Pátek 29. dubna 1927

Meine Partei fühlt sich keineswegs als berufene Hüterin und Schützerin der èechoslovakischen Staatsverfassung. Diese wurde in einem unter Verletzung des Selbstbestimmungsrechtes der Völker begründeten Staate von einem selbsternannten Konvent der Bevölkerung aufgezwungen. Die Vertreter unseres Volkes konnten auf die Beratung dieser Verfassung keinerlei Einfluß nehmen. Daher haben im Jahre 1920 alle deutschen Parteien die Forderung erhoben, daß die Verfassung überprüft, d. h., daß die Genehmigung einer wirklichen dauernden Staatsverfassung der gewählten Volksvertretung überlassen werden müsse. Wir haben diese 1920-er Erklärung und unseren damaligen Rechtsstandpunkt niemals aufgegeben. Gegenüber jenen Verteidigern der Verfassung, welche daraus ein ewiges Blümlein Rührmichnichtan machen wollten, sei betont, daß auch eine Verfassung eines Staates niemals auf die Ewigkeit berechnet ist, sondern jeweils das frisch flutende Leben des Volkes und die im Gefühle der Staatsbürger lebendig gewordenen Grundsätze in feste Normen kleiden soll. Gegenüber den heutigen Regierungsparteien aber muß man sagen, daß derjenige, der an die Grundsätze der Entwicklung einer Gemeinschaft greifen will, auch den Mut aufbringen muß, dies offen zu sagen. Es kann der gesamten Öffentlichkeit nicht gleichgültig sein, jene Kreise, die nach ihrer Dienststellung zu beschworenen Hütern und Bewahrern der Verfassung berufen sind, mit einer leichten Handbewegung sich über alle Bedenken hinwegsetzen, die Grundsätze des öffentlichen Rechtes einem ständigen Schwanken aussetzen und damit auch das Rechtsempfinden der Bevölkerung auf Schwimmsand bauen. Wäre der èechoslovakische Verfassungsgerichtshof anders konstruiert, dann bestünde kein Zweifel, wie die Entscheidung einer außenstehenden unabhängigen Körperschaft ausfallen müßte.

Der Bericht der Mehrheit des Initiativausschusses widerspricht der Begründung des Antrages, daß durch die Beseitigung des Soldatenwahlrechts die Verfassung verletzt sei. Der Hinweis der Ausschußmehrheit auf verschiedene in den Wahlordnungen festgesetzte Ausnahmen vom Wahlrecht muß aber als ein jesuitischer Dreh bezeichnet werden. Denn die in den verschiedenen Wahlordnungen festgesetzten Ausnahmen vom Wahlrecht betreffen persönliche Hindernisse einzelner Personen, nicht aber den Ausschluß ganzen Bevölkerungsgruppen. Was würde der Herr Berichterstatter dazu sagen, wenn etwa ein Antrag gestellt würde, die Angehörigen des geistlichen Standes vom passiven Wahlrecht auszuschließen, weil die Kirche nicht politisiert werden soll, weil der Mißbrauch religiöser Einrichtungen zu Parteizwecken unstatthaft ist und weil die geistlichen Würdenträger als Seelsorger außerhalb des Parteigetriebes stehen sollen?

Was würde er dazu sagen, wenn ein solcher Antrag auch damit begründet würde, daß die geistlichen Würdenträger mancher Kirchen durch außerstaatliche Einflüsse in ihrer Entschlußfreiheit, ja sogar in der Freiheit der Wahlbewerbung behindert sind, während der Absatz 1 des § 22 der Verfassungsurkunde den Mitgliedern der Nationalversammlung verbietet, von irgend jemandem für die Ausübung des Mandates Weisungen entgegen zu nehmen?

Der Herr Berichterstatter würde zweifellos mit Recht einen solchen Antrag als verfassungswidrig, als undemokratisch und als einen Verstoß gegen alle Menschenrechte mit Entrüstung abwehren. Die Nutzanwendung ergibt sich von selbst.

Die deutschen Regierungsparteien haben in der letzten Zeit mit großer Umständlichkeit gegenüber der deutschen Opposition die Aufhebung des Soldatenwahlrechts im Hinblick auf die vielen Mißbräuche der Verwendung èechischer Soldatenwähler zur Èechisierung deutscher Gemeinden als einen großen national-politischen Erfolg bezeichnet, den sie in ihre politische Scheune eingeheimst hätten. Wir wiederholen, daß der Mißbrauch der Soldatenwähler sehr einfach zu verhindern war, indem man die Bestimmung der Wahlordnung des Jahres 1919 wieder aufgenommen und den Soldaten das Wahlrecht in ihrer früheren Aufenthaltsgemeinde gegeben hätte. Kein Mensch wird im Ernste daran glauben, daß die Parteigenossen des Abg. Špaèek es zu gelassen hätten, wenn die Absicht dieses Gesetzes ein Entgegenkommen an deutsche Interessen gewesen wäre. Und wenn ein hervorragender Führer der deutschen Regierungsparteien in Besprechung all dieser Zusammenhänge auf einer Parteitagung erklärte, daß seine Gruppe nach Deutschland nicht zu schielen brauche, sondern ruhig nach Deutschland schauen könne, so will ich nur daran erinnern, daß auch kol. Špaèek nach Deutschland schaut, freilich mit der Janeèek-Handgranate in der Hand, mit dem Arm in Arm die deutschen Regierungsparteien die Heeresforderungen bewilligten, ohne im Hause offen und deutlich seinen Angriff gegen Deutschland zurückzuweisen.

Unser Mißtrauen gründet sich aber auch auf allgemeine politische Erwägungen. An dem System, dem vor Jahresfrist die Herren Dr. Luschka, Dr. Mayr-Harting, Dr. Spina und Genossen gemeisam mit uns wegen der Erlassung der Sprachenverordnung das Mißtrauen ausdrückten, hat sich nichts geändert. Die Sprachenverordnung ist weiter in Kraft, nur daß sie jetzt auch von solchen praktiziert wird, welche sie vor Jahresfrist bekämpften. Die stolze Hoffnung der Agrarier, Herr Unterrichtsminister Dr. Hodža, hat die Berufung deutscher Beamter in das Schulministerium brüsk abgelehnt und seine viel besprochene Äußerung über die Schulautonomie jetzt auf die Verbindung mit der Verwaltungsreform verwiesen. Das kontrollose Bodenamt kündigt mit einem Zynismus ohne gleichen die Verschleuderung deutscher Wälder an fachlich ungeschulte Protektionskinder an. Die Zurücksetzung der deutschen Staatsangestellten geht lustig weiter.

Die Gelegenheit, bei der sogenannten Verwaltungsreform die ganze Frage der nationalen Neuordnung im Staate aufzurollen. wurde verabsäumt und soll jetzt um das Linsengericht der Ernennung von Schützlingen der Regierungsparteien in die künftigen Bezirks- und Landesvertretungen verkauft werden. Die Herren Führer der deutschen Regierungsparteien haben das Konzept einer Verwaltungsreform gutgeheißen, welche die Entwicklung der Rechtspflege dem Polizeibüttel überantwortet und den 1848 auf den Barrikaden erkämpften Grundsatz der Trennung der Rechtspflege von der Verwaltung vor die Hunde wirft. (Posl. inž. Jung: Der berühmte Kampf gegen die Bestimmungen der Geschäftsordnung ist in den Anfängen stecken geblieben. Den Herren ist das Herz in die Hosen gefallen. - Výkøiky posl. dr Kubiše.) Das geht Sie (obrácen k posl. dr Kubišovi.) nichts an, welche Zwischenrufe jemand macht. Das geht den Herrn Präsidenten und meine Wenigkeit als Redner an. Der Zwischenruf führt Einzelheiten an, ich führe hier in großen Zügen die Konsequenzen Ihrer politischen Symbiose an, die nur mit einer Verdickung der Korruption in diesem Staate enden kann.

In der neuen Steuergesetzgebung werden die Gemeinden mit ihren Vorstehern zu bloßen Vollzusorganen der Staatsgewalt und damit werden die Grundsätze der Selbstverwaltung mit Füssen getreten. Ebenso wird in der Verwaltungsreform die Verwaltung unserer Bezirke bedingungslos dem Bezirkshauptmann ausgeliefert und durch die Überlieferung des Milliardenvermögens der deutschen Bezirke an die èechische Landesmehrheit eine nationale Enteignung vollzogen, welche die Bodenreform an Bedeutung weit übertrifft. Wir wissen, daß die deutschen Regierungsparteien in der Verwaltungsreform keinerlei wirkliche Zugeständnisse erhalten, auch nicht in der gesetzlichen Festlegung der sprachlichen Bestimmungen im Sinne der berechtigten Forderungen unseres Volkes. Wenn der Herr Präsident des deutschen Juristentages Prof. Dr. Mayr-Harting dem Minister Mayr-Harting das Gutachten des Ausschusses dieser Körperschaft über die Verwaltungsreform in der Öffentlichkeit vorlegen würde, dann würde die deutsche Bevölkerung mit noch größerem Entsetzen erkennen, wie hier mit den kostbarsten Gütern des Volkes gespielt wird.

Die Beseitigung des Soldatenwahlrechtes ist nur ein Kapitel in der Verwirklichung jener Absichten, welche aus Haß gegen die neue Zeit die Verschlechterung aller Volksrechte anstrebt. Wie in den Bezirken die Selbstverwaltung preisgegeben wird, so wird im Steuergesetz das Recht der Bevölkerung auf Mitwirkung in den Steuerkommissionen der Ernennungsgewalt der Regierung preisgegeben. Auch die sogenannte Novellierung der Sozialversicherung soll vor allem dazu dienen, die Arbeiterschaft um die Verwaltung der für sie bestellten Einrichtungen zu bringen und in diesen dem Unternehmertum und der Bureaukratie einen ungemessenen Einfluß zu sichern.

Der Tag wird kommen, da auch die kleinbürgerlichen und kleinbäuerlichen Kreise den Weg dieser Entwicklung klar erkennen und jene verwünschen werden, welche mit sehenden Augen daran teilnehmen.

Darum muß unser Mißtrauen auch der Tätigkeit der Vertreter der deutschen Koalitionsparteien in dieser Regierung gelten. Wenn man dem Sudetendeutschtum im Lande nützen und eine Verständigung mit dem èechischen Volke herbeiführen will, dann muß man die Volksorganisation und eine Zusammenarbeit aller deutschen Parteien dem gemeinsamen Willen des èechischen Volkes und seines Nationalrates gegenüberstellen, darf aber nicht den Beginn einer deutsch-èechischen Verständigung in ein paar Gnadengrundbrocken an ein paar Parteianhänger oder in der Verbreiterung der Verteilung der abfärbenden polnischen Kohleneinfuhrscheine suchen.

Alle unsere Erfahrungen rechtfertigen es in vollem Maße, daß wir auch gegenüber dem erneuerten Kabinett Švehla beim ernstesten Mißtrauen verharren und dem auch durch unsere Abstimmung Ausdruck verleihen. (Souhlas poslancù nìm. nár. soc. strany dìlnické.)

6. Podrobný výèet jmen pøi hlasováni podle jmen o zprávì iniciativního výboru tisk 988 (viz str. 748 tìsnospisecké zprávy):

"Ano" hlasovali poslanci: Adámek, Andìl, Bartel, Beèák, Al. Beneš, Beran, Bezdìk, Bistøický, dr Blaho, Bobek, dr ing. Botto, Böhm, Böllmann, Bradáè, Branecký, Branecký, dr Buday, Budig, Èanèara, inž. Jan Èerný, dr Jos. Èerný, Èillík, Èuøík, dr Danìk, dr Dolanský, Doležal, inž. Dostálek, Dubický, Eckert, dr Feierfeil, dr Fritz, dr Gažík, Greif, dr Hajn, Halke, dr Halla, Hancko, dr Hanreich, Haupt, Heller, Hintermüller, Hlinka, dr Hnídek, Hodina, Honzl, Horák, inž. Hrdina, Hvozdzík, Hýbner, Chlebounová, Janalík, Janovský, Ježek, Jiráèek, dr Juriga, Kaòourek, Košek, dr Králík, Krejèí, Krumpe, Køemen, dr Kubiš, Kunz, Kvasnièka, dr Labaj, dr Luschka, Macek, Mach, Macháèek, Machník, Malík, Malypetr, Mašata, Matík, F. Matoušek, dr J. Matoušek, dr Mièura, Mlèoch, Molík, Myslivec, Náprstek, F. Navrátil, G. Navrátil, Nejezchleb-Marcha, dr Nosek, dr J. Novák, inž. L. Novák, Ostrý, Oehlinger, Pavlaèka, Pázmán, Pechman, Pekárek, Pelíšek, dr Petersilka, Al. Petr, Petrovický, Petroviè, Platzer, dr Polyák, Prokùpek, dr Ravasz, dr Rehák, Roudnický, Rýpar, dr Samek, Scharnagl, Schubert, Sedláèek, Sivák, dr Slávik, dr Srdínko, Stanìk, Stanislav, Stašek, Stenzl, Surovjak, Svìtlík, Šamalík, Šoltys, Špaèek, Šrámek, dr Štefan, dr Štefánek, Tichi, dr Tiso, Tománek, dr Tuka, Tùma, Udržal, Vávra, E. Vencl, Vièánek, dr Viškovský, Votruba, Weisser, Windirsch, dr Wolf, dr Zadina, Zierhut, Zoch, Žalobin.

"Ne" hlasovali poslanci: Beèko, V. Beneš, Bergmann, Blatná, Bolen, Brodecký, Brožík, Burian, Buøíval, Cibulka, dr Czech, Èermák, David, Dìdiè, dr Dérer, Elstner, dr Franke, Geršl Gregorovits, Grünzner, Hackenberg, Haiplick, Haken, Harus, Heeger, Horpynka, Hruška, A. Chalupa, Chalupník, Chlouba, Chvojka, dr Jabloniczky, Jaša, Jílek, Johanis, inž. Jung, Juran, Karpíšková, Katz, Kaufmann, dr Keibl, Kirpalová, Klein, Knirsch, dr Koberg, Kolláriková, Kopasz, Koudelka, Køíž, Landová-Štychová, Langr, Major, Matzner, dr Meissner, Mikuláš, Mikulíèek, inž. Neèas, Netolický, Neurath, dr Patejdl, Patzel, Pechmanová-Klosová, Pik, Prášek, Procházka, Prokeš, Remeš, Riedl, dr Rosche, Roscher, Schäfer, Schuster, Schweichhart, Siegel, Simm, Sladký, Slavíèek, Œliwka, Srba, Steiner, dr Stern, Stivín, Svoboda, dr Szüllö, Šafranko, Škola, Špatný, Štìtka, Taub, Tayerle, Tomášek, Tuèný, dr Uhlíø, Vobecká, Vrtaník, Weberová, L. Wenzel, dr Winter, de Witte, dr Wollschack, Wünsch, inž. Záhorský, Zápotocký, Zeminová.

7. Øeè posl. Schweichharta (viz str. 750 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! Der Handelsvertrag, den wir eben beraten, ist sozusagen ein Unikum. Es ist nicht der neue, von der heimischen Volkswirtschaft sehnsüchtig erwartete Vertrag mit Österreich, sondern der alte, der abgelaufene. Auf die Maximen der Regierung, die jetzt erst den praktisch längst erledigten Nachtragsvertrag ratifizieren läßt, wirft der Vorgang ein sehr bezeichnendes Licht.

In diesem Zusammenhang müssen wir deutschen Sozialdemokraten wieder einmal auf das dringendste auf das Elend der Handelsverträge, auf die unhaltbaren Zu stände in Bezug auf den Außenhandel überhaupt hinweisen. Die Schwierigkeiten, zu gesunden Handelsverträgen zu kommen, häufen sich immer mehr. Die Ursachen hiefür stammen nicht von heute, sondern sind innig verknüpft mit der total falschen Politik, die seit der Schaffung des èechoslovakischen Staates von den Machthabern getriebn wurden. Die maßgebenden Männer und Interessentengruppen dieses Staates haben geglaubt, sich von den alten wirtschaftlichen Verbindungen mit den Nachfolgestaaten Österreich und Deutschland insbesondere loslösen zu können und sich vollständig neu zu orientieren. Sie glaubten, der Politik müsse die Wirtschaft angepaßt werden. Deshalb auch das Streben nach der so genannten westlichen Orientierung. Frankreich als Beschützer und Ratgeber in politischen und militärischen Dingen sollte auch wirtschaftlich der beste Freund des èechoslovakischen Staates sein. Die seither verflossenen Jahre haben aber allen volkswirtschaftlichen Quacksalbern gezeigt, daß die Wirtschaft ihre eigenen Gesetze hat und sich nicht von politischen Erwägungen allein dauernd beeinflussen lassen kann. Das gilt nicht allein für unseren Staat, sondern für alle Staaten. Was selbst der verbissenste èechisch-nationale Chauvinist zugeben muß, ist die unverkennbare Tatsache, daß trotz allen wirtschaftlichen Unfreundlichkeiten gegenüber Deutschland und Österreich, trotz allen Bemühungen, Frankreich den Import zu erleichtern und unseren Export dorthin zu steigern, im Wesen die alten wirtschaftlichen Bindungen aufrechterhalten blieben. So z. B. betrug unser Export nach Österreich im Vorjahre immer noch 2.9 Milliarden, die Einfuhr aus Österreich 1.1 Milliarden. Deutschland und Österreich sind nach wie vor unsere besten Abnehmer, wir müssen mit ihnen mehr denn je in der Volkswirtschaft und demgemäß in der Politik rechnen. Diese Einsicht kostete aber die heimische Volkswirtschaft ungeheuer viel Lehrgeld, und zwar in der Form von verminderter Produktion, erschwerter Ausfuhr und großer Arbeitslosigkeit.

Mit Ausnahme ganz weniger Industrien arbeiten heute viele Unternehmungen mit verminderter Kraft. Mehrfach wird nicht einmal die halbe Kapazität erreicht. Ich verweise in dieser Beziehung z. B. auf die nordböhmische und überhaupt die ganze Glasindustrie, deren Lage heute und schon seit längerer Zeit geradezu katastrophal geworden ist. Die traurigen Vorgänge im Gablonz-Tannwalder Gebiet zeigen uns die Größe der herrschenden Krise und die Gefahr sehr deutlich, daß tausende Arbeiter dauernd arbeitslos bleiben werden. Zahlreiche andere Industrien zeigen uns ähnliche traurige Bilder, vom èechoslovakischen Bergbau gar nicht zu sprechen. Die Not der Arbeiter steigt unheimlich. Die staatlichen Vorkehrungen dagegen sind ganz unzulänglich. Leider müssen wir den tausenden Arbeitslosen draußen sagen, daß sie in die bürgerliche Klassenregierung, die sich heute hier breit macht, keine Hoffnungen auf Besserung ihrer traurige Lage setzen dürfen. Von Parteien, die prinzipiell für die Aufhebung der Arbeitslosenunterstützung sind und deren Vertreter die nach Beschäftigung strebenden arbeitslosen Proletarier als Faulenzer und Lumpe hinstellt, ist nicht das mindeste soziale Empfinden für das Los der Ärmsten zu erwarten. Es ist wohl überflüssig zu sagen, daß wir alles tun, um den Arbeitslosen nach besten Kräften zu helfen. Notwendig wäre in erster Linie, Arbeitsgelegenheit zu schaffen. Auch für die zahllosen Kurzarbeiter gilt dies. Es gibt ganze Bezirke, wie z. B. im Erzgebirge, wo so gut wie fast sämtliche Arbeiter und Arbeiterinnen nur teilweise in der Woche beschäftigt werden können. Die Agrarier, speziell die deutschen, behaupten, die Stellung der Èechoslovakei als Industriestaat sei auf die Dauer unhaltbar, das sogenannte Übermaß der Industrie müsse möglichst rasch und gründlich abgebaut werden. Man hat bisher wirklich alles getan, dieses Ziel zu erreichen. Aber abgebaut hat man nicht die èechische, sondern die deutsche Industrie. Es ist ein systematischer Feldzug gegen die deutsche Industrie in den Randgebieten geführt worden, um sie zumindest zugunsten der èechischen zu verdrängen. Die Tarifpolitik des Staates, der Eisenbahnen und Dampfschiffahrtsgesellschaft trägt das ihre bestimmt dazu bei. Beschäftigung kann nur geschaffen werden, wenn die Handelsverträge endlich so ausschauen, wie wir sie brauchen. Die Hauptursache dieser Schwierigkeiten ist die verderbliche Hochschutzzollpolitik, welche sowohl vonseiten der Industriellen wie vonseiten der Großagrarier getrieben wird. In der Erschwerung der Einfuhr der von uns benötigten Waren hat die Èechoslovakei sehr viel gesündigt. Inbezug auf Zollschutz steht unser Staat mit an erster Stelle. Natürlich ist es dann kein wunder, daß die Exportländer mit Gegenmaßregeln antworten. Fast täglich hört man in den letzten Tagen von Zollhöhungen, die für unsere Exportartikel ganz verderblich sind. So will man jetzt den Zoll auf böhmischen Hopfen draußen erhöhen, England hat den Eiugangszoll auf böhmischen Zucker erhöhen wollen oder will ihn erhöhen, weiters hat es den Porzellanzoll erhöht, wodurch unsere heimische Porzellanindustrie schwer betroffen wird. Die Aufrichtung der vielen Zollmauern in Europa durch die Gründung kleiner Wirtschaftsgebiete hat natürlich die unheilvollsten Nachteile für unsere Industrie gezeigt. Ich erinnere nur daran, daß gewisse Industrien heute einen Teil ihrer Betriebe direkt ins Ausland verlegen, um die Zollmauer zu umgehen, ja es besteht die dringende Gefahr, daß einzelne Industrien, wie es z. B. in der Warnsdorfer Gegend in der Textilbranche der Fall ist, unter solchen Umständen fast gänzlich verschwinden. Statt internationaler Zusammenarbeit sehen wir heute zwischen den Staaten förmlich den verhängnisvollsten Zollkrieg. Seit dem 22. April sind wird ohne Tarifvertrag mit Österreich, welches im Vorjahr 17% unserer Ausfuhr aufnahm. Darunter leidet vor allem die Textilindustrie, ebenso die Glas-, Porzellan-, Brauindustrie, die Röhrenwerke u. s. w. Wie lange soll dieser verderbliche Zustand dauern? Nicht minder wichtig sind unsere wirtschaftlichen Beziehungen zu Deutschland, welches 20 bis 25% unserer Ausfuhr bezieht. Hier kommt als Hauptausfuhrinteresse vor allem Textilware in Betracht, weiters Glas, Holz, Schuhwaren, Lederwaren und Musikinstrumente. Schwierig wird die Situation unserer Industrie dadurch, daß unsere Einfuhr aus Österreich verhältnismäßig gering ist und daß deshalb Österreich und Deutschland schwerwiegende Kompensationen verlangen. Die Forderung Deutschlands zielt u. a. auf die Aufhebung des Bewilligungsverfahrens ab, weil durch dieses Verfahren in der Tat Handelsverträge illusorisch gemacht werden können, eine Forderung, die übrigens auch Österreich erhebt. Wir müssen darauf dringen, daß der abgerissene Faden mit Österreich wieder aufgenommen werde und daß wir möglichst rasch mit allen Handelsverträgen zu einem gedeihlichen Ende kommen. Das wird um so leichter sein, wenn der vom èechoslovakischen Gesandten in Wien Hugo Vavreèka hervorgehobene Branchenprotektionismus, das eigentliche Übel in der Zollpolitik, im Schwinden begriffen sein wird.

Es darf nicht so weiter gehen, daß irgend eine Wirtschaftsgruppe auf Kosten der Allgemeinheit trotz ihrer technischen Rückständigkeit und Unterlegenheit sich durch Zölle unverantwortliche Extraprofite verschafft. Die Regierung hat solchen Bestrebungen leider Rechnung getragen und sich den Teufel darum geschert, wer danach kommt. Wenn der Verein der èechoslovakischen Textilindustriellen einen neuen Kurs in der Wirtschaftspolitik damit einschlägt, daß er eine Herabsetzung der èechoslovakischen Zölle für Textilwaren verlangt, so ist das nur zu begrüßen. Diesem Schritt der einen Industrie sollten die nächsten Schritte der anderen Industrien folgen. Die Landwirtschaft, bzw. die Großagrarier müßten dieses Beispiel nachahmen. Sie haben sich ja immer auf den übermäßigen Zollschutz der Industrie berufen. Fällt der Mantel, muß der Herzog nach. Wenn die Industrie im Abbau der Zollmauer vorangeht, muß ihr die Landwirtschaft unbedingt folgen. Wir werden darauf energisch dringen. Selbstverständlich werden andere Staaten ebenfalls dasselbe tun müssen. Die vielfach vorgeschützte wirtschaftliche Rückständigkeit der Industrie, welche die Notwendigkeit der Zölle begründen soll, ist nach der Versicherung von Fachleuten manchmal gar nicht vorhanden. Unter dem Drucke der Konkurrenz werden Industrie und Landwirtschaft sicher früher leistungsfähiger werden als im Schutze der Zölle. Wir sehen sehr deutlich, wie die reichsdeutsche Industrie mit allen Mitteln den Gipfel der Leistungsfähigkeit erklimmt, um mit der Industrie der ganzen Welt erfolgreich den Kampf aufnehmen zu können. Was dort auf dem Gebiete der Rationalisierung und Typisierung geleistet wird allerdings nicht immer im Interesse der Arbeiterschaft, ist einzigartig. Es wird ja auch bei uns versucht zu rationalisieren, aber lange nicht mit dem Erfolg wie draußen.

Hand in Hand mit dem Abbau des Zollschutzes muß eine Beseitigung der übermäßigen Lasten in Form von unproduktiven Steuern gehen. Da kommen wir vor allem auf die Umsatzsteuer zu sprechen, für die ja auch die deutschen Regierungsparteien letzthin gestimmt haben, ferner kommen in Betracht die übermäßig hohen Frachttarife. Zu den dringendsten Aufgaben der Regierung gehört nach unserer Meinung auch, mit Sowjetrußland raschest ins Klare zu kommen, sonst geraten wir in den Wirtschaftsbeziehungen mit diesem Land ins Hintertreffen. Unsere Ausfuhr nach Sowjetrußland betrug im Jahre 1925 noch 404 Millionen Kè, im Jahre 1926 nur mehr 215 Millionen Kè, also 62% weniger als im Jahre vorher. Das ist sicherlich kennzeichnend und schlimm. Sowjetrußland spielt im Außenhandel Europas schon eine große Rolle. England und Deutschland stehen inbezug auf die Einfuhr russischer Waren an erster Stelle, die Èechoslovakei an 13. Stelle. Am russischen Absatz war England im Vorjahr mit 187 Millionen Rubel beteiligt, die Èechoslovakei mit einer halben Million. Bendenklich ist bei unserem Warenverkehr folgendes: Fast die ganze Steigerung des Aktivums im ersten Quartal 1927, gegen das Vorjahr plus 700 Millionen Kè, resultiert aus der Gestaltung des Rohstoffverkehres. Die Importe an Rohstoffen haben im ersten Quartal um 314 Millionen Kè abgenommen, gleichzeitig die Exporte eine Erhöhung um 350 Millionen erfahren, so daß sich allein aus dieser Post eine Besserung der Handelsbilanz um 664 Millionen Kè ergibt. In Fertigwaren ist die Ausfuhr nahezu gleichgeblieben, gegen das Vorjahr plus 17 Millionen Kè, wogegen die Einfuhr um 90 Millionen Kè zurückgegangen ist. Die Lebensmittelimporte haben eine Verminderung um 45 Millionen Kè erfahren, doch ist gleichzeitig auch die Ausfuhr um rund 200 Millionen Kè zurückgegangen, so daß sich in dieser Position eine Verschlechterungen um rund 155 Millionen Kè ergibt, die jedoch durch die verminderte Fertigwareneinfuhr und durch die Abnahme der Viehimporte um 85 Millionen Kè paralisiert wird. Wir werden anscheinend auf industriellem Gebiete immer mehr sozusagen Lohnarbeiter für andere Staaten, während auf dem Gebiete der Landwirtschaft trotz der Zölle eine entscheidende Besserstellung nicht eintritt. Der Absatz stockt wegen der sinkenden Löhne und der gesteigerten Preise. Die größte Aktivität weist unser Außenhandel im März 1927 abermals im Verkehr mit Österreich auf, indem sich ein Aktivum von 160 Millionen Kè ergibt; im ersten Quartal bezifferte sich das Aktivum gegenüber Österreich auf 450 Millionen Kè. Gegenüber Deutschland betrug das Aktivum im März 147 Millionen Kè, im Verkehr über Hamburg und Bremen resultiert aber ein Passiv um von 140 Millionen Kè. Ein namhaftes Aktivum war noch gegenüber England mit 71 Millionen und bei Rumänien mit 51 Millionen Kè zu verzeichnen. Aktiv war unser Außenhandel ferner gegenüber Ungarn mit 32 Millionen, Dänemark mit 18 Mill., Türkei mit 17 Mill., Triest mit 15 Mill., Schweden 14 Mill., Griechenland 12 Mill., Schweiz 10 Mill., Bulgarien, Amerika und Argentinien je 7 Mill., Japan, Norwegen, Rußland je 6 Mill., sowie Brasilien mit 3 Mill. Kè. Das stärkste Passivum ergab sich im Verkehr mit dem befreundeten Frankreich im Betrage von 53 Mill. Kè und gegenüber dem befreundeten Polen mit 39 Mill. Kè. Passiv hat sich weiters unser Außenhandel gestaltet gegenüber Holland mit 15, Belgien mit 10, Lettland und Egypten mit je 6, Italien mit 3 und nach den sonstigen Staaten mit 9 Millionen Kè. Die 10 wichtigsten Staaten für den Außenhandel im Monat März d. J. sind nach Gruppen der Brüssler Nomenklatur geordnet: Deutschland, Österreich, Ungarn, Polen, Rumänien, Jugoslawien, England, Vereinigte Staaten, Niederlande und in letzter Reihe wieder Frankreich. Mit kleineren Staaten, z. B. mit Estland und Finnland, haben wir nur geringe gegenseitige Beziehungen. Hier will man durch wechselseitige Meistbegünstigungen die Wirtschaftsbande stärken. Auch da kommt man leider sehr spät. Sehr erfreulich ist der Zustand unseres Warenverkehres also nicht. Die scheinbar günstige Handelsbilanz hat man einzig und allein erzielt durch die Drosselung der Einfuhr und durch Ausfuhr von Rohstoffen statt Fertigwaren. Aber auch hier ist stellenweise ein Rückschlag zu beobachten. So z. B. hat die èechoslovakische Holzausfuhr nach Deutschland die Führung verloren, die sie drei Jahre hindurch inne hatte. Was uns auch fehlt, ist der aufnahmsfähige innere Markt, abgesehen von der Kleinheit des Staates als Wirtschaftsgebiet. Das Heil der Produktion sahen kurzsichtige kapitalistische Führer in recht niedrigen Löhnen. Industrielle und Agrarier ziehen hier an einem Strange. Daß man hiebei den Absatz der eigenen Waren erschwert und so den Ast absägt, auf dem man sitzt, sieht man erst teilweise ein. Das Beispiel Fords, daß bei hohen Löhnen erfolgreich produziert und der Absatz gesteigert werden kann, leuchtet heute reichsdeutschen Industriellen bereits ein. Das Problem einer geregelten Volkswirtschaft ist schon längst eine internationale Frage von größter Bedeutung geworden. Es ist kennzeichnend, daß sich viele Hoffnungen auf Besserung nach Genf richten, wo am 5. Mai unter der Patronanz des Völkerbundes die internationale Wirtschaftskonferenz zusammentritt. Sie soll Untersuchungen über die Weltwirtschaftslage und die Möglichkeiten zur Behebung der allgemeinen Depression anstellen.

Wir deutschen Sozialdemokraten sind keineswegs optimistisch eingestellt und erwarten von dieser Konferenz wenig oder gar nichts. Für uns ist sie nur als Symptom wertvoll. Als Symptom insoferne, als der Zwang immer deutlicher wird, auch Wirtschaftsfragen international zu regeln. Weit davon entfernt, darin schon das Vorzeichen für die kommende sozialistische Planwirtschaft zu sehen, ist aber sichtlich charakteristisch, daß die kapitalistische Welt gezwungen ist, dem freien Spiel der Kräfte im internationalen Maßstabe möglichst Einhalt zu gebieten. Ohne Zweifel müssen neue Wege der Handelspolitik beschritten werden. Dieser Tage erst, und zwar gestern hat der reichsdeutsche Außenminister Dr. Stresemann zutreffend die neuen Richtlinien auf volkswirtschaftlichem Gebiete angedeutet. Er sagte, die ganze Weltwirtschaft müsse als ein einheitliches Ganze betrachtet werden, dessen Brüder durch Zwangsgemeinschaft und unbedingte Interessensolidarität miteinander verbunden sind. Der Gedanke einer internationalen Arbeitsteilung und der gegenseitigen Wirtschaftsdurchdringung stoße aber gerade bei manchem jungen Staate auf Widerstand, der ohne entsprechende Vorbedingung mit allen Mitteln eine eigene Industrie züchten wolle. Bissig meinte Herr Dr. Stresemann, die Zollmauern, die diese Staaten um sich errichten, werden meistens als Erziehungszölle bezeichnet. Man sollte jedoch auch in der Zollpolitik ein Maximum des Lebensalters für den Abschluß der Erziehung festsetzen. Das sollten sich besonders die auf die Zölle eingeschworenen Landbündler gut ins Gedächtnis einprägen. Und alle Protektionisten sollten sich die Worte des schwedischen Professors Dr. Cassel merken, daß der Gedanke verhängnisvoll sei, es sei für das eigene Land vorteilhaft, die Produktion der anderen Länder zu unterdrücken. Der Monopolismus sei ein hemmender Faktor der Weltwirtschaft. Die mächtigen kapitalistischen Konzerne, die eine Reihe von Ländern umfassen, durchkreuzen oft die besten Wirkungen der Handelsverträge. Die Regelung der Produktion und des Absatzes in kapitalistischem Sinne bedeutet nicht eine Lösung des Problems. Der Kapitalismus wird unserer festen Überzeugung nach trotz aller seiner Bemühungen nicht imstande sein, ungehindert die Entfaltung der produktiven Kräfte zum Wohle der Gesamtheit zu gewährleisten. Diese Riesenaufgabe im Interesse der Völker zu erreichen, ihnen dann tatsächlich Frieden und Menschenglück zu bringen, gehört in den Wirkungskreis des Sozialismus. Der Sozialismus wird es schaffen, wir wollen für unseren Teil dabei redlich mitwirken. (Potlesk nìm. soc. demokratických poslancù.)

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