Hohes Haus! Die von den deutschen Regierungsparteien
in der gestrigen Sitzung abgegebene Erklärung enthält
eine Reihe von Unrichtigkeiten, die geeignet sind, die Öffentlichkeit
irre zu führen. Sie fordert auch sonst wegen ihres Inhaltes
zur schärfsten Kritik heraus. Der Klub der deutschen sozialdemokratischen
Abgeordneten hält daher eine Richtigstellung der unwahren
Behauptungen für notwendig und stellt fest:
"Entgegen der Behauptung der deutschen
Regierungsparteien, daß die Beibehaltung der achtzehnmonatigen
Dienstzeit nur für kurze Zeit bestimmt ist, stellen wir fest,
daß weder in dem Gesetze eine derartige Bestimmung enthalten
ist, noch im Motivenbericht oder auch nur in den Erkärungen
des Landesverteidigungsministers oder des Berichterstatters feste
Zusagen in dieser Richtung gemacht worden sind. Das Einzige, was
der Herr Minister ausgesprochen hat, ist die Hoffnung, daß
es möglich sein wird, nach Schaffung eines Kaders von wenigstens
8.000 längerdienenden Unteroffizieren an die Verkürzung
der Dienstzeit zu schreiten. Nach den wiederholten Erfahrungen,
die wir mit den Versprechungen der èechoslovakischen Regierung
gemacht haben, müssen wir uns auch nach Ablauf der zwei Jahre
auf eine Verlängerung der Dienstzeit gefaßt machen.
Wir stellen ferner fest, daß die Behauptung, als ob es sich
bei der Beseitigung des Soldatenwahlrechtes
nur um eine Verhinderung des nationalistischen Mißbrauches
bei den Gemeindewahlen handelt, absolut unrichtig ist, weil, wenn
dies richtig wäre, die deutschen Regierungsparteien unter
gar keinen Umständen der verfassungswidrigen Aufhebung des
Soldatenwahlrechtes für die Nationalversammlung hätten
zustimmen dürfen. Aber auch der Mißbrauch der Wahlbataillone
hätte durch Wiederherstellung der ursprünglichen Gemeindewahlordnung
bekämpft werden können und es wäre dazu der Raub
des wichtigsten politischen Rechtes nicht nötig gewesen.
Es ist weiters falsch, daß die Schaffung
der Ersatzreserve eine Erleichterung der Wehrpflicht für
alle wirtschaftlich schwachen Schichten beinhaltet, sie ist vielmehr
ein Klassenprivilegium und darüber hinaus eine offensichtliche
Vermehrung des festgelegten Heereskontingents und somit eine Stärkung
des Militarismus, die durch die Bevollmächtigung der Regierung
zu außerordentlichen Mobilisierungen noch besonders gefährlich
wird. Es ist endlich falsch, daß die vorläufige Zurückziehung
der Vorlage über die militärische Erziehung der Jugend
ein Erfolg des deutschen Aktivismus ist. Vielmehr hat der Minister
wörtlich erklärt, daß die Vorlage an technischen
und finanziellen Schwierigkeiten, namentlich wegen der Undurchführbarkeit
in der Slovakei, gescheitert sei. Gegenüber der Erklärung
der deutschen Parteien, daß die militärische Jugenderziehung
damit gefallen sei, stellen wir fest, daß dies von Anfang
an nur im Zusammenhang mit der Einführung der 14monatigen
Dienstzeit geplant 73 war und daß dies nach der präzisen
Erklärungen des Heeresministers nicht endgiltig aufgegeben
wurde. Schließlich stellen wir fest, daß sich die
Erklärung der Regierungsparteien über das Zertifikatistengesetz
vollkommen ausschweigt, womit eingestanden wird, daß
es sich hiebei um eine Èechisierungsmaßnahme handelt,
was bei der nationalen Zusammensetzung des Unteroffizierskorps
übrigens klar auf der Hand liegt.
Wenn die deutschen Regierungsparteien anläßlich
der Bewilligung von sechs Militärvorlagen erklärten,
daß sie bereit sind, dem Staate das zu geben, was er zu
seiner ruhigen und friedlichen Fortentwicklung bedarf, so steht
das nicht nur in schreiendem Widerspruch zu den Tatsachen, sondern
bedeutet direkt eine Verhöhnung der Bevölkerung. Die
deutschen Regierungsparteien haben in rascher Aufeinderfolge einen
Dreimilliarden-Fonds für Rüstungszwecke bewilligt, der
Aufrechterhaltung der 18monatigen Dienstzeit, der Schaffung eines
Kaders von längerdienenden Unteroffizieren, einer Ersatzreserve
und der Verschlechterung des militärischen Disziplinarrechtes
zugestimmt. Sie haben damit der Bevölkerung neue furchtbare
Lasten aufgewälzt, die Rüstungen in Gefahr drohender
Weise vermehrt und den Heeresstand vergrößert. Nach
den außerparlamentarischen Erklärungen des Herrn Abg.
Špaèek, daß die Èechoslovakei
selbstverständlich nicht gegen Portugal oder Griechenland
Krieg führen wird und nach seiner gestrigen langatmigen,
gewundenen, aber nichtssagenden Erklärung geht deutlich der
Hinweis, daß Deutschland der Feind sei, hervor und durch
diese Erklärung wird auch die Tendenz dieser Rüstungen,
welche die deutschen Regierungsparteien schaffen helfen, unbestreitbar
bestätigt. Wir belasten die deutschen Regierungsparteien
mit der vollen Verantwortung für diese den Frieden und die
Lebensinteressen der arbeitenden Volksschichten schwer bedrohende
Politik und stellen ihre Behauptung, daß sie die geschichtliche
nationale Auseinandersetzung zwischen den Völkern in diesem
Lande in vernünftige Bahnen gelenkt und so zur Befriedung
des Landes beitragen wollen, als Unwahrheit fest. Wir sagen dem
reaktionären imperialistischen und nationalistischen System
und den Parteien, welche es stützen, den unerbittlichsten
Kampf an". (Potlesk nìm. soc. demokratických
poslancù. - Posl. Windirsch:
Das werden wir aushalten!) Ich weiß nicht, ob Sie ihn
ertragen werden.
Anschließend an diese Erklärung
hätte ich folgendes zu sagen: Während der Herr Außenminister
auf allen internationalen Konferenzen und Tagungen von der Abrüstung
und von dem Friedenswillen spricht, (Pøedsednictví
pøcvzal místopøedseda Zierhut.) während
der èechoslovakische Gesandte in Berlin dem Herrn Reichspräsidenten
Hindengurg seine Aufwartung macht, den Wunsch für das glückliche
Gedeihen des Deutschen Reiches ausspricht und versichert, daß
er alles zu tun gedenkt, um die so glücklich schon bestehenden
Beziehungen weiter zu erhalten, zu vervollkommnen und zu festigen,
just in derselben Zeit werden im èechoslovakischen Parlament
unter Mißachtung der Verfassungsbestimmungen mit den Stimmen
der deutschen Regierungsparteien nicht weniger
als 6 Militärvorlagen beschlossen, die den Militarismus in
diesem Staate stärken, den Rüstungswahnsinn fördern.
Die Worte des Herrn Berichterstatters Koll. Špaèek,
der zur Begründung dieser Militärvorlagen ausdrücklich
dargelegt hat, daß der einzige Feind, der neben Ungarn
für den èechoslovakischen Staat in Betracht kommt,
das benachbarte Deutschland ist, diese Darlegungen des Herrn Koll.
Špaèek wurden bekräftigt
durch die Rede eines weiteren Mitgliedes der Regierungsparteien,
des Herrn Koll. Ježek, der
ebenfalls die Annahme der Militärvorlagen mit demselben Argument
begründet. Alle diese Bestätigungen, alle diese Begründungen
sind wirkungslos an den deutschen Regierungsparteien abgeprallt.
Das, was Koll. Špaèek und
Ježek gesagt haben, wird
nicht nur von ihnen so ausgesagt, sondern sind auch die Gedankengänge
maßgebender einflußreicher Persönlichkeiten in
diesem Staate. Mit Zustimmung des heutigen Landesverteidigungsministers
wurde bekanntlich im Jahre 1923 das Handbuch für aufklärende
Erziehung für Offiziere und Unteroffiziere herausgegeben,
dessen Inhalt in Schulen und Kursen der Mannschaft beizubringen
bestimmt war. Auf die unsinnigen Darlegungen und den Geschichtsfälschungen,
die in diesem Handbuch enthalten sind, lohnt sichs nicht näher
einzugehen, aber festgestellt soll werden, daß darin enthalten
ist, es solle den Soldaten beigebracht werden, daß die Deutschen
ein moralisch minderwertiges Volk sind, daß alles Böse
in der Welt nur von den Deutschen herrührt, daß sie
niemanden in Frieden lassen, daß sie eroberungssüchtig,
blutdürstig sind, während, so heißt es in dem
Büchlein weiter, das èechische Volk seinem Wesen nach
friedfertig ist, die Freiheit über alles liebt und daher
die Mission hat, gegen diese deutschen Barbaren
ihre Kultur durchzusetzen. Das ist klar und deutlich genug und
bestätigt restlos, was die Herren Kollegen Špaèek
und Ježek hier
öffentlich ausgesprochen haben. (Výkøiky
nìm. soc. demokratických poslancù.)
Was tun nun die geehrten Kollegen von den deutschen
Regierungsparteien? Sie machen nicht ihre Zustimmung zu den Militärvorlagen
davon abhängig, daß von maßgebender Stelle eine
kategorische Dementierung dieser Auffassungen erfolgt, sie haben
sogar darauf verzichtet, (Výkøiky na levici.)
hier von dieser Stelle aus einen leidenschaftlichen
Protest gegen diese Behauptungen abzugeben, sie begnügen
sich mit einer lendenlahmen Erklärung und haben sich mit
einer nichtssagenden Erklärung des Berichterstatters zufriedengestellt,
der nebenbei die deutschen Parteien noch verhöhnt, kein Wort
der Entschuldigung vorgebracht und sich seinerseits noch beschwert
hat, daß man ihm eigentlich Unrecht getan habe. Das alles
haben die deutschen Regierungsparteien widerspruchlos hingenommen,
haben für die Militärvorlagen gestimmt, den Fußtritt,
die Verhöhnung und Verspottung zufrieden eingesteckt.
Es haben auch die Herren Kollege Ježek
und vor allem der frühere Exminister
Støíbrný den
Versuch unternommen, durch ein reichhaltiges Ziffernmaterial aufzuzeigen,
was für gefährlicher Feind doch Deutschland sei, welch
Rüstungswahnsinn dort herrsche, sie haben Ziffern angeführt,
wie viele Unteroffiziere u. s. w. in Betracht kommen. Ich möchte
daher nur Folgendes sagen: Um nicht in den Verdacht zu kommen,
daß wir als deutsche Sozialdemokraten für irgendeinen
Militarismus auch nur ein beschönigendes Wort finden würden,
muß festgestellt werden, daß wir grundsätzlich
Gegner des Militarismus überhaupt sind, ganz gleichgültig,
ob es sich um einen èechoslovakischen oder um einen deutschen
handelt. Gerade die Tatsache, daß die Sozialdemokraten im
Deutschen Reiche den Heeresetat abgelehnt haben, gibt uns das
moralische Recht, Betrachtungen anzustellen darüber, was
hier von dieser Stelle gestern über Deutschland
gesagt wurde und was von diesen Worten auf Wahrheit beruht.
Koll. Ježek hat
durch Anführung eines reichen Ziffernmateriales den Nachweis
für offene und versteckte Rüstungen in Deutschland zu
erbringen gesucht. Er erzählte weiter von den verschiedensten
Militärausgaben, die unter den einzelnen Kapiteln des deutschen
Voranschlages versteckt seien, und dichtete einfach Beträge,
die für ganz andere Zwecke bestimmt worden sind, in militärische
Ausgaben um, um zu den Summen zu kommen, die er von der Parlamentstribüne
erzählt hat. (Výkøiky na levici.)
Dem Herrn Koll. Ježek ist
nur ein ganz kleiner Fehler unterlaufen: er hat nämlich das
Deutsche Reich mit dem èechoslovakischen Staate verwechselt.
(Souhlas nìm. soc. demokratických poslancù.)
Was er von Deutschland behauptet hat, das
ist tatsächlich im èechoslovakischen Staate
vorhanden. Man braucht nur den Voranschlag für 1927 zur Hand
zu nehmen und findet dort in den Kapiteln der einzelnen Ministerien
ganz beträchtliche Ausgaben für den Militarismus. Da
haben wir beispielsweise für die
Militärabteilung des Herrn Präsidenten 320.000, für
die Unterstützung internationaler Friedensaktionen 200.000
Kè, Aufwand bei fremden Besuchen 300.000, Publikationen
5 Millionen, Propagandafond 1,800.000, dazu kommen 1.370 Millionen
des Landesverteidigungsministers, 315 Millionen
beträgt der unkontrollierbare Rüstungsfond, für
die Polizei 132.000, die Gendarmerie 220.000, die Polizei in Karpathorußland
7 Millionen, die Gendarmerie 17 Millionen, Unterhaltsbeiträge
4 Millionen, Pferdezucht 22 Millionen. Unter dem Kapitel "Ministerium
für öffentliche Arbeiten", Anstalten zur Prüfung
von Schießwaffen 127.000, Prüfung von Stickstoffen
600.000, Luftschiffahrt 29 Millionen, Grenzbefestigung 2 Millionen,
Straßen und Brücken für militärische Zwecke
39 Millionen, außerordentliche Aufwendungen 36 Millionen,
Schiffahrt 11 Millionen und Straßenbauten 9,800.000 Kronen.
Schon aus diesen Ziffern geht hervor, daß Koll. Ježek
gar keine Ursache hat, auf Deutschland
zu verweisen, daß er sich den eigenen Voranschlag etwas
näher anschauen sollte, um zu entdecken, was er von Deutschland
behauptet hat. (Souhlas nìm. soc. demokratických
poslancù.)
Aber es wurde gestern auch vom Herrn Kollegen
Exminister Støíbrný ziffernmäßig
die Entlohnung und die Zahl der Unteroffiziere in der deutschen
Armee angeführt. Er hat nur dasselbe hinsichtlich der Offiziere
vergessen und da findet man recht interessante Ziffern. Im èechoslovakischen
Staate haben wir i. J. 1925 74 Generale gehabt, Deutschland nur
46, (Hört! hört!) Oberste
bei uns 269, in Deutschland 117, Oberstleutnante bei uns 625,
in Deutschland 228, Majore bei uns 527, in Deutschland 475, Stabskapitäne
bei uns 1860, in Deutschland 216, Kapitäne bei uns 3382,
in Deutschland 1207, Oberleutnante bei uns 1444, in Deutschland
1348. Und so könnte ich die Ziffern noch weiter fortsetzen,
um ebenfalls, wie es der Exminister gestern versucht hat, den
Nachweis zu erbringen, daß es auch noch andere Ziffern gibt
als die, mit denen er von dieser Stelle aus operiert hat. (Výkøiky
na levici.) Allerdings beträgt der Aufwand für das
deutsche Heer über 4000 Millionen Kè, bei uns 1685
Millionen. Dabei darf man aber nicht vergessen, daß es sich
in Deutschland um eine fünfmal größere Bevölkerung
handelt, daß Deutschland auf Grund der
Friedensverträge ein kostspieliges Söldnerheer unterhalten
muß, wobei weiter nicht vergessen werden darf, daß
die Militärlasten in Deutschland im Verhältnis zu uns
nicht einmal ein Siebentel der Belastung auf den Kopf der Bevölkerung
betragen. Damit glaube ich, einen Teil der gestern hier gemachten
Ausführungen widerlegt zu haben.
Nun lassen Sie mich zu dem Gesetz übergehen,
das heute in Verhandlung steht und im Eilzugstempo beschlossen
werden soll. Diesem Gesetze kommt eine große Bedeutung zu.
Vor allem bedeutet es eine völlige Umstellung der gesamten
Heeresorganisation, dann weitgehende Änderungen des bestehenden
Wehrgesetzes und eine Reihe von Verletzungen der Verfassungsbestimmungen.
§ 10 des alten Wehrgesetzes spricht von allgemeinen gleichen
Militärpflichten, in der neuen Vorlage spricht man nurmehr
von allgemeinen Pflichten, gleiche Pflichten gibt es nicht mehr.
Diese Streichung der "gleichen Pflichten" war deshalb
notwendig, weil die ganze Tendenz und der Geist dieses Gesetzes
einem bestimmten Stand, vor allem den Agrariern, und zum Teil
den Gewerbetreibenden Privilegien verschafft, besondere Vorzugsrechte
bei Absolvierung der Militärdienstpflicht gewährt, so
daß von gleichen Pflichten nicht mehr gesprochen werden
kann. Wir sind durchaus keine Feinde von Wehrpflichterleichterungen,
aber unserer Meinung nach muß dann doch entschieden werden,
ob diese Wehrpflichterleichterungen unter Berücksichtigung
sozialer Gründe allen Menschen zukommen sollen oder ob sie
nur eine offensichtliche Begünstigung, ein ausgesprochenes
Privileg einer bestimmten Klasse, eines bestimmten Standes sind
und ob nur die Zugehörigkeit zu diesem Stande auch gleichzeitig
den Anspruch auf Wehrpflichterleichterungen nach sich zieht. Eine
solch offenkundige Bevorzugung hebt sicherlich die Bestimmungen
der gleichen Pflichten der Verfassungsgrundsätze auf. Aber
noch eine Bestimmung ist in dem Gesetz enthalten, die eine Verfassungsverletzung
darstellt. Nach der Verfassung ist der Herr Präsident der
Oberbefehlshaber der bewaffneten Macht, ihm steht das Recht zu,
die Mobilisierung anzuordnen und die nachträgliche Genehmigung
des Parlamentes einzuholen. In dem neuen Gesetz schmuggelt die
Regierung in § 10, Abt. XI, Nr. 4 eine Bestimmung ein, wonach
die Regierung berechtigt ist, ausnahmsweise Übungen einzuberufen,
wenn dies die Wehrhaftigkeit des Staates erfordert, d. h., die
Regierung hat das Recht, über den Kopf des Präsidenten,
über den Kopf und den Willen des Parlaments hinweg eine versteckte
Mobilisierung durchzuführen. Wir haben mit Rücksicht
auf diese Verfassungsverletzungen, und auf Grund vieler anderer
juristischer Spitzfindigkeiten, die in dem Gesetz vorhanden sind,
den Antrag gestellt, der Verfassungsausschuß solle überprüfen
und feststellen, ob das vorliegende Gesetz mit der Verfassungsurkunde
in Einklang gebracht werden kann oder nicht. Das wurde im Wehrausschuß
abgelehnt, ebenso unser Verlangen, das Gesetz dem sozialpolitischen
Ausschuß zuzuweisen, weil dieses Gesetz doch weitgehende
soziale Fragen behandelt.
Nun zum ersten Teil des Gesetzes. § 1
bestimmt die Höhe des Jahreskontingentes der Wehrpflichtigen.
Nach voraussichtlichen Zu- und Abgängen soll das Jahreskontingent
70.000 Mann betragen. Nach dem alten Gesetz betrug das Jahreskontingent
in der ersten halben Periode 100.000, in der zweiten 140.000,
was einem Jahresdurchschnitt von 120.000 Mann gleichkam. Nun tritt
scheinbar nach den Bestimmungen dieses Gesetzes eine Reduzierung
des Jahreskontingentes auf 70.000 Mann ein. Diese Ziffer ist eine
offenkundige Irreführung, in Wirklichkeit handelt es sich
nicht um Reduzierung des Jahreskontingentes, sondern im Gegensatz
zu der Anschauung des Herrn Berichterstatters um eine beträchtliche
Erhöhung des Jahreskontingentes. Wenn man 70.000 Mann in
Rechnung stellt und die 18monatige Dienstzeit entgegenhält,
womit sich innerhalb eines Jahres die Zahl um ein Drittel erhöht,
bekommt man die Ziffer von 105.000. Dazu kann man ca 15.000 länger
dienende Unteroffiziere rechnen, und das ergibt einen Stand von
120.000. Und zu diesem Jahreskontingent kommt jetzt noch eine
Erhöhung durch die Einführung der Ersatzreserve, die
geschaffen werden soll. Wie hoch die Zahl der Ersatzreservisten
sein soll, ist nirgends festgelegt. Im Gesetz heißt es einfach,
daß die Zahl, um welche die angeführten Assentierungsergebnisse
das im § 1 angeführte bestimmte Kontingent - also die
70.000 - übersteigen, diese Zahl macht die Zahl jener aus,
welche in die Ersatzreserve einzureihen sind. Das bedeutet eine
ins ungemessene gehende Steigerung über die 70.000 Mann hinaus.
Wohl hat der Herr Landesverteidigungsminister eine diesbezügliche
von uns im Wehrausschuß gemachte Klarstellung damit beantwortet,
die voraussichtliche Zahl dürfte die Ziffer von 8.000 Mann
nicht übersteigen. Die voraussichtliche Zahl! Nirgends ist
festgesetzt, wie groß die Zahl sein soll, nirgends geht
hervor, welches Ausmaß die Ersatzreserve haben wird. Es
ist also auch § 1 des Gesetzes eine Widerlegung jener Behauptungen,
die die deutschen Regierungsparteien überall verbreiten,
als ob es ihrem Einfluß gelungen wäre, auch die Militärlasten
und den Heeresstand zu reduzieren. Wir haben auch zu § 1
Abänderungsanträge eingebracht, die vor allem einmal
die Erfüllung der Bestimmungen des Wehrgesetzes, also im
§ 1 die Umwandlung der Heeresorganisation in die Volksmiliz,
fordern. Wir haben weiters einen Antrag auf Festsetzung der Jahreskontingente
im Sinne der Friedensverträge eingebracht, der im Wehrausschuß
abgelehnt wurde. Interessant, meine Damen und Herren, ist weiter
die Bestimmung im § 4 über die Auswahl jener Personen,
die in die Ersatzreserve eingereiht werden sollen. Da heißt
es, daß in Betracht kommen: erstens Familienerhalter, zweitens
Eigentümer einer ererbten Landwirtschaft kleineren oder mittleren
Besitzes und drittens Wehrpflichtige, die aus familiären,
wirtschaftlichen und sozialen Gründen eine besondere Berücksichtigung
verdienen. Wir haben hier vor allem eine Umstellung beantragt,
daß die letzte Bestimmung, die von den wirtschaftlichen
und sozialen Gründen spricht, vor die Bestimmung kommen soll,
die von den Eigentümern ererbter Landwirtschaften handelt.
Der § 6 dieses Gesetzes umschreibt den Begriff, was als ererbte
Landwirtschaft anzusehen ist, etwas näher. Dort heißt
es, daß als ererbte Landwirtschaft auch eine durch ein Rechtsgeschäft
übernommene Landwirtschaft zu betrachten sei. Mit keinem
Wort ist in diesem Gesetz von den landwirtschaftlichen Pächtern
die Rede, die scheint man vollständig vergessen zu haben.
Große Bedeutung verdient auch die gemischte Kommission,
die endgültig über das Schicksal tausender Menschen,
tausender Existenzen zu entscheiden hat, nämlich ob sie in
die Ersatzreserve eingereiht werden sollen oder nicht. Nach unserer
Auffassung müßte eine solche Kommission auf dem Vertrauen
der gesamten Öffentlichkeit aufgebaut sein, sie müßte
daher aus Leuten bestehen, die wirklich das Vertrauen der gesamten
Bevölkerung geniessen. Im Gesetz wird über die Zusammensetzung
und den Kreis dieser Organisation überhaupt nichts gesagt,
es heißt nur: Diese gemischten Kommissionen, ihre Organisation
und Zusammensetzung wird mittels Regierungsverordnung bestimmt
werden. Man kann sich nun vorstellen, wie diese Zusammensetzung
ausschauen und wie sie erfolgen wird. Eine weitere ungeheuerliche
Bestimmung in dem Gesetz ist § 5, der festlegt, daß,
wenn der Vater oder Großvater um die Wehrpflichtbefreiung
aus sozialen oder wirtschaftlichen Gründen für Sohn
oder Enkel ansuchen, der Betreffende sich selbst bei der gemischten
Kommission oder bei einem Abweis bei der Überprüfungskommission
einer persönlichen Untersuchung zu unterziehen hat. Es heißt
das also, die alten, kranken, gebrechlichen Menschen müßen
so wie die Rekruten. vor der Assentierungskommission erscheinen,
um dort feststellen zu lassen, ob sie erwerbsfähig sind oder
nicht. Dieser Vorgang ist unseres Erachtens rücksichtslos,
unmenschlich und brutal und verfolgt sicher keinen anderen Zweck,
als dem Gesuchsteller unnütze Strapazen und Schikanen aufzupelzen,
um auf diese Art und Weise das Erlangen der Wehrpflichterleichterungen
zu erschweren. Wir haben im Wehrausschuß beantragt, daß
diese unmenschliche Bestimmung verschwindet und daß es genügen
muß, wenn der Amtsarzt die Erwerbsunfähigkeit des Betreffenden
bestätigt. Dieser gewiss vernünftige Antrag wurde abgelehnt,
und es bleibt bei der persönlichen Untersuchung durch die
Assentkommission.