Wir werden uns entschließen müssen,
im Anschluß an meine Forderung nach Ökonomisierung
und Kommerzialisierung der staatlichen Betriebe und Unternehmungen
auch die Tarife der Post und Eisenbahn auf ein vernünftiges
Maß herabzubringen. Wir sind nicht mehr weit davon entfernt,
das teuerste Postporto und die teuersten Telephongebühren,
die teuersten Eisenbahnfrachten zu haben, während Deutschland
gerade die Eisenbahntarife herabsetzt und darnach trachtet, in
das Wirtschaftsleben wieder einen anderen Geist zu bringen. Genau
das gleiche tat Deutschland auch mit der Luxus- und Umsatzsteuer,
mit der Wiederherstellung des Post- und Telegraphengeheimnisses,
sowie des Bankgeheimnisses. Darauf komme ich noch zu sprechen.
Wir werden einen ganz anderen Standpunkt einnehmen
müssen bezüglich unserer handelspolitischen Beziehungen
zu unseren Nachbarn. Dieses Kapitel bedeutet das Um und Auf der
Wirtschaft. Ich habe Ihnen vorhin die Abhängigkeit des Handelsministeriums
vom Außenministerium angedeutet. Bei der Behandlung handelspolitischer
Fragen müssen wir die Meistbegünstigungsverträge
und die Tarifverträge unterscheiden. Die Meistbegünstigungsverträge
besitzen wir wie die meisten anderen Staaten mit den übrigen
Staaten Europas, ich glaube mit Ausnahme von Esthland; aber mit
jenen Staaten, mit denen uns enge Beziehungen verknüpfen,
wie Deutschland, Österreich, Ungarn u. s. w., da brauchen
wir mehr als Meistbegünstigungsverträge, mit denen müssen
wir vernünftige Zollverträge haben. Wenn uns die fehlen,
dann kommt die wirtschaftliche Verbindung mit diesen Ländern
nicht in Fluß. Das aber ist die Tragik des Schicksals und
bestätigt, was ich vorhin gesagt habe: wir haben zwar einen
Handelsvertrag mit Frankreich, einen Handelsvertrag mit Spanien,
mit der Schweiz, einen provisorischen Vertrag mit Kanada, aber
die Kleine Entente fehlt in der Reihe der Handelsverträge!
Das ist direkt tragisch und bezeichnend für unsere Außenpolitik,
daß gerade mit denjenigen, die unsere Verbündeten sind,
es nicht nur in politischer Beziehung, sondern auch in nationaler
Beziehung sein sollen, daß gerade mit diesen Staaten die
Handelsverträge fehlen. Schauen Sie sich den Zustand an.
Wir haben noch keinen Handelsvertrag mit Deutschland, wir haben
eben erst den Abschluß mit Ungarn bekommen; und sehen Sie
sich die Zustände mit Österreich an. Dieses Land hat
man, wiewohl man viel mehr ausgeführt als eingeführt
hat, direkt brüskiert, bis sich dieses arme Land nicht mehr
zu helfen wußte und erklärte: Jetzt wird der Vertrag
gekündigt, jetzt wird es mir zu dumm! Heute sind wir im Zustande
bloß normaler Meistbegünstigung, heute müssen
sich unsere Delegierten schinden und plagen, den Vertrag zu Wege
zu bringen, weil wir doch das viel größere Interesse
daran haben infolge der erhöhten Ausfuhr nach Österreich,
wohingegen Österreich nur die Hälfte oder ein Drittel
zu uns importiert. Das war eine Politik des Wahnsinns, die hier
getrieben worden ist, die das Wirtschaftsleben erschlägt,
da wir doch mit 70% auf den Export angewiesen sind. Gerade die
Beziehungen zu den bewährten Nachbarländern, die wir
wirtschaftlich dringend gebraucht haben, wurden vernachlässigt.
Infolgedessen wird in der Behandlung dieser Frage eine Wandlung
von Grund auf geschehen müssen, man wird hier Vernunft annehmen
müssen, nicht nur politische und nationale Gesichtspunkte
reden lassen dürfen, sondern wird sich endlich auch einmal
dazu entschließen müssen, wirtschaftliche Belange zu
beachten.
Eine große Frage ist die Anerkennung
Rußland de jure. Ich habe das Gefühl, daß uns
die Regierungsform als solche eigentlich nichts angeht. Wenn wir
Gefahr darin sehen, haben wir andere Mittel zu ergreifen, aber
jeder Staat hat das Recht, seine Regierungsform und sein System
zu wählen, wie er will. Aber wirtschaftlich sollte man sich
den Erwägungen für eine Anerkennung Rußlands nicht
verschließen und da kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren,
daß vielleicht sogar persönliche Momente dafür
vorhanden sind, daß diese Anerkennung bis heute nicht zustande
gekommen ist.
Ein großes Hindernis und ein unbedingtes
Erfordernis für die Beseitigung der Krise bilden die Zölle.
Die Zölle sind aufgebaut auf dem Zolltarif von 1896 oder
1906, ich weiß es nicht auswendig. Nun haben sich die Verhältnisse
geändert und wir glaubten diese geänderten Verhältnisse
durch die Einführung der Zollkoeffizienten zu beherrschen;
infolge der wieder geänderten Verhältnisse muß
natürlich ein Zolltarif, der nicht von Grund aus auf neuen
Ansichten, bzw. neuen Notwendigkeiten aufgebaut ist, unbedingt
ins Hintertreffen kommen und muß unmodern werden. Wenn wir
unsere Umgebung ansehen, ob Rumänien oder Frankreich oder
Italien, alle arbeiten oder haben gearbeitet an der Errichtung
eines neuen Zolltarifs. Das ist eine Forderung, die ich privat
schon vor Jahren erhoben habe, aber man hat mir immer erklärt:
Ja, das ist eine sehr schwierige Sache, das ist nicht so leicht.
Aber ich bin der Ansicht, daß man gerade solche Aufgaben
angehen muß, und je früher man das tut, desto früher
wird man damit auch fertig. Denn unser Zolltarif ist unmodern
und erschwert unseren Unterhändlern in den Verhandlungen
mit den anderen Staaten ihre Position riesig. Ich will das nur
berühren, da ich objektiv bin und in dieser Beziehung nichts
verschweigen will. Ich muß vom Standpunkt der Wirtschaft
aus erklären, daß die Agrarzölle, wie wir sie
voriges Jahr bekommen haben, im Zeitpunkt ihrer Einführung
für die Wirtschaft ungemein hindernd gewesen sind und gerade
die Verhandlungen mit jenen Ländern riesig erschwerten, wohin
wir Industrieprodukte auszuführen haben. Ob das System der
Festsetzung der Minimalzölle von vornherein und damit die
Bindung des Handelsministeriums, nur bis dorthin gehen zu können,
richtig ist, ist eine andere Frage.
Wir haben weiters die Kohlenabgabe, wir haben
den Zwang des Visums, wir haben die Notwendigkeit der Reform der
Verwaltung, aber wieder nicht in dem Sinne, wie sie jetzt geplant
ist, sondern eine vernünftige gerechte Verwaltung, nicht
aufgebaut auf dem gegenseitigen Mißtrauen in nationaler
Beziehung. Wir haben es notwendig, daß sich das Finanzministerium
endlich einmal entschließt, die Geldanstalten zu sanieren.
Und hier erkläre ich: Ich habe gerade meinen Bezirken, die
in diese Notsphäre hineinfallen, versprochen, daß ich
meine ganze Lebenskraft dafür einsetzen werde, daß
endlich dieses schreiende Unrecht gelöst wird, und ich richte
hier von öffentlicher Stelle an den Herrn Finanzminister
den dringenden Appell, endlich dieser Not und diesem Schrecken
in den Gegenden, wo diese Verhältnisse herrschen, ein Ende
zu machen. Hier gibt es keinen politischen Standpunkt, hier gibt
es nur wirtschaftliche Erwägungen und das soziale Erfordernis
der Lösung. Aus diesem Grunde ersuche ich ihn höflich
und eindringlich namens der von mir Vertretenen, diese Frage endlich
anzuschneiden und ihr nicht immer wieder auszuweichen. (Pøedsednictví
pøevzal místopøedseda Horák.)
Wir brauchen dann natürlich auch eine
Entlastung in den Ausgaben. Wenn wir uns in Verfolgung der Linie
in den Ausgaben nicht zu einer Herabsetzung entschließen
können, wenn die Ausgaben immer auf derselben Höhe bleiben,
wie bisher, dann kann es bei uns nicht weiter gehen, weil unsere
Ausgaben in einem viel größeren Verhältnisse stehen,
als es unser Staat in seiner Wirtschaft und bei seiner Population
verträgt.
Wenn ich bei den Ausgaben bin, möchte
ich mich nun, nachdem ich mich über die Wirtschaft sowohl
außenpolitisch, als auch innerpolitisch in ihrem Begriff
und in ihren Krisenerscheinungen geäußert habe, dem
Gegenstand als solchen zuwenden, der Steuerreform. Die Steuerreform
ist nur zu behandeln, wenn man sie unter dem Gesichtswinkel des
Budgets nimmt. Es wird Ihnen das im ersten Moment vielleicht befremdlich
erscheinen, aber Sie werden sofort begreifen, daß ich vielleicht
in dieser Hinsicht recht habe. Der Herr Finanzminister hat sich
bezüglich der Steuerreform in seinen Exposées verschiedenartig
geäußert, das wesentlichste Moment für mich aber
war sein Exposée zum Budget für das Jahr 1927, welches
Exposée übrigens in Aufbau und Auffassung von hervorragender
Größe ist. Dort liegt das ganze Problem auch für
die Lösung der Steuerreform. So sehr ich die wirtschaftlichen,
theoretischen und praktischen Erwägungen des Herrn Finanzministers
verstehe, muß ich mich trotzdem in einen kolossalen Widerspruch
zu ihm setzen, weil diese Erwägungen der Praxis nicht entsprechen.
Ein Standpunkt, daß eine Steuer nur ermäßigt
werden kann, gleichgiltig ob das die Umsatz- und Luxussteuer oder
eine der direkten Steuern ist, wenn sie in einem Maße größter
Rigorosität und größter Strenge eingehoben wird,
ist nicht richtig. Damit wird man keine Moral heben. Da gibt uns
gerade das Budgetexposée über die Auffassung der Finanzverwaltung
Aufschluß, indem es erklärt: "Die Finanzverwaltung
hofft, trotz Herabsetzung der Steuersätze dieselben Einnahmen
zu haben, die Finanzverwaltung hofft bei rigorosester Einhebung
der Umsatz- und Luxussteuer, für die eine eigene Revisionsorganisation
geschaffen worden ist, die präliminierte Höhe von 1900
auf 2.500 Millionen zu bringen, um dann die Umsatzsteuer um ein
halbes Prozent zu ermäßigen." Der Standpunkt gefällt
mir gar nicht und ich kann ihn unter keinen Umständen teilen,
weil er nicht darnach angetan ist, die Moral zu heben und anderseits
wieder viel Ungerechtigkeit in der Weise auslöst, daß
von dieser Maßregel immer nur der normale bücherführende
Kaufmann getroffen wird, während solche Maßnahmen gegen
Leute mit der Buchhaltung in der Westentasche auch beim schärfsten
Spürsinn vollständig versagen.
Wenn wir das Budget im ziffernmäßigen
Jahresausdruck der Ausgaben- und Einnahmenseite des Staates betrachten,
wenn wir bedenken, daß von ihm der kulturelle, wirtschaftliche
und soziale Wohlstand des Volkes abhängen soll, so müssen
wir erklären, daß das Budget in seinen Ausgaben unverhältnismäßig
hoch ist. Wir müssen die Einnahmenseite etwas beleuchten,
in der Weise, daß wir die Einnahmen etwas analysieren. In
der Privatwirtschaft gilt der Satz: "Meine Ausgaben können
sich nur nach meinen Einnahmen richten", während in
der Staatswirtschaft angeblich der Satz gilt: "Die Einnahmen
richten sich nach den Ausgaben." Die Finanzliteratur erklärt
das aber für unrichtig und sagt: "Genau so wie in der
Privatwirtschaft, haben sich auch in der Staatswirtschaft die
Ausgaben nach den Einnahmen zu richten". Dadurch kommen Verhältnisse
zustande, daß Sie die Einnahmenseite im Verhältnis
zur Tragfähigkeit und Kraft des Wirtschaftslebens und der
Bevölkerung überspannen müssen, u. zw. notwendigerweise.
Das Ganze muß doch aufgebaut sein auf der Erträglichkeit,
auf der Humanität und Loyalität, wenn die Voraussetzungen
für eine künftige Prosperität gegeben werden sollen.
Wenn wir nun die Einnahmenseite zergliedern,
so finden wir darin Abgaben, Zölle, Gebühren u. s. w.
Ich wende mich gleich der Einteilung der Steuern zu, die wir in
direkte und indirekte Steuern einteilen.
Die indirekten Steuern teilt man ein in die
sogenannten Verbrauchs- und in die Verkehrs- oder Handelssteuern.
Die Verbrauchssteuern sind die Spiritus-, die Zuckersteuer u.
s. w., während man unter den Verkehrssteuern Steuern wie
die Kohlenabgabe, die Wasserkraftsteuer, die Verkehrsabgabe, die
Umsatzsteuer versteht, letztere soweit sie für den Export
in Betracht kommt. Denn die Umsatzsteuer hat eine zweifache Wirkung.
Sie wirkt für den Verbrauch im Inland als Verbrauchssteuer
und für den Verkehr mit dem Ausland als Verkehrssteuer. Und
da komme ich zu einem Kapitel, wo ich mich mit dem Finanzminister
in der Praxis vollständig in Widerspruch befinde. Theoretisch
gebe ich ihm recht. Er sagt: Die Entlastung der Produktion muß
in erster Linie bei den Handelssteuern kommen, weil diese das
Produkt vorbelasten, während die importierte Ware mit diesen
Steuern nicht belastet ist. Er erklärt, daß die direkten
Steuern die Konkurrenzfähigkeit nur indirekt beeinflussen.
Theoretisch hat der Finanzminister vollkommen recht. Aber ich
spreche als praktischer Wirtschaftler und da sage ich ihm: Für
die Konkurrenzfähigkeit sind nicht die Handelssteuern oder
die Verkehrssteuern maßgebend, sondern in erster Linie die
direkten Steuern. Die Verkehrsteuern drücken sich beim praktischen
Kaufmanne oder Wirtschaftler nicht in dem Maße als Steuern
aus, der Inbegriff der Steuern kommt bei ihm zum Ausdruck in der
Summe des ziffernmäßigen Zahlungsauftrags über
die direkten Steuern. Nun dürfen wir nicht glauben, daß
der Praktiker die Steuern, die ihm in so hohem Maße kummulativ
seit 1914 vorgeschrieben sind, bei der Kalkulation in die Feueresse
hängen kann. Diese Steuern sind ein Punkt der Kalkulation
und bestimmen gleichzeitig den Exportpreis des Artikels. Ich würde
noch etwas von der Ansicht des Finanzministers bezüglich
der Verkehrsteuern unterschreiben, aber etwas hindert mich daran.
Die Wasserkraftsteuer wird nicht beseitigt, sie wird nur ermäßigt,
die Kohlenabgabe wird auch nur ermäßigt, bloß
durch Verordnungen, die dem Exporteur die Sache von vornherein
direkt erschweren. Ein Moment muß ich aber besonders hervorheben,
weil es gerade als Steuer für das ganze Wirtschaftsleben
ausschlaggebend ist, das ist die Umsatzsteuer.
Sie ist mit 1900 Millionen präliminiert;
man will sie auf 2500 Millionen bringen, dann will man sie erst
um ein halbes Prozent ermäßigen. Nun habe ich gefunden,
daß der Herr Finanzminister seinerzeit bei dem ersten Gesetze
über die Umsatzsteuer Referent war und die Steuer damals
als vorübergehend betrachtet hat, während wir heute
bei der Verhandlung der Steuerreform gerade die Finanzwirtschaft
der Selbstverwaltungskörper zum großen Teile auf der
Umsatzsteuer aufgebaut finden. Man kann doch nicht ein Gesetz
auf einer Steuer aufbauen, die man eigentlich aus wirtschaftlichen
Gründen auf das Austerbeetat gesetzt hat. Das führt
mich zu dem Schlusse, daß die Wirtschaft mit dem Abbau der
Umsatz- und Luxussteuer noch lange nicht wird rechnen können.
Das bildet nicht nur im Verkehr mit dem Ausland Erschwernisse,
sondern auch durch die Höhe von 5 bis 8% im Inlande ein schweres
Hemmnis für den Inlandverkehr.
Weil ich gerade hier keine Erleichterung in
dem Maße, wie es die Wirtschaft fordert, sehe, muß
ich natürlich das Schwergewicht darauf legen, daß die
Finanzverwaltung eine Erleichterung bei den direkten Steuern herbeiführt.
Es wird noch im Laufe der Spezialdebatte der Nachweis zu erbringen
sein, daß die Finanzverwaltung nicht in dem Maße der
Wirtschaft Rechnung trägt, wie im ersten Augenblicke der
Eindruck erweckt werden könnte. Die Proteste, die aus allen
Wirtschaftskreisen jeglicher Nation bezüglich der allgemeinen
und der besonderen Erwerbsteuer, der Einkommensteuer u. s. w.
gekommen sind, zeigen Ihnen, daß die Wirtschaft mit dieser
Regelung nicht einverstanden ist. Wenn der Herr Berichterstatter
erklärt, daß diese Steuerreform notwendig ist, weil
die Produktion überlastet ist, und weiter erklärt, daß
diese Steuerreform nur ein Provisorium ist, daß man bei
stabileren Verhältnissen eine neue machen wird, so erkläre
ich, daß aus diesen Notwendigkeiten man in erster Linie
mit niedrigeren Steuern rechnen sollte, um das ganze Wirtschaftsleben
in Fluß und Gang zu bringen. Allerdings liegt hier ein Punkt
vor, der die Finanzverwaltung in ziemliche Schwierigkeiten bringt.
Objektiv beurteilt, die Finanzpolitik des Staates
ist im Anfang von einem falschen Standpunkt ausgegangen. Sie hat
nämlich die Ausgabenseite zum Teile auf eine Einnahme aufgebaut,
die außerordentlich war. Es hätte der Sachlage nach
die Finanzverwaltung ihre Ausgaben auf den präliminierten
Einnahmen für das Jahr 1919 und für die kümftigen
Jahre von da aufwärts aufbauen müssen. Was hat aber
die Finanzverwaltung gemacht? Sie hat, ob mit Recht oder Unrecht,
ihre Finanzpolitik auch auf den Einnahmen von 1914 aufwärts
aufgebaut, soweit sie das alte Österreich nicht vorgeschrieben
hat. Dieser Standpunkt ist falsch. Diese Steuern, wenn man sie
schon mit Recht hat vorschreiben können - was ich bezweifle
und bestreite - hätten eine Reserve bilden müssen, genau
so wie man vom Unternehmer und vom Einzelnen in der Wirtschaft
verlangt: "Du darfst Dich nicht über die Steuerkumulierung
beklagen; hättest Du nur Deine Reserven gemacht, wie es einem
ordentlichen Kaufmann geziemt!" Wenn diese Steuerrückstände
von 1914 aufwärts verwendet worden wären an Stelle der
Vermögensabgabe, für Währungszwecke oder zur Deckung
der Staatsnotenschuld, die wieder die Vorbedingung der Stabilisierung
unserer Währung ist, wäre dies eine wesentliche Erleichterung
für unsere Wirtschaft gewesen.
Denn vergessen Sie nicht, daß wir unter
einem anerkannten Drucke stehen, unter dem heute das Wirtschaftsleben
leidet. Wir sind in unserer Eigenschaft als Exportstaat mit 70
bis 75 % auf den Export angewiesen, wir sind abhängig in
unserer Währung vom Gedeihen der Handelsbilanz, bzw. der
Zahlungsbilanz, und weil diese mit 84% auf die Handelsbilanz angewiesen
ist, in erster Linie vom Gedeihen des wirtschaftlichen Lebens;
davon ist auch die Stabilität der Währung abhängig,
und da können Sie die Probleme durchführen, wie Sie
wollen: Gelingt es nicht, die Handelsbilanz in dem Maße
zu erhalten und dadurch die Zahlungsbilanz zu gestalten, muß
Ihre Währung einen anderen Weg gehen, als den der Stabilität,
dann kommen wir wieder in das Hintertreffen, weil wir den Prozeß
jetzt erst durch machen müßten, den die Umgebung bereits
durchgemacht hat.
Meine Herren! Sie könnten mir sagen: Du
bist ein Schwarzmaler. Das hat nämlich in einer Zeitung anläßlich
meiner Reden zur Steuerreform gestanden. Die Zeitung schrieb:
Dr Rosche malt schwarz. Nun, meine Herren, das ist absolut
nicht meine Absicht. Das kann ich Ihnen ehrlich erklären,
dazu bin ich zu objektiv, sondern ich male nach bestem Wissen
und Gewissen die Dinge, wie sie der Wirklichkeit entsprechen.
Ich sage ganz offen: Sie brauchen mir in meiner Oppositionsstellung
absolut keinen Glauben zu schenken. Aber dann sage ich Ihnen,
muß für Sie das Wort des Finanzministers maßgebend
sein, der ausdrücklich die Überlastung der Produktion
feststellt, sowohl in seinem Exposée im Budgetausschuß
vom Dezember vorigen Jahres, wie in seinem Auferstehungsartikel
in den "Lidové Noviny", und der bei allen
Gelegenheiten auch im Budgetausschuß das gleiche feststellte.
Ferner verweise ich hier auf das Memorandum der èechoslovakischen
Regierung, das diese bei der Weltwirtschaftskonferenz abgegeben
hat und das eine ähnliche Tendenz aufweist
und ich mache Sie weiters aufmerksam auf einen Artikel des Herrn
Dr Kramáø, der
doch bestimmt in seiner Eigenschaft als Politiker seit 40 Jahren
den entsprechenden Einfluß und die Erkenntnis besitzt, und
der am 1. Jänner 1927 in den "Národní
Listy" geschrieben hat:
"Das neue Jahr soll für uns ein
Jahr der Konsolidierung, der politischen wie wirtschaftlichen
sein und zwar nicht nur deshalb, weil wir es selbst nach den stürmischen
Jahren nach dem Umsturz, wo weder politisch noch wirtschaftlich
gerechnet wurde, weil wir eine grüne Oase in der Wüste
waren, benötigen, sondern hauptsächlich deshalb, weil
rings um uns alle Staaten politisch und wirtschaftlich konsolidiert
sind und wir daher schon längst unsere Sonderstellung verloren
haben.
Von der politischen Konsolidierung will ich
nicht reden, denn ihr Hauptproblem ist die Slovakei, darüber
habe ich mich schon geäußert. Die wirtschaftliche Konsolidierung
bedeutet bei uns vor allem die Sicherung des Absatzes für
unsere Industrie, welche viel zu groß ist für die Zahl
unserer Einwohner, also ein Problem, das sich immer mehr verschärft,
weil die Nachfolgestaaten mit allen Mitteln eine eigene Industrie
erstreben, wodurch sie a us Agrarstaaten zu Staaten mit einem
hohen Zollschutz der Industrieprodukte werden, die wir früher
dorthin zum größten Teil einführten. Dabei müssen
wir dort mit Industriestaaten konkurrieren, mit der Schweiz, ltalien,
Deutschland, die nicht so hohe Soziallasten haben und auch nicht
mit unmöglichen Zuschlägen versehene Steuern und auch
nicht eine die Produktion so sehr belastende Tarifpolitik."
Und Herr Dr. Kramáø
findet als das hindernde Moment für
das Wirtschaftsleben in erster Linie die Steuern und die Soziallasten
und erklärt, daß die Staatseinkünfte nicht herabgesetzt
werden können, worüber ich mich übrigens ungemein
wundere, und er spricht dann weiter davon, daß wenn wir
an die Reparationen denken, einem ernsten Manne vor der Zukunft
direkt bange werden müsse. Er erklärt dann: "Aus
diesen Gründen befinden wir uns in einer Lage ohne Ausweg,
so lange nicht die Mentalität jener geändert wird, welche
die Interessen breiter Volksschichten vertreten und zwar so, daß
sie auf diese nicht bloß als auf Konsumenten sehen würden,
sondern daß sie in ihnen vor allem und hauptsächlich
einen untrennbaren Bestandteil der wirtschaftlichen Produktion
sehen werden, deren Nichtgedeihen und Sinken gerade diese Schichten
am meisten und zuerst verspüren. Die Staatseinkünfte
können wir nicht vermindern und wenn wir an die Reparationen
denken, wird einem ernsten Manne vor der Zukunft geradezu bange."
Ich erkläre den Inhalt des Artikels des
Herrn Dr. Kramáø in
seinem Wortlaut ausdrücklich als einen integrierenden Bestandteil
meiner heutigen Ausführungen. Dr. Kramáø,
der doch Ihr hervorragender Führer ist, hat hier vollständig
recht und hat einmal ganz objektiv die Wahrheit an den Tag gelegt.
Sehen Sie, meine Herren, ich will Ihnen dadurch den Beweis erbringen,
daß ich nicht schwarz male, denn sonst müßten
Sie sagen, daß Herr Dr. Kramáø in
viel größeren Maße schwarz gemalt hat, als ich.
Wenn dem so ist, dann müßten wir uns doch eigentlich
sagen, daß wir mit greifbaren Resultaten in der ganzen Steuerreform
rechnen müssen. Wenn ich mich nun den direkten Steuern zuwende,
so ist es natürlich begreiflich, daß die Finanzverwaltung
sich an die Regelung dieser Frage machen mußte. Die Notwendigkeit
der Regelung ergibt sich in vielfacher Hinsicht schon durch die
Notwendigkeit der Kodifizierung, der Unifizierung und aus den
wirtschaftlichen Verhältnissen. Kodifiziert muß das
ganze werden, weil das System als solches, bzw. die unendlich
vielen Gesetze der Vorkriegszeit, der Kriegszeit und der Nachkriegszeit
in einem ungeheuer großen Maße angewachsen sind, was
jede Übersichtlichkeit verloren gehen ließ. Ich behaupte,
daß in der ganzen Republik kein Finanzbeamter lebt, der
nur annähernd die Gesamtheit der Steuergesetze beherrschen
könnte. Das ist ein Ding der Unmöglichkeit, wenn wir
allein an die Hauszinssteuer denken, die 534 Gesetze und Verordnungen
aufweist, die veröffentlicht wurden, ganz abgesehen von den
internen Verordnungen und Instruktionen. Die Unifizierung ist
natürlich auch notwendig. Denn es geht nicht an, daß
wir hie österreichisches, hie ungarisches Recht haben und
man wird das ganze natürlich auf eine einheitliche Basis
stellen müssen. Das leuchtet mir vollständig ein. Die
Notwendigkeit der Steuerreform bezüglich der wirtschaftlichen
Verhältnisse habe ich Ihnen bereits dargelegt. Bevor ich
aber darauf zu sprechen komme, möchte ich der Finanzverwaltung
eine andere Auffassung ans Herz legen. Ich sehe erstens einmal
die Notwendigkeit ein, die Staatsausgaben unter allen Umständen
herabsetzen zu müssen. Ich sehe aber auch die Notwendigkeit
ein, daß man die Unternehmungen des Staates rationalisieren
muß, um durch deren Gedeihen, soweit sie die öffentlichen
Interessen nicht gefährden - und diese Forderung ist zuerst
zu erfüllen - den Steuerdruck als solchen zu entlasten. Das
ist notwendig, denn der Zustand ist unhaltbar, wenn wir uns überlegen,
daß die staatlichen Unternehmungen, abgesehen vom Tabakmonopol,
das ja eigentlich mit seinen 1100 Millionen Einnahmen nur eine
Verbrauchssteuer darstellt, ungefähr 50 Millionen bei der
Post- und Eisenbahn und den Zöllen tragen, also so gut wie
nichts. Infolgedessen muß natürlich die ganze Last
sich auf die anderen Steuern werfen.