Meine Damen und Herren! Als am Schlusse der
gestrigen Plenarsitzung des Abgeordnetenhauses der Herr Präsident
als ersten Punkt der heutigen Tagesordnung die Behandlung der
Gesetzesanträge Druck Nr. 734 und 738 in der Fassung
des Berichtes des sozialpolitischen Ausschusses Druck Nr. 788
bekannt gab, wurde von der èechischen sozialdemokratischen
Partei der Antrag auf Absetzung dieses Punktes
von der Tagesordnung gestellt.
Dieser Antrag erfuhr natürlich die Ablehnung
durch die Regierungsmehrheit. Da meine Partei ihre Stimmen ebenfalls
für die Absetzung von der Tagesordnung abgegeben hat, so
sehe ich mich veranlaßt, namens des Abgeordnetenklubs der
Deutschen Nationalpartei, den ich hier zu vertreten die Ehre habe,
eine Erklärung abzugeben, welche die Haltung meiner Partei
in dieser Frage nicht nur vor den anderen Parteien dieses Hauses,
sondern auch vor unseren Wählern begründet. Gleichzeitig
mit der Durchführung des Gesetzes vom 9. Oktober 1924, Z.
221 S. d. G. u. V., betreffend die Versicherung der Arbeitnehmer
für den Fall der Krankheit, der Invalidität und des
Alters sollten alle Genossenschafts-, Gremial- und registrierten
Hilfskassen, die am 1. Jänner 1924 nicht mehr als 4000 bezw.
2000 versicherungspflichtige Mitglieder aufzuweisen hatten, aufgelöst
werden. Diese beabsichtigte Auflösung wurde durch das Gesetz
vom 1. Juli 1926, Z. 118 Slg., bis zum 31. Dezember 1926 aufgeschoben.
Da aber augenblicklich die Unzufriedenheit sowohl der Arbeitgeber
als auch der Arbeitnehmer mit dem Gesetze Nr. 221 ex 1924 eine
Novellierung desselben notwendig und wahrscheinlich erscheinen
läßt - eine Novellierung, die nebenbei gesagt, auch
meine Partei anstrebt - die aber erst im Laufe des Kalenderjahres
1927 zu erwarten ist, so soll die Lebensdauer der angeführten
Krankenkassen durch die vorliegenden Gesetzesanträge bis
zum 31. Dezember 1927 verlängert werden.
Die erst am 17. November d. J. eingebrachten
Initiativanträge würden also jetzt eine sehr dringende
Behandlung notwendig haben, wenn sie ihren Zweck wirklich noch
erfüllen sollen. Wenn meine Partei trotzdem gestern für
die Absetzung derselben von der heutigen Tagesordnung gestimmt
hat, so ist der Grund dafür in Ereignissen zu suchen, die
sich erst in der letzten Zeit abgespielt haben und die politisch
von so großer Bedeutung für meine Partei sind, daß
ich sie ganz kurz hier zur Kenntnis bringen muß.
Bis zum 14. Dezember d. J. war der Vorsitzende
des sozialpolitischen Ausschusses des Abgeordnetenhauses der Herr
Koll. Brožík der
èechischen sozialdemokratischen Partei.
Trotzdem diese Partei seit dem Antritt der Beamtenregierung Èerný
nicht mehr zur Regierungsmehrheit
gehört, so muß ich wahrheitsgemäß hier feststellen,
daß der Herr Koll. Brožík
mit peinlichster Genauigkeit bemüht
war vollständig einwandfreie Objektivität in der Leitung
des Ausschusses zu bewahren. In allen seinen Handlungen und Bestimmungen
stützte er sich immer auf ordnungsgemäß gefaßte
Beschlüsse des ganzen Ausschusses. Es mußte daher begreifliches
Erstaunen erregen, als der Sitzung des sozialpolitischen Ausschusses
am 14. Dezember d. J. ein von 17 Abgeordneten der gemischtnationalen
Regierungsmehrheit unterschriebener Antrag vorlag, der ohne Angabe
von Gründen die sofortige Neuwahl aller Funktionäre
des sozialpolitischen Ausschusses verlangte. Damit haben
die deutschen und èechischen Regierungsparteien deutlich
zum Ausdrucke gebracht, daß sie die Leitung des sozialpolitischen
Ausschusses nicht mehr einem Abgeordneten einer Oppositionspartei
anvertrauen wollen, sondern dieselbe jetzt
für sich in Anspruch nehmen. Unter Ausnützung der Mehrheitsziffer
wurde diese Wahl auch durchgeführt mit dem Ergebnisse, daß
weder im Vorsitz noch unter den Vorsitzendenstellvertretern oder
Schriftführern, im ganzen sechs Personen, auch nur ein Mandat
auf einen Abgeordneten der Oppositionsparteien entfällt.
Dieses Ereignis beweist, daß die Regierungsparteien
gar kein Interesse an der rein sachlichen Arbeit des sozialpolitischen
Ausschusses haben, sondern nur die augenblickliche Mehrheit dazu
benützen, um den sozialpolitischen Ausschuß vollkommen
in ihre Hand zu bekommen und dadurch die Oppositionsparteien unter
ihr Diktat zu stellen und deren Mitarbeit nach ihrem Belieben
abzulehnen und illusorisch zu machen. Diese Gewaltanwendung muß
natürlich die schärfste Ablehnung jedes redlich denkenden
Menschen erfahren. Die Entrüstung darüber muß
aber um so größer sein, als dieses Ereignis auch noch
eine Verschlechterung der Verhältnisse in diesem Parlamente
gegenüber den früheren Zeiten bedeutet.
Solange die allnationale èechische Koalition, aus 5 und
später aus 6 èechischen Parteien bestehend, die Regierungsmehrheit
in diesem Hause bildete, hatten die Oppositionsparteien nicht
nur im Präsidium des Parlamentes, sondern auch unter den
Funktionären der meisten parlamentarischen
Ausschüsse eine Vertretung, was vom demokratischen Standpunkte
aus als selbstverständlich angesehen und als
Minimum demokratischer Gerechtigkeit gewertet
wurde. Und doch hat dieses System den jetzigen deutschen Regierungsparteien,
die damals noch Oppositionsparteien waren, Anlaß zu häufigen
Klagen und Beschwerden gegeben, wovon so manche ihrer Ausführungen
in diesem Hause Zeugnis ablegen.
Jetzt wo ein Teil der deutschen Parteien in
der Regierung Platz genonunen hat, während der andere Teil
der deutschen Parteien in Opposition verblieb, haben der Bund
der Landwirte, die deutsche christlichsoziale Volkspartei und
die deutsche Gewerbepartei ganz ihre Erfahrungen und Ansichten
von früher vergessen und helfen den èechischen
Regierungsparteien, ein System einzuführen, das den Oppositionsparteien
überhaupt jedes Recht in diesem Parlamente rauben soll. Jetzt
werden die Oppositionsparteien von der Leitung eines Ausschusses
überhaupt ausgeschlossen und damit der viel gepriesenen Demokratie
der letzte Fußtritt verabreicht. Die deutschen Oppositionsgenossen
von gestern sind hierbei die willfährigen Bundesgenossen
und Helfershelfer ihrer neuen èechischen Freunde. Das Enteignungssystem
der èechischen Koalitionsparteien, das diesen Staat vor
der ganzen Welt diskreditiert hat, haben die deutschen Regierungsparteien
sozusagen über Nacht erlernt und machen es den Èechen
heute schon ganz meisterhaft nach.
Dieses Vorgehen der gemischtnationalen Regierungsmehrheit
mußte natürlich den schärfsten Protest auslösen.
Zum Zeichen des Einspruches gegen dieses ganz unbegründete
und jedem Rechte widersprechende Vorgehen haben alle Oppositionsparteien
am 14. Dezember d. J. nach der erfolgten Neuwahl der Funktionäre
das Sitzungszimmer des sozialpolitischen Ausschusses verlassen.
Während ich als letzter unter den Oppositionellen
das Verhandlungszimmer verließ, hörte ich noch mit
eigenen Ohren, daß der neugewählte Vorsitzende des
sozialpolitischen Ausschusses, der Herr Abg. Èuøík,
drei andere Gegenstände von der festgesetzten Tagesordnung
absetzte, weil diese derzeit noch Gegenstand von nicht abgeschlossenen
Verhandlungen der Regierung sind, hierauf die Sitzung schloß
und den Beginn der nächsten Sitzung nach einem Ablauf von
10 Minuten ansetzte.
Entgegen den Bestimmungen der Geschäftsordnung
dieses Hauses wurden die Oppositionsparteien zu dieser am selben
Tage stattfindenden zweiten Sitzung des Ausschusses weder schriftlich
eingeladen, noch hat der Herr Vorsitzende die geänderte Tagesordnung
und deren neue Verhandlungsgegenstände bekanntgegeben. Wegen
dieser formalen Fehler ist die zweite Sitzung des Ausschusses
und alle ihre Verhandlungen und Beschlüsse als ungültig
zu bezeichnen. In dieser ungültigen Sitzung wurden auch die
beiden Initiativanträge Druck Nr. 734 und 738 in Verhandlung
gezogen und in Abwesenheit der nicht geladenen 6 Oppositionsparteien
darüber jener Bericht des Ausschusses beschlossen, der gestern
dem Hause als Druck Nr. 788 unterbreitet wurde.
Meine Partei kann diese Art von Verhandlung
im sozialpolitischen Ausschusse nicht als rechtsgültig anerkennen
und mußte daher in der gestrigen Plenarsitzung des Parlamentes
für die Absetzung dieses Gegenstandes von der Tagesordnung
stimmen.
Wir legen hiermit vor allen deutschen Volksgenossen
in diesem Staate Verwahrung dagegen ein, daß deutsche Regierungsparteien
die von ihnen früher abgelehnten Methoden brutaler Gewalt
unter rücksichtsloser und gehässiger Ausnützung
der Mehrheitsziffer gegen deutsche Oppositionsparteien jetzt anwenden.
Zum Zeichen der Verwahrung gegen diese Art der Vergewaltigung
der parlamentarischen Minderheit durch die Mehrheit wird meine
Partei zu dem sachlichen Inhalt der Gesetzesanträge nicht
Stellung nehmen und sich mit dem Meritum der Sache nicht befassen.
Da die Gründe, welche meine Partei seinerzeit veranlaßt
haben, für das heute zu verlängernde Gesetz zu stimmen,
auch heute noch fort bestehen, da wir anerkennen, daß das
vorliegende Gesetz einem dringenden Bedürfnis des Gewerbestandes
entgegenkommt, werden wir trotz dieser Behandlung für das
Gesetz stimmen. (Potlesk poslancù nìmecké
strany národní.)
Hohes Haus! Wir sind gegen den Bericht des
sozialpolitischen Ausschusses und gegen den damit zusammenhängenden
Antrag, der uns hier vorliegt. Wir erblicken in diesem Bericht
und in diesem Antrag einen Vorstoß gegen das Gesetz über
die Sozialversicherung und den ersten Versuch den Bau der Sozialversicherung
zu erschüttern. Als wir im Juni dieses Jahres das erstemal
einen gleichen Antrag zu verhandeln hatten, haben wir bereits
darauf verwiesen, daß gegen die Sozialversicherung von allen
bürgerlichen Gruppen dieses Hauses Sturm gelaufen wird. Man
hat die letzten Monate weidlich dazu benützt, um Unstimmigkeiten,
um Unwillen gegen die Sozialversicherung und gegen die Verpflichtungen,
die sie den Versicherten und den Arbeitgebern auferlegt, hervorzurufen.
Es ist insbesondere von gewissen Parteien in den deutschen Gebieten,
von den Landbündlern, den Christlichsozialen und den Gewerbetreibenden
eine unverantwortliche und wilde Hetze gegen die Sozialversicherung
betrieben worden. (Posl. Windirsch: Wir haben kiloweise Proteste
auch von den Arbeitnehmern! - Hluk.)
Ich weiß sehr gut, Herr Koll. Windirsch,
wie solche Unterschriften zustande gebracht werden, ich weiß,
auf welche Weise, Sie die Unterschriften der Arbeiter bekommen
haben. Über den Inhalt des Gesetzes und seine Wirkungen sind
Lügen, Irrtümer, verbreitet worden, die natürlich
erst in langsamem Aufklärungswege wieder beseitigt werden
können. Brüsten Sie sich nicht damit, daß es Ihnen
gelungen ist, in einigen Gebieten, wo die wirtschaftlichen Zustände
ungemein trist sind, Arbeiter zu verleiten, Ihren Protest gegen
die Sozialversicherung zu unterschreiben und Ihr Verlangen, das
Gesetz zu novellieren, zu unterstützen. Im übrigen sollte
das Parlament die Vorlage, die wir jetzt zur Beratung haben, wegen
des damit zusammenhängenden Vorgehens der Mehrheit des sozialpolitischen
Ausschusses zurückweisen.
Wir haben ein Beispiel parlamentarischer Unsitten
erlebt, wie wir sie bisher für unmöglich gehalten haben,
trotzdem wir schon von der früheren Koalition her an manches
gewöhnt sind. In der letzten Sitzung des sozialpolitischen
Ausschusses wurde einfach das alte Präsidium im Handumdrehen
von den Mehrheitsparteien beseitigt, man hat außerdem noch
die Schamlosigkeit gehabt, dem bisherigen Vorsitzenden des Ausschusses
für seine objektive Geschäftsführung den Dank auszusprechen.
Man ist dann dazu übergegangen, die auf der Tagesordnung
stehenden Punkte einfach zu streichen, die Sitzung zu schließen
und gleich eine neue Sitzung einzuberufen, so daß es den
Mitgliedern der Opposition gar nicht möglich gewesen ist,
an ihr teilzunehmen. Wir erhielten in unserem Klublokal die Einladungen
zur neuen Sitzung des Sozialpolitischen Ausschusses, und als wir
hinaufkamen, um an den Beratungen teilzunehmen, hatten die Herren
der Mehrheit bereits das Lokal verlassen, waren sie mit ihren
Arbeiten schon zu Ende. Das ist kein westeuropäischer, kein
mitteleuropäischer Parlamentarismus, das ist Balkanparlamentarismus.
(Výkøiky na levici.)
Aus einer solchen Sitzung heraus
kommt vor das Plenum der Antrag, jene Krankenkassen, Gremial-
und Genossenschaftskrankenkassen, bestehen zu lassen, die nach
dem Gesetz über die Sozialversicherung aufgelöst und
in die übrige Krankenversicherung eingegliedert werden sollen.
Wie im Sommer verweisen wir auch jetzt darauf,
daß weder ein sachlicher Grund dafür vorhanden ist,
einem solchen Schritte zuzustimmen, noch daß jemandem damit
gedient wird; für die Gehilfen, für die Arbeiter, für
die zu Versichernden ist es im Gegenteil von äußerster
Wichtigkeit, daß große Krankenkassenorganisationen
geschaffen werden. Sie nützen damit auch nicht den kleinen
Handwerkern und Gewerbetreibenden, denen es durchaus gleichgültig
sein kann, ob sie den Pflichtbeitrag in eine Krankenversicherungsanstalt
geben, die groß ist und etwas zu leisten vermag, oder ob
sie ihn in eine genossenschaftliche Krankenversicherungsanstalt
geben, deren Verwaltungskosten, wie ja vorhin vom Kollegen Dr.
Winter nachgewiesen worden ist, höhere sind, per Kopf
der Mitglieder gerechnet, als in den Bezirkskrankenkassen. Es
liegt kein sachlicher Anlaß vor, solche Beschlüsse
zu fassen, die Arbeiter verlangen nicht danach, daß diese
Kassen bestehen bleiben. Sie können sich da nicht auf eine
Forderung der Arbeiter berufen. Ihr Vorgehen ist nichts anderes
als der Ausdruck der Feindseligkeit gegen den Geist, des Sozialversicherungsgesetzes,
es drückt sich darin die Arbeiterfeindlichkeit aus, von der
heute sämtliche Regierungshandlungen geleitet und beseelt
werden.
Als im Jahre 1924 in diesem Hause das Sozialversicherungsgesetz
beraten wurde, haben wir eine Reihe sehr schöner Reden gehört,
feierliche Versicherungen insbesondere von der Seite (ukazuje
na pravici),
daß man es sich angelegen sein lassen wird, daraus wirklich
das große Werk auszugestalten. Damals hat man Worte gehört,
die arbeiterfreundlich klangen und die uns sagen sollten, man
sei stolz auf die Schaffung des Sozialversicherungsgesetzes. (Výkøiky.)
Entweder, hohes Haus, war das damals nichts
anderes als pure Heuchelei oder Sie müßten jetzt zu
dem Gesetz stehen, das vor allem mit Ihr Werk ist, Sie haben mit
daran gearbeitet und sich verpflichtet, das Gesetz zur Ausführung
zu bringen, Sie sind, wenn man von Anstand sprechen will, schon
aus Anstand gezwungen, zu diesem Gesetze zu stehen, jede Lockerung
desselben zu verhindern. Sie wären verpflichtet, das Sozialversicherungsgesetz,
das ja noch lange nicht in vollem Umfange verwirklicht ist, der
vollen Verwirklichung zuzuführen. Meine sehr verehrten Herren,
ich glaube, manches von dem, was wir heute von den ehemaligen
falschen Freunden der Sozialversicherung erleben, würde unterbleiben,
wenn zu einer Zeit, in der es notwendig gewesen wäre, in
den Krankenversicherungsanstalten und in den Krankenkassen die
Wahlen durchgeführt und die neuen Leitungen gewählt,
worden wären. Das ist nicht geschehen. Wir sind nicht daran
schuld. Wir haben es nicht zu verantworten, daß man die
Wahlen in die Krankenkassen immer und immer wieder hinausgeschoben
hat. Aber wenn Sie jetzt glauben und erwarten, daß es Ihnen
möglich sein wird, bei den Wahlen, die ja doch einmal vor
sich gehen müssen, Ihre jetzige Politik bestätigt zu
bekommen von den versicherungspflichtigen Arbeitern, Gehilfen
und landwirtschaftlichen Arbeitern, dann werden Sie sich ganz
gewaltig irren. Die Arbeiter werden durchschauen, worauf es Ihnen
vor allem ankommt, Sie sind ja heute schon herausgerückt
mit Ihren weiteren Absichten. Ich verweise auf den èechisch-klerikalen
Antrag, der eine böse Verschlechterung der Sozialversicherung
vorsieht und verlangt: man will die weiblichen
Hausangestellten aus der Altersversicherung heraus nehmen, ebenso
die Lehrlinge. Sie bringen allerdings in Ihrem Entwurfe einige
Vorschläge, die wie Verbesserungen ausschauen, aber dem gegenüber
stehen so tief einschneidende Verschlechterungen, daß wir
in diesem Antrage wieder nichts anderes sehen können, als
eben wieder einen Versuch, die Sozialversicherung zu durchlöchern,
sie zu verschlechtern, es dahin zu bringen, daß die Arbeiter
auf dem Gebiete der Sozialversicherung um das betrogen werden,
was in langen und zähen Verhandlungen zustandegebracht werden
konnte.
Wir wenden uns gegen diesen Antrag, wir halten
die Weiterführung der Genossenschaftskrankenkassen nicht
für zweckmäßig, auch nicht für notwendig.
Die Weiterführung dieser Kassen ist sachlich nicht begründet.
Wir wenden uns gegen die Absicht, die Sozialversicherung zu verschlechtern.
Ich glaube, so sehr Sie auch jetzt in der Not der Tage in manchen
Gebieten imstande sein mögen, hie und da eine oder die andere
Arbeitergruppe von einem Geist zu erfüllen, der Ihnen genehm
ist, daß das nur von sehr kurzer Dauer sein wird. Man merkt
immer mehr, was man von der jetzigen Regierungskoalition zu erwarten
hat und Ihr Vorgehen in der Sozialversicherung ist der beste Beweis
dafür, daß die jetzige gemischtnationale Regierung
an Rückständigkeit, an Abneigung und Feindseligkeit
gegen die Arbeiterklasse die vergangene Regierungskoalition übertreffen
will.
Wir beneiden die deutschbürgerlichen Parteien
nicht darum, daß sie solche Errungenschaften aus ihrer Regierungsarbeit
davontragen, wie es die Anträge sind, die jetzt zur Verhandlung
stehen, wir beneiden sie nicht darum, daß sie heute in der
Regierungskoalition auf Kommando sich bereit stellen müssen
zu den widerlichsten Schritten gegenüber der Opposition,
wir beneiden sie nicht um das Kunststück, daß sie im
sozialpolitischen Ausschuß es mit fertig zu bringen geholfen
haben, das alte Präsidium zu beseitigen, damit ja nicht die
Gefahr entstehe, daß im sozialpolitischen Ausschuß
etwa über Fragen verhandelt wird, die ihnen unangenehm sind,
sondern ihren reaktionären Anschauungen freier als bisher
zum Durchbruch verhelfen können. Wir beneiden sie nicht darum.
Ich bin überzeugt, daß die Arbeiterklasse sehr bald
erkennen wird, wohin der Weg führt, und sie wird diesem Vorgehen
noch rechtzeitig ein Paroli zu bieten vermögen. (Potlesk
nìm. soc. demokratických poslancù.)
Die Verhandlung dieses Gesetzes ist nur die Fortsetzung jenes
schmählichen Beginnens, daß die deutsch-èechischen
Koalitionsparteien gegen die Lebenshaltung
der arbeitenden Schichten seit dem Bestande der Koalition unternommen
haben. Auch dieses in Verhandlung stehende Gesetz bedeutet den
Anfang des von ihnen angekündigten Angriffes auf die Kranken-
und Sozialversicherung und an die Spitze dieses Angriffs
stellen die Koalitionsparteien die reaktionärste Partei,
das ist die Gewerbepartei deutscher und èechischer Couleur.
Während man dem Militarismus jährlich Milliarden opfert,
den einzelnen bürgerlichen Schichten Millionen in den Rachen
wirft, plündert man die Taschen der arbeitenden Schichten
aus. Die Sehnsucht aller reaktionären Kreise findet ihre
Begründung in den wissenschaftlichen Auslassungen des Finanzministers
Dr. Engliš, in seiner Finanzpolitik. Die Sozialpolitik
des bürgerlichen Staates ist ja nichts anderes als nur eine
Täuschung der Massen, um sie mit der privatkapitalistischen
Wirtschaft zu versöhnen, was ihnen aber schwerlich gelingen
wird, denn die Massen erkennen bereits - und gerade die Verhandlung
des Budgets zeigte es uns - daß die Intentionen der Mehrheitsparteien
dahin gerichtet sind, jene sozialpolitischen Einrichtungen abzubauen,
die sie gezwungen waren, den arbeitenden Schichten zu geben. Die
Vorgänge im sozialpolitischen Ausschuß sagen uns bereits,
daß sie darangehen, nunmehr ihre Intentionen recht
rasch zu verwirklichen. Die Wegnahme des Vorsitzes einem èechischen
Sozialdemokraten und die Übergabe des Vorsitzes an den Volksparteiler
Èuøík
zeigt uns, daß sie die Absicht
haben, durch den sozialpolitischen Ausschuß nun mit aller
Kraft das durchzusetzen, was sie haben wollen.
Der vorliegende Gesetzentwurf wird von Herrn
Vávra verteidigt, den Sie als den größten
Sozialpolitiker ins Treffen geführt haben, jenen Sozialpolitiker,
den schon bei der letzten Debatte bei demselben Punkte gezeigt
hat, wie groß sein Können auf sozialpolitischem Gebiet
ist, und man kann ruhig sagen, daß er einer jener 100%igen
Ignoranten jener Sozialpolitik ist, an die Sie selbst nicht glauben.
Er hat schon bei Eröffnung der heutigen Debatte gesagt: Eine
Begründung ist nicht notwendig, nachdem das jeder kennt.
Was wollen Sie mit dem Gesetz? Sie wollen nichts anderes, als
jene Zwerggebilde, welche der Entwicklung und Ausgestaltung der
Sozialpolitik und Sozialversicherung sicherlich hinderlich sind,
aufrechtzuerhalten. Es wurde schon in der letzten Debatte gesagt,
Sie haben die Absicht, gegen die Bastionen der sozialistischen
Parteien in den Krankenkassen zu stürmen, aber gleichzeitig
verraten Sie, daß Sie selbst solche Bastionen schaffen wollen,
um in diesen Körperschaften Ihre Parteipolitik zu verankern.
Die Leistungsfähigkeit der kleinen Krankenkassen wurde hier
von einigen Rednern schon erwähnt. Ich glaube, es ist auch
nicht notwendig, hier irgendwelche Begründung vorzubringen,
um nachzuweisen, daß Ihr Beginnen vollständig falsch
ist, denn das System im Parlament hat sich so entwickelt, daß
Sie jedem vernünftigen Antrag, jeder vernünftigen Begründung
einfach Ihre Maschinerie der Abstimmung entgegensetzen und alles
niedertrampeln, was sich Ihrer Absicht in den Weg stellt. Tatsache
ist aber, daß dieser Antrag von jenen Bestrebungen ausgeht,
die insbesondere in den Gewerbeparteien verankert sind, und zwar
sollen die Gewerbetreibenden auf Kosten der armen Lehrlinge Ersparnisse
erzielen. Sie wollen ihre Unternehmungen dadurch sanieren, daß
sie den Lehrlingen das vorenthalten, was sie dem erwachsenen Arbeiter
geben müssen. Ihr Beginnen ist ein systematisches Untergraben
der Sozialversicherung. Ihre Sozialpolitik, von der Sie immer
soviel schwefeln, wobei Sie immer darauf hinweisen, daß
die Èechoslovakei an der Spitze der sozialpolitischen Gesetzgebung
aller Staaten steht, wird hier durch Ihren Antrag und durch Ihr
Beginnen, durch Ihr Vorgehen, wie es sich gerade
im sozialpolitischen Ausschuß abgespielt hat, zu nichts
anderem als zu einer Farce. Sie entlarven sich selbst als jene
rücksichtslosen Ausbeuter, die auf Kosten der Arbeiter die
privatkapitalistische Wirtschaftsordnung erhalten wollen.
Es wird vielleicht in den Kreisen der Arbeiterschaft
oft ein Zweifel darüber entstehen, warum wir heute als Verteidiger
jener Sozialversicherung auftreten, gegen die wir gestimmt haben.
Da möchte ich auf die frühere Einstellung der deutschen
Sozialdemokraten hinweisen, als es gegolten hat, in Deutschland
die Sozialversicherung einzuführen. Damals haben die deutschen
Sozialdemokraten gegen die Einführung der Sozialversicherung
gestimmt, indem sie erklärten, daß die bürgerliche
Sozialpolitik und die Einführung der Sozialversicherung nichts
anderes bedeutet als den Versuch der Versöhnung der Arbeiterschaft
mit der kapitalistischen Wirtschaftsordnung, eine Täuschung,
der sich die Arbeiter hingeben sollen, indem sie in dem Glauben
leben sollen, daß auch Sie ein Herz für die Arbeiter
haben. Aus diesem Grunde haben auch wir gegen das Gesetz gestimmt,
nachdem es den Anforderungen der arbeitenden Schichten nicht entspricht,
und jetzt treten wir deshalb auf, weil wir sehen, daß Ihr
Beginnen dahin geht, das, was Sie einstens gezwungen waren den
Arbeitern zu geben, ihnen heute wieder wegnehmen wollen. Sie zeigen
nur, daß es ein Schwindel war, den Sie damals mit den arbeitenden
Schichten getrieben haben. Wir sehen, daß alle Körperschaften,
die mit der sozialpolitischen Gesetzgebung und insbesondere mit
der Sozialversicherung im Zusammenhang stehen, von Herren besetzt
sind, die den kleinbürgerlichen Schichten angehören.
Wir sehen den Herrn Dubický in der Zentralsozialversicherungsanstalt
als Vorsitzenden-Stellvertreter, den Herrn Èuøík
als Vorsitzenden des sozialpolitischen
Ausschusses und wir sehen den unvermeidlichen Herrn Vávra
als Berichterstatter für dieses Gesetz. Es sind das Elemente
aus dem Kleinbürgertum, welche die bürgerliche Klasse
vorschickt, um eine Lanze für ihre Zwecke zu brechen.
Es wäre schade, hier irgendwelchen Aufwand
an Begründung zu verwenden. Das letztemal haben Sie sich
bei der Verlängerung des Gesetzes mit einem halben Jahr begnügt,
indem Sie erklärten, der Dezember werde uns zeigen, ob die
bestehenden Kassen ihr Auskommen finden werden, ob es nicht doch
ratsam ist, diese Kassen aufzulösen. Diesmal haben Sie sich
nicht mehr mit einem halben Jahre begnügt, sondern verlängern
es auf ein ganzes Jahr. Wie schon mein Vorredner betonte, werden
wir im nächsten Jahr sehr bald zusammenkommen und dann eingehend
über diese Dinge sprechen. Das bedeutet, daß wir schon
im Frühjahr damit rechnen können, daß Sie einen
Generalangriff auf die Sozialversicherung unternehmen werden.
Es ist komisch, daß die Herren immer wieder damit operieren,
daß auch die Arbeiter gegen die Sozialversicherung sind.
Herr Windirsch hat erklärt, daß sie Stöße
von Akten haben, wo die Arbeiter selbst unterschrieben haben,
daß die Sozialversicherung für sie nicht in Anwendung
kommen soll. Es ist das wohl richtig, aber er verschweigt, daß
diese Unterschriften durch die landwirtschaftlichen Organisationen
erpreßt worden sind. Er verschweigt, daß Sie den größten
Terror auf die landwirtschaftlichen Arbeiter ausüben, damit
Sie mit Leichtigkeit die Sozialversicherung zum Fall bringen können.
Wenn aber die Arbeiter gegen das Sozialversicherungsgesetz eingestellt
sind, so aus dem Zweck, weil die Sozialversicherung gleichzeitig
eine Verschlechterung der Krankenversicherung mit sich gebracht
hat. Auf Kosten der kranken Arbeiter, auf Kosten ihrer Familien
haben Sie Ihre Sozialpolitik eingerichtet, und wenn Herr Dr.
Winter sich als Verteidiger aufgespielt hat, so will ich
darauf hinweisen, daß der Vertreter der deutschen sozialdemokratischen
Partei Abg. Taub am Krankenkassentag eine eingehende Kritik
auch des Herrn Dr. Winter vorgetragen hat. Die èechischen
Sozialdemokraten müssen nunmehr einsehen, daß sie für
ihre seinerzeitigen Konzessionen heute den entsprechenden
Dank ernten. Der Herr Abg. Horpynka von der Nationalpartei
hat nach einem sehr großen Eiertanz zum Schluß erklärt,
sie werde für das Gesetz stimmen. Der Herr Abg. Böhm
hat bei dem Bezirksparteitag des Bundes der Landwirte am 13.
März erklärt, daß sich deutsche Parteien
finden, um mit èechischen Parteien gegen
die Intentionen der deutschen Parteien zu stimmen. Wir sagen ganz
offen, daß die Nationalpartei, wenn auch maskiert, genau
so ein Feind der Sozialpolitik und der Sozialversicherung ist,
wie die anderen deutschbürgerlichen Parteien. Es ist nicht
notwendig anzuführen, daß sie als Oppositionspartei
wohl gegen das System der heutigen Koalitionsmehrheit auftreten,
aber dann zum Schluß werden Sie trotzdem für das Gesetz
stimmen, weil sie eben Feinde jeder Sozialversicherung sind.