Auf der anderen Seite haben wir gesehen, daß
durch die Behandlung der wirtschaftlich schwächeren Nachfolgestaaten
diese gezwungen wurden, ihre Verselbständigung durchzuführen.
Das hat das Entstehen neuer Industrien in diesen Zwergstaaten,
ob es sich nun um Ungarn, um Österreich, um Rumänien
oder Jugoslawien handelt, mit sich gebracht. So sehen wir im verarmten
Österreich in der Zeit vom 1919 bis 1922 die Entstehung von
1136 neuen Industriebetrieben. Das ist natürlich ein Wahnsinn,
ein Kapitalsentzug für die Wirtschaft, der mit Nichtlebensfähigkeit
unter allen Umständen in mehr oder minder großen Maße
rechnen muß, und wir sind zum großen Teile - das erkläre
ich ganz offen an dieser Entwicklung mitschuldig. Hätten
wir im richtigen Zeitpunkt mit vernünftiger Umkehr begonnen,
dann hätten wir viel vermeiden und selbst wirtschaftlich
helfen können. Kurzum, die politischen Verhältnisse
ließen es nicht zu. Auf das Kapitel der Außenpolitik
in dieser Hinsicht komme ich noch zu sprechen.
Nun werden Sie sagen: Ist das überhaupt
von so großer Bedeutung, daß wir auf diese Nachfolgestaaten
angewiesen sind? Ich stehe als Kaufmann auf folgendem Standpunkte:
Mag der Absatz sein, wie immer er will, als Kaufmann muß
ich trachten, mir eine Kundschaft zu erhalten. Wenn ich das nicht
tue, wenn ich die Kundschaft brüskiere, geht sie zu einem
anderen und ich habe dann das Nachsehen. Wir sind, wie ich vorhin
gesagt habe, durch die ziffernmäßige Kleinheit von
131/2 Millionen Einwohnern und auf der anderen
Seite durch den großen Wirtschaftsapparat zu einem Exportstaat
geworden, der mit ungefähr 70 bis 75% mehr oder weniger auf
die Ausfuhr seiner Artikel angewiesen ist. Dazu kommt, daß
wir im Gegensatz zu Deutschland und auch zu unseren früheren
Verhältnissen nicht die Organisation für den Export
haben. Wir haben z. B. nicht ein ausgebildetes Exportzentrum wie
Hamburg, Bremen, Lübeck u. s. w. Das sind Momente, die ich
nur kurz streifen muß, die aber wirtschaftlich ungemein
ins Gewicht fallen. Gablonz hat für seine Artikel wohl eine
Exportorganisation, diese hat es aber nicht zuwege gebracht, auch
den Export der anderen Wirtschaftszweige mit zu übernehmen.
Nun dürfen Sie nicht glauben, daß es leicht ist, ohne
eine solche Organisation im Export ersprießlich tätig
sein zu können. Es sind Versuche gemacht worden, und da kam
eine Pleite nach der anderen. Sie dürfen nicht übersehen,
daß gerade für das Exportgeschäft, worauf wir
infolge der eingetretenen Verhältnisse vorwiegend angewiesen
sind, gerade die Organisation von ungeheuerer Bedeutung geworden
ist. Es ist nicht möglich, daß heute der Einzelne,
wenn sein Unternehmen nicht eine bestimmte Größe hat,
ohne weiteres den Export nach Südamerika oder Kanada oder
wohin immer aufnehmen kann. Dazu gehört die Erfassung des
ganzen Exportgeschäftes, weil es sonst mit ungeheueren Verlusten
verbunden ist. Wenn wir dies in Betracht ziehen, so müssen
wir uns fragen: Welche Bedeutung haben denn eigentlich die Nachfolgestaaten,
Österreich, Ungarn u. s. w. in der Nachkriegszeit für
unsere Wirtschaft?
Wenn ich Deutschland mit in den Kreis einbeziehe,
so haben wir auf der Einfuhrseite - unser Interesse in erster
Linie ist eigentlich die Ausfuhr - im Jahre 1920 bei Deutschland
rund 23.6% der Gesamteinfuhr, 1921 26.13%,
1922 27.85%, 1923 40.42%, 1924 35.22%,
1925 31.27%, 1926 21.21%. Nun hören
Sie die Ausfuhrziffern: 1920 12.8%, 1921 11.27%,
1922 18.84%, 1923 20.35%, 1924 19.48%,
1925 22.4%, 1926 19.9%. Das entspricht bei
Deutschland einer Abnahme von 35.1 auf 19.9%
im Jahre 1926. Nun gehen wir zu den Nachfolgestaaten über:
Welche Bedeutung hatte Österreich zu uns als Einfuhrland?
Wir führten ein von Österreich 1920 13.01%,
1921 8.84%, 1922 7.77%, 1923 6.52%,
1924 7.84%, 1925 7.36%, 1926 7.37%.
Während also bei Österreich unsere Ausfuhr dorthin im
Jahre 1920 35.1%, im Jahre 1921 28.6%, im
Jahre 1922 21.9%, im Jahre 1923 20.9%, im
Jahre 1924 20.6% und im Jahre 1925 17.28%,
im Jahre 1926 16.26% ausmachte, sind wir in der Ausfuhr
nach Österreich von 35% auf 16.26% zurückgegangen.
Wenn Sie die Ausweise unserer Handelsbilanzen ansehen, so sehen
Sie - ich habe hier die Handelsbilanzausweise von 1920 bis 1926
- daß in erster Linie als Ausfuhrländer für uns
zu allen Zeiten in Betracht gekommen sind: Deutschland, Österreich,
Ungarn, u. s. w. Wir werden noch darauf zu sprechen kommen, in
welchem Maße man gerade diese Länder bezüglich
der Behandlung der Zölle und Handelsverträge brüskiert
hat.
Ein weiteres Moment, das Ihnen so recht die
Augen öffnen muß, sind die Ausfuhrziffern der Textilindustrie
gerade nach diesen Ländern. Die Textilindustrie beträgt
ungefähr 80% unserer gesamten Industrie. Und es hatten natürlich
die Nachfolgestaaten durch die Einrichtungen auf diesem Wirtschaftsgebiete
dort ihr Hauptfeld. Nun hören Sie! Wir hatten nach Österreich
im Jahre 1920 eine Ausfuhrziffer von 5539 Millionen. Diese Ausfuhrziffer
ist bis zum Jahre 1925 zurückgegangen auf 1.613 Millionen.
Wir hatten nach Ungarn eine Ausfuhrziffer an Textilien von 1693
Millionen, die im Jahre 1925 auf 608 Millionen zurückgegangen
ist. Wir hatten nach Polen im Jahre 1920 eine Ausfuhr von 349
Millionen, die im Jahre 1925 auf 222 Millionen zurückgegangen
ist, nach Jugoslawien eine Ausfuhr von 600 Millionen, im Jahre
1920, die im Jahre 1925 auf 543 Millionen zurückgegangen
ist. Nach Rumänien sehen wir eine kleine Steigerung von 302
auf 469 Millionen. Und bei Deutschland eine Steigerung von 503
Millionen auf 1141 Millionen. Dabei dürfen wir aber natürlich
nicht übersehen, daß dazwischen auch die Linie der
wirtschaftlichen Krise liegt, die sich soweit auswirkte, daß
wir z. B. in der Ausfuhr nach Jugoslavien von 600 Millionen im
Jahre 1920 auf 91 Millionen im Jahre 1924 gekommen sind. Ähnlich
ist es bei Polen. Nach Deutschland haben wir im Jahre 1923 an
Textilien lediglich für 315 Millionen ausgeführt. Das
sind Ziffern, meine Herren, die natürlich jedem Laien sofort
die Augen öffnen müssen. Wir kommen noch darauf zu sprechen,
warum das eigentlich bei uns so geworden ist. Ich bin sehr froh,
daß ich den Herrn Handelsminister heute hier habe, dessen
Person ich ungemein achte, der aber natürlich in seiner Eigenschaft
als Handelsminister mit 90% vom Außenministerium abhängt
und eigentlich als dessen Gefangener dasitzt. Ich behaupte nämlich
Folgendes: Für unsere wirtschaftlichen Verhältnisse
hat unser Außenministerium eine von grundaus falsche Politik
gemacht, in dem das Außenministerium dem Handelsministerium
keine Basis für die Außenhandelspolitik geschaffen
hat. Das ist ein wichtiges Moment. Die Außenhandelspolitik
unseres Staates wurde auf Kosten der Volkswirtschaft des Staates
betrieben und hat sich auch nur an der Wirtschaft als solcher
ausgewirkt. Natürlich ist dadurch in den Arbeiten des Handelsministeriums
eine ungeheuer große Lücke eingetreten und es geht
nicht an - das muß ich ehrlich erklären - daß
man bei der Besprechung dieser Sache einseitig auf dem Handelsministerium
herumhackt, sondern man hat in erster Linie hier das Außenministerium
beim Kopf zu fassen und es zur Verantwortung zu ziehen. Auch auf
dieses Kapitel komme ich noch zu sprechen.
Als weitere Ursache unserer inneren Krise kommt
natürlich die Behandlung der Kriegsanleihe in Frage,
weiters die Vermögensabgabe, ein Gesetz, von dem selbst die
èechischen Zeitungen geschrieben haben, daß es unter
Demagogie und Terrorerscheinungen gemacht worden ist. Auf der
anderen Seite sehen wir das vollständige Fehlen des
Verständnisses für die Sanierung der Geldanstalten,
die doch nur wieder durch die Maßnahmen der Regierung bei
der Behandlung der Wertpapiere und der Kriegsanleihen in diese
Lage geraten sind. Bitte, meine Verehrten, politisch betrachtet
ist dieses Problem ausgenützt worden, aber ich verstehe es
nicht, daß man bei den heutigen Verhältnissen, wo man
den Standpunkt der Gleichen mit Gleichen angenommen hat, wo man
andererseits den Stand der Wertpapiere auf eine Basis gestellt
hat, wo eine Sanierung eigentlich im Handumdrehen gemacht werden
könnte, daß man sich heute noch nicht dazu entschließen
kann, während man auf der anderen Seite einsehen muß,
daß gerade dies der Ursprung, die Keimzelle des Sparsinns
der Bevölkerung sind und daß die Zufuhr von Kapitalien
unerläßlich ist. Einseitigkeit ist hier von Grund aus
falsch, weil nämlich, gleichgiltig ob es sich um èechische
oder deutsche Geldanstalten handelt, sie ja doch in erster Linie
das Reservoir zur Aufnahme von Wert und Staatspapieren sind; in
dieser Hinsicht wird eigentlich gerade diese Quelle trocken gelegt,
während sie für die Volkswirtschaft in Anspruch genommen
werden sollte, bei Aufnahme von Hypothekarkrediten und dergl.
Wir sehen, daß die inneren Ursachen der Krise natürlich
auch vielfach und besonders gerade im Gang unserer Währung
in Erscheinung treten.
Wenn wir uns die Wirtschaftsjahre von 1919
an durchnehmen, so finden wir: 1919, 1920, die Bestreitung der
Nachkriegsverhältnisse in ihren Bedürfnissen, 1921 sehen
wir eine anfängliche Konjunktur in der beginnenden Inflation,
wir sehen 1922, 1923 den Übergang von der Inflation
zur Deflation, wir sehen 1924/1925 u. s. w. den Zeitpunkt kommen,
wo nach Ansicht der Finanzverwaltung die Stabilisierung gewährleistet
ist und die Konsolidierung erreicht werden soll. Der Umstand,
daß sich die èechische Krone im
innern Wert gegenüber den Inflationswert auf das Dreifache
erhöht hat, hätte natürlich Maßnahmen mit
sich bringen müssen, die diesen Werdegang in normale Bahnen
sowohl für die Volkswirtschaft wie die Staatswirtschaft hätten
bringen sollen. Da stelle ich nun den Satz auf, den ich mir auch
vom Herrn Finanzminister nicht bestreiten lasse. Ich behaupte:
Dieser ganze Prozeß des Überganges der Inflation zur
Deflation hat sich auf dem Rücken der Volkswirtschaft ausgewirkt.
Es hat der Arbeitnehmer von seinem Lohn nachlassen müssen,
es hat der Unternehmer seine Erzeugnisse im Preise heruntersetzen
müssen. Es sind noch andere Momente in Erscheinung getreten;
demgegenüber werde ich jedoch den Nachweis erbringen, daß
gerade der Staat trotz dieser Anpassung der Privatwirtschaft an
die verbesserte Währung in seinen Ausgaben gleich geblieben
ist. Es ist unrichtig, wenn der Herr Finanzminister erklärt,
es sei nicht wahr, daß sich die Deflation nur an der Volkswirtschaft
ausgewirkt und die Staatswirtschaft nicht betroffen hätte.
Das stimmt nicht. Er beruft sich dabei natürlich auf die
Schulden, bezw. auf die Verzinsung der Schulden und die Wirkung
der höher verwerteten Krone darauf. Dasselbe Moment hat aber
doch auch die Privatwirtschaft betroffen. Da gibt es doch keine
Ausnahmen.
Wir werden sehen, daß die Steuern, die
in der Inflationszeit vorgeschrieben worden sind, in der Deflation
mit der höheren Krone in demselben Maße eingehoben
worden sind, daß die Staatswirtschaft, bzw. die Finanzverwaltung
nicht eine einzige Maßregel getroffen hat, daß sie
gesetzlich diesem Erscheinungsprozeß nachgefolgt wäre
in der Ermäßigung der Kriegszuschläge u. s. w.
Die hat man ruhig weiter eingehoben, bis zur Reform. Was man gemacht
hat, war lediglich das Gesetz vom Jahre 1924, wo man aus den Notwendigkeiten
als solchen heraus sich entschließen mußte, wirtschaftlich
schwachen Unternehmungen, die sonst dem Verfalle anheimgefallen
wären, Steuererleichterungen zu gewähren. Und da können
Sie versichert sein, daß diese Steuererleichterungen in
der Form des Gesetzes und der Verordnungen, wie sie gegeben sind,
natürlich erst dann Gewährung finden, wenn, ich möchte
sagen, ein Ausgleich oder eine Pleite nicht mehr zu umgehen ist.
Das sind natürlich schwerwiegende Momente, die in ihrer Gesamtheit
speziell in der Währungspolitik die Wirtschaft ungemein getroffen
haben.
Dazu dürfen Sie nicht vergessen: Durch
diese Erscheinung, durch die Stabilisierung der Währung,
durch das Halten derselben auf 15 oder 16 Centimes - über
die Frage läßt sich streiten, ob es besser bei 10 oder
15 Centimes gewesen wären - durch diese Verhältnisse
ist die Wirtschaft in eine ungeheuer schwere Krise gekommen, die
es mit sich gebracht hat, daß z. B. ganze Industrien das
ganze Jahr gestanden sind oder daß Industrien wöchentlich
nur 2, 3 bis 4 Tage gearbeitet haben und auf der anderen Seite
ist wieder ein ungeheuerer Verlust an Devisen und Valuten in den
Nachfolgestaaten gekommen, weil die Abnehmer bei ihrer Skrupellosigkeit
und beim Hinauszögern des Kredits lediglich den Lieferanten
dafür verantwortlich gemacht haben, daß die
èechische Krone so hoch gestiegen ist und die Verluste
lediglich den Lieferanten haben tragen lassen, während auf
der anderen Seite der Lieferant bei hochwertigen Valuten, beim
Pfund u. s. w. von seinem Lieferanten nicht
den geringsten Nachlaß irgendwelcher Natur erhalten hat.
Das bringt der Charakter der Geschäftsleute mit sich, jeder
wird mir bestätigen müssen, daß ich in dieser
Beziehung Recht habe.
Diese Verhältnisse haben andererseits
Auswirkungen in der Wirtschaft mit sich gebracht, die von ziemlicher
Bedeutung sind, ich meine da insbesondere die Ausgleiche und Konkurse.
Ich will Ihnen da nur ein Beispiel aus dem Jahre 1926 anführen,
damit Sie einen Begriff haben, wie sich die Krisen an der Volkswirtschaft
auswirken. Wir hatten im Jahre 1926 2.092 Ausgleichsverfahren
mit einem Passivstand von 691 Millionen und einer Überschuldung
von 340 Millionen. Wir haben 405 Konkurse mit einem Passivstand
von 105.4 Millionen und einer Überschuldung von
58.9 Millionen. Dazu kommen 40 große Fallimente
mit 130 Millionen Passiven. Das ergibt zusammen eine Überschuldung
von rund 400 Millionen, was beiläufig den Ertrag der besonderen
und allgemeinen Erwerbsteuer ohne Zuschläge ausmacht. Die
Passiven machen zusammen bei einer Zahl von 2.537 den Betrag von
926 Millionen, also rund einer Milliarde aus. Wir sehen zwar,
daß die Passivposten etwas abgenommen haben, wir sehen aber
auch, daß die Zahl der Betroffenen zugenommen hat. Auf dies
komme ich zu sprechen, wenn ich die Tabellen behandeln werde,
die ich Ihnen habe vorlegen lassen. Ich habe einen Ausweis vor
mir, in dem 300 Bilanzen aus dem Jahre 1925 von Aktiengesellschaften
vorliegen, und zwar erhellt daraus: Von 185 Aktiengesellschaften
sind 115 dividendenlos, davon 70 mit einem Kapital von 938 Millionen;
bei 37 Aktiengesellschaften mit einem Kapital von 245 Millionen
haben wir 43 Millionen Verluste. Das gibt einen ertraglosen Gesamtbetrag
von 1.183 Millionen gegenüber dem Vorjahre mit einem Betrag
von 675 Millionen. Diese Beträge gehen alle in die vielen
Millionen und Milliarden. Ich muß sie zur Charakterisierung
des Bildes haben, damit ich Ihnen so recht deutlich zeigen kann,
wie sich die Krise als solche auswirkt.
Wir müssen auch ein Wort über die
sozialen Lasten sprechen. Da erkläre ich von vorne herein,
daß Sie mich nicht für so unmodern halten dürfen,
daß ich mich dem Problem der Sozialversicherung entgegenstellen
würde. Aber eine Behauptung stelle ich für alle auf,
daß die Grundbedingung einer guten Sozialpolitik immer eine
gute Wirtschaftspolitik ist, bzw. umgekehrt gilt der Satz genau
so, daß eine gute Wirtschaftspolitik die Voraussetzung für
eine gute Sozialpolitik ist. Ich wende mich nicht gegen die Leistungen
der Anstalt, aber ich bin der Ansicht, daß die Prämien
in der jetzigen Höhe nicht in d em Maße gerechtfertigt
sind, wie sie ausgesetzt sind. Wir werden untersuchen müssen,
ob in dieser Hinsicht die Regien für die ganze Verwaltung
nicht zu hoch sind. Wir haben weiters die hohen Post- und Bahntarife.
Wir haben uns natürlich auch über das Steuersystem in
seinem Gesamtbilde zu unterhalten, wie es die Produktion hindert
und wie es auf ihr lastet.
Dazu kommen die großen Bedürfnisse,
die das Militär für sich in Anspruch nimmt. Ein offenes
Wort unter uns: Wenn Sie bedenken, daß wir für unser
Militär seit dem Bestande des Staates rund 23 Milliarden
ausgegeben haben, daß wir im Budget für unser Militär
ungefähr 1400 Millionen eingesetzt haben, welcher Betrag
mehr ausmacht, als der Ertrag der Einkommensteuer des ganzen Jahres,
und wenn Sie bedenken, daß dazu noch jährlich der Betrag
von 315 Millionen durch 11 Jahre hindurch kommt, was einen Betrag
von 3465 Million en ausmacht, so erkläre ich Ihnen ganz offen,
daß diese Ausgaben für diesen Apparat der Sicherheit
in keinem Verhältnisse zu unserem Staate stehen. Ich bin
der Ansicht, daß die geographische Lage als solche den Staat
zu militärischen. Maßnahmen, wie man sich sie vielleicht
im Generalstab vorstellt, wird niemals zulassen können. Das
bringt die Ausdehnung des Staates mit sich, so daß er immer
dazu verurteilt sein wird, in kluger Politik den Standpunkt der
Neutralität einzunehmen. Wir haben anläßlich der
Wehrvorlagen hier Worte gehört, die durchaus nicht am Platze
waren, wo ich anders darüber denke und wo ich glaube, daß
auch die Herren auf èechischer Seite bei einer vernünftigen
Behandlung der ganzen Sache ein ganz anderes Bild vor Augen haben.
Aber bei dem Standpunkte müssen wir trachten, diese Rüstungen
unter allen Umständen kleiner zu machen, weil von ihnen die
Herabsetzung der Ausgaben des Staates abhängt.
Ich bin der Ansicht, daß Sie diese Macht außenpolitisch
nicht brauchen, und wenn Sie sie außenpolitisch brauchen
sollten, brauchen Sie diese lange Dienstzeit nicht. Wer den Krieg
in eigener Person mitgemacht hat, wird wissen und beurteilen können,
wie ungeheuer leicht und schnell dieses Handwerk erlernt wird.
Andererseits bin ich der Ansicht, daß zur Aufrechterhaltung
der Ruhe und Ordnung im Innern man den Apparat keinesfalls braucht
und was die Repräsentationsbelange betrifft, so glaube ich,
daß dazu bestimmt ein kleinerer Apparat genügen würde.
Das ist das Hauptproblem. Wenn Sie das übersehen, wenn sich
heute die Lenker des Staates nicht auf den Vernunftsgedanken festlegen,
so werden Sie natürlich aus der Hauptausgabenpost nie irgendwie
eine Verminderung im Budget herbeiführen, was meiner Ansicht
nach unbedingt notwendig ist, weil ich den Nachweis erbringen
will - ob es mir gelingt, weiß ich nicht - daß der
Staat über seine Verhältnisse lebt.
Nachdem wir uns in großen Zügen
über die inneren Ursachen der Krise ausgesprochen haben,
müssen wir uns natürlich auch die Frage vorlegen, was
geeignet wäre, diese krisenhaften Erscheinungen, die die
Volkswirtschaft nicht in Fluß bringen wollen, zu verhindern,
bzw. erwägen, wo die Möglichkeiten sind, die Volkswirtschaft
besser zu gestalten. Ich habe vorhin erklärt, daß meines
Erachtens nach unsere Außenpolitik nicht glücklich
geführt wird, und zwar besonders aus dem Grunde, weil sie
ganz außer Acht gelassen hat, eine Basis für eine Außenhandelspolitik
zu schaffen, daß daher diesbezüglich unbedingt ein
Wandel geschehen muß, ein Wandel, der das Hauptgewicht darauf
legt, daß man nicht einseitig einen politischen Prestigestandpunkt
einnimmt, der nicht notwendigerweise den Größenverhältnissen
des Staates, sondern vielleicht mehr den persönlichen Verhältnissen
entspricht, daß man eher diese politischen Verhältnisse
den wirtschaftlichen wird anpassen müssen. Das ist die Vorbedingung,
weil ich mit dem Herrn Berichterstatter Dr. Hnídek darin
vollständig einig bin, daß ohne Förderung der
wirtschaftlichen Belange die Erfüllung der politischen Belange
unmöglich ist, da sie in einem engen Zusammenhang miteinander
stehen, genau so wie Staatswirtschaft und Volkswirtschaft, die
voneinander genau so abhängig sind, wie die Zusammenhänge
zwischen Politik und Wirtschaft. Auf dieses Kapitel kommen wir
zu sprechen, wenn wir von Wirtschaft reden, und da muß ich
offen er klären, ich erblicke das Heil für die Gesundung
jeder Volkswirtschaft in dem Zusammenschluß, bzw. in dem
Erfassen aller Kräfte, die an der Volkswirtschaft mitzuwirken
imstande sind. Das sind in erster Linie die Hauptfaktoren Handel,
Gewerbe und Industrie auf der einen Seite, Landwirtschaft auf
der anderen Seite. Ich schließe in diese beiden Komponenten
auch die daran beteiligten Angestellten und Arbeitnehmer mit ein,
sie stehen bezüglich der Beschäftigung ungefähr
in einem Verhältnis von zwei Fünftel zu einem Drittel.
Ich bin der Ansicht, daß das Gedeihen der Gesamtwirtschaft
nur eintreten kann, wenn diese beiden Komponenten ineinandergreifen
wie ein Räderwerk und wenn wir uns endlich zu dem Gedanken
durchgerungen haben, daß ein Gedeihen abhängig ist
von dem gegenseitigen Verstehen, von dem gegenseitigen Begreifen,
daß niemand allein selbständig etwas ist, sondern daß
die Zusammenhänge eigentlich vernunftgemäß auf
diesen Gedanken führen müssen. Wenn wir bei diesen beiden
Komponenten bleiben, so werden Sie mir zugeben müssen, daß
die Landwirtschaft abhängig ist von dem Gedeihen von Handel,
Gewerbe und Industrie, weil der Konsum nach dem gefördert
oder vermindert wird. Man wird sich zu dem Gedanken durchringen
müssen, daß heute das Gewerbe keinesfalls selbständig
möglich ist, es ist von der Industrie abhängig, die
Industrie ist wieder von den Arbeitnehmern abhängig und umgekehrt.
Wir haben also eine gegenseitige Abhängigkeit von Industrie
und Handel und so sehen wir das Ineinandergreifen der Wirtschaft,
wie ich bereits gesagt habe, wie bei einem Räderwerk. Funktioniert
das nicht, so muß natürlich der ganze Apparat zum Stillstand
kommen. Wenn diese Ansicht nicht vorherrscht, so wird das immer
notwendigerweise wirtschaftliche Nachteile auslösen.
Ich behaupte nun, daß den wirtschaftlichen
Notwendigkeiten bei uns die politischen Machtverhältnisse
nicht entsprechen. Wenn wir uns das tatsächliche Bild ansehen,
so müssen Sie zugeben, daß die innere Konstellation
ein unvergleichlich großes Übergewicht der Landwirtschaft,
politisch ausgedrückt, gegenüber den anderen Komponenten
Handel, Gewerbe und Industrie, geschaffen hat. Ich muß sagen,
daß Letztere in beiden Häusern sowohl im Abgeordnetenhauses
wie im Senat so gut wie keine Vertretung hat, während andererseits
die Vertreter der Landwirtschaft mit den Nebenerscheinungen, die
vielleicht bei anderen Parteien untergebracht sind, weil bei ihnen
das Parteienprinzip dem eigentlichen wirtschaftlichen vorangeht,
beiläufig 90 bis 97 ausmachen. Das spielt natürlich
eine große Rolle und solange diese Konstellation in der
Form vorhanden ist, was wieder durch das Parteisystem herbeigeführt
wird, so muß die andere Komponente, repräsentiert durch
Handel, Gewerbe und Industrie, unter allen Umständen an die
Vernunft der landwirtschaftlichen Kreise appellieren. Das soll
keine Bitte sein, das soll kein Flehen sein, das muß aus
der unbedingten Notwendigkeit herauswachsen, weil ich der Ansicht
bin, daß wenn das gegenseitige Verstehen nicht in dem Maße
erfolgt, der andere Teil die Watsche naturgemäß zurückbekommen
muß, weil man unter eine bestimmte Ausgabensumme nicht kommen
wird. Dieses gegenseitige Verstehen wird also notwendig sein.
Ich behaupte, daß, wenn heute sich die Landwirtschaft darauf
einstellen würde, einseitig die Lasten für die anderen
Wirtschaftskomponenten zu erhöhen, erst einmal die Gewährleistung
für ein blühendes Wirtschaftsleben da sein müßte.
Ist das nicht vorhanden, so kommen wir aus den krisenhaften Erscheinungen
nicht heraus. Ich behaupte: jedes Unternehmen in Handel, Gewerbe
oder Industrie in entsprechender Größe, das zugrunde
geht, haut hundert Kleinbauern um die Erde, weil sie die Lasten
übernehmen müssen. Aus dieser Erwägung heraus meine
ich, daß das gegenseitige Verständnis unter allen Umständen
kommen muß, vorausgesetzt, daß Sie den Ernst der Situation
erfassen.
Die zweite Notwendigkeit wird sein, daß
die Wirtschaft, mag sie heißen wie sie will, freigemacht
werden muß von jeglichem chauvinistischem Geist. Wieder
ein offenes Wort dazu. Es ist die Wirtschaft in dieser Hinsicht
in einem Maße beinflußt worden, wie es eigentlich
der Natur der ganzen Sache vollständig widerspricht. Ob Sie
dadurch klug gehandelt haben, oder ob Sie dadurch insoferne eine
Besserung herbeiführen, daß Sie die Steuerquellen zum
Versiegen bringen, das ist eine andere Frage, weil auch hier wieder
der Satz gilt und gelten muß: Was ich hier umbringe, muß
ich auf der anderen Seite durch die entsprechenden Lasten und
die öffentliche Belastung eigenhändig und selbst wieder
übernehmen. Und meine Herren, dann werden Sie erst einmal
sehen, wenn Sie unter denselben Druck gesetzt werden wie bis jetzt
die deutsche Wirtschaft gewesen ist. Das kann unter gar keinen
Umständen so weitergeführt werden, weil die klare Vernunft
Sie dazu führen muß, daß Ihre Wege in dieser
Hinsicht irrig waren.
Man spricht davon, daß zur Behebung der
Krise die Reorganisation notwendig ist. Natürlich, ich gebe
das zu. Der Herr Finanzminister hat in seinem Exposé erklärt:
Wir müssen die Industrie reorganisieren, wir müssen
rationalisieren. Alles recht und schön! Wir rationalisieren,
wir ökonomisieren, stabilisieren, konsolidieren die Staatswirtschaft,
und dabei holt die Volkswirtschaft der Teufel. Meine Herren, eine
Aufforderung möchte ich an die Finanzverwaltung einmal richten:
Nachdem ihr doch so wunderschöne Betriebe unterstehen, wie
Salzmonopol, Tabakregie, bitte, bringen Sie erst einmal den Beweis
für die Rationalisierung und Ökonomisierung dieser Betriebe,
zeigen Sie doch einmal der Privatwirtschaft, wie sie es machen
muß, damit sie vorwärts kommt, denn gerade z. B. das
Hüttenwesen liegt im argen und hätte gerade in dieser
langen Zeit ganz andere Erscheinungen zeitigen müssen. Genau
so ist es bei Eisenbahn und Post. Ich verkenne nicht die Notwendigkeit
des öffentlichen Interesses bei diesen Betrieben, aber Sie
haben selbst Statuten für die Kommerzialisierung dieser Betriebe
aufgestellt und da liegt es wieder an der Regierung, einmal der
Privatwirtschaft zu zeigen, wie Sie rationalisieren, wie Sie ökonomisieren
kann, denn die Privatwirtschaft ist in vielen Fällen zu dieser
notwendigen Rationalisierung heute nicht mehr in der Lage. Warum?
Weil ihr auf der anderen Seite durch Steuern wie überhaupt
durch die öffentliche Gesamtbelastung Kapitalien in einem
Maße abgeschöpft worden sind, daß eine Kapitalsbildung
nicht möglich war. Aber der Kapitalsbildung kann keine Wirtschaft
entbehren und wenn wir nicht die Möglichkeit der Kapitalsbildung
bekommen, dann verlieren wir die ganze Konkurrenzfähigkeit,
dann entfernen wir uns immer mehr davon, unsere Betriebe irgendwie
rationalisieren zu können. Es ist ganz klar, daß die
technischen Fortschritte unbedingt auch bei uns angewendet werden
müssen, daß die Rationalisierung kommen muß und
ich bin mir auch klar darüber: je später sie kommt,
in umso größeren Nachteil werden wir geraten. Gerade
die krisenhafte Zeit hat Deutschland benützt zu umfassender
Rationalisierung und wir werden sehen, was in dieser Hinsicht
Deutschland durch die Rationalisierung seiner Wirtschaft uns und
überhaupt der ganzen europäischen Wirtschaft vormachen
wird. Meine Herren, das sind Gedanken, die natürlich von
der Regierung erfaßt sein müssen, aber auch von der
Privatwirtschaft, es müssen aber auch auf der anderen Seite
die Mittel geliefert werden, damit solche Maßnahmen getroffen
werden können. Es ist nicht richtig, was der Herr Finanzminister
mit den Worten sagte: Es geht nicht an, daß die Wirtschaft
immer kommt, immer ersucht und bettelt. Ich verlange vielmehr
die Erfassung der Zusammenhänge zwischen Wirtschaft und Finanzverwaltung
und muß auf Unterstützung, regste und wärmste
Unterstützung seitens der Finanzverwaltung dringen.