des Steuerwesens,
die unerhörten Vorschreibungen, aber ganz besonders die unerhörten
nachträglichen Vorschreibungen haben die Unternehmungslust
ganz vernichtet, machen dem Geschäftsmann, der Industrie,
dem Gewerbetreibenden und dem Landwirten jede geschäftliche
Kalkulation ganz unmöglich und haben zum Ruin der einst blühenden
Industrie in der Slovakei viel beigetragen.
Wenn wir nun die auf dem Tische des Hauses
liegende Gesetzesvorlage objektiv betrachten und sie objektiv
kritisieren wollen, so müssen wir anerkennen, daß diese
Gesetzesvorlage in dem Steuersysteme eine systematische Gruppierung
der einzelnen Steuerarten anstrebt, daß sie im Steuerwesen
Ordnung schaffen will, und man muß auch anerkennen, daß
ganz besonders bei der Einkommen- und Erwerbsteuer die Sätze
niedriger sind. Doch wird in dem weiteren Verfahren, hauptsächlich
bei der Veranlagung, der Bürokratie eine derartige Macht
in die Hand gegeben, die die oben erwähnten Steuererleichterungen
teilweise illusorisch macht.
Schon am Anfang des Gesetzes, bei den Einführungsbestimmungen
finden wir ein Novum, das bis jetzt nur bei der Umsatzsteuer vorhanden
war. Die schrecklichste aller Institutionen des Fiskus bleibt
am Leben, die sogenannte Revisionsabteilung. Ihr Wirkungskreis
wird jetzt noch auf die direkten Steuern ausgedehnt. Bisher dürfte
bloß die Umsatzsteuer revidiert werden, jetzt auch schon
die direkten Steuern. Die Revisionsabteilung wird noch 10 Jahre
lang die leidende und steuerzahlende Menschheit bedrohen. Was
es in einem Betriebe bedeutet, wenn die Steuerkommission im Hause
ist, das weiß ein jeder, der es bereits erlebt hat. Tagelang
ist der Wirtschaftsbetrieb stillgelegt. Trotzdem sämtliche
wirtschaftlichen Korporationen gegen die Revisionskommissionen
Stellung genommen haben, sind sie uns doch erhalten geblieben.
Bei der Einkommensteuer spüren wir in
erster Reihe den Mangel an Richtlinien zur Berechnung des Einkommens
der kleinen Landwirte und Gewerbetreibenden, die nicht in der
Lage sind, regelrechte Bücher zu führen und so gar zu
oft der Willkür der Bemessungsbehörde ausgeliefert sind.
Dieser Mangel müßte zumindest in der Durchführungsverordnung
behoben werden. Auch fehlt die taxative Aufzählung der einzelnen
Einkommen. Unbegründet ist die Herabsetzung des steuerfreien
Minimums bei Familien mit 4 oder mehreren Mitgliedern gegenüber
der ersten Textierung.
Bei der Erwerbsteuer spüren wir ebenfalls
den Mangel an Richtlinien zur Berechnung des Einkommens der kleinen
Gewerbetreibenden. Die Steuersätze der allgemeinen Erwerbsteuer
würden den wirtschaftlichen Verhältnissen so ziemlich
entsprechen.
Bei der Grundsteuer sehen wir, daß sich
diese Sätze in derselben Höhe bewegen wie bisher, doch
finden wir hier ein Novum, u. zw. die Errichtung von speziellen
Fonden bei Elementarkatastrophen bei den Landeskulturräten.
Wenn die Fonde in den historischen Ländern bei den Landeskulturräten
angelegt werden, bei diesen alten historischen Organisationen,
die schon lange bestehen und die national gegliedert sind, können
die Landwirte Vertrauen zu ihm haben. Aber wie steht die Sache
in der Slovakei, wo die Landeskulturräte nach der Regierungsverordnung
Nr. 305 vom 26. April 1926 gegründet wurden, u. zw. derart
daß in die Landeskulturräte die Mitglieder teilweise
durch die Regierung ernannt, teilweise durch die Gauvertretungen
nominiert wurden. Meine Wenigkeit war zu der Zeit Mitglied der
Gauvertretung, als diese die Mitglieder in die Landeskulturräte
delegierte. Ich habe damals gesehen, wie es dort zugegangen ist.
Nicht Landwirte sind delegiert worden, sondern Mitglieder der
damaligen Koalition - es war damals noch die rot-grüne Koalition
am Ruder - Sozialisten, Kommunisten und alle möglichen Leute
sind hineingekommen, nur nicht die Landwirte. Ganz besonders die
Minoritäten haben keine Vertretung gehabt, und so können
wir wenig Vertrauen haben, daß bei uns die Fonde so werden
verwaltet werden, wie es ihre Bestimmung wäre. Unser Wunsch
ist, daß bis die Frage des Landeskulturrates für die
Slovakei endgiltig geregelt wird, die Fonds von den Gauverwaltungen,
bzw. von der Landesverwaltung verwaltet werden.
Die Strafbestimmungen sind zwar durch die heutige
Textierung übersichtlicher geworden, aber sie bedeuten einen
krassen Rückschritt in der Gesetzgebung, nachdem sie sich
über die Grundprinzipien des Strafrechtes ganz einfach hinwegsetzen.
Durch diese Strafbestimmungen wird dem Steuerzahler in vielen
Fällen die Möglichkeit genommen, sich gegen die Willkür
der Steuerbehörden zu wehren, denn niemand ist sicher, wann
er gegen irgend eine Bestimmung dieses Hauptstückes verstößt.
Ganz besondern Anstoß hat § 199 hervorgerufen, der
sozusagen ein Schutzgesetz für die Steuerbehörde ist,
denn nach diesem Paragraphen kann die Tätigkeit der Behörde
einer öffentlichen Kritik nicht unterzogen werden. Die Spruchsenate
sind auch ein Novum, zumindest für die Slovakei, wo bisher
die ordentlichen Gerichte in Steuersachen geurteilt haben. Die
Motivierung, daß die ordentlichen Gerichte dadurch überhäuft
würden, ist nicht stichhältig, denn bis jetzt hat sich
ein Richter damit befaßt und von nun ab wird sich wieder
ein Richter im Spruchsenat damit befassen, also es ist wieder
dasselbe. (Posl. Patzel: Nur wird die Unabhängigkeit aufgehoben!)
Ja wohl.
Zum Kapitel der gemeinsamen Bestimmungen müssen
wir fordern, daß die Bemessungskommission ein unabhängiges,
von den Steuerpflichtigen gewähltes Organ sei. Besonders
bemängeln wir, daß der Vorsitzende ein Beamter ist.
Die Behauptung des Motivenberichtes, daß die Wahlen der
Kommissionsmitglieder umständlich wären, ist nicht stichhältig,
da doch die verschiedenen Berufsorganisationen ihre Fachleute
in die Steuerkommission mit Leichtigkeit wählen könnten.
Einer derartigen Regelung, daß die Mitglieder ernannt werden,
daß der Vorsitzende der Kommission ein Finanzbeamter sei,
kann auf keinen Fall zugestimmt werden, umsoweniger als dieser
Entwurf den Vorsitzenden mit einer Macht ausstattet, welche die
ganze Steuerverhandlung illusorisch macht. In dieser Form ist
die Kommission nichts anderes als ein Blitzableiter für die
Finanzbehörde, der von nun ab alles unangenehme zugeschoben
wird. Nach dem Entwurf kann die Finanzbehörde der Kommission
ohne weiters vorschreiben, wie sie arbeiten muß, wieviel
sie täglich zu erledigen hat, und pariert eine Kommission
nicht dem Vorsitzenden, so kann sie ohne Skrupel aufgelöst
werden.
Von großer Wichtigkeit ist es, daß
für jeden Steuerbezirk eine Kommission errichtet werde, welche
die Steuer dort bemessen soll, und nicht, daß für den
ganzen Sprengel der Bemessungsbehörde nur eine Kommission
fungiere, weshalb die Leute in der teueren Arbeitszeit oft mehrere
Tage reisen und in der Kreisstadt herumlungern müssen, bis
ihre Sache endlich erledigt wird. Es wäre doch viel einfacher,
wenn der Referent mit seinen Akten hinaus in die einzelnen Steuerämter
käme und dort über die Steuer verhandeln würde,
als wenn Hunderte Leute der Arbeit entzogen werden.
Die Bestimmung über die persönliche
Pfändung ist für die Slovakei wohl neu, aber weit davon
entfernt, einen Fortschritt zu bedeuten, sondern sie ist danach
angetan, in den Bewohnern der Slovakei das Gefühl wach werden
zu lassen, daß wir wiederum einen respektablen Schritt dem
Mittelalter näher gekommen sind. Viel zu gefährlich
und zu weitgehend ist die Vollmacht, welche den Finanzbehörden
bezüglich der Sicherstellung der Steuer gegeben wird, und
sie erinnert stark an das mittelalterliche Faustrecht. Nach den
bisherigen Erfahrungen können wir zu den Steuerbehörden
nicht so viel Vertrauen haben, daß wir ihnen ganz einfach
die Beurteilung dessen überlassen, ob eine Sicherstellung
der Steuer notwendig ist, und ob die Sicherstellung auch genügend
erscheint. Diesbezüglich müßten im Gesetz die
Bedingungen ganz genau umschrieben werden. Der ganze Entwurf weist
darauf hin, daß es dem Verfasser hauptsächlich darum
zu tun war, den Steuerbehörden die weitestgehenden Rechte
zu sichern, während für den Schutz des Steuerzahlers
sehr ungenügend, besser gesagt überhaupt nicht gesorgt
ist. Trotz dieser Mängel, die wir aufgezeigt haben, muß
man anerkennen, daß durch dieses Gesetz System und Ordnung
in der Steuerverwaltung geschaffen wird.
Meine hochverehrten Damen und Herren, nicht
durch Strafartikel und Revisionskommissionen, nicht durch hohe
Strafen mögen die Leute gezwungen werden, ihre Steuern zu
bezahlen, sondern eine der wichtigsten Aufgaben des Staates ist
es, seinen Einwohnern die Lebens- und Erwerbsmöglichkeiten
zu sichern. Sind die Erwerbsmöglichkeiten gesichert und kann
die Produktion frei ihre Wege schreiten, dann wird sich niemand
dem Steuerzahlen entziehen, denn jedermann kennt seine Pflicht
gegenüber dem Staate. Wenn ein reges Wirtschaftsleben herscht,
wenn jedermann die Erwerbsmöglichkeit hat, dann braucht man
keine besonderen Finanzgerichte, keinen Daumenschrauben, nur ein
wenig guten Willen, Gerechtigkeit und humanes Verfahren bei der
Veranlagung. Doch wie stehen die Sachen heute, ganz besonders
in der Slovakei? Industrie, Gewerbe, Handel und Landwirtschaft
sind lahmgelegt, das ganze Wirtschaftsleben liegt still wie ein
Friedhof, nur hie und da hören wir bei Enqueten oder anderen
Versammlungen das Totenglöcklein läuten, indem der eine
oder andere Teilnehmer Klageworte über den traurigen Zustand
der Wirtschaftslage in der Slovakei vorbringt. Ist ein Regierungsorgan
anwesend, so antwortet er tröstend und versprechend, doch
danach tritt wieder Totenstille ein und man sieht dann nur, daß
Schornsteine, Fabriksschlote, aus denen noch gestern Rauch emporgestiegen
ist, heute schon ruhen. Dieses traurige Bild verspüren wir
in der Slovakei. Das Wort von der Desindustrialisierung hat sich
furchtbar gerächt. Wir haben es miterlebt, wie die herrliche
Industrie der Slovakei zum größten Teile abgebaut wurde,
von welcher man behauptete, sie sei nur künstlich erhalten.
Aber niemand darf doch vergessen, daß diese künstlich
erhaltene Industrie Tausenden und Tausenden Brot gegeben hat und
an Steuern dem Staate direkt und indirekt schwere Millionen abgeliefert
hat. Wir sehen es in der Slovakei, wie große Industriezentren
Losonz, Velky Slabos, Horka, Zvolen, die gesamte Tuch- und Glasindustrie
von Novgrad, Krompach, die Eisenindustrie in Bodva und im Gölnictale,
die Textilindustrie in Kesmark, der Bergbau in der Zips und Gömör
und viele andere Unternehmungen ihre Tore sperren.