Hohes Haus! Eines der unpopulärsten Gesetze ist wohl das Steuergesetz, weil durch den Steuerdruck die gesamte Volkswirtschaft eine große Belastung erfährt, ohne daß hiedurch der einzelne Steuerträger irgendwelche direkte Vorteile erlangt. Dieser Steuerdruck macht sich umso fühlbarer, wenn die Vorschreibungen der Steuern auf einer ungesunden und ungerechten Grundlage basieren. Seit dem Bestande dieser Republik ist dies bei uns der Fall. Es wurde ganz einfach darauf los vorgeschrieben, ohne Rücksicht darauf, ob darunter die Landwirtschaft, Industrie und die gesamte Volkswirtschaft zugrunde gehen. In der Steuervorschreibung der letzten Jahre war ein solches Durcheinander, daß selbst die Steuerbehörden in den seltensten Fällen gewußt haben, wieviel der einzelne Steuerträger dem Staate schuldet. Wie oft ist es vorgekommen, daß der ordnungsliebende Steuerträger endlich einmal seine Steuerschulden ziffernmäßig erfahren wollte. Zu diesem Zwecke sendet er sein Steuerbüchel zur Behörde und siehe da, auf Grund der dortselbst ihm gemachten Einschreibungen hat er eine Überzahlung von 900 Kè zu verzeichnen, welche ihm für das nächste Steuerjahr gutgeschrieben werden soll. Diese freudige Überraschung wird jedoch schon innerhalb der nächsten 8 Tage zunichte gemacht, da derselbe eine neue Steuervorschreibung mit einem Rückstand von 3420 Kè von demselben Amte präsentiert bekommt.
Infolge dieses Chaos in der Steuerbemessung
und Steuervorschreibung der letzten Jahre haben wir eine Steuerreform
begrüßt und Mitarbeit an derselben geleistet. Wenn
auch durch die dem Hause vorliegende Steuerreform sowohl unseren
Wünschen wie auch den Erwartungen der steuerzahlenden Bevölkerung
nicht vollständig entsprochen wird, so bringt doch im allgemeinen
die neue Steuerreform eine Verbesserung. Die Einkommensteuer hat
eine Herabsetzung erfahren und nimmt ganz besonders auf die minderbemittelten
Haushalte Rücksicht. Die Erwerbsteuer, sowohl die allgemeine
wie die besondere, hat bisher die unerträglichsten Lasten
für Industrie und Gewerbe hervorgerufen, nachdem dieselben
ohne Rücksicht darauf, ob das Unternehmen im Geschäftsjahre
aktiv oder passiv gewesen ist, zur Vorschreibung gebracht worden
ist. Die Erwerbsteuer nach dem neuen Gesetz räumt mit diesem
Modus auf und kommt als eine zweite Ertragsteuer zur Geltung,
so daß einem Unternehmen, welches im laufenden Geschäftsjahr
mit einer Unterbilanz abgeschlossen hat, eine Erwerbsteuer gleich
der Einkommensteuer nicht vorgeschrieben werden kann. Es ist nur
zu wünschen und wir werden darauf ein wachsames Auge halten,
daß die Steuerbehörden und Steuerkommissionen sich
eine gerechte Beurteilung zugrunde legen, damit durch dieselben
nicht unnötige Schikanierungen für Industrie, Gewerbe
und Landwirtschaft zutage treten. Denn dadurch blieb so mancher
Paragraph, welcher eine Begünstigung, bzw. Berücksichtigung
des Interessenten vorsieht, auf dem Papiere. Dies trifft ganz
besonders auch bei der allgemeinen Erwerbsteuer zu, wo der §
54 von bedürftigen Gewerbetreibenden spricht, welche bei
einem Einkommen bis 7000 K oder bei einem Alter über 65 Jahre
steuerfrei ausgehen sollen. Das Gewerbe sowohl wie die Industrie
leiden ohne Rücksicht, auf die Begünstigungen der neuen
Steuerreform ohnedies noch unter der unerträglichen Last
der bestehenden Umsatzsteuer; es ist nur zu wünschen, daß
diese Umsatzsteuer - ehestens auf sämtliche Bedarfsartikel
pauschaliert wird, damit es sieh nicht weiter ereignen kann, daß
der Konsument bei einzelnen Bedarfsgegenständen 6 bis 10mal
die Umsatzsteuer bezahlen muß.
Was die Grundsteuer anlangt, so ist es an der
Zeit, daß endlich einmal eine Herabsetzung und Stabilisierung
derselben durchgeführt wird, da die Steuerlasten der Landwirtschaft
in keinem Vergleich zu dem Werte ihrer Erzeugnisse stehen und
letztere auch nicht annähernd der gegenwärtigen Valuta
angepaßt werden können. Zu diesem Kapitel ist besonders
hervorzuheben, daß es an der Zeit ist, endlich eine neue
Bonitätsklasseneinteilung des landwirtschaftlichen Bodens
durchzuführen, da es oft noch vorkommt, daß Gebirgsbauern,
welche ihren Dünger auf dem Rücken aufs Feld tragen
müssen, in die zweite und dritte Bonitätsklasse gleich
fruchtbarem Ackerland eingereiht sind.
Was die Haussteuer betrifft, so dürften
durch die Herabsetzung der Zahl der vermieteten Räume in
einer Gemeinde von 1/2 auf 1/4
fast sämtliche Gemeinden in die Hauszinssteuerpflicht eingereiht
werden. Es ist hier wieder Pflicht der Steuerbehörde, einen
gerechten Standpunkt zu wahren, damit es nicht vorkommt, daß
kleine verschuldete Häusler, vielleicht nach Teilung eines
Wohnraumes mittels einer Bretterwand um eine Wohnung mehr angerechnet
bekommen, was von rechtswegen nicht eine Wohnung, sondern eine
Kammer ist.
Ganz besonderer Wert ist auf die richtige Zusammenstellung
der Steuerkommissionen zu legen, damit es nicht vorkommt, daß
vielleicht der Landwirt über den Industriellen oder der Gewerbetreibende
über die Verhältnisse in der Landwirtschaft zu urteilen
hat. Jeden Beruf sollen seine fachmännische Sachverständigen
bei seiner Beurteilung in der Steuerkommission vertreten.
Was das Finanzgesetz der autonomen Körperschaften
anlangt, so stehen wir vor zwei Interessengegensätzen, u.
zw. der Umlagen zahlenden Bevölkerung auf der einen Seite
und der Vertreter der autonomen Behörden auf der andern Seite.
Durch die Begrenzung der Zuschläge ist zwar den Gemeinden
und Selbstverwaltungskörpern die Autonomie benommen, nach
eigenem Gutachten Zuschläge in Vorschreibung zu bringen,
welcher Übelstand jedoch durch die staatlichen Zuschüsse
aus dem besonderen Fond einigermaßen rehabilitiert werden
soll. Bisher haben wir oft die Erfahrung gemacht, daß
bei Beschwerden gegen zu hohe Steuern der hohe Steuerzahler auf
den Steuerämtern ganz einfach auf die Zuschläge der
Gemeinden hingewiesen wurde. Es haben sich Fälle ereignet,
wo ein Erwerbsteuersatz von 240 Kè mit den jährlichen
Zuschlägen auf 7.000 Kè
gekommen ist. Desgleichen mußte oft ein kleiner Häusler
mit 4 Kè Hausklassensteuer an 100 Kè jährlich
Abgaben leisten, was wieder zur Folge hatte, daß die Gemeinde
für denselben, der oft Armenpfründner war, die Steuern
übernehmen mußte.
Die Reform der Gemeindefinanzen ist äußerst
dringend. Seit Bestand der Republik war es dem größten
Teil der Gemeinden nicht möglich, auch nur einen annähernd
verläßlichen Voranschlag zu verfassen. Nicht immer
schlechte Wirtschaft hat viele der Gemeinden in diese mißliche
Lage gebracht, sondern die unsicheren und ganz ungerechten Vorschreibungen
der Staatssteuer waren es, welche jeden Gemeindehaushalt gefährdeten.
Es haben sich Fälle ereignet, wo einer Industrie im Jahre
1921 eine Erwerbsteuer von 3.000 Kè in Vorschreibung
gebracht worden ist, obwohl bei gleichem Betriebsumfang das vorhergegangene
Jahr noch eine solche von 2500 Kè zu Recht bestand. Dadurch
wäre nun diese Industrie mit den autonomen Zuschlägen
mit der Erwerbsteuerbelastung allein mit 60.000
bis 80.000 Kè jährlich belegt worden, was den Untergang
des Unternehmens zur Folge haben mußte. Die Folge davon
war die Berufung und Beschwerde dieses Unternehmens und im Verhandlungswege
ist nach 4 Jahren der Steuersatz wieder auf 2.500 Kè herabgesetzt
worden. In der Zwischenzeit waren jedoch die Gemeinden angewiesen,
auf Grund des hohen Steuersatzes ihre Voranschläge zu verfassen,
was zur Folge hatte, daß fast regelmäßig nur
die Hälfte der präliminierten Gemeindeumlagen als Eingang
gebucht werden konnte, so daß viele Gemeinden Millionen
an noch außenstehenden Gemeindeumlagen zu verzeichnen haben.
Es ist an der Zeit, daß mit diesem System endlich gebrochen
wird und die einzelnen Gemeinden wieder eine sichere Unterlage
zur Verfassung ihrer Präliminaren für einen ordnungsmäßigen
Gemeindehaushalt bekommen. Die eine Frage bedarf noch einer vorsichtigen.
Beurteilung, ob der Herr Finanzminister auch mit den 244 Millionen
des zu errichtenden Fondes für die Zuschüsse an die
bedürftigen Gemeinden das Auslangen findet. Ist dies der
Fall, dann ist die Einschränkung der Zuschlagserhöhungen
ein Vorteil für die gesamte Volkswirtschaft. Auch müssen
wir verlangen, daß die Aufteilung dieser Fondsgelder an
die bedürftigen Gemeinden eine gerechte ist und nicht vielleicht
einen national fraglichen Charakter annimmt. Wenn es heißt,
daß nur eine ordentlich geführte Gemeindewirtschaft
mit Zuschüssen zu rechnen hat, so können wir uns dem
nicht ganz verschließen, denn jeder Umlagen zahlende Bürger
wird eine gute Gemeindefinanzpolitik nur begrüßen.
Was den § 24 dieses Finanzgesetzes betrifft, wonach Gemeinden
über 10.000 Einwohner einen Verwaltungsbeamten anstellen
müssen, welcher eine èechoslovakische Universität
besucht hat, so muß die Durchführungsverordnung dafür
Sorge tragen, daß auch die Absolventen der deutschen Universität
im èechoslovakischen Staate gleichberechtigt sind und daß
erfahrene Verwaltungsbeamte, welche schon Jahrzehnte bei den Gemeinden
tätig sind, im Dienste der Gemeinden jenen mit Hochschulbildung
gleichgestellt werden, da wir in diesem Staate
eine Hochschule für Kommunalwesen nicht besitzen und die
alten bewährten Praktiker erfahrungsgemäß die
verläßlichsten Gemeindebeamten sind.
Wenn der Herr Dr. Koberg sich bemüßigt
gefunden hat, im Budgetausschuß sich mit meiner Person zu
befassen, weil ich in meiner Amtstätigkeit als Bürgermeister
eine Resolution gegen das Gemeindefinanzgesetz unterschrieben
und an die verschiedenen parlamentarischen Klubs eingereicht habe,
so kann mir dies herzlichst gleichgültig sein, da Herr Dr.
Koberg durch seine bekannte Kampfesweise in der sudetendeutschen
Bevölkerung sattsam bekannt ist. Ich werde mein Tun und Lassen
ohne Rücksicht auf die von Herrn Dr. Koberg angekündigte
Beobachtung so einstellen, wie ich dasselbe sowohl in meiner Stadt,
wie auch meinen parlamentarischen Wählern gegenüber
als Vertreter des deutschen Volkes ohne Demagogie verantworten
kann. Im übrigen möchte ich dem Herrn Dr. Koberg
an empfehlen, in der Stadt Jägerndorf, wo er als Amtsdirektor
auch während der Zeit seines heißbegehrten Abgeordnetenmandates
seinen vollen Gehalt bezieht, Umfrage zu halten, ob dies der umlagenzahlenden
Bevölkerung auch dafür steht.-
Was die so viel gefürchtete Absetzbarkeit
eines Bürgermeisters betrifft, so kann diese ja doch nur
in Frage kommen, wenn der Bürgermeister seinen Verpflichtungen
nicht nachkommt, denn jede Regierung muß es begrüßen,
wenn in deutschen Gemeinden brauchbare deutsche Beamte und deutsche
Bürgermeister amtieren. Und kommt ein deutscher Beamter oder
Bürgermeister seinen Verpflichtungen nicht nach, dann ist
derselbe auch ein Schädling der deutschen Volkswirtschaft.
Auch das Gesetz über die Finanzwirtschaft
der Selbstverwaltungskörper ist ebenso wie die Steuerreform
nicht vollständig nach unseren Prinzipien. Wir betrachten
auch dieses nur als einen Übergang aus dem Wirrwar der Finanz-
und Steuergesetze in einigermaßen sichere Verhältnisse.
Wenn uns deutschen Regierungsparteien immer
und immer wieder Verrat am Volke und Verrat an der Selbstverwaltung
zum Vorwurf gemacht wird, so müssen wir alle diese Vorwürfe
mit Entschiedenheit zurückweisen, da wir der sicheren Überzeugung
sind, daß dem sudetendeutschen Volke nur durch eine planmäßige
etappenweise Verständigungspolitik gedient ist, wodurch die
Nationen in diesem Staate für die gesamte Volkswirtschaft
ersprießlich arbeiten können. Deshalb haben wir auch
an der Steuerreform mitgearbeitet. Wir verlangen aber, daß
mit den kostbaren Steuergeldern, welche die gesamte Volkswirtschaft
belasten, haushälterisch, sparsam und gerecht umgegangen
wird. Nur dann kann diese Steuerreform zu einer Reform im wahren
Sinne des Wortes werden. (Potlesk poslancù nìm.
køes. sociální strany lidové.)
Ungeachtet der vielen und ernsthaften Proteste,
die in fast allen größeren Gemeinden und Städten
laut wurden, in denen mit aller Deutlichkeit und Schärfe
auf den reaktionären Charakter dieser fälschlich sogenannten
Reform hingewiesen wird, die im besonderen die schwere Verantwortung,
welche in entscheidendem Maße die deutschen Regierungsparteien
auf sich nehmen, aufzeigten, ist die jetzige schwarz-grüne
Koalitionsregierung getreu ihrem Klassencharakter dazu übergegangen,
die Steuerreform vor das Plenum dieses Hauses zu bringen,
um ihr in bekannter Weise mit Hilfe der gut funktionierenden Abstimmungsmaschine
Gesetzeskraft zu geben. Vielleicht gibt es noch einige Träumer,
die in diesem demokratischen èechoslovakischen Parlamentarismus
nicht nur eine Abstimmungsmaschine sehen möchten, sondern
die auf Grund der vielen Tausende Proteste, der mehr als 1000
Verbesserungsanträge und der jetzt in erhöhtem Maße
einzetzenden Diskussion im letzten Augenblick eine Milderung der
auf diesem System fußenden Härten erwarten.
Für solche Träumer genügt, falls ihnen die èechoslovakische
Demokratie noch nicht ins Blut übergegangen, sie an die Gesetzwerdung
der festen Agrarzölle und der Kongrua zu erinnern.
Die klassenbewußten Arbeiter ohne Unterschied
der Nation wissen, daß hier in diesem, man beliebt zu sagen
"hohen Hause" und mögen noch soviel Reden geschwungen
und Abänderungsanträge eingebracht werden, die Macht
und nicht das Recht entscheidet.
Die Steuerreform ist in ihrer Gesamtheit nichts
anderes, als ein gut vorbereiteter Angriff, ein durch seine Gesetzwerdung
staatlich privilegierter Diebstahl in den Taschen der Arbeiter,
Angestellten, kleinen Gewerbetreibenden, kleinen Landwirte, Häusler
usw. zum Nutzen und zur Sicherung der Profite für die Kapitalisten
im allgemeinen, darunter für die Agrarbourgeoisie und die
Banken im besonderen, wodurch gleichzeitig ein ungeheures Feld
für Schieber und Wucherer, Spekulanten und Defraudanten eröffnet
wird. Für die gewaltige Masse der Notleidenden, Unterdrückten
und Ausgebeuteten bedeutet sie steigende Not und ständiges
Elend, was den - Massen durch raffinierte Täuschungsversuche
und Hinweis auf Pflichterfüllung gegenüber dem Staat
schmackhaft gemacht werden soll. Kein anderer als der Finanzminister
Dr. Engliš war es, welcher gelegentlich der Steuerdebatte
im Budgetausschuß die Besteuerung der kleinen Einkommen
mit der Steuerpflicht im allgemeinen begründete, das ist
die bekannte kapitalistische Moral.
Zum besseren Verständnis über das
Wesen und den Zweck dieser Steuerreform ist als erstes erforderlich,
uns zwei Zahlen vor Augen zu führen, und zwar die Gesamteinnahmen
gemäß dem Budget für das Jahr 1927 von 11.075,000.000
Kè und den durch direkte Steuerleistung, also die jetzt
zur Diskussion stehende Steuerreform,
zu erzielenden Betrag von 2183 Millionen Kè.
Der hieraus differierende Betrag von 8892 Millionen
muß aus den indirekten Steuern, Verbrauchssteuern, Gebühren
und Abgaben erfließen. Es ergibt sich somit nur ein Fünftel
der gesamten Einnahmen durch die Steuerreform. Dies zeigt deutlich
Sinn und Zweck dieser Reform. Gewaltige Steuererleichterungen
für die Kapitalisten, Überwälzung den gesamten
Lasten durch scharfe Heranziehung zur direkten Steuerleistung
und Erhöhung der indirekten Steuern für die gesamte
arbeitende Bevölkerung. Man beliebt mit dem Argument hausieren
zu gehen, daß durch die Reform der Einkommensteuer auch
den Arbeitern Erleichterungen von rund 37% gebracht werden, Hiezu
verweisen wir auf die im vorigen Jahre durchgeführte
Erhöhung der Zuckersteuer, die bei einer vierköpfigen
Familie jährlich 200 Kè beträgt, um den Schwindel
erwähnter Argumentation in das rechte Licht zu stellen.
Zunächst werde ich mich mit dem für
die Arbeiter wichtigsten Kapitel, der Einkommensteuer beschäftigten,
wobei ich die zwei besonderen Merkmale, steuerfreies Minimum und
Lohnsteuer, hervorhebe. Seit dem Bestande dieser Republik, richtiger
gesagt seit jener Zeit, wo es für den naiven Menschen so
aussah, als ob in diesem Hause auch etwas für die Interessen
der Arbeiter gechaffen werden könnte, fordern die Vertreter
fast aller Arbeiterparteien eine entsprechende Erhöhung des
steuerfreien Existenzminimums. In Österreich betrug das Existenzminimum
1600 K. Würde das Existenzminimum in unserer demokratischen
Republik dem des alten Österreich, dieses reaktionären,
monarchistisch verseuchten Staates gleichgestellt, so müßte
man bei dem heutigen Kurswert unserer Krone dasselbe bei uns auf
10.400 Kè erhöhen. Nimmt man den Preisindex mit 950
an, so müßte es auf 15.200
Kè hinaufgesetzt werden. Erst mit diesem Betrage würden
die Arbeiter in der Lage sein, sich dasselbe zu kaufen, was ihnen
im alten Österreich die Kaufkraft von 1600 K bot.
Diese Forderung der Arbeiter wird auf die schimpflichste
hohnsprechendste, provokatorischeste Weise erledigt, indem
das steuerfreie Existenzminimum von 6000 Kè auf ein steuerfreies
Minimum von 7000 Kè erhöht wird. Sicherlich haben
alle jene Herren, die ihre Stimme zu einer solchen schmutzigen
Handlung hergegeben haben, noch nie versucht,
von einem solchen Einkommen ihr Leben zu fristen. Hiezu wünsche
ich nur, daß diesen Herren durch die Arbeiter recht bald
die Gelegenheit gegeben wird, so eine Kleinigkeit von nur 10 Jahren
dieses goldige Leben genießen zu können und sie während
dieser Zeit dann noch einmal mit der Ausarbeitung einer Steuerreform
zu betrauen.
Die Steuer wird vom Bruttoeinkommen berechnet,
wozu noch kommt, daß das Einkommen aller im gemeinsamen
Haushalt lebenden Familienmitglieder als einziges Einkommen der
Besteuerung unterworfen ist, ohne daß hiefür ein entsprechender
Abzug gewährleistet wird.
Die größte Provokation, welche sich
die Kapitalisten erlauben, ist die Einführung der Lohnsteuer,
jener reaktionären Maßnahme, die allein genügt,
um die schärfsten Kampfmittel in ihrer Anwendung gegen die
Gesetzwerdung dieser Maßnahme zu rechtfertigen.
Wir erinnern uns an die im vorigen Jahre herausgegebene
Verordnung des Finanzministers Dr. Engliš, betreffend
den 3%igen Abzug vom Lohne. Trotz der Sabotage des größten
Teiles der sozialistischen Führer hatten die Arbeiter den
Kampf gegen diese Maßnahme aufgenommen, einen Kampf, der
mit Begeisterung und Entschlossenheit geführt wurde, der
besonders gute Voraussetzungen für einen Erfolg hatte, da
die Gelegenheit zu Gegenmaßnahmen seitens des Finanzministers
äußert gering war. Oder glaubt im Ernst jemand daran,
daß man den Hunderttausenden von Arbeitern die letzten Habseligkeiten
pfänden könnte? In der Theorie mag dies möglich
sein, in der Praxis einer mit Entschlossenheit und einheitlich
kämpfenden Arbeiterschaft gegenüber aber niemals. Wenn
trotz alledem ein teilweises Gelingen dieser Maßnahme für
die Kapitalisten zu verzeichnen ist, so ist dies einzig und allein
auf das Konto der Sozialisten dieser Art zu buchen. Dies geht
auch ganz besonders aus der Äußerung des Ministers
Dr. Engliš hervor, welcher gelegentlich einer
Kritik der èechischen Sozialisten au der Lohnsteuer im
Budgetausschuß in Ruhe und sicher mit Vergnügen gegenüber
diesen Sozialisten sich dem Sinne nach so äußerte:
"Ihr habt die geringste Ursache, Kritik zu üben, ihr
hattet doch im Jahre 1924, als ihr noch in der Regierung gesessen,
im Prinzip der Einführung der Lohnsteuer bereits zugestimmt."
Die Zeiten ändern sich und mit ihnen auch die Menschen, von
den parlamentarischen Vertretern der èechischen
Nationalsozialisten, in deren Reihen sogar einmal bei schwungvollen
Äußerungen ein Steuerstreik in Erwägung gezogen
wurde und trotzdem ein großer Teil dieser Arbeiter sich
dem Kampfe gegen die auch nur provisorische
Einführung der Lohnsteuer anschloß, schon gar nicht
zu reden. Sie werden auch in ihrer Opposition bemüht sein,
für etwaige Eventualitäten regierungsfähig zu bleiben.
In dieser Verordnung hieß es auch: "wer
durch die Unterschrift freiwillig seine Zustimmung gibt".
Diese Freiwilligkeit sah allerdings so aus, das wenn der Arbeiter
nicht einverstanden war, man ihm sogar 5, 8 bis 10% seines Lohnes
pfändete, in anderen Fällen die letzten Habseligkeiten
desselben der Steuerexekution unterwarf. Also mit anderen Worten:
eine durch zu erwartende Repressalien erpreßte Freiwilligkeit.
Der Abzug vom Lohn wurde durchgeführt ohne Rücksicht
darauf, ob der Arbeiter das Jahreseinkommen von 7200 Kè
erreicht hatte oder nicht. Oft genug hat es sich ereignet, daß
die Zahl der unversorgten Kinder überhaupt
nicht berücksichtigt wurde, die Vorsprachen der Arbeiter
bei den Steuerämtern in einer Art und Weise abgetan wurden,
die man in sehr vielen Fällen, gelinde gesagt, nicht anders
als grob bezeichnen muß. Trotzdem die Dauer dieser Verordnung
sich nur bis Ende 1926 erstreckte, somit, beginnend mit dem Jahre
1927 der Abzug vom Lohn einzustellen war, gibt es heute noch eine
Reihe von Fällen, wo den Arbeitern bis jetzt ununterbrochen
3 oder 5% des Lohnes abgezoges werden. Diese Beispiele führe
ich besonders deshalb an, um ein Bild zu geben, wie und mit welcher
Rücksichtslosigkeit die Eintreibung der Lohnsteuer erfolgen
wird, wenn sie erst einmal Gesetz geworden ist. Mit welcher Unverfrorenheit
man um jeden Preis die letzten Heller aus den Taschen der Arbeiter
herausholen will, da die Steuerreform rückwirkend vom 1.
Jänner 1927 in Kraft treten soll, zeigt sich auch dadurch,
daß beginnend mit 1. August dieses Jahres die Lohnsteuer
in doppelter Höhe abgezogen werden soll, als dies aus den
§§ 30, bzw. 36 dieser Verordnung hervorgeht.
Wenn in dieser Reform die Rede davon ist, daß
dem Arbeiter für den Fall, daß er jenes nach der Anzahl
der Familienmitglieder festgesetzte steuerfreie Minimum nicht
erreicht, die geleistete Steuer zurückgezahlt werden soll,
so weiß man dies aus praktischer Erfahrung zu werten. Selbst
wenn über Antrag der Regierungsparteien die Rückzahlung
der geleisteten Überschüsse seitens der Steuerämter
ohne Ansuchen, bzw. Aufforderung durchgeführt werden soll,
glauben wir schon einmal deshalb nicht daran, da wir sehr genau
wissen, daß die Steuerämter mit der Erledigung ihrer
Angenda nicht nur ungeheuer zurückgeblieben sind, sondern
wahrscheinlich auch in Zukunft zurückbleiben werden. Die
Folge davon werden schriftliche Aufforderungen und öftere
Zitierungen zum Steueramt sein, um vielleicht dann im günstigsten
Fall, nach neuerlich verursachten Ausgaben, da bekanntlich nicht
jeder beim Steueramt wohnt und die Beförderung per Post nicht
umsonst ist, die Hoffnung auf Zurückzahlung des geleisteten
Überschusses zu haben.
Nebeneinkünfte, falls sie jährlich 500 Kè übersteigen,
sollen einer separaten Besteuerung unterliegen. Also, wenn eine
Ziege zuviel Milch geben oder die Hühner zuviel Eier legen
sollten, wird eine genaue Zählung erforderlich sein, damit
dieses eventuell 500 Kè übersteigende Nebeneinkommen
zur Besteuerung vorgelegt werden kann. Alle diese Maßnahmen
haben nur den einen Sinn, durch erhöhte Steuerleistung der
Ärmsten weitere Begünstigungen für die Bourgeoisie
zu schaffen. Bei einem jährlichen
Einkommen von 100.000 bis 10,000.000 Kè wird die Begünstigung
für diese armen eufel 4000 bis 11/2
Million Kè betragen. Dabei rechnet die Finanzverwaltung
damit, daß die Steuereinnahmen für den Staat nicht
geringer, sondern im Gegenteil höher werden
sollen. Dies hat natürlich zur Folge, daß die Geschenke
an die Großgrundbesitzer, Banken und Industriekapitäne
und die zu erzielenden Mehreinnahmen an Steuergeldern durch scharfe
Heranziehung der Arbeiter, Angestellten, Kleingewerbetreibenden
und Häusler zur direkten Steuerleistung und durch Erhöhung
der indirekten Steuern sowie Gebühren und Abgaben hereingebracht
werden sollen.
Hiezu noch einige Worte über die Verwendung
der auf die geschilderte Art und Weise erzielten Gesamteinnahmen
dieses Staates. Für den zivilen staatlichen Machtapparat
und für den Militarismus werden allein 41.3% der
Gesamteinnahmen verausgabt. Dazu sind noch 22.1% für
den Staatsschuldendienst erforderlich, so daß ganze 36.6%
für die wirtschaftliche und soziale Verwaltung, Kultur und
Volksaufklärung übrig bleiben. Immer und bei jeder Gelegenheit
müssen wir auf die wahnsinnigen Ausgaben für den Militarismus
hinweisen, der im Zeitraum von 8 Jahren nicht weniger als 18 Milliarden
541 Millionen verschlungen hat und für das Jahr 1927
ist abermals ein Betrag von 1.875,890.144 Kè vorgesehen.
Auf 13 bis 15 Soldaten entfällt ein Offizier. Zur besonderen
Charakteristik, wie die kulturelle Fürsorge dieses Staates
aussieht, führe ich noch ein Gegenbeispiel an, u. zw.: Auf
je 50 Schüler kommt ein Lehrer.
Einige Offiziere der französischen Mission erhalten jährlich
5 Millionen Kè, eine viertel Million Arbeitsloser bekommt
infolge des famosen Genter Systems ungefähr 10 Millionen.
Und all dies geschieht mit Hilfe der deutschbürgerlichen
Parteien, die auf ihre Fahne den Kampf um das
Selbstbestimmungsrecht, die Erhaltung der deutschen Scholle und
des deutschen Arbeitsplatzes geschrieben haben. Es entspricht
der reinsten christlichen Nächsten liebe und dem deutschen
Volksbewußtsein, wenn dem deutschen Arbeiter die
letzte Hose ausgezogen, der letzte Acker oder sein mit vieler
Mühe erworbenes Häuschen genommen wird. So sieht die
Fürsorge der jetzigen deutsch-èechischen Koalitionsregierung
aus, von der unser Finanzminister Dr. Engliš
die Verpflichtung ableitet, daß
jeder, selbst beim niedrigsten Einkommen, um seiner staatsbürgerlichen
Pflicht genüge zu tun, Steuer zahlen muß. Wo bleiben
die Pflichten der Regierung gegenüber den Bürgern dieses
Staates?