Wir sind der Überzeugung, daß der
Glasindustrie schon längst hätte geholfen werden können,
wenn man während der Krise im Jahre 1923 eingegriffen und
der Wiederkehr eines solchen Notzustandes, wie wir ihn heute sehen,
vorgebeugt hätte. Das ist nicht geschehen. Wir klagen die
Regierung einer schweren Versäumnis an, wir klagen die jetzige
Regierung vor allem anderen deshalb an, weil sie durch
Maßnahmen im Isergebirge einen unerträglichen Zustand
geschaffen hat und wir fordern von der Regierung die sofortige
Aufhebung der Kundmachung des Chefs der Gablonzer politischen
Verwaltung. Es ist für die Èechoslovakische Republik
keine Ehre, sich bei der Niederwerfung der
Arbeiterklasse auf die Ministerialverordnung vom Jahre 1853 zu
berufen. Wie kann man das zusammenreimen mit den sonstigen Auffassungen,
damit, daß man immer und immer wieder erklärt, man
wolle vollständig heraus aus der Politik des alten Österreichs?
Wir sehen aber, daß wie früher mit Gendarmerie, mit
aufgepflanztem Bajonett, mit Kundmachungen und Androhungen des
Standrechtes versucht wird, über eine wirtschaftliche Schwierigkeit
hinwegzukommen.
Nicht nur die Glasindustrie, das wissen wir,
leidet an einer schweren Krise. Wir haben im Allgemeinen seit
zwei Jahren ganze Betriebe stillstehen und da ist es bezeichnend,
daß, trotzdem eine große Arbeitslosigkeit herrscht,
die Gewerbebehörden in einem Jahre über 15 Millionen
Überstunden bewilligt haben. (Výkøiky
posl. Pohla.) Die Überstundenstatistik
vom Jahre 1926 werden wir erst aus dem Gewerbeinspektorenbericht
ersehen. Es hätten, wenn wir da eine Berechnung vornehmen,
wenn diese Überstunden unterblieben wären, über
6.000 Arbeiter das ganze Jahr hindurch beschäftigt werden
können, das heißt, es wären um 6.000 Arbeitslose
weniger gewesen. Das ist eine Wirtschafts- und Sozialpolitik,
die durchaus den Grundsätzen widerspricht, mit denen man
sonst immer hier so sehr Staat macht.
Ich habe aus dem Jahresabschluß
einige Ziffern herausgezogen, die beweisen sollen, daß an
ihm viel auszusetzen wäre. Insbesondere traurig bestellt
ist es mit der Erledigung sozialer Aufgaben des Staates. Da wird
uns immer gesagt, daß die èechoslovakische Wirtschaft
durch die sozialen Einrichtungen viel zu stark
belastet sei. Diese Behauptungen sind vor kurzer Zeit glänzend
durch den ehemaligen Handelsminister Hotowetz widererlegt
worden, der in einem Vortrag ausgeführt hat, daß die
Belastung aus sozialen Verpflichtungen in der Èechoslovakei
wesentlich niedriger als in Deutschland ist, wo auf den Kopf der
Bevölkerung der Beitrag von 370 Kronen entfällt, in
der Èechoslovakei aber nur 180 Kronen. Die Belastung des
Wirtschaftslebens ist also bei uns durchaus nicht übermäßig.
Den besitzenden Klassen, den Unternehmern und
den Industriellen wird gern entgegengekommen. Dafür arbeitet
die Gesetzgebung immer so, daß die Not der arbeitenden Klassen
verschlimmert wird. Der Rechnungsabschluß beweist, daß
die Überschüsse im Jahresabschluß auf das Anwachsen
gewisser Steuern und Zölle zurückzuführen sind.
Der Hauptteil der Staatskosten liegt auf den Schultern der Arbeiter.
Wenn Arbeiter sich aber einmal auflehnen, dann geht die Regierung
mit den schärfsten Mitteln gegen das Proletariat vor, dann
greift sie zu Maßnahmen, wie sie einmal in Österreich
ab und zu vorkamen oder wie sie im alten Preußen üblich
waren, als dort noch die Monarchie bestand. Wir verwerfen eine
solche Politik und verlangen, daß über die Vorgänge
im Isergebirge und über die Entschlüsse der Regierung,
die sie zur Verbesserung der dortigen Zustände gefaßt
hat, im offenen Hause Aufschluß gegeben wird. Wenn es sich
um ein so großes Gebiet handelt, wenn die Arbeiterschaft
und die Bevölkerung eines großen Gebietes so gemartet
und so provoziert wird, wie es in diesen Tagen geschehen ist,
dann wäre es einfach Pflicht, daß die verantwortlichen
Minister da sind, um ihr Tun zu rechtfertigen. Wir bestreiten
übrigens, daß der Chef der politischen Bezirksverwaltung
in Gablonz das Recht hat, eine solche Kundgebung zu erlassen.
Er hat nicht das Recht, den Ausnahmezustand zu verfügen,
er hat nicht noch mehr die Erbitterung zu steigern und Öl
ins Feuer zu gießen. Die Aufgabe des Chefs der politischen
Bezirksverwaltung in Gablonz wäre es gewesen, von den amtlichen
Stellen in Prag zu verlangen, daß sie sich um die dortigen
Verhältnisse kümmern. Sie sollen sich aber keine Märchen
erzählen lassen. Da ist kürzlich eine Enquete über
die Notlage im Glasindustriegebiet abgehalten worden, bei der
ein Vertreter der Exporteure die Behauptung, aufstellte, im Gablonz-Tannwalder
Gebiet gebe es keine Arbeitslosigkeit, dort herrsche keine Not,
da leben die Menschen noch ganz gut, es sei gar nicht wahr, daß
dort schlimme Zustände herrschen. Auf das hin haben die amtlichen
Stellen in Prag gemeint, nichts weiter tun zu müssen. Sie
erblicken in den Demonstrationen der Arbeiter nichts anderes,
als ein Werk der Aufhetzung und der Wühler, ein Werk politischer
Parteien, die zur Regierung in Opposition stehen.
In einem solchen ernsten Augenblick sollten
auch die Vertreter der deutschen Regierungsparteien dafür
eintreten, daß zur Rettung der Glasindustrie alles notwendige
geschieht. Sie behaupten ja immer, daß sie nicht ohne Einfluß
sind. Sie erklären überall, daß es anfangt, besser
zu werden, und daß wir erträglichere Zustände
bekommen. Nun handelt es sich in Gablonz-Tannwald nicht um ein
vorwiegend èechisches Gebiet, sondern dort sind meist deutsche
Arbeiter beschäftigt. Die Arbeiter des Isergebirges stehen
allerdings nur zu einem Bruchteil in der Gefolgschaft
der jetzigen Regierungsparteien, vielleicht glaubt man, es deshalb
nicht nötig zu haben, sich im Gablonz-Tannwalder Gebiet umzusehen.
Deutsche Arbeiter haben seit Jahrzehnten mit der Reichenberger
Handelskammer und mit der dortigen Bevölkerung zusammengearbeitet,
um einen Ausweg aus den Schwierigkeiten zu finden, und es dahinzubringen,
daß die Glasindustrie vorwärts schreitet.
Wir nehmen den Rechnungsabschluß nicht
zur Kenntnis, wir halten uns für verpflichtet auszusprechen,
daß der Rechnungsabschluß im Widerspruch zur
eigentlichen Wirtschaftslage der Èechoslovakei steht, trotz
der glanzvollen Aufmachung der Ziffern. Mit den ausgewiesenen
Überschüssen will man nur dem Ausland Sand in die Augen
streuen, das nicht die Möglichkeit hat,
alles nachzuprüfen und zu untersuchen, was an solchen Berichten
Wahres ist. Wir verwahren uns gegen die Haltung der Regierung
und verlangen, daß noch im Laufe der nächsten Tage
im offenen Hause der Ministerpräsident und der Handelsminister
Aufklärung geben, ob sie bereit sind, im Isergebirge, in
den Bezirken Gablonz, Tannwald, Eisenbrod und Turnau dafür
zu sorgen, daß die dort lebenden Arbeiter wieder ihre Verdienstmöglichkeit
gesichert erhalten. Es sind viele der besten Kräfte aus der
Glasindustrie nicht nur in Nordböhmen, sondern auch schon
im Haidaergebiet ausgewandert, weil sie nicht mehr in diesem Lande
es ausgehalten haben. Es widerstreitet jeder Vernunft, jetzt die
Auswanderung zu erschweren, wie das so oft geschieht, wenn man
nicht imstande ist, den Arbeitern Beschäftigung zu geben.
Wir verlangen also zunächst einmal Aufschluß darüber,
was die Regierung zu tun gedenkt, um der Glasindustrie zu helfen,
und wir verlangen mit allem Nachdruck, daß von der Regierung
sofort die Kundmachungen und Maßnahmen zurückgenommen
werden, die jetzt im Gang sind und die Bevölkerung beunruhigen.
Man kann Maßnahmen nicht aufrechthalten, die in keiner Hinsicht
begründet sind, die im Widerspruch dazu stehen, was man während
der Verhandlungen in Aussicht gestellt hat und was man hie und
da geäußert hat. Man wird Maßnahmen suchen müssen,
um der Glasindustrie zu helfen. Die Regierung und die jetzigen
Mehrheitsparteien, müssen die Verantwortung dafür übernehmen,
wenn die Gewaltmaßnahmen der politischen Behörden unter
der Arbeiterschaft des Isergebirges die Leidenschaften noch mehr
in Wallung bringen. Die Regierung ist für die Vorgänge
der letzten Tage verantwortlich, dafür, daß die Gendarmen
im Isergebirge förmlich jeden Verkehr aufheben. Sie ist verantwortlich
für die Handlung des Chefs der Gablonzer politischen Bezirksverwaltung
und für alle Folgen, die sich daraus entwickeln. Sie sollte
bedenken, daß mit Bajonetten und drakonischen Verordnungen,
mit Kundgebungen und Standrechtandrohungen nichts getan ist. Sie
sollte bedenken, daß dadurch die Bevölkerung nicht
befriedigt wird, sondern zur Verzweiflung getrieben wird. Es gilt,
eine große Bevölkerung aus Not und Elend zu retten.
Die Gablonzer und die Tannwalder Arbeiter haben bei der ersten
großen Demonstration bewiesen, daß die gewillt sind,
für ihre Forderungen mit zulässigen Kampfmitteln einzutreten.
Wozu das große Gendarmerieaufgebot und die Androhung des
Standrechtes? Beides muß zurückgezogen werden.
Der Handelsminister soll endlich dazu beitragen,
daß im Gablonz-Tannwalder Industriegebiet jene Maßnahmen
durchgeführt werden, die die Arbeiter verlangen. Unmöglich
ist es nicht, durch Einschränkung der Schmirgelwarenerzeugung
der Glasindustrie nicht einigermaßen aufzuhelfen. Dazu gehören
jedoch andere Regierungsmethoden als solche, die in rückständigen
Staaten üblich sind. Eine Bewegung, die aus schwerer Not
und vielen Enttäuschungen entstanden ist, muß anders
beurteilt werden, als es die Regierung und die Mehrheitsparteien
tun. (Souhlas poslancù nìm. soc.
dem. strany dìlnické.)