Úterý 5. dubna 1927

Wir sind der Überzeugung, daß der Glasindustrie schon längst hätte geholfen werden können, wenn man während der Krise im Jahre 1923 eingegriffen und der Wiederkehr eines solchen Notzustandes, wie wir ihn heute sehen, vorgebeugt hätte. Das ist nicht geschehen. Wir klagen die Regierung einer schweren Versäumnis an, wir klagen die jetzige Regierung vor allem anderen deshalb an, weil sie durch Maßnahmen im Isergebirge einen unerträglichen Zustand geschaffen hat und wir fordern von der Regierung die sofortige Aufhebung der Kundmachung des Chefs der Gablonzer politischen Verwaltung. Es ist für die Èechoslovakische Republik keine Ehre, sich bei der Niederwerfung der Arbeiterklasse auf die Ministerialverordnung vom Jahre 1853 zu berufen. Wie kann man das zusammenreimen mit den sonstigen Auffassungen, damit, daß man immer und immer wieder erklärt, man wolle vollständig heraus aus der Politik des alten Österreichs? Wir sehen aber, daß wie früher mit Gendarmerie, mit aufgepflanztem Bajonett, mit Kundmachungen und Androhungen des Standrechtes versucht wird, über eine wirtschaftliche Schwierigkeit hinwegzukommen.

Nicht nur die Glasindustrie, das wissen wir, leidet an einer schweren Krise. Wir haben im Allgemeinen seit zwei Jahren ganze Betriebe stillstehen und da ist es bezeichnend, daß, trotzdem eine große Arbeitslosigkeit herrscht, die Gewerbebehörden in einem Jahre über 15 Millionen Überstunden bewilligt haben. (Výkøiky posl. Pohla.) Die Überstundenstatistik vom Jahre 1926 werden wir erst aus dem Gewerbeinspektorenbericht ersehen. Es hätten, wenn wir da eine Berechnung vornehmen, wenn diese Überstunden unterblieben wären, über 6.000 Arbeiter das ganze Jahr hindurch beschäftigt werden können, das heißt, es wären um 6.000 Arbeitslose weniger gewesen. Das ist eine Wirtschafts- und Sozialpolitik, die durchaus den Grundsätzen widerspricht, mit denen man sonst immer hier so sehr Staat macht.

Ich habe aus dem Jahresabschluß einige Ziffern herausgezogen, die beweisen sollen, daß an ihm viel auszusetzen wäre. Insbesondere traurig bestellt ist es mit der Erledigung sozialer Aufgaben des Staates. Da wird uns immer gesagt, daß die èechoslovakische Wirtschaft durch die sozialen Einrichtungen viel zu stark belastet sei. Diese Behauptungen sind vor kurzer Zeit glänzend durch den ehemaligen Handelsminister Hotowetz widererlegt worden, der in einem Vortrag ausgeführt hat, daß die Belastung aus sozialen Verpflichtungen in der Èechoslovakei wesentlich niedriger als in Deutschland ist, wo auf den Kopf der Bevölkerung der Beitrag von 370 Kronen entfällt, in der Èechoslovakei aber nur 180 Kronen. Die Belastung des Wirtschaftslebens ist also bei uns durchaus nicht übermäßig. Den besitzenden Klassen, den Unternehmern und den Industriellen wird gern entgegengekommen. Dafür arbeitet die Gesetzgebung immer so, daß die Not der arbeitenden Klassen verschlimmert wird. Der Rechnungsabschluß beweist, daß die Überschüsse im Jahresabschluß auf das Anwachsen gewisser Steuern und Zölle zurückzuführen sind. Der Hauptteil der Staatskosten liegt auf den Schultern der Arbeiter. Wenn Arbeiter sich aber einmal auflehnen, dann geht die Regierung mit den schärfsten Mitteln gegen das Proletariat vor, dann greift sie zu Maßnahmen, wie sie einmal in Österreich ab und zu vorkamen oder wie sie im alten Preußen üblich waren, als dort noch die Monarchie bestand. Wir verwerfen eine solche Politik und verlangen, daß über die Vorgänge im Isergebirge und über die Entschlüsse der Regierung, die sie zur Verbesserung der dortigen Zustände gefaßt hat, im offenen Hause Aufschluß gegeben wird. Wenn es sich um ein so großes Gebiet handelt, wenn die Arbeiterschaft und die Bevölkerung eines großen Gebietes so gemartet und so provoziert wird, wie es in diesen Tagen geschehen ist, dann wäre es einfach Pflicht, daß die verantwortlichen Minister da sind, um ihr Tun zu rechtfertigen. Wir bestreiten übrigens, daß der Chef der politischen Bezirksverwaltung in Gablonz das Recht hat, eine solche Kundgebung zu erlassen. Er hat nicht das Recht, den Ausnahmezustand zu verfügen, er hat nicht noch mehr die Erbitterung zu steigern und Öl ins Feuer zu gießen. Die Aufgabe des Chefs der politischen Bezirksverwaltung in Gablonz wäre es gewesen, von den amtlichen Stellen in Prag zu verlangen, daß sie sich um die dortigen Verhältnisse kümmern. Sie sollen sich aber keine Märchen erzählen lassen. Da ist kürzlich eine Enquete über die Notlage im Glasindustriegebiet abgehalten worden, bei der ein Vertreter der Exporteure die Behauptung, aufstellte, im Gablonz-Tannwalder Gebiet gebe es keine Arbeitslosigkeit, dort herrsche keine Not, da leben die Menschen noch ganz gut, es sei gar nicht wahr, daß dort schlimme Zustände herrschen. Auf das hin haben die amtlichen Stellen in Prag gemeint, nichts weiter tun zu müssen. Sie erblicken in den Demonstrationen der Arbeiter nichts anderes, als ein Werk der Aufhetzung und der Wühler, ein Werk politischer Parteien, die zur Regierung in Opposition stehen.

In einem solchen ernsten Augenblick sollten auch die Vertreter der deutschen Regierungsparteien dafür eintreten, daß zur Rettung der Glasindustrie alles notwendige geschieht. Sie behaupten ja immer, daß sie nicht ohne Einfluß sind. Sie erklären überall, daß es anfangt, besser zu werden, und daß wir erträglichere Zustände bekommen. Nun handelt es sich in Gablonz-Tannwald nicht um ein vorwiegend èechisches Gebiet, sondern dort sind meist deutsche Arbeiter beschäftigt. Die Arbeiter des Isergebirges stehen allerdings nur zu einem Bruchteil in der Gefolgschaft der jetzigen Regierungsparteien, vielleicht glaubt man, es deshalb nicht nötig zu haben, sich im Gablonz-Tannwalder Gebiet umzusehen. Deutsche Arbeiter haben seit Jahrzehnten mit der Reichenberger Handelskammer und mit der dortigen Bevölkerung zusammengearbeitet, um einen Ausweg aus den Schwierigkeiten zu finden, und es dahinzubringen, daß die Glasindustrie vorwärts schreitet.

Wir nehmen den Rechnungsabschluß nicht zur Kenntnis, wir halten uns für verpflichtet auszusprechen, daß der Rechnungsabschluß im Widerspruch zur eigentlichen Wirtschaftslage der Èechoslovakei steht, trotz der glanzvollen Aufmachung der Ziffern. Mit den ausgewiesenen Überschüssen will man nur dem Ausland Sand in die Augen streuen, das nicht die Möglichkeit hat, alles nachzuprüfen und zu untersuchen, was an solchen Berichten Wahres ist. Wir verwahren uns gegen die Haltung der Regierung und verlangen, daß noch im Laufe der nächsten Tage im offenen Hause der Ministerpräsident und der Handelsminister Aufklärung geben, ob sie bereit sind, im Isergebirge, in den Bezirken Gablonz, Tannwald, Eisenbrod und Turnau dafür zu sorgen, daß die dort lebenden Arbeiter wieder ihre Verdienstmöglichkeit gesichert erhalten. Es sind viele der besten Kräfte aus der Glasindustrie nicht nur in Nordböhmen, sondern auch schon im Haidaergebiet ausgewandert, weil sie nicht mehr in diesem Lande es ausgehalten haben. Es widerstreitet jeder Vernunft, jetzt die Auswanderung zu erschweren, wie das so oft geschieht, wenn man nicht imstande ist, den Arbeitern Beschäftigung zu geben. Wir verlangen also zunächst einmal Aufschluß darüber, was die Regierung zu tun gedenkt, um der Glasindustrie zu helfen, und wir verlangen mit allem Nachdruck, daß von der Regierung sofort die Kundmachungen und Maßnahmen zurückgenommen werden, die jetzt im Gang sind und die Bevölkerung beunruhigen. Man kann Maßnahmen nicht aufrechthalten, die in keiner Hinsicht begründet sind, die im Widerspruch dazu stehen, was man während der Verhandlungen in Aussicht gestellt hat und was man hie und da geäußert hat. Man wird Maßnahmen suchen müssen, um der Glasindustrie zu helfen. Die Regierung und die jetzigen Mehrheitsparteien, müssen die Verantwortung dafür übernehmen, wenn die Gewaltmaßnahmen der politischen Behörden unter der Arbeiterschaft des Isergebirges die Leidenschaften noch mehr in Wallung bringen. Die Regierung ist für die Vorgänge der letzten Tage verantwortlich, dafür, daß die Gendarmen im Isergebirge förmlich jeden Verkehr aufheben. Sie ist verantwortlich für die Handlung des Chefs der Gablonzer politischen Bezirksverwaltung und für alle Folgen, die sich daraus entwickeln. Sie sollte bedenken, daß mit Bajonetten und drakonischen Verordnungen, mit Kundgebungen und Standrechtandrohungen nichts getan ist. Sie sollte bedenken, daß dadurch die Bevölkerung nicht befriedigt wird, sondern zur Verzweiflung getrieben wird. Es gilt, eine große Bevölkerung aus Not und Elend zu retten. Die Gablonzer und die Tannwalder Arbeiter haben bei der ersten großen Demonstration bewiesen, daß die gewillt sind, für ihre Forderungen mit zulässigen Kampfmitteln einzutreten. Wozu das große Gendarmerieaufgebot und die Androhung des Standrechtes? Beides muß zurückgezogen werden.

Der Handelsminister soll endlich dazu beitragen, daß im Gablonz-Tannwalder Industriegebiet jene Maßnahmen durchgeführt werden, die die Arbeiter verlangen. Unmöglich ist es nicht, durch Einschränkung der Schmirgelwarenerzeugung der Glasindustrie nicht einigermaßen aufzuhelfen. Dazu gehören jedoch andere Regierungsmethoden als solche, die in rückständigen Staaten üblich sind. Eine Bewegung, die aus schwerer Not und vielen Enttäuschungen entstanden ist, muß anders beurteilt werden, als es die Regierung und die Mehrheitsparteien tun. (Souhlas poslancù nìm. soc. dem. strany dìlnické.)

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