Meine Partei fühlt sich keineswegs
als berufene Hüterin und Schützerin der èechoslovakischen
Staatsverfassung. Diese wurde in einem unter Verletzung des Selbstbestimmungsrechtes
der Völker begründeten Staate von einem selbsternannten
Konvent der Bevölkerung aufgezwungen.
Die Vertreter unseres Volkes konnten auf die Beratung dieser Verfassung
keinerlei Einfluß nehmen. Daher haben im Jahre 1920 alle
deutschen Parteien die Forderung erhoben, daß die Verfassung
überprüft, d. h., daß die Genehmigung einer wirklichen
dauernden Staatsverfassung der gewählten Volksvertretung
überlassen werden müsse. Wir haben diese 1920-er Erklärung
und unseren damaligen Rechtsstandpunkt niemals aufgegeben. Gegenüber
jenen Verteidigern der Verfassung, welche daraus ein ewiges Blümlein
Rührmichnichtan machen wollten, sei betont, daß auch
eine Verfassung eines Staates niemals auf die Ewigkeit berechnet
ist, sondern jeweils das frisch flutende Leben des Volkes und
die im Gefühle der Staatsbürger lebendig gewordenen
Grundsätze in feste Normen kleiden soll. Gegenüber den
heutigen Regierungsparteien aber muß man sagen, daß
derjenige, der an die Grundsätze der Entwicklung einer Gemeinschaft
greifen will, auch den Mut aufbringen muß, dies offen zu
sagen. Es kann der gesamten Öffentlichkeit nicht gleichgültig
sein, jene Kreise, die nach ihrer Dienststellung zu beschworenen
Hütern und Bewahrern der Verfassung berufen sind, mit einer
leichten Handbewegung sich über alle Bedenken hinwegsetzen,
die Grundsätze des öffentlichen Rechtes einem ständigen
Schwanken aussetzen und damit auch das Rechtsempfinden
der Bevölkerung auf Schwimmsand bauen. Wäre der èechoslovakische
Verfassungsgerichtshof anders konstruiert, dann bestünde
kein Zweifel, wie die Entscheidung einer außenstehenden
unabhängigen Körperschaft ausfallen
müßte.
Der Bericht der Mehrheit des Initiativausschusses
widerspricht der Begründung des Antrages, daß durch
die Beseitigung des Soldatenwahlrechts die Verfassung verletzt
sei. Der Hinweis der Ausschußmehrheit auf verschiedene in
den Wahlordnungen festgesetzte Ausnahmen vom Wahlrecht muß
aber als ein jesuitischer Dreh bezeichnet werden. Denn die in
den verschiedenen Wahlordnungen festgesetzten Ausnahmen vom Wahlrecht
betreffen persönliche Hindernisse einzelner Personen, nicht
aber den Ausschluß ganzen Bevölkerungsgruppen. Was
würde der Herr Berichterstatter dazu sagen, wenn etwa ein
Antrag gestellt würde, die Angehörigen des geistlichen
Standes vom passiven Wahlrecht auszuschließen, weil die
Kirche nicht politisiert werden soll, weil der Mißbrauch
religiöser Einrichtungen zu Parteizwecken unstatthaft ist
und weil die geistlichen Würdenträger als Seelsorger
außerhalb des Parteigetriebes stehen sollen?
Was würde er dazu sagen, wenn ein solcher
Antrag auch damit begründet würde, daß die geistlichen
Würdenträger mancher Kirchen durch außerstaatliche
Einflüsse in ihrer Entschlußfreiheit, ja sogar in der
Freiheit der Wahlbewerbung behindert sind, während der Absatz
1 des § 22 der Verfassungsurkunde den Mitgliedern der Nationalversammlung
verbietet, von irgend jemandem für die Ausübung des
Mandates Weisungen entgegen zu nehmen?
Der Herr Berichterstatter würde zweifellos
mit Recht einen solchen Antrag als verfassungswidrig, als undemokratisch
und als einen Verstoß gegen alle Menschenrechte mit Entrüstung
abwehren. Die Nutzanwendung ergibt sich von selbst.
Die deutschen Regierungsparteien haben in der
letzten Zeit mit großer Umständlichkeit gegenüber
der deutschen Opposition die Aufhebung des Soldatenwahlrechts
im Hinblick auf die vielen Mißbräuche der Verwendung
èechischer Soldatenwähler zur Èechisierung
deutscher Gemeinden als einen großen national-politischen
Erfolg bezeichnet, den sie in ihre politische Scheune eingeheimst
hätten. Wir wiederholen, daß der Mißbrauch der
Soldatenwähler sehr einfach zu verhindern
war, indem man die Bestimmung der Wahlordnung des Jahres 1919
wieder aufgenommen und den Soldaten das Wahlrecht in ihrer früheren
Aufenthaltsgemeinde gegeben hätte. Kein Mensch wird im Ernste
daran glauben, daß die Parteigenossen des Abg. Špaèek
es zu gelassen hätten, wenn die Absicht
dieses Gesetzes ein Entgegenkommen an deutsche Interessen gewesen
wäre. Und wenn ein hervorragender Führer der deutschen
Regierungsparteien in Besprechung all dieser Zusammenhänge
auf einer Parteitagung erklärte, daß seine Gruppe nach
Deutschland nicht zu schielen brauche, sondern ruhig nach Deutschland
schauen könne, so will ich nur daran erinnern, daß
auch kol. Špaèek nach Deutschland
schaut, freilich mit der Janeèek-Handgranate in der Hand,
mit dem Arm in Arm die deutschen Regierungsparteien die Heeresforderungen
bewilligten, ohne im Hause offen und deutlich seinen Angriff gegen
Deutschland zurückzuweisen.
Unser Mißtrauen gründet sich aber
auch auf allgemeine politische Erwägungen. An dem System,
dem vor Jahresfrist die Herren Dr. Luschka, Dr. Mayr-Harting,
Dr. Spina und Genossen gemeisam mit uns wegen der Erlassung
der Sprachenverordnung das Mißtrauen ausdrückten, hat
sich nichts geändert. Die Sprachenverordnung ist weiter in
Kraft, nur daß sie jetzt auch von solchen praktiziert wird,
welche sie vor Jahresfrist bekämpften. Die stolze Hoffnung
der Agrarier, Herr Unterrichtsminister Dr. Hodža,
hat die Berufung deutscher Beamter in das Schulministerium brüsk
abgelehnt und seine viel besprochene Äußerung über
die Schulautonomie jetzt auf die Verbindung mit der Verwaltungsreform
verwiesen. Das kontrollose Bodenamt kündigt mit einem Zynismus
ohne gleichen die Verschleuderung deutscher Wälder an fachlich
ungeschulte Protektionskinder an. Die Zurücksetzung der deutschen
Staatsangestellten geht lustig weiter.
Die Gelegenheit, bei der sogenannten Verwaltungsreform
die ganze Frage der nationalen Neuordnung im Staate aufzurollen.
wurde verabsäumt und soll jetzt um das Linsengericht der
Ernennung von Schützlingen der Regierungsparteien in die
künftigen Bezirks- und Landesvertretungen verkauft werden.
Die Herren Führer der deutschen Regierungsparteien haben
das Konzept einer Verwaltungsreform gutgeheißen, welche
die Entwicklung der Rechtspflege dem Polizeibüttel überantwortet
und den 1848 auf den Barrikaden erkämpften Grundsatz der
Trennung der Rechtspflege von der Verwaltung vor die Hunde wirft.
(Posl. inž. Jung: Der berühmte Kampf
gegen die Bestimmungen der Geschäftsordnung ist in den Anfängen
stecken geblieben. Den Herren ist das Herz in die Hosen gefallen.
- Výkøiky posl.
dr Kubiše.) Das geht Sie (obrácen
k posl. dr Kubišovi.) nichts an, welche Zwischenrufe
jemand macht. Das geht den Herrn Präsidenten und meine Wenigkeit
als Redner an. Der Zwischenruf führt Einzelheiten an, ich
führe hier in großen Zügen die Konsequenzen Ihrer
politischen Symbiose an, die nur mit einer Verdickung der Korruption
in diesem Staate enden kann.
In der neuen Steuergesetzgebung werden die
Gemeinden mit ihren Vorstehern zu bloßen Vollzusorganen
der Staatsgewalt und damit werden die Grundsätze der Selbstverwaltung
mit Füssen getreten. Ebenso wird in der Verwaltungsreform
die Verwaltung unserer Bezirke bedingungslos dem Bezirkshauptmann
ausgeliefert und durch die Überlieferung des Milliardenvermögens
der deutschen Bezirke an die èechische Landesmehrheit eine
nationale Enteignung vollzogen, welche die Bodenreform an Bedeutung
weit übertrifft. Wir wissen, daß
die deutschen Regierungsparteien in der Verwaltungsreform keinerlei
wirkliche Zugeständnisse erhalten, auch nicht in der gesetzlichen
Festlegung der sprachlichen Bestimmungen im Sinne der berechtigten
Forderungen unseres Volkes. Wenn der Herr Präsident des deutschen
Juristentages Prof. Dr. Mayr-Harting dem Minister Mayr-Harting
das Gutachten des Ausschusses dieser Körperschaft über
die Verwaltungsreform in der Öffentlichkeit vorlegen würde,
dann würde die deutsche Bevölkerung mit noch größerem
Entsetzen erkennen, wie hier mit den kostbarsten Gütern des
Volkes gespielt wird.
Die Beseitigung des Soldatenwahlrechtes ist
nur ein Kapitel in der Verwirklichung jener Absichten, welche
aus Haß gegen die neue Zeit die Verschlechterung aller Volksrechte
anstrebt. Wie in den Bezirken die Selbstverwaltung preisgegeben
wird, so wird im Steuergesetz das Recht der Bevölkerung auf
Mitwirkung in den Steuerkommissionen der Ernennungsgewalt der
Regierung preisgegeben. Auch die sogenannte Novellierung der Sozialversicherung
soll vor allem dazu dienen, die Arbeiterschaft um die Verwaltung
der für sie bestellten Einrichtungen zu bringen und in diesen
dem Unternehmertum und der Bureaukratie einen ungemessenen Einfluß
zu sichern.
Der Tag wird kommen, da auch die kleinbürgerlichen
und kleinbäuerlichen Kreise den Weg dieser Entwicklung klar
erkennen und jene verwünschen werden, welche mit sehenden
Augen daran teilnehmen.
Darum muß unser Mißtrauen auch
der Tätigkeit der Vertreter der deutschen Koalitionsparteien
in dieser Regierung gelten. Wenn man dem Sudetendeutschtum im
Lande nützen und eine Verständigung mit dem èechischen
Volke herbeiführen will, dann muß man die Volksorganisation
und eine Zusammenarbeit aller deutschen Parteien dem gemeinsamen
Willen des èechischen Volkes
und seines Nationalrates gegenüberstellen, darf aber nicht
den Beginn einer deutsch-èechischen Verständigung
in ein paar Gnadengrundbrocken an ein paar Parteianhänger
oder in der Verbreiterung der Verteilung der abfärbenden
polnischen Kohleneinfuhrscheine suchen.
Alle unsere Erfahrungen rechtfertigen es in
vollem Maße, daß wir auch gegenüber dem erneuerten
Kabinett Švehla beim ernstesten Mißtrauen verharren
und dem auch durch unsere Abstimmung Ausdruck verleihen. (Souhlas
poslancù nìm. nár. soc. strany dìlnické.)
"Ano" hlasovali poslanci: Adámek, Andìl,
Bartel, Beèák, Al. Beneš, Beran,
Bezdìk, Bistøický, dr Blaho,
Bobek, dr ing. Botto, Böhm, Böllmann,
Bradáè, Branecký, Branecký, dr
Buday, Budig, Èanèara, inž. Jan
Èerný, dr Jos. Èerný,
Èillík, Èuøík,
dr Danìk, dr Dolanský, Doležal,
inž. Dostálek, Dubický, Eckert,
dr Feierfeil, dr Fritz, dr Gažík,
Greif, dr Hajn, Halke, dr Halla, Hancko,
dr Hanreich, Haupt, Heller, Hintermüller,
Hlinka, dr Hnídek, Hodina, Honzl,
Horák, inž. Hrdina, Hvozdzík,
Hýbner, Chlebounová, Janalík,
Janovský, Ježek, Jiráèek,
dr Juriga, Kaòourek, Košek, dr
Králík, Krejèí, Krumpe,
Køemen, dr Kubiš, Kunz, Kvasnièka,
dr Labaj, dr Luschka, Macek, Mach,
Macháèek, Machník, Malík,
Malypetr, Mašata, Matík, F.
Matoušek, dr J. Matoušek, dr Mièura,
Mlèoch, Molík, Myslivec, Náprstek,
F. Navrátil, G. Navrátil,
Nejezchleb-Marcha, dr Nosek, dr J. Novák,
inž. L. Novák, Ostrý, Oehlinger,
Pavlaèka, Pázmán, Pechman,
Pekárek, Pelíšek, dr Petersilka,
Al. Petr, Petrovický, Petroviè,
Platzer, dr Polyák, Prokùpek,
dr Ravasz, dr Rehák, Roudnický,
Rýpar, dr Samek, Scharnagl, Schubert,
Sedláèek, Sivák, dr Slávik,
dr Srdínko, Stanìk, Stanislav,
Stašek, Stenzl, Surovjak, Svìtlík,
Šamalík, Šoltys, Špaèek,
Šrámek, dr Štefan, dr Štefánek,
Tichi, dr Tiso, Tománek, dr Tuka,
Tùma, Udržal, Vávra, E.
Vencl, Vièánek, dr Viškovský,
Votruba, Weisser, Windirsch, dr Wolf,
dr Zadina, Zierhut, Zoch, Žalobin.
"Ne" hlasovali poslanci: Beèko, V.
Beneš, Bergmann, Blatná, Bolen,
Brodecký, Brožík, Burian,
Buøíval, Cibulka, dr Czech,
Èermák, David, Dìdiè,
dr Dérer, Elstner, dr Franke, Geršl
Gregorovits, Grünzner, Hackenberg, Haiplick,
Haken, Harus, Heeger, Horpynka, Hruška,
A. Chalupa, Chalupník, Chlouba,
Chvojka, dr Jabloniczky, Jaša, Jílek,
Johanis, inž. Jung, Juran, Karpíšková,
Katz, Kaufmann, dr Keibl, Kirpalová,
Klein, Knirsch, dr Koberg, Kolláriková,
Kopasz, Koudelka, Køíž,
Landová-Štychová, Langr, Major,
Matzner, dr Meissner, Mikuláš,
Mikulíèek, inž. Neèas,
Netolický, Neurath, dr Patejdl, Patzel,
Pechmanová-Klosová, Pik, Prášek,
Procházka, Prokeš, Remeš,
Riedl, dr Rosche, Roscher, Schäfer,
Schuster, Schweichhart, Siegel, Simm,
Sladký, Slavíèek, Œliwka,
Srba, Steiner, dr Stern, Stivín,
Svoboda, dr Szüllö, Šafranko,
Škola, Špatný, Štìtka,
Taub, Tayerle, Tomášek, Tuèný,
dr Uhlíø, Vobecká, Vrtaník,
Weberová, L. Wenzel, dr Winter,
de Witte, dr Wollschack, Wünsch, inž.
Záhorský, Zápotocký,
Zeminová.
Hohes Haus! Der Handelsvertrag, den wir eben
beraten, ist sozusagen ein Unikum. Es ist nicht der neue, von
der heimischen Volkswirtschaft sehnsüchtig erwartete Vertrag
mit Österreich, sondern der alte, der abgelaufene. Auf die
Maximen der Regierung, die jetzt erst den praktisch längst
erledigten Nachtragsvertrag ratifizieren läßt, wirft
der Vorgang ein sehr bezeichnendes Licht.
In diesem Zusammenhang müssen wir deutschen
Sozialdemokraten wieder einmal auf das dringendste auf das Elend
der Handelsverträge, auf die unhaltbaren Zu stände in
Bezug auf den Außenhandel überhaupt hinweisen. Die
Schwierigkeiten, zu gesunden Handelsverträgen zu kommen,
häufen sich immer mehr. Die Ursachen hiefür stammen
nicht von heute, sondern sind innig verknüpft mit der total
falschen Politik, die seit der Schaffung des èechoslovakischen
Staates von den Machthabern getriebn wurden. Die maßgebenden
Männer und Interessentengruppen dieses Staates haben geglaubt,
sich von den alten wirtschaftlichen Verbindungen
mit den Nachfolgestaaten Österreich und Deutschland insbesondere
loslösen zu können und sich vollständig neu zu
orientieren. Sie glaubten, der Politik müsse die Wirtschaft
angepaßt werden. Deshalb auch das Streben nach der so genannten
westlichen Orientierung. Frankreich als Beschützer und Ratgeber
in politischen und militärischen Dingen sollte auch wirtschaftlich
der beste Freund des èechoslovakischen Staates sein.
Die seither verflossenen Jahre haben aber allen volkswirtschaftlichen
Quacksalbern gezeigt, daß die Wirtschaft ihre eigenen Gesetze
hat und sich nicht von politischen Erwägungen allein dauernd
beeinflussen lassen kann. Das gilt nicht
allein für unseren Staat, sondern für alle Staaten.
Was selbst der verbissenste èechisch-nationale Chauvinist
zugeben muß, ist die unverkennbare Tatsache, daß trotz
allen wirtschaftlichen Unfreundlichkeiten gegenüber Deutschland
und Österreich, trotz allen Bemühungen, Frankreich den
Import zu erleichtern und unseren Export dorthin zu steigern,
im Wesen die alten wirtschaftlichen Bindungen aufrechterhalten
blieben. So z. B. betrug unser Export nach Österreich im
Vorjahre immer noch 2.9 Milliarden, die Einfuhr aus
Österreich 1.1 Milliarden. Deutschland und Österreich
sind nach wie vor unsere besten Abnehmer, wir müssen mit
ihnen mehr denn je in der Volkswirtschaft und demgemäß
in der Politik rechnen. Diese Einsicht kostete aber die heimische
Volkswirtschaft ungeheuer viel Lehrgeld, und zwar in der Form
von verminderter Produktion, erschwerter Ausfuhr und großer
Arbeitslosigkeit.
Mit Ausnahme ganz weniger Industrien arbeiten
heute viele Unternehmungen mit verminderter Kraft. Mehrfach wird
nicht einmal die halbe Kapazität erreicht. Ich verweise in
dieser Beziehung z. B. auf die nordböhmische und überhaupt
die ganze Glasindustrie, deren Lage heute und schon seit längerer
Zeit geradezu katastrophal geworden ist. Die traurigen Vorgänge
im Gablonz-Tannwalder Gebiet zeigen uns die Größe
der herrschenden Krise und die Gefahr sehr deutlich, daß
tausende Arbeiter dauernd arbeitslos bleiben werden. Zahlreiche
andere Industrien zeigen uns ähnliche traurige Bilder, vom
èechoslovakischen Bergbau gar nicht
zu sprechen. Die Not der Arbeiter steigt unheimlich. Die staatlichen
Vorkehrungen dagegen sind ganz unzulänglich. Leider müssen
wir den tausenden Arbeitslosen draußen sagen, daß
sie in die bürgerliche Klassenregierung, die sich heute hier
breit macht, keine Hoffnungen auf Besserung ihrer traurige Lage
setzen dürfen. Von Parteien, die prinzipiell für die
Aufhebung der Arbeitslosenunterstützung sind und deren Vertreter
die nach Beschäftigung strebenden arbeitslosen Proletarier
als Faulenzer und Lumpe hinstellt, ist nicht das mindeste soziale
Empfinden für das Los der Ärmsten zu erwarten. Es ist
wohl überflüssig zu sagen, daß wir alles tun,
um den Arbeitslosen nach besten Kräften zu helfen. Notwendig
wäre in erster Linie, Arbeitsgelegenheit zu schaffen. Auch
für die zahllosen Kurzarbeiter gilt dies. Es gibt ganze Bezirke,
wie z. B. im Erzgebirge, wo so gut wie fast sämtliche Arbeiter
und Arbeiterinnen nur teilweise in der Woche beschäftigt
werden können. Die Agrarier, speziell die deutschen, behaupten,
die Stellung der Èechoslovakei als Industriestaat
sei auf die Dauer unhaltbar, das sogenannte Übermaß
der Industrie müsse möglichst rasch und gründlich
abgebaut werden. Man hat bisher wirklich alles getan, dieses Ziel
zu erreichen. Aber abgebaut hat man nicht
die èechische, sondern die deutsche Industrie. Es ist ein
systematischer Feldzug gegen die deutsche Industrie in den Randgebieten
geführt worden, um sie zumindest zugunsten der èechischen
zu verdrängen. Die Tarifpolitik des Staates, der Eisenbahnen
und Dampfschiffahrtsgesellschaft trägt
das ihre bestimmt dazu bei. Beschäftigung kann nur geschaffen
werden, wenn die Handelsverträge endlich so ausschauen, wie
wir sie brauchen. Die Hauptursache dieser Schwierigkeiten ist
die verderbliche Hochschutzzollpolitik, welche sowohl vonseiten
der Industriellen wie vonseiten der Großagrarier getrieben
wird. In der Erschwerung der Einfuhr der von uns benötigten
Waren hat die Èechoslovakei sehr viel gesündigt. Inbezug
auf Zollschutz steht unser Staat mit an erster Stelle.
Natürlich ist es dann kein wunder, daß die Exportländer
mit Gegenmaßregeln antworten. Fast täglich hört
man in den letzten Tagen von Zollhöhungen, die für unsere
Exportartikel ganz verderblich sind. So will man jetzt den Zoll
auf böhmischen Hopfen draußen erhöhen, England
hat den Eiugangszoll auf böhmischen Zucker erhöhen wollen
oder will ihn erhöhen, weiters hat es den Porzellanzoll erhöht,
wodurch unsere heimische Porzellanindustrie schwer betroffen wird.
Die Aufrichtung der vielen Zollmauern in Europa durch die Gründung
kleiner Wirtschaftsgebiete hat natürlich die unheilvollsten
Nachteile für unsere Industrie gezeigt. Ich erinnere nur
daran, daß gewisse Industrien heute einen Teil ihrer Betriebe
direkt ins Ausland verlegen, um die Zollmauer zu umgehen, ja es
besteht die dringende Gefahr, daß einzelne Industrien, wie
es z. B. in der Warnsdorfer Gegend in der Textilbranche der Fall
ist, unter solchen Umständen fast gänzlich verschwinden.
Statt internationaler Zusammenarbeit sehen wir heute zwischen
den Staaten förmlich den verhängnisvollsten Zollkrieg.
Seit dem 22. April sind wird ohne Tarifvertrag mit Österreich,
welches im Vorjahr 17% unserer Ausfuhr aufnahm. Darunter leidet
vor allem die Textilindustrie, ebenso die Glas-, Porzellan-, Brauindustrie,
die Röhrenwerke u. s. w. Wie lange soll dieser verderbliche
Zustand dauern? Nicht minder wichtig sind unsere wirtschaftlichen
Beziehungen zu Deutschland, welches 20 bis 25% unserer Ausfuhr
bezieht. Hier kommt als Hauptausfuhrinteresse vor allem Textilware
in Betracht, weiters Glas, Holz, Schuhwaren, Lederwaren und Musikinstrumente.
Schwierig wird die Situation unserer Industrie dadurch, daß
unsere Einfuhr aus Österreich verhältnismäßig
gering ist und daß deshalb Österreich und Deutschland
schwerwiegende Kompensationen verlangen. Die Forderung Deutschlands
zielt u. a. auf die Aufhebung des Bewilligungsverfahrens ab, weil
durch dieses Verfahren in der Tat Handelsverträge illusorisch
gemacht werden können, eine Forderung, die übrigens
auch Österreich erhebt. Wir müssen darauf dringen,
daß der abgerissene Faden mit Österreich wieder aufgenommen
werde und daß wir möglichst rasch mit allen Handelsverträgen
zu einem gedeihlichen Ende kommen. Das wird um so leichter sein,
wenn der vom èechoslovakischen Gesandten in Wien Hugo
Vavreèka hervorgehobene Branchenprotektionismus, das eigentliche
Übel in der Zollpolitik, im Schwinden begriffen sein wird.
Es darf nicht so weiter gehen, daß irgend
eine Wirtschaftsgruppe auf Kosten der Allgemeinheit trotz ihrer
technischen Rückständigkeit und Unterlegenheit
sich durch Zölle unverantwortliche Extraprofite verschafft.
Die Regierung hat solchen Bestrebungen leider Rechnung getragen
und sich den Teufel darum geschert, wer danach kommt. Wenn der
Verein der èechoslovakischen Textilindustriellen
einen neuen Kurs in der Wirtschaftspolitik damit einschlägt,
daß er eine Herabsetzung der èechoslovakischen Zölle
für Textilwaren verlangt, so ist das nur zu begrüßen.
Diesem Schritt der einen Industrie sollten die nächsten Schritte
der anderen Industrien folgen. Die Landwirtschaft,
bzw. die Großagrarier müßten dieses Beispiel
nachahmen. Sie haben sich ja immer auf den übermäßigen
Zollschutz der Industrie berufen. Fällt der Mantel, muß
der Herzog nach. Wenn die Industrie im Abbau der Zollmauer vorangeht,
muß ihr die Landwirtschaft unbedingt folgen. Wir werden
darauf energisch dringen. Selbstverständlich werden andere
Staaten ebenfalls dasselbe tun müssen. Die vielfach vorgeschützte
wirtschaftliche Rückständigkeit der Industrie, welche
die Notwendigkeit der Zölle begründen soll, ist nach
der Versicherung von Fachleuten manchmal gar nicht vorhanden.
Unter dem Drucke der Konkurrenz werden Industrie und Landwirtschaft
sicher früher leistungsfähiger werden als im Schutze
der Zölle. Wir sehen sehr deutlich, wie die reichsdeutsche
Industrie mit allen Mitteln den Gipfel der Leistungsfähigkeit
erklimmt, um mit der Industrie der ganzen Welt erfolgreich den
Kampf aufnehmen zu können. Was dort auf dem Gebiete der Rationalisierung
und Typisierung geleistet wird allerdings nicht immer im Interesse
der Arbeiterschaft, ist einzigartig. Es wird ja auch bei uns versucht
zu rationalisieren, aber lange nicht mit dem Erfolg wie draußen.
Hand in Hand mit dem Abbau des Zollschutzes
muß eine Beseitigung der übermäßigen Lasten
in Form von unproduktiven Steuern gehen. Da kommen wir vor allem
auf die Umsatzsteuer zu sprechen, für die ja auch die deutschen
Regierungsparteien letzthin gestimmt haben, ferner kommen in Betracht
die übermäßig hohen Frachttarife. Zu den dringendsten
Aufgaben der Regierung gehört nach unserer Meinung auch,
mit Sowjetrußland raschest ins Klare zu kommen, sonst geraten
wir in den Wirtschaftsbeziehungen mit diesem Land ins Hintertreffen.
Unsere Ausfuhr nach Sowjetrußland betrug im Jahre 1925 noch
404 Millionen Kè, im Jahre 1926 nur mehr 215 Millionen
Kè, also 62% weniger als im Jahre vorher. Das ist sicherlich
kennzeichnend und schlimm. Sowjetrußland spielt im Außenhandel
Europas schon eine große Rolle. England und Deutschland
stehen inbezug auf die Einfuhr russischer
Waren an erster Stelle, die Èechoslovakei an 13. Stelle.
Am russischen Absatz war England im Vorjahr mit 187 Millionen
Rubel beteiligt, die Èechoslovakei mit einer halben Million.
Bendenklich ist bei unserem Warenverkehr folgendes: Fast die ganze
Steigerung des Aktivums im ersten Quartal 1927, gegen das
Vorjahr plus 700 Millionen Kè, resultiert aus der Gestaltung
des Rohstoffverkehres. Die Importe an Rohstoffen haben im ersten
Quartal um 314 Millionen Kè abgenommen, gleichzeitig die
Exporte eine Erhöhung um 350 Millionen
erfahren, so daß sich allein aus dieser Post eine Besserung
der Handelsbilanz um 664 Millionen Kè ergibt. In Fertigwaren
ist die Ausfuhr nahezu gleichgeblieben, gegen das Vorjahr plus
17 Millionen Kè, wogegen die Einfuhr um 90 Millionen
Kè zurückgegangen ist. Die Lebensmittelimporte haben
eine Verminderung um 45 Millionen Kè erfahren, doch ist
gleichzeitig auch die Ausfuhr um rund 200 Millionen Kè
zurückgegangen, so daß sich in dieser Position eine
Verschlechterungen um rund 155 Millionen
Kè ergibt, die jedoch durch die verminderte Fertigwareneinfuhr
und durch die Abnahme der Viehimporte um 85 Millionen Kè
paralisiert wird. Wir werden anscheinend auf industriellem Gebiete
immer mehr sozusagen Lohnarbeiter für andere Staaten, während
auf dem Gebiete der Landwirtschaft trotz der
Zölle eine entscheidende Besserstellung nicht eintritt. Der
Absatz stockt wegen der sinkenden Löhne und der gesteigerten
Preise. Die größte Aktivität weist unser Außenhandel
im März 1927 abermals im Verkehr mit Österreich
auf, indem sich ein Aktivum von 160 Millionen Kè ergibt;
im ersten Quartal bezifferte sich das Aktivum gegenüber Österreich
auf 450 Millionen Kè. Gegenüber Deutschland betrug
das Aktivum im März 147 Millionen Kè, im Verkehr über
Hamburg und Bremen resultiert aber ein
Passiv um von 140 Millionen Kè. Ein namhaftes Aktivum war
noch gegenüber England mit 71 Millionen und bei Rumänien
mit 51 Millionen Kè zu verzeichnen. Aktiv war unser Außenhandel
ferner gegenüber Ungarn mit 32 Millionen, Dänemark mit
18 Mill., Türkei mit 17 Mill., Triest mit 15 Mill.,
Schweden 14 Mill., Griechenland 12 Mill., Schweiz 10 Mill., Bulgarien,
Amerika und Argentinien je 7 Mill., Japan, Norwegen, Rußland
je 6 Mill., sowie Brasilien mit 3 Mill. Kè. Das stärkste
Passivum ergab sich im Verkehr mit dem
befreundeten Frankreich im Betrage von 53 Mill. Kè und
gegenüber dem befreundeten Polen mit 39 Mill. Kè.
Passiv hat sich weiters unser Außenhandel gestaltet gegenüber
Holland mit 15, Belgien mit 10, Lettland und
Egypten mit je 6, Italien mit 3 und nach den sonstigen
Staaten mit 9 Millionen Kè. Die 10 wichtigsten Staaten
für den Außenhandel im Monat März d. J. sind nach
Gruppen der Brüssler Nomenklatur geordnet: Deutschland, Österreich,
Ungarn, Polen, Rumänien, Jugoslawien, England, Vereinigte
Staaten, Niederlande und in letzter Reihe wieder Frankreich. Mit
kleineren Staaten, z. B. mit Estland und Finnland, haben wir nur
geringe gegenseitige Beziehungen. Hier will man durch wechselseitige
Meistbegünstigungen die Wirtschaftsbande stärken. Auch
da kommt man leider sehr spät. Sehr erfreulich ist der Zustand
unseres Warenverkehres also nicht. Die scheinbar günstige
Handelsbilanz hat man einzig und allein erzielt durch die Drosselung
der Einfuhr und durch Ausfuhr von Rohstoffen statt Fertigwaren.
Aber auch hier ist stellenweise ein Rückschlag zu beobachten.
So z. B. hat die èechoslovakische Holzausfuhr nach Deutschland
die Führung verloren, die sie drei Jahre hindurch inne hatte.
Was uns auch fehlt, ist der aufnahmsfähige innere Markt,
abgesehen von der Kleinheit des Staates als
Wirtschaftsgebiet. Das Heil der Produktion sahen kurzsichtige
kapitalistische Führer in recht niedrigen Löhnen. Industrielle
und Agrarier ziehen hier an einem Strange. Daß man hiebei
den Absatz der eigenen Waren erschwert und so den Ast absägt,
auf dem man sitzt, sieht man erst teilweise ein. Das Beispiel
Fords, daß bei hohen Löhnen erfolgreich produziert
und der Absatz gesteigert werden kann, leuchtet heute reichsdeutschen
Industriellen bereits ein. Das Problem einer geregelten Volkswirtschaft
ist schon längst eine internationale Frage von größter
Bedeutung geworden. Es ist kennzeichnend, daß sich viele
Hoffnungen auf Besserung nach Genf richten, wo am 5. Mai unter
der Patronanz des Völkerbundes die internationale Wirtschaftskonferenz
zusammentritt. Sie soll Untersuchungen über die Weltwirtschaftslage
und die Möglichkeiten zur Behebung der allgemeinen Depression
anstellen.
Wir deutschen Sozialdemokraten sind keineswegs
optimistisch eingestellt und erwarten von dieser Konferenz wenig
oder gar nichts. Für uns ist sie nur als Symptom wertvoll.
Als Symptom insoferne, als der Zwang immer deutlicher wird, auch
Wirtschaftsfragen international zu regeln. Weit davon entfernt,
darin schon das Vorzeichen für die kommende sozialistische
Planwirtschaft zu sehen, ist aber sichtlich charakteristisch,
daß die kapitalistische Welt gezwungen ist, dem freien Spiel
der Kräfte im internationalen Maßstabe möglichst
Einhalt zu gebieten. Ohne Zweifel müssen neue Wege der Handelspolitik
beschritten werden. Dieser Tage erst, und zwar gestern hat der
reichsdeutsche Außenminister Dr. Stresemann zutreffend die
neuen Richtlinien auf volkswirtschaftlichem Gebiete angedeutet.
Er sagte, die ganze Weltwirtschaft müsse als ein einheitliches
Ganze betrachtet werden, dessen Brüder durch Zwangsgemeinschaft
und unbedingte Interessensolidarität miteinander verbunden
sind. Der Gedanke einer internationalen Arbeitsteilung und der
gegenseitigen Wirtschaftsdurchdringung stoße aber gerade
bei manchem jungen Staate auf Widerstand, der ohne entsprechende
Vorbedingung mit allen Mitteln eine eigene Industrie züchten
wolle. Bissig meinte Herr Dr. Stresemann, die Zollmauern, die
diese Staaten um sich errichten, werden meistens als Erziehungszölle
bezeichnet. Man sollte jedoch auch in der Zollpolitik ein Maximum
des Lebensalters für den Abschluß der Erziehung festsetzen.
Das sollten sich besonders die auf die Zölle eingeschworenen
Landbündler gut ins Gedächtnis einprägen. Und alle
Protektionisten sollten sich die Worte des schwedischen Professors
Dr. Cassel merken, daß der Gedanke verhängnisvoll sei,
es sei für das eigene Land vorteilhaft, die Produktion der
anderen Länder zu unterdrücken. Der Monopolismus sei
ein hemmender Faktor der Weltwirtschaft. Die mächtigen kapitalistischen
Konzerne, die eine Reihe von Ländern umfassen, durchkreuzen
oft die besten Wirkungen der Handelsverträge. Die Regelung
der Produktion und des Absatzes in kapitalistischem Sinne bedeutet
nicht eine Lösung des Problems. Der Kapitalismus wird unserer
festen Überzeugung nach trotz aller seiner Bemühungen
nicht imstande sein, ungehindert die Entfaltung der produktiven
Kräfte zum Wohle der Gesamtheit zu gewährleisten. Diese
Riesenaufgabe im Interesse der Völker zu erreichen, ihnen
dann tatsächlich Frieden und Menschenglück zu bringen,
gehört in den Wirkungskreis des Sozialismus. Der Sozialismus
wird es schaffen, wir wollen für unseren Teil dabei redlich
mitwirken. (Potlesk nìm. soc. demokratických
poslancù.)