Wenn wir auf das Kernproblem der Ursachen und
der Gründe dieser schweren wirtschaftlichen Verhältnisse
des Teilgebietes eingegangen sind und versuchen, Mittel und Wege
anzuraten für die Beilegung der Krise, so sind sie gewiß
zunächst allgemeiner Natur. Es liegt das in der Natur der
Sache. Wir betrachten da zunächst jeden Weg, der etwa dazu
führt, mit den Nachbarstaaten zu anständigen Handels-
und Vertragsverhältnissen zu kommen, auch als einen Weg,
der zur Lösung unserer besonderen Krisenverhältnisse
im Gablonzer Industriegebiet führen kann. Es wäre außerordentlich
förderlich, schon in der nächsten Zeit z. B. von der
Verabschiedung des Handelsvertrags mit Deutschland zu vernehmen,
mit jenem Staate, der gerade für die Gablonzer Industrie
so bedeutsam ist, weil er seit je der Hauptabnehmer der Gablonzer
Produktion gewesen ist. Wir bitten den Herrn Handelsminister in
dieser Beziehung die Arbeiten, soweit es im Rahmen seiner Möglichkeit
liegt, zu forcieren, damit sie zum Abschluß gelangen. Als
Vertreter das Gablonzer Gebietes bitte ich, bei diesen Vertragsverhandlungen
der Gablonzer Glasindustrie ein besonderes Augenmerk zu schenken.
Es wird auch für den Staat nicht ohne Nutzen sein.
Es ist im Zusammenhang mit diesem Berichte
an die Staatsführung die Mahnung zu richten, in ihrer Wirtschaft
etwas vernünftiger zu sein. Die ungeheure Besteuerung ist
zu mäßigen nötig, weil schließlich und endlich
auch das mit ein Grund ist dafür, daß so viele sich
aus dem Prozeß ausgeschaltet sehen. Hinsichtlich der Verhältnisse
im Gablonzer Wirtschaftsgebiete bitte ich den Herrn Handelsminister
noch weiter, schon in der nächsten Zeit zu veranlassen, daß
das Gesetz über den unlauteren Wettbewerb verabschiedet werde.
Wir erblicken in der Verabschiedung desselben immerhin eine Möglichkeit,
gewissen Methoden auf dem Gablonzer Platze, insbesondere im Handel,
die wesentlich zur Verschärfung der Krise beigetragen haben,
das Handwerk zu legen.
In diesem Zusammenhange ist es auch notwendig
augenblickliche Hilfsmaßnahmen für die bedrängte
Arbeiterschaft anzufordern. Es ist notwendig, daß wir den
arbeitslos gewordenen Menschen nicht nur mit den durch das Arbeitslosengesetz
gewiesenen Hilfen beispringen, daß wir wegen des außerordentlichen
Falles der Krise auch zu außerordentlichen Maßnahmen
greifen.
Als letzte Forderung - und es ist wohl die
Forderung, die ich als die bedeutendste für den Augenblick
erachte - bringe ich vor die Forderung nach sofortiger Aufhebung
der Ausnahmsverfügung im Gablonzer Bezirke. Die Arbeiterschaft,
jeder Wirtschaftstypus des Gablonzer Bezirkes, ob er nun durch
den Arbeiter, durch den Lieferanten, durch den Erzeuger oder den
Exporteur dargestellt wird, wird diszipliniert genug sein - ich
wiederhole das - sich ruhig um eine Lösung des Problems zu
bemühen, besonders wenn sie sehen, daß die verantwortlichen
Faktoren an eine Lösung schreiten. Sie werden zu keiner Maßnahme
greifen, die etwa die Bajonette in Aktion treten lassen muß.
Diese Forderung nach sofortiger Aufhebung des Ausnahmszustandes
für das Tannwalder Gebiet und einzelne Gemeinden des Gablonzer
Bezirkes erhebe ich zuhöchst. (Potlesk poslancù
nìm. nár. soc. strany dìlnické.)
Hohes Haus! Wenn die Abgeordnetenkammer den
Rechnungsabschluß verhandelt und überprüft, wie
es mit der Wirtschaft des Staates ausschaut, dann wäre es
doch notwendig, daß sich zu dieser Verhandlung auch die
daran zunächst beteiligten Minister einfänden. Im Laufe
der Debatte sind viele Klagen vorgebracht worden, die weiteren
Redner werden gewiß auch noch manches am Rechnungsabschlusse
auszusetzen haben, aber die Regierung und ihre ersten Männer
kümmern sich überhaupt nicht darum, was hier vorgeht.
Auch die Mehrheitsparteien sollten darin eine Zurücksetzung
und Bagatellisierung des Parlamentes erblicken und sich dagegen
wehren. Sitzen doch jetzt in der Regierung Parteien, die früher
nicht scharf genug verurteilen konnten, daß sich die Minister
nicht darum kümmern, was im Hause vorgeht. Gerade jene Parteien
wären verpflichtet, dafür zu sorgen, daß dieser
Zustand beseitigt wird. Bei Verhandlung über wichtige Fragen
ist kein Ministerpräsident zu sehen; es fehlen der Minister
des Innern und die Wirtschaftsminister. Wenn das Parlament eine
wirklich ernstzunehmende Körperschaft werden will, dann muß
es darauf dringen, daß es nicht so geringschätzig behandelt
werde, daß die Minister wenigstens zeitweilig da seien,
um die Möglichkeit zu bekommen, die Beschwerden entgegenzunehmen,
zu antworten und Aufklärung zu geben. In jedem Parlamente
antworten die Minister bei derartigen Debatten auf die vorgebrachten
Fragen, bei uns ziehen sich die Minister fast vollständig
vom Parlamente zurück. Es fällt den Ministern gar nicht
ein, einmal zu den vielen Beschwerden hier im Hause Stellung zu
nehmen und Aufklärung zu geben. (Posl. Grünzner:
Das tun sie nicht einmal, wenn sie hier sitzen!) Aber zumindest
verdient das Parlament, daß die Minister sich um seine Verhandlungen
kümmern, um erhobene Beschwerden aufzuklären.
Was den Rechnungsabschluß selbst betrifft, so soll er beweisen,
daß die Èechoslovakei auf allen Gebieten in Ordnung
geht. Der Rechnungsabschluß weist größere Summen
aus, als der vorangegangene Staatsvoranschlag. Wir finden eine
Überschreitung in den Ausgaben von 1 Milliarde 550 Millionen.
Ihr steht eine Überschreitung an Einnahmen von 1616 Millionen
gegenüber. Es handelt sich also um ganz gewaltige Überschreitungen
gegenüber dem Voranschlage. Schon das allein sollte den Finanzminister
veranlassen, seinen Standpunkt zu erklären und zu vertreten.
Ein Teil der Mehrausgaben, die im Rechnungsabschluß zu finden
sind, ist durch Kredite gedeckt. Recht bezeichnend sind einzelne
Teile dieses Rechnungsabschlusses. Ich möchte da nur einige
wenige Sachen herausgreifen. Die Selbstverwaltungskörper,
die von der Staatsverwaltung nach Möglichkeit unterstützt
werden sollten, haben in dem Jahre, für welches der Bericht
gilt, bedeutend weniger an Zuweisungen erhalten als im Jahre zuvor.
Ein geringerer Betrag ist auch aus der Umsatzsteuer
den Selbstverwaltungskörpern zugewiesen worden, so daß
hier gefragt werden muß, wie die Regierung dazukommt, die
Zuwendungen an die Selbstverwaltungskörper zu drosseln und
die Selbstverwaltungskörper damit in schwere Verlegenheiten
zu bringen. Wenn die Pläne bei der jetzigen Steuerreform
in vollem Umfange durchgehen, wird es für die Selbstverwaltungskörper
sehr schlimm werden. Ein weiteres Kapitel, das sehr bezeichnend
ist, finden wir beim Militarismus. Da weist zwar der Rechnungsabschluß
eine Verringerung der Ausgaben auf, aber wenn wir ins einzelne
eingehen, sehen wir, wie für gewisse Einrichtungen des Militarismus,
für gewisse Zuwendungen viel mehr bereitgestellt worden ist,
also auch Überschreitungen vorgekommen sind, und zwar ganz
gewaltigen Umfanges. Wir finden da z. B., daß für neue
Waffen, für Maschinengewehre, kurz für Rüstungsgegenstände
die Ausgaben bedeutend höher sind, als sie im Staatsvoranschlag
in Aussicht genommen wurden. Man will nach außenhin gerne
damit prunken, daß man für den Militarismus nur das
hergibt, was unbedingt notwendig ist. Aber aus dem Rechnungsabschluß
geht durchaus nicht hervor, daß diese Behauptung
richtig ist. Auffallend ist ferner und das ist für die Wirtschaft
der Èechoslovakei und für das wirtschaftliche Leben
der Völker von außerordentlicher Bedeutung daß
die Einnahmen an Steuern und Zöllen im Rechnungsabschluß
mit beträchtlich höheren Ziffern
ausgewiesen sind als sie veranschlagt wurden. Wir finden an Einnahmen
aus Zöllen 890 Millionen ausgewiesen, während nur mit
566 Millionen im Voranschlage gerechnet worden ist. Bei den Rechtsgebühren
beträgt der Mehrertrag 218 Millionen. Bei der Verkehrssteuer
ist das gleiche der Fall. Bemerkenswert ist, daß der Ertrag
aus der Einkommensteuer gewaltig gestiegen ist. An Erwerbsteuer
wieder sind nach dem Rechnungsabschluß im Gegensatz zum
Voranschlag um 129 Millionen weniger eingenommen worden. Bei der
Einkommensteuer ergibt sich eine Steigerung von nich weniger als
508 Millionen. Aber die Grundsteuer ist gleichfalls zurückgegangen
und zwar von 150 um 30 Millionen.
Nun möchte ich ein Wort darüber sagen,
wieso das kommt. Die direkten Steuern, insbesondere die Einkommensteuer,
weiß der Staat durch Abzüge vom Lohn hereinzubringen.
Bei dieser Steuer hat der Staat sich die Möglichkeit geschaffen,
recht viel aus den arbeitenden Klassen und aus den Angestellten
an Steuern herauszuholen. Kapitalisten, Unternehmer und Industrielle
können dem Staat große Beträge an direkten Steuern
entziehen, der Arbeiter und Angestellte kann das nicht. Sie können
ihr Einkommen nicht verheimlichen, es wird kontrolliert, vom Lohn
und Gehalt wird ihm die Steuer abgezogen, als Unterlagen hat man
die Lohnlisten. Da man jetzt im neuen Steuergesetz von vornherein
darauf ausgeht, die Einkommensteuer vom Arbeiter und Angestellten
abzuziehen, sichert sich der Staat ganz gewaltige Jahres einnahmen.
d. h. er verhindert dadurch, daß ein Arbeiter oder Angestellter
den Staat um die Einkommensteuer bringen könnte. Anders steht
es bei den Besitzenden, die selbst ihr Einkommen fatieren. Selbst
der Finanzminister Engliš hat zugeben müssen,
daß solche Steuerhinterziehungen häufig vorkommen.
Wir könnten noch andere Kapitel herausziehen und aufzeigen,
daß in der Èechoslovakei, wie in jedem kapitalistischen
Staat die Besitzlosen, die Arbeiter und Angestellten stark herangezogen
werden zur Dekkung der Ausgaben für die Staatswirtschaft,
daß aber in der Steuerfrage die Besitzenden
die Möglichkeit haben, einen Teil ihres steuerpflichtigen
Einkommens zu verleugnen, also die Möglichkeit haben, dem
Staat Steuern vorzuenthalten.
Was die Staatsschuld anlangt, so ist es auffällig,
daß man einen geringen Betrag abgestoßen hat, und
zwar 754 Millionen, daß aber die Staatsschuld nicht geringer
erscheint, sondern etwas höher ist, so daß die erfolgte
Abstattung finanztechnisch überhaupt keinerlei Bedeutung
hat.
Wir sind mit dem heute zur Verhandlung stehenden
Rechnungsabschluß nicht einverstanden, wir haben viel daran
auszusetzen und wir stellen vor allem fest, daß es eine
ganz kuriose Finanzverwaltung ist, wenn man derartige weitgehende
Überschreitungen dann im Rechnungsabschluß vorfindet.
Es sind hier große Beträge, um die man sich bei der
Einsetzung der zu erwartenden Einnahmen an Steuern und Zöllen
geirrt hat. Die Überschreitungen sind groß und beweisen,
daß unsere Staatsverwaltung sehr viel zu wünschen übrig
läßt. Nun hängt das, was der Staat uns im Rechnungsabschluß
vorlegt und was wir heute besprechen, sehr eng mit der
wirtschaftlichen Lage zusammen, in der wir gegenwärtig leben.
Nach dem Rechnungsabschluß zu schliessen, sähe es in
der Èechoslovakei glänzend aus: nach außenhin
ein Budget ohne Defizit. Man sucht den Eindruck hervorzurufen,
daß wunderbar gewirtschaftet wird und
gewiegte Wirtschafter den Staat führen und leiten. Aber so
glänzend als die Ziffern über die Wirtschaft des Staates
ausschauen, so sehr steht das Bild im Gegensatz zur wirtschaftlichen
Lage. Schon die übergroße Belastung der arbeitenden
Bevölkerung durch die Steuern führt dazu, daß
Hunderttausende sehr schwer um ihre Existenz kämpfen müssen.
Die letzten Gesetze, die man auf dem Gebiete der Zölle beschlossen
hat, werden die Zustände noch verschlimmern, es wird noch
ärger werden. Wir sehen jetzt, wie von Monat zu Monat durch
die Gesetze vom vorigen Sommer die Lebenslage der Arbeiter sich
immer mehr verschlechtert. Wir wollen auch da ein paar Ziffern
anführen, und untersuchen, wie es in Wirklichkeit aussieht.
Ich habe vorhin schon gesagt: Wir haben an Zöllen bedeutend
mehr eingenommen, als im Voranschlag angenommen worden war. Nun
sehen wir uns einmal an, welche Folgen dadurch entstanden sind,
daß im Vorjahre die Zollgesetze beschlossen wurden. Wenn
wir die amtlichen Ziffern ansehen, finden wir, daß im Jahre
1923 ein Kilogramm Brot 2.01 K gekostet hat. Jm Jahre
1926 beträgt der Preis eines Kilogramm Brotes 2.66
K. Wir haben also eine Steigerung von 65 Hellern. Gegenüber
dem Jahre 1923 ist das eine Steigerung von 32.34 %.
Das war der Preis am 30. November 1925. Im Jahre 1926 kostete
das Kilogramm Brot 2.77 K. Gehen wir zu einem anderen
Nahrungsmittel, zu dem, was die Hauptnahrung der arbeitenden Klassen
ist, zur Kartoffel, so sehen wir, daß die Kartoffeln pro
Kilo im Jahre 1923 80 Heller gekostet haben. Bis zum 31. Oktober
1923 ist der Preis auf 1.25 Kronen gestiegen. Nun sagte
ich schon: Die Kartoffeln sind das Hauptnahrungsmittel der armen
Klassen, der Arbeiter, besonders der Arbeiterschaft in den Gebieten,
die ohnehin fortlaufend in Wirtschaftskrise und Wirtschaftsnot
leben. Der Zucker ist gleichfalls seit dem Jahre 1923 ganz wesentlich
gestiegen. Damals betrug der Preis 4.96, am 30. November
1926 5.80 und am 28. Feber 1927 6.01 Kronen.
Ich könnte auch noch die anderen amtlichen Ziffern bezüglich
der übrigen Nahrungsmittel anführen und beweisen, daß
alle durchgehends im Preise gestiegen sind.
Worauf ist das zurückzuführen? Auf
nichts anderes, als auf die vorjährige Zollpolitik, darauf,
daß die Agrarier in der neuen Regierungskoalition alle ihre
Wünsche und Forderungen durchzusetzen imstande gewesen sind.
Wie sich die neuen Zölle in der Landwirtschaft, für
die Bauern auswirken, das geht daraus hervor, daß selbst
dann, wenn sich die Anbaufläche verringert und der Ertrag
ein geringerer geworden ist, der Wert der Ernte um ein ganz Gewaltiges
gestiegen ist.
Im allgemeinen sehen wir, daß die Bauern
und Landwirte durch die Zollpolitik gewonnen haben. Ihre Einnahmen,
der Preis für ihre Erzeugnisse, sind höher geworden.
Damit ist widerlegt, was man bei Beratung der Zolldebatte erklärt
hat, daß es zu keiner Verteuerung der Lebensmittel kommen
wird. So ist nachgewiesen, daß die damaligen Prophezeiungen,
es werde die Lebenshaltung der Arbeiterklasse nicht verschlechtert
werden, falsch waren; ich bin überzeugt, daß die Herren
auch keinen Augenblick daran gedacht haben, sie sind nur die Meinung
gewesen, man könne aller Welt einreden, daß die Erhöhung
der Zölle und die Einführung von Zöllen nicht auf
die Preise der Lebensmittel zurückwirkten und nicht dazu
führen werden, daß die Lebenshaltung der Arbeiter und
Angestellten davon betroffen wird. Die heutige Wirtschaftslage
der breiten Maßen der Bevölkerung ist ausschließlich
auf die letzten Zollgesetze, auf die Erhöhung der Steuern
usw. zurückzuführen. Wenn wir auch wissen, daß
im Zusammenhang der Weltwirtschaft die Èechoslovakei auch
an ihrer Wirtschaft zu leiden hat, so bestreiten wir doch, daß
die heutige krisenhafte Lage in der Industrie allein darauf zurückzuführen
ist, daß sich auf dem Weltmarkte nach dem Kriege Veränderungen
auf wirtschaftlichem Gebiete vollzogen haben. Hätte man beizeiten
mit jenen Staaten Handelsverträge abgeschlossen, die für
uns am allermeisten in Betracht kommen und würde man vor
allem auf dem Gebiete der Wirtschaft eine Politik eingeschlagen
haben, die den arbeitenden Klassen Rechnung trägt, so wäre
sicher manches anders. In der letzten Zeit wird viel von einer
Besserung im Wirtschaftsleben gesprochen, die Industrie fange
wieder an aufzuleben, sie bekomme Aufträge. Aber das ist,
wenn hie und da ein solcher Aufschwung auftritt, durchaus nicht
entscheidend für unsere ganze Wirtschaft. Im Norden Böhmens
stehen seit Jahren eine Reihe von Betrieben, und man weiß
nicht, ob sie jemals wieder aufgenommen werden.
Eine Industrie ist es insbesondere, die unter
einer furchtbaren Krise seit vielen Jahren zu leiden hat, das
ist die Glasindustrie. Es ist nicht die erste Krise, die die Glasindustrie
heimsucht. Wir hatten Ende der achtziger Jahre und Anfang der
neunziger Jahre den heutigen Verhältnissen ähnliche
Zustände. Damals gab es wenig Arbeit, die Perlenbläser
waren nahezu beschäftigungslos und als sie hörten, daß
ein großer Betrieb die Erzeugung von Perlen einführe,
gerieten die Arbeiter in noch größere Erregung, weil
sie annahmen, jetzt wende ihnen auch noch die letzte Arbeitsmöglichkeit
genommen werden. Da kam es zu den gleichen Vorfällen, wie
wir sie jetzt erlebt haben. In den Jahren 1889 und 1890, als sich
ähnliche Vorgänge abspielten, die immer dort eintreten,
wo die Arbeiter merken, daß sich niemand um ihr Los kümmert,
wurden Notstandsausschüsse geschaffen. Amtliche Stellen nahmen
sich der Industrie an, um sie wieder zu heben. Aber was geschieht
jetzt? Es hat schon heute einer der Herrn Redner darauf verwiesen,
daß kürzlich eine grose Arbeiter-Demonstration im Isergebirge
stattgefunden hat. Man scheint aber diese Demonstration, den Aufmarsch
der Arbeiter, um die Regierung und die Behörden auf die Not
im Isergebirge aufmerksam zu machen, überhaupt nicht beachtet
zu haben. Niemand griff ein, um zu verhandeln, und keine Behörde
meldete sich, um die Glasindustrie aus ihrer Not herauszuführen.
Da hat die Verzweiflung die Menschen erfaßt und nur darauf
sind die Ereignisse im Gablonz-Tannwalder Bezirke zurückzuführen.
Auch das hat die öffentlichen Ämter
und die Regierung noch lange nicht in Bewegung gesetzt, für
die Glasindustrie etwas zu tun. Als die Arbeiter sahen, daß
man sich auch jetzt nicht um sie kümmert, ist es zu den bedauerlichen
Vorfällen gekommen. Ich bin der Anschauung, daß sich
diese Vorgänge nicht hätten ereignen können, wenn
die Regierung nach der großen Demonstration in Gablonz auch
daran gegangen wäre, sofort mit den zuständigen Körperschaften
im Gebiete der Glasindustrie zu verhandeln. Man hat sich nicht
im geringsten darum gekümmert, was weiter im Gebirge werden
soll. Als dann die Demonstrationen ernsteren Charakter annahmen,
entsendete die Staatsverwaltung in das Isergebirge ganze Kompagnien
von Gendarmen, verhängte den Ausnahmszustand und beruft sich
dabei auf eine Ministerialverordnung aus dem Jahre 1853. Schickt
Gendarmen hin, droht mit dem Standrecht und verhaftet seit diesen
Demonstrationen Arbeiter. Ich habe mir heute einen Bericht über
die Vorgänge im Isergebirge kommen lassen und da wird unter
anderem mitgeteilt, daß wegen Beteiligung an den Demonstrationen
ein Gehilfenausschußmitglied in Morchenstern verhaftet wurde,
das den Demonstrationen ferngeblieben war. Nun heißt es
weiter: "Seine Frau, die sich im 8. Monate ihrer Schwangerschaft
befindet, wollte ihn auf den Bahnhof begleiten, wurde aber von
einem Gendarmen von der Treppe herabgestoßen, so daß
sie seit dieser Zeit krank darnieder liegt." Der Glasarbeiterverband
stellt fest, daß Renner bei der Demonstration in Obertannwald
nicht anwesend war und nur bei der Rückkehr der erregten
Arbeiter aus Morchenstern auf sie eingewirkt habe, ruhig auseinander
zu gehen. Der Mann hat also die mit Recht aufgeregten Menschen
zu beruhigen versucht, hat ihnen vorgestellt, daß solche
Kampfmittel nicht zum Ziele führen, so berechtigt auch die
Entrüstung und der Unwille über die Untätigkeit
der èechoslovakischen Regierung sein mag. Dafür wird
der Mann eingesperrt und bei seiner Verhaftung muß er sehen,
daß man seine schwangere Frau roh behandelt. Das, was ich
hier sage, soll durchhaus nicht so gedeutet werden, als
ob wir die Gendarmen dafür verantwortlich machen wollten,
daß sie jetzt im Gebirge die Straßen absperren, jeden
Menschen anhalten, der sich nach Morchenstern begibt, von ihm
verlangen, daß er sich ausweise, wohin er geht, daß
sie alle Gasthausräume des Isergebirges in den Abendstunden
durchsuchen, ob nicht eine Versammlung stattfindet, so daß
Staatsbürger, die im Tannwalder Gebiet und einem Teil des
Gablonzer Gebietes arbeiten, sich heute überhaupt nicht mehr
frei bewegen können. (Výkøiky na
levici.) Wir machen die Gendarmen dafür
nicht verantwortlich. Sie müssen gehorchen, wenn sie nicht
ihren Dienst und ihre Existenz verlieren wollen. Verantwortlich
aber machen wir für solche Vorfälle die politische Behörde
von Gablonz, die vergessen hat, den Gendarmen die notwendigen
Weisungen zu geben, daß man nicht roh gegen die Arbeiterschaft
vorgehe. Schuld ist die èechoslovakische Regierung, die
die Erbitterung von Tag zu Tag steigert, dadurch, daß sie
ein paar Kompagnien Gendarmen hinschickt -
es sollen an 300 Gendarmen im Tannwalder und im Gablonzer Gebiete
stehen - den Ausnahmszustand verhängt und Zustände schafft,
die förmlich einer Belagerung gleichen. Solche Maßnahmen
müssen im Glasindustriegebiet Nordböhmens die Erbitterung
verschärfen. Man braucht sich gar nicht zu wundern,
daß sich die Arbeiter gegen eine solche Behandlung zur Wehr
setzen. Die èechoslovakische Regierung hätte die Aufgabe
gehabt, nach der großen Demonstration in Gablonz, die die
Forderung aufstellte, ein Erzeugungsverbot
für Schmirgelware herauszugeben, sofort einzuschreiten und
anstatt Gendarmen in das Gebiet zu schicken, ein paar ernste Sachverständige
auf dem Gebiete der Wirtschaft dorthin zu delegieren, um einen
Ausweg zu suchen. Dazu wären in das Isergebirge, nach Gablonz
und Tannwald vom Handelsministerium Beamte zu schicken gewesen,
die dort zu untersuchen gehabt hätten, was von der Regierung
unternommen werden könnte, die Glasindustrie nicht vor dem
völligen Ruin zu bewahren.
Zum Teil ist auch die èechoslovakische Wirtschaftspolitik
daran schuld, daß es mit der Glasindustrie heute so aussieht.
(Posl. Grünzner: Die deutschen Regierungsparteien
reden fortwährend von wirtschaftlichen Vorteilen!) Die
Abgeordneten der deutschen Regierungsparteien hätten sich
schon darüber unterrichten sollen, wie die Arbeiter über
die jetzige Lage denken, was sie wollen, kurz wenn sie auch ein
wenig der Not im Isergebirge ihre Aufmerksamkeit zugewendet hätten.
(Posl. de Witte: Das interessiert sie gar nicht!) Gewiß,
das interessiert sie nicht. Sie scheinen ganz damit einverstanden
zu sein, da sich die Regierung echt österreichisch einrichtet,
daß sie auf eine berechtigte Bewegung mit Gendarmerie antwortet,
das Standrecht androht und so ein großes Industriegebiet
um jedes öffentliche Leben bringt. (Posl. de Witte: Der
Unterschied ist nur, daß damals auch Bürgerliche dagegen
aufschrien!) Es wird sich in diesem Hanse aus dem bürgerlichen
Lager kein Kronawetter melden, der die Maßnahmen der Regierung
verwirft, der sich dagegen wendet, daß man die Notlage
eines Gebietes mit Bajonetten behandeln will. Wie zur Zeit des
Ausnahmszustandes im alten Österreich sieht es jetzt in den
Glasindustriegebieten Nordböhmens aus. Die èechoslovakische
Staatsverwaltung treibt die Zustände auf die Spitze,
wenn sie mit brutalen Mitteln der Gewalt Ordnung machen will.
Das geschieht zu einer Zeit, in der deutschbürgerliche Parteien
in der Regierung sitzen. Wir verwahren uns dagegen, daß
eine große Industrie und eine nach Tausenden zählende
Arbeiterbevölkerung derart behandelt wird. Wir fordern rasches
Eingreifen. Es ist nicht wahr, daß Hilfe nicht mehr möglich
wäre, und durchaus falsch, wenn man behauptet, daß
die Maßnahmen, die die Glasarbeiter verlangen, undurchführbar
seien. Warum kann man kein Verbot der Erzeugung von Schundwaren
erlassen? Ich sehe nicht ein, warum das unmöglich sein sollte.
Es ist nicht so, wie behauptet wird, daß die Länder,
wohin die Glasindustrieerzeugnisse exportiert werden, nach Schundware
verlangen. Im Übrigen ist bekannt, daß die Gablonzer
Exporteure und Erzeuger auch in Krisenzeiten große Gewinne
erzielen wollen, vor allem durch Verschlechterung der Ware.