Úterý 5. dubna 1927

Wenn wir auf das Kernproblem der Ursachen und der Gründe dieser schweren wirtschaftlichen Verhältnisse des Teilgebietes eingegangen sind und versuchen, Mittel und Wege anzuraten für die Beilegung der Krise, so sind sie gewiß zunächst allgemeiner Natur. Es liegt das in der Natur der Sache. Wir betrachten da zunächst jeden Weg, der etwa dazu führt, mit den Nachbarstaaten zu anständigen Handels- und Vertragsverhältnissen zu kommen, auch als einen Weg, der zur Lösung unserer besonderen Krisenverhältnisse im Gablonzer Industriegebiet führen kann. Es wäre außerordentlich förderlich, schon in der nächsten Zeit z. B. von der Verabschiedung des Handelsvertrags mit Deutschland zu vernehmen, mit jenem Staate, der gerade für die Gablonzer Industrie so bedeutsam ist, weil er seit je der Hauptabnehmer der Gablonzer Produktion gewesen ist. Wir bitten den Herrn Handelsminister in dieser Beziehung die Arbeiten, soweit es im Rahmen seiner Möglichkeit liegt, zu forcieren, damit sie zum Abschluß gelangen. Als Vertreter das Gablonzer Gebietes bitte ich, bei diesen Vertragsverhandlungen der Gablonzer Glasindustrie ein besonderes Augenmerk zu schenken. Es wird auch für den Staat nicht ohne Nutzen sein.

Es ist im Zusammenhang mit diesem Berichte an die Staatsführung die Mahnung zu richten, in ihrer Wirtschaft etwas vernünftiger zu sein. Die ungeheure Besteuerung ist zu mäßigen nötig, weil schließlich und endlich auch das mit ein Grund ist dafür, daß so viele sich aus dem Prozeß ausgeschaltet sehen. Hinsichtlich der Verhältnisse im Gablonzer Wirtschaftsgebiete bitte ich den Herrn Handelsminister noch weiter, schon in der nächsten Zeit zu veranlassen, daß das Gesetz über den unlauteren Wettbewerb verabschiedet werde. Wir erblicken in der Verabschiedung desselben immerhin eine Möglichkeit, gewissen Methoden auf dem Gablonzer Platze, insbesondere im Handel, die wesentlich zur Verschärfung der Krise beigetragen haben, das Handwerk zu legen.

In diesem Zusammenhange ist es auch notwendig augenblickliche Hilfsmaßnahmen für die bedrängte Arbeiterschaft anzufordern. Es ist notwendig, daß wir den arbeitslos gewordenen Menschen nicht nur mit den durch das Arbeitslosengesetz gewiesenen Hilfen beispringen, daß wir wegen des außerordentlichen Falles der Krise auch zu außerordentlichen Maßnahmen greifen.

Als letzte Forderung - und es ist wohl die Forderung, die ich als die bedeutendste für den Augenblick erachte - bringe ich vor die Forderung nach sofortiger Aufhebung der Ausnahmsverfügung im Gablonzer Bezirke. Die Arbeiterschaft, jeder Wirtschaftstypus des Gablonzer Bezirkes, ob er nun durch den Arbeiter, durch den Lieferanten, durch den Erzeuger oder den Exporteur dargestellt wird, wird diszipliniert genug sein - ich wiederhole das - sich ruhig um eine Lösung des Problems zu bemühen, besonders wenn sie sehen, daß die verantwortlichen Faktoren an eine Lösung schreiten. Sie werden zu keiner Maßnahme greifen, die etwa die Bajonette in Aktion treten lassen muß. Diese Forderung nach sofortiger Aufhebung des Ausnahmszustandes für das Tannwalder Gebiet und einzelne Gemeinden des Gablonzer Bezirkes erhebe ich zuhöchst. (Potlesk poslancù nìm. nár. soc. strany dìlnické.)

3. Øeè posl. Schäfera (viz str. 587 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! Wenn die Abgeordnetenkammer den Rechnungsabschluß verhandelt und überprüft, wie es mit der Wirtschaft des Staates ausschaut, dann wäre es doch notwendig, daß sich zu dieser Verhandlung auch die daran zunächst beteiligten Minister einfänden. Im Laufe der Debatte sind viele Klagen vorgebracht worden, die weiteren Redner werden gewiß auch noch manches am Rechnungsabschlusse auszusetzen haben, aber die Regierung und ihre ersten Männer kümmern sich überhaupt nicht darum, was hier vorgeht. Auch die Mehrheitsparteien sollten darin eine Zurücksetzung und Bagatellisierung des Parlamentes erblicken und sich dagegen wehren. Sitzen doch jetzt in der Regierung Parteien, die früher nicht scharf genug verurteilen konnten, daß sich die Minister nicht darum kümmern, was im Hause vorgeht. Gerade jene Parteien wären verpflichtet, dafür zu sorgen, daß dieser Zustand beseitigt wird. Bei Verhandlung über wichtige Fragen ist kein Ministerpräsident zu sehen; es fehlen der Minister des Innern und die Wirtschaftsminister. Wenn das Parlament eine wirklich ernstzunehmende Körperschaft werden will, dann muß es darauf dringen, daß es nicht so geringschätzig behandelt werde, daß die Minister wenigstens zeitweilig da seien, um die Möglichkeit zu bekommen, die Beschwerden entgegenzunehmen, zu antworten und Aufklärung zu geben. In jedem Parlamente antworten die Minister bei derartigen Debatten auf die vorgebrachten Fragen, bei uns ziehen sich die Minister fast vollständig vom Parlamente zurück. Es fällt den Ministern gar nicht ein, einmal zu den vielen Beschwerden hier im Hause Stellung zu nehmen und Aufklärung zu geben. (Posl. Grünzner: Das tun sie nicht einmal, wenn sie hier sitzen!) Aber zumindest verdient das Parlament, daß die Minister sich um seine Verhandlungen kümmern, um erhobene Beschwerden aufzuklären.

Was den Rechnungsabschluß selbst betrifft, so soll er beweisen, daß die Èechoslovakei auf allen Gebieten in Ordnung geht. Der Rechnungsabschluß weist größere Summen aus, als der vorangegangene Staatsvoranschlag. Wir finden eine Überschreitung in den Ausgaben von 1 Milliarde 550 Millionen. Ihr steht eine Überschreitung an Einnahmen von 1616 Millionen gegenüber. Es handelt sich also um ganz gewaltige Überschreitungen gegenüber dem Voranschlage. Schon das allein sollte den Finanzminister veranlassen, seinen Standpunkt zu erklären und zu vertreten. Ein Teil der Mehrausgaben, die im Rechnungsabschluß zu finden sind, ist durch Kredite gedeckt. Recht bezeichnend sind einzelne Teile dieses Rechnungsabschlusses. Ich möchte da nur einige wenige Sachen herausgreifen. Die Selbstverwaltungskörper, die von der Staatsverwaltung nach Möglichkeit unterstützt werden sollten, haben in dem Jahre, für welches der Bericht gilt, bedeutend weniger an Zuweisungen erhalten als im Jahre zuvor.

Ein geringerer Betrag ist auch aus der Umsatzsteuer den Selbstverwaltungskörpern zugewiesen worden, so daß hier gefragt werden muß, wie die Regierung dazukommt, die Zuwendungen an die Selbstverwaltungskörper zu drosseln und die Selbstverwaltungskörper damit in schwere Verlegenheiten zu bringen. Wenn die Pläne bei der jetzigen Steuerreform in vollem Umfange durchgehen, wird es für die Selbstverwaltungskörper sehr schlimm werden. Ein weiteres Kapitel, das sehr bezeichnend ist, finden wir beim Militarismus. Da weist zwar der Rechnungsabschluß eine Verringerung der Ausgaben auf, aber wenn wir ins einzelne eingehen, sehen wir, wie für gewisse Einrichtungen des Militarismus, für gewisse Zuwendungen viel mehr bereitgestellt worden ist, also auch Überschreitungen vorgekommen sind, und zwar ganz gewaltigen Umfanges. Wir finden da z. B., daß für neue Waffen, für Maschinengewehre, kurz für Rüstungsgegenstände die Ausgaben bedeutend höher sind, als sie im Staatsvoranschlag in Aussicht genommen wurden. Man will nach außenhin gerne damit prunken, daß man für den Militarismus nur das hergibt, was unbedingt notwendig ist. Aber aus dem Rechnungsabschluß geht durchaus nicht hervor, daß diese Behauptung richtig ist. Auffallend ist ferner und das ist für die Wirtschaft der Èechoslovakei und für das wirtschaftliche Leben der Völker von außerordentlicher Bedeutung daß die Einnahmen an Steuern und Zöllen im Rechnungsabschluß mit beträchtlich höheren Ziffern ausgewiesen sind als sie veranschlagt wurden. Wir finden an Einnahmen aus Zöllen 890 Millionen ausgewiesen, während nur mit 566 Millionen im Voranschlage gerechnet worden ist. Bei den Rechtsgebühren beträgt der Mehrertrag 218 Millionen. Bei der Verkehrssteuer ist das gleiche der Fall. Bemerkenswert ist, daß der Ertrag aus der Einkommensteuer gewaltig gestiegen ist. An Erwerbsteuer wieder sind nach dem Rechnungsabschluß im Gegensatz zum Voranschlag um 129 Millionen weniger eingenommen worden. Bei der Einkommensteuer ergibt sich eine Steigerung von nich weniger als 508 Millionen. Aber die Grundsteuer ist gleichfalls zurückgegangen und zwar von 150 um 30 Millionen.

Nun möchte ich ein Wort darüber sagen, wieso das kommt. Die direkten Steuern, insbesondere die Einkommensteuer, weiß der Staat durch Abzüge vom Lohn hereinzubringen. Bei dieser Steuer hat der Staat sich die Möglichkeit geschaffen, recht viel aus den arbeitenden Klassen und aus den Angestellten an Steuern herauszuholen. Kapitalisten, Unternehmer und Industrielle können dem Staat große Beträge an direkten Steuern entziehen, der Arbeiter und Angestellte kann das nicht. Sie können ihr Einkommen nicht verheimlichen, es wird kontrolliert, vom Lohn und Gehalt wird ihm die Steuer abgezogen, als Unterlagen hat man die Lohnlisten. Da man jetzt im neuen Steuergesetz von vornherein darauf ausgeht, die Einkommensteuer vom Arbeiter und Angestellten abzuziehen, sichert sich der Staat ganz gewaltige Jahres einnahmen. d. h. er verhindert dadurch, daß ein Arbeiter oder Angestellter den Staat um die Einkommensteuer bringen könnte. Anders steht es bei den Besitzenden, die selbst ihr Einkommen fatieren. Selbst der Finanzminister Engliš hat zugeben müssen, daß solche Steuerhinterziehungen häufig vorkommen. Wir könnten noch andere Kapitel herausziehen und aufzeigen, daß in der Èechoslovakei, wie in jedem kapitalistischen Staat die Besitzlosen, die Arbeiter und Angestellten stark herangezogen werden zur Dekkung der Ausgaben für die Staatswirtschaft, daß aber in der Steuerfrage die Besitzenden die Möglichkeit haben, einen Teil ihres steuerpflichtigen Einkommens zu verleugnen, also die Möglichkeit haben, dem Staat Steuern vorzuenthalten.

Was die Staatsschuld anlangt, so ist es auffällig, daß man einen geringen Betrag abgestoßen hat, und zwar 754 Millionen, daß aber die Staatsschuld nicht geringer erscheint, sondern etwas höher ist, so daß die erfolgte Abstattung finanztechnisch überhaupt keinerlei Bedeutung hat.

Wir sind mit dem heute zur Verhandlung stehenden Rechnungsabschluß nicht einverstanden, wir haben viel daran auszusetzen und wir stellen vor allem fest, daß es eine ganz kuriose Finanzverwaltung ist, wenn man derartige weitgehende Überschreitungen dann im Rechnungsabschluß vorfindet. Es sind hier große Beträge, um die man sich bei der Einsetzung der zu erwartenden Einnahmen an Steuern und Zöllen geirrt hat. Die Überschreitungen sind groß und beweisen, daß unsere Staatsverwaltung sehr viel zu wünschen übrig läßt. Nun hängt das, was der Staat uns im Rechnungsabschluß vorlegt und was wir heute besprechen, sehr eng mit der wirtschaftlichen Lage zusammen, in der wir gegenwärtig leben. Nach dem Rechnungsabschluß zu schliessen, sähe es in der Èechoslovakei glänzend aus: nach außenhin ein Budget ohne Defizit. Man sucht den Eindruck hervorzurufen, daß wunderbar gewirtschaftet wird und gewiegte Wirtschafter den Staat führen und leiten. Aber so glänzend als die Ziffern über die Wirtschaft des Staates ausschauen, so sehr steht das Bild im Gegensatz zur wirtschaftlichen Lage. Schon die übergroße Belastung der arbeitenden Bevölkerung durch die Steuern führt dazu, daß Hunderttausende sehr schwer um ihre Existenz kämpfen müssen. Die letzten Gesetze, die man auf dem Gebiete der Zölle beschlossen hat, werden die Zustände noch verschlimmern, es wird noch ärger werden. Wir sehen jetzt, wie von Monat zu Monat durch die Gesetze vom vorigen Sommer die Lebenslage der Arbeiter sich immer mehr verschlechtert. Wir wollen auch da ein paar Ziffern anführen, und untersuchen, wie es in Wirklichkeit aussieht. Ich habe vorhin schon gesagt: Wir haben an Zöllen bedeutend mehr eingenommen, als im Voranschlag angenommen worden war. Nun sehen wir uns einmal an, welche Folgen dadurch entstanden sind, daß im Vorjahre die Zollgesetze beschlossen wurden. Wenn wir die amtlichen Ziffern ansehen, finden wir, daß im Jahre 1923 ein Kilogramm Brot 2.01 K gekostet hat. Jm Jahre 1926 beträgt der Preis eines Kilogramm Brotes 2.66 K. Wir haben also eine Steigerung von 65 Hellern. Gegenüber dem Jahre 1923 ist das eine Steigerung von 32.34 %. Das war der Preis am 30. November 1925. Im Jahre 1926 kostete das Kilogramm Brot 2.77 K. Gehen wir zu einem anderen Nahrungsmittel, zu dem, was die Hauptnahrung der arbeitenden Klassen ist, zur Kartoffel, so sehen wir, daß die Kartoffeln pro Kilo im Jahre 1923 80 Heller gekostet haben. Bis zum 31. Oktober 1923 ist der Preis auf 1.25 Kronen gestiegen. Nun sagte ich schon: Die Kartoffeln sind das Hauptnahrungsmittel der armen Klassen, der Arbeiter, besonders der Arbeiterschaft in den Gebieten, die ohnehin fortlaufend in Wirtschaftskrise und Wirtschaftsnot leben. Der Zucker ist gleichfalls seit dem Jahre 1923 ganz wesentlich gestiegen. Damals betrug der Preis 4.96, am 30. November 1926 5.80 und am 28. Feber 1927 6.01 Kronen. Ich könnte auch noch die anderen amtlichen Ziffern bezüglich der übrigen Nahrungsmittel anführen und beweisen, daß alle durchgehends im Preise gestiegen sind.

Worauf ist das zurückzuführen? Auf nichts anderes, als auf die vorjährige Zollpolitik, darauf, daß die Agrarier in der neuen Regierungskoalition alle ihre Wünsche und Forderungen durchzusetzen imstande gewesen sind. Wie sich die neuen Zölle in der Landwirtschaft, für die Bauern auswirken, das geht daraus hervor, daß selbst dann, wenn sich die Anbaufläche verringert und der Ertrag ein geringerer geworden ist, der Wert der Ernte um ein ganz Gewaltiges gestiegen ist.

Im allgemeinen sehen wir, daß die Bauern und Landwirte durch die Zollpolitik gewonnen haben. Ihre Einnahmen, der Preis für ihre Erzeugnisse, sind höher geworden. Damit ist widerlegt, was man bei Beratung der Zolldebatte erklärt hat, daß es zu keiner Verteuerung der Lebensmittel kommen wird. So ist nachgewiesen, daß die damaligen Prophezeiungen, es werde die Lebenshaltung der Arbeiterklasse nicht verschlechtert werden, falsch waren; ich bin überzeugt, daß die Herren auch keinen Augenblick daran gedacht haben, sie sind nur die Meinung gewesen, man könne aller Welt einreden, daß die Erhöhung der Zölle und die Einführung von Zöllen nicht auf die Preise der Lebensmittel zurückwirkten und nicht dazu führen werden, daß die Lebenshaltung der Arbeiter und Angestellten davon betroffen wird. Die heutige Wirtschaftslage der breiten Maßen der Bevölkerung ist ausschließlich auf die letzten Zollgesetze, auf die Erhöhung der Steuern usw. zurückzuführen. Wenn wir auch wissen, daß im Zusammenhang der Weltwirtschaft die Èechoslovakei auch an ihrer Wirtschaft zu leiden hat, so bestreiten wir doch, daß die heutige krisenhafte Lage in der Industrie allein darauf zurückzuführen ist, daß sich auf dem Weltmarkte nach dem Kriege Veränderungen auf wirtschaftlichem Gebiete vollzogen haben. Hätte man beizeiten mit jenen Staaten Handelsverträge abgeschlossen, die für uns am allermeisten in Betracht kommen und würde man vor allem auf dem Gebiete der Wirtschaft eine Politik eingeschlagen haben, die den arbeitenden Klassen Rechnung trägt, so wäre sicher manches anders. In der letzten Zeit wird viel von einer Besserung im Wirtschaftsleben gesprochen, die Industrie fange wieder an aufzuleben, sie bekomme Aufträge. Aber das ist, wenn hie und da ein solcher Aufschwung auftritt, durchaus nicht entscheidend für unsere ganze Wirtschaft. Im Norden Böhmens stehen seit Jahren eine Reihe von Betrieben, und man weiß nicht, ob sie jemals wieder aufgenommen werden.

Eine Industrie ist es insbesondere, die unter einer furchtbaren Krise seit vielen Jahren zu leiden hat, das ist die Glasindustrie. Es ist nicht die erste Krise, die die Glasindustrie heimsucht. Wir hatten Ende der achtziger Jahre und Anfang der neunziger Jahre den heutigen Verhältnissen ähnliche Zustände. Damals gab es wenig Arbeit, die Perlenbläser waren nahezu beschäftigungslos und als sie hörten, daß ein großer Betrieb die Erzeugung von Perlen einführe, gerieten die Arbeiter in noch größere Erregung, weil sie annahmen, jetzt wende ihnen auch noch die letzte Arbeitsmöglichkeit genommen werden. Da kam es zu den gleichen Vorfällen, wie wir sie jetzt erlebt haben. In den Jahren 1889 und 1890, als sich ähnliche Vorgänge abspielten, die immer dort eintreten, wo die Arbeiter merken, daß sich niemand um ihr Los kümmert, wurden Notstandsausschüsse geschaffen. Amtliche Stellen nahmen sich der Industrie an, um sie wieder zu heben. Aber was geschieht jetzt? Es hat schon heute einer der Herrn Redner darauf verwiesen, daß kürzlich eine grose Arbeiter-Demonstration im Isergebirge stattgefunden hat. Man scheint aber diese Demonstration, den Aufmarsch der Arbeiter, um die Regierung und die Behörden auf die Not im Isergebirge aufmerksam zu machen, überhaupt nicht beachtet zu haben. Niemand griff ein, um zu verhandeln, und keine Behörde meldete sich, um die Glasindustrie aus ihrer Not herauszuführen. Da hat die Verzweiflung die Menschen erfaßt und nur darauf sind die Ereignisse im Gablonz-Tannwalder Bezirke zurückzuführen.

Auch das hat die öffentlichen Ämter und die Regierung noch lange nicht in Bewegung gesetzt, für die Glasindustrie etwas zu tun. Als die Arbeiter sahen, daß man sich auch jetzt nicht um sie kümmert, ist es zu den bedauerlichen Vorfällen gekommen. Ich bin der Anschauung, daß sich diese Vorgänge nicht hätten ereignen können, wenn die Regierung nach der großen Demonstration in Gablonz auch daran gegangen wäre, sofort mit den zuständigen Körperschaften im Gebiete der Glasindustrie zu verhandeln. Man hat sich nicht im geringsten darum gekümmert, was weiter im Gebirge werden soll. Als dann die Demonstrationen ernsteren Charakter annahmen, entsendete die Staatsverwaltung in das Isergebirge ganze Kompagnien von Gendarmen, verhängte den Ausnahmszustand und beruft sich dabei auf eine Ministerialverordnung aus dem Jahre 1853. Schickt Gendarmen hin, droht mit dem Standrecht und verhaftet seit diesen Demonstrationen Arbeiter. Ich habe mir heute einen Bericht über die Vorgänge im Isergebirge kommen lassen und da wird unter anderem mitgeteilt, daß wegen Beteiligung an den Demonstrationen ein Gehilfenausschußmitglied in Morchenstern verhaftet wurde, das den Demonstrationen ferngeblieben war. Nun heißt es weiter: "Seine Frau, die sich im 8. Monate ihrer Schwangerschaft befindet, wollte ihn auf den Bahnhof begleiten, wurde aber von einem Gendarmen von der Treppe herabgestoßen, so daß sie seit dieser Zeit krank darnieder liegt." Der Glasarbeiterverband stellt fest, daß Renner bei der Demonstration in Obertannwald nicht anwesend war und nur bei der Rückkehr der erregten Arbeiter aus Morchenstern auf sie eingewirkt habe, ruhig auseinander zu gehen. Der Mann hat also die mit Recht aufgeregten Menschen zu beruhigen versucht, hat ihnen vorgestellt, daß solche Kampfmittel nicht zum Ziele führen, so berechtigt auch die Entrüstung und der Unwille über die Untätigkeit der èechoslovakischen Regierung sein mag. Dafür wird der Mann eingesperrt und bei seiner Verhaftung muß er sehen, daß man seine schwangere Frau roh behandelt. Das, was ich hier sage, soll durchhaus nicht so gedeutet werden, als ob wir die Gendarmen dafür verantwortlich machen wollten, daß sie jetzt im Gebirge die Straßen absperren, jeden Menschen anhalten, der sich nach Morchenstern begibt, von ihm verlangen, daß er sich ausweise, wohin er geht, daß sie alle Gasthausräume des Isergebirges in den Abendstunden durchsuchen, ob nicht eine Versammlung stattfindet, so daß Staatsbürger, die im Tannwalder Gebiet und einem Teil des Gablonzer Gebietes arbeiten, sich heute überhaupt nicht mehr frei bewegen können. (Výkøiky na levici.) Wir machen die Gendarmen dafür nicht verantwortlich. Sie müssen gehorchen, wenn sie nicht ihren Dienst und ihre Existenz verlieren wollen. Verantwortlich aber machen wir für solche Vorfälle die politische Behörde von Gablonz, die vergessen hat, den Gendarmen die notwendigen Weisungen zu geben, daß man nicht roh gegen die Arbeiterschaft vorgehe. Schuld ist die èechoslovakische Regierung, die die Erbitterung von Tag zu Tag steigert, dadurch, daß sie ein paar Kompagnien Gendarmen hinschickt - es sollen an 300 Gendarmen im Tannwalder und im Gablonzer Gebiete stehen - den Ausnahmszustand verhängt und Zustände schafft, die förmlich einer Belagerung gleichen. Solche Maßnahmen müssen im Glasindustriegebiet Nordböhmens die Erbitterung verschärfen. Man braucht sich gar nicht zu wundern, daß sich die Arbeiter gegen eine solche Behandlung zur Wehr setzen. Die èechoslovakische Regierung hätte die Aufgabe gehabt, nach der großen Demonstration in Gablonz, die die Forderung aufstellte, ein Erzeugungsverbot für Schmirgelware herauszugeben, sofort einzuschreiten und anstatt Gendarmen in das Gebiet zu schicken, ein paar ernste Sachverständige auf dem Gebiete der Wirtschaft dorthin zu delegieren, um einen Ausweg zu suchen. Dazu wären in das Isergebirge, nach Gablonz und Tannwald vom Handelsministerium Beamte zu schicken gewesen, die dort zu untersuchen gehabt hätten, was von der Regierung unternommen werden könnte, die Glasindustrie nicht vor dem völligen Ruin zu bewahren.

Zum Teil ist auch die èechoslovakische Wirtschaftspolitik daran schuld, daß es mit der Glasindustrie heute so aussieht. (Posl. Grünzner: Die deutschen Regierungsparteien reden fortwährend von wirtschaftlichen Vorteilen!) Die Abgeordneten der deutschen Regierungsparteien hätten sich schon darüber unterrichten sollen, wie die Arbeiter über die jetzige Lage denken, was sie wollen, kurz wenn sie auch ein wenig der Not im Isergebirge ihre Aufmerksamkeit zugewendet hätten. (Posl. de Witte: Das interessiert sie gar nicht!) Gewiß, das interessiert sie nicht. Sie scheinen ganz damit einverstanden zu sein, da sich die Regierung echt österreichisch einrichtet, daß sie auf eine berechtigte Bewegung mit Gendarmerie antwortet, das Standrecht androht und so ein großes Industriegebiet um jedes öffentliche Leben bringt. (Posl. de Witte: Der Unterschied ist nur, daß damals auch Bürgerliche dagegen aufschrien!) Es wird sich in diesem Hanse aus dem bürgerlichen Lager kein Kronawetter melden, der die Maßnahmen der Regierung verwirft, der sich dagegen wendet, daß man die Notlage eines Gebietes mit Bajonetten behandeln will. Wie zur Zeit des Ausnahmszustandes im alten Österreich sieht es jetzt in den Glasindustriegebieten Nordböhmens aus. Die èechoslovakische Staatsverwaltung treibt die Zustände auf die Spitze, wenn sie mit brutalen Mitteln der Gewalt Ordnung machen will. Das geschieht zu einer Zeit, in der deutschbürgerliche Parteien in der Regierung sitzen. Wir verwahren uns dagegen, daß eine große Industrie und eine nach Tausenden zählende Arbeiterbevölkerung derart behandelt wird. Wir fordern rasches Eingreifen. Es ist nicht wahr, daß Hilfe nicht mehr möglich wäre, und durchaus falsch, wenn man behauptet, daß die Maßnahmen, die die Glasarbeiter verlangen, undurchführbar seien. Warum kann man kein Verbot der Erzeugung von Schundwaren erlassen? Ich sehe nicht ein, warum das unmöglich sein sollte. Es ist nicht so, wie behauptet wird, daß die Länder, wohin die Glasindustrieerzeugnisse exportiert werden, nach Schundware verlangen. Im Übrigen ist bekannt, daß die Gablonzer Exporteure und Erzeuger auch in Krisenzeiten große Gewinne erzielen wollen, vor allem durch Verschlechterung der Ware.

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