Man könnte vielleicht bei der Entwicklung
dieses Systems die Befürchtung hegen, daß solche Einrichtungen
in die Sphäre der persönlichen Freiheit des einzelnen
eingreifen könnten. So schlimm ist dies allerdings nicht,
denn wir wissen, daß nur der Mensch am richtigen Arbeitsplatz
steht, dessen Leben einen Inhalt hat. Inhalt schaffen auf diese
Art nur erfüllte Pflichten. Pflichterfüllung fällt
am leichtesten dem, der eine richtige Arbeit leistet und zu der
er sich berufen fühlt. Nur auf diese Art ist der gewerbliche
Beruf die Grundlage menschlichen Glückes. Ein nicht geringer
Teil menschlicher Unzufriedenheit und menschlichen Elends erwächst
daraus, daß nicht wenige Menschen, sei es durch Zufall,
sei es durch häuslichen, wirtschaftlichen oder örtlichen
Zwang in Berufe hineingestellt werden oder zu Arbeiten
gekommen sind, die weder ihren körperlichen, noch seelischen
Anlagen entsprechen. Gerade in der Èechoslovakei, wo die
Gewerbegesetze so beschaffen sind, wo der Befähigungsnachweis
gilt, wo es, wie ich schon betont habe, sehr
schwer ist, in späteren Jahren umzusatteln, weil es eben
unmöglich ist, infolge der Gewerbegesetze irgendeinen anderen
Beruf zu ergreifen, wäre der Beruf und die Berufsbestimmung
in dieser Richtung aus wirtschaftlichen Gründen im lnteresse
des Gesamtstaates und der gesamten staatlichen Wirtschaft, im
Interesse des gesamten Gewerbestandes dringend notwendig. Es ist
bewiesen, daß körperliche Ungleichheit zur vorzeitigen
Übermüdung, Erschlaffung, Herabsetzung der Erwerbsfähigkeit
und schließlich zum vorzeitigen Zusammenbruch, zu Invalidität,
zum frühen Tod führt. Seelische Ungeeignetheit führt
zu Mindestleistungen für sich und andere, zur Gefährdung
von Menschen und Arbeitsgut, zu Mißgunst und Streberei,
zu Kleinlichkeitskrämerei, zu Engherzigkeit, zur Unzufriedenheit
mit sieh selbst und der Welt, zur Rückständigkeit und
zum wirtschaftlichen Zusammenbruch. Gerade heute, wo durch die
Vervollkommnung der Technik die Industrie gegenüber dem
Gewerbestand als starker Konkurrent auftritt, ist es notwendig,
neue Wege der Schulbildung zur Erhöhung der Leistungsfähigkeit
in der Praxis des Gewerbebetriebes zu suchen. Wir stehen heute
vor der dringenden Notwendigkeit der wirtschaftlichen und beruflichen
Schulung der Handwerkslehrlinge und jugendlichen Hilfsarbeiter.
Die Frage der Lehrlings- und jugendlichen Arbeiterbildung ist
eine brennende geworden. Die Gegenwart stellt an den deutschen
Gewerbestand und an die Eltern der Lehrlinge inbezug auf die Lehrlingsausbildung
weit höhere Forderungen, als etwa vor 100 Jahren, wo immer
noch der Handwerker in jener, von früheren Zeiten her überlieferten
beständigen und geruhsamen Weise sein Gewerbe ausüben
und pflegen konnte. Vor allem anderen soll der Schulbesuch in
dieser Richtung eingestellt werden, um den Existenzkampf eben
der Jugend für den späteren Lebenserwerb entsprechend
praktisch in den Werkstätten zu schulen. Mit dem Gesetz des
Achtstundentages und der gesetzlichen Bestimmung der Lehrling-
und Gehilfenurlaube, mit den für den Unternehmer in Frage
kommenden nicht geringen Ausgaben für die Kranken- und Sozialversicherung
ist das Konto für Lehrlingshaltung gewaltig gestiegen. Deshalb
fordern wir, nicht weil wir vielleicht aus reaktionären Gründen
gegen diesen sozialen Fortschritt sturmlaufen wollen, all das
entsprechend anzupassen und alles in entsprechend praktischem
Sinne zu organisieren. Uns allen ist bekannt, daß der Lehrherr
und die Eltern unter Strafe verpflichtet sind, laut § 75
a) der Gewerbeordnung den Hilfsarbeiter und Lehrling bis zum vollendeten
18. Lebensjahr zum Besuche der bestehenden allgemeinen gewerblichen
Fortbildungsschule sowie auch der fachlichen Fortbildungsschule
anzuhalten. Wir wissen auch, daß die Lehrherren die Verpflichtung
haben, sich die gewerliche Ausbildung der Lehrlinge angelegen
sein zu lassen und vor allem anderen ihm die erforderliche Zeit
zur Verwendung zu anderen Dienstleistungen nicht zu entziehen.
In Wahrheit aber müssen wir feststellen, daß vielen
Lehrlingen heute durch das alte Lehrsystem selbst durch die gewerbliche
Fortbildungsschule die erforderliche Zeit und Gelegenheit zum
praktischen Erlernen des Gewerbes deshalb entzogen wird, weil
an vielen gewerblichen Fortbildungsschulen hisher noch kein praktischer
Werkstatt- und Fachunterricht eingeführt wurde. Wir alle
sind der festen Überzeugung, daß eine gutdurchdachte
systematische Handwerkstechnik und Handwerkslehre in einer Schulwerkstatt
einen großen Wert für die Volkswirtschaft darstellt.
Der Staat kümmerte sich bisher herzlich wenig darum, daß
diese praktische Handwerkstechnik und Handwerkslehre an
den Volksbildungsschulen zur Geltung gekommen ist. Wir wissen
aus der Statistik, daß alljährlich nicht weniger als
200.000 junge Menschen in der Èechoslovakei in die Handwerkslehre
treten. Die Meister lehren all das, was sie einstens gelernt
haben. In Wahrheit hätte die Jugend in manchen Fällen
eigentlich umzulernen. All die Griffelemente, Griffe, Arbeitsstuben
und Arbeitsgänge, die getan werden müssen, damit ein
Werk aus der Händearbeit zweckmäßig und vollkommen
in Technik und Form entsteht, müssen praktisch der lernbegierigen
Jugend gezeigt werden. Diese gewaltige Summe von Fertigkeit und
Kenntnissen ist nicht aus Lehrbüchern zu erlernen und kann
auch nicht allein durch eine schriftliche Überlieferung mitgeteilt
werden. Allein das Lehren und Lernen von Hand zu Hand und Mund
zu Mund, das praktische Fortbildung vermag die Arbeit erfolgreichem
gewerblichem Schaffens fortzupflanzen. Dem entsteht ein entsprechend
hohe Arbeitsleitung, dann ist man imstande, all die Dinge, die
hier soziale Lasten sind, auf der anderen Seite durch Erhöhung
der Produktivität, der Ertüchtigung auf dem Gebiete
des Arbeitsplatzes wieder wettzumachen. Aus dieser so gewaltigen
Handwerkslehre erwächst für tausende junge Menschen
die Grundlage für ein Berufsleben, das dann nur wirklich
befriedigen kann, wenn die volle Entfaltung der Fähigkeit
ermöglicht wird. Für Handwerk und Gewerbe ist eine gediegene
praktische berufliche Lehrlingsbildung an der gewerblichen Fortbildungsschule
ein unversiegbarer Quell für tüchtige und gewerbliche
Höchstleistungen. Unsere bisherige gewerbliche Schulung an
den meisten gewerblichen Fortbildungsschulen für alle möglichen
Berufe war leider nur eine rein theoretische. Wir bildeten bisher
am meisten an vielen Fortbildungsschulen nur gewerbliche Theoretiker
und zu wenig Praktiker. Diese rein theoretische Schulbildung genügt
in dem schweren Wirtschaftsringen nicht mehr. Wir benötigen
eine regelrechte praktische berufliche Ausbildung unserer Lehrlinge
für die Werkstattpraxis. In die Schulwerkstätte an der
Fortbildungsschule gehört der praktische Handwerker. Die
Anforderungen der heutigen Zeit verlangen die Umstellung des gegenwärtigen
theoretischen Schulsystems zur praktischen Lehrwerkstatt.
Wenn wir nun von diesem Gesichtspunkt die ausgeworfenen
Summen im Staatsvoranschlag prüfen, so kommen wir zu der
Überzeugung, daß auch in diesem Jahre wieder für
die Förderung des gewerlichen Fortbildungsschulwesens zum
Ausbau von Lehrwerkstätten eine geradezu lächerliche
Summe eingesetzt ist.
Meine sehr Verehrten! Gerade heute, wo die
Tatsache abermals festgestellt ist, daß die neuen Steuerlasten
wieder nur die Armen treffen, muß ich mich noch mit den
unhaltbaren Zuständen, welche durch die Kartelle
und Trusts herbeigeführt werden, beschäftigen. Das Kartellwesen
in der Èechoslovakei zeitigt ganz furchtbare Auswirkungen
gegenüber Handel und Gewerbe. Wir alle wissen, was im Zuckerlande
der Èechoslovakei bisher möglich war. Im Lande, wo
die Zuckerrübe wächst und der Zucker zu Millionen Zentnern
erzeugt wird, haben wir
den teuersten Zucker, aber auch die miserabelste Belieferung.
Besonders unangenehm macht sich der allmählich eingebürgerte
Brauch geltend, daß der Kaufmann bei Abnahme einer bestimmten
Sorte gezwungen wird, auch noch gewisse Mengen anderer Sorten
zu beziehen, selbst wenn er für sie keine Absatzmöglichkeit
besitzt. Auch mutet es nachgerade grotesk an, wie man von Jahr
zu Jahr den Mangel an bestimmten Sorten abwechselt. So fehlte
es beispielsweise voriges Jahr im Sommer zur Einsiedezeit an Krystall-
und Staubzucker, während wieder heute Brot- und Würfelzucker
zu Fehlen kamen. Kein Wunder, daß der Detailhandel, der
doch unmöglich in der Lage ist, jährlich größere
Mengen auf Lager zu halten, dauernd mit Zuckernot zu kämpfen
hat und nur mit größten Mühe der Nachfrage seiner
ungeduldigen Kundschaft nachkommt, die bekanntlich sehr selten
diese Zusammenhänge verstehen kann.
Das, was sich beim Zucker und seiner Bewirtschaftung
zeigt, dasselbe finden wir bei Stahl, bei Eisen. Als vor Jahren
einmal die Regierung einen Aufruf an alle Produzenten ergeben
ließ, sie mögen sich bemühen, ihren Einkauf vor
allem anderen an der Urquelle der Produktion zu decken, da bemühten
sich die Metallhandwerker durch die Organisation der Kredit-
und Einkaufsgenossenschaft ihre Bedürfnisse unmittelbar bei
der Urproduktion, bei der Kartellquelle zu beziehen. Aber da bestand
man darauf, nach der angeblich alten Tradition - die Oberkartellmacher,
die Eisenjuden in Prag standen auf dem Standpunkt, man dürfte
hier das System der Organisation in dieser Richtung nicht durchbrechen.
Wir sehen also hier ein systematisches Zustimmung und Zusehen
der Regierung in dieser Richtung. Alle Vorstellungen und Versuche
waren umsonst. Dasselbe finden wir aber beim Eisen, dasselbe finden
wir bei Gummiabsätzen, bei Leder, in der Textil- und in der
Papierindustrie und allüberall. In allen Staaten, wo man
nicht die Kleinen verfolgt, sondern auch ein Interesse daran hat,
was denn eigentlich die Börsenjobber, die Börsenschieber
und Bankspekulanten betreiben, hat man sich schon längst
mit dem Kartellwesen eingehend beschäftigt. Bei uns aber
in der Èechoslovakei besteht immer noch das System, die
Kleinen aufzuhängen und die Großen laufen zu lassen.
Wir fordern also als deutsche Nationalsozialisten
endlich einmal Einhalt auf diesem Gebiete, wir fordern vor allem
die Kontrolle der Produktions- und Preisbestimmung, wir fordern
ehestens ein Antikartellgesetz. In Deutschland hatte man den Mut,
gegen die Börsenjobber und Schieber bereits am 13. Oktober
1923 eine Verordnung zu erlassen, die sich gegen den Mißbrauch
wirtschaftlicher Machtstellungen grundsätzlich ausspricht.
In der Èechoslovakei aber spricht man nur davon, diskutiert
vielleicht ein wenig in der Presse, von dem kommenden Kartellgesetz
aber hört man nichts und es ist auch bis
zum heutigen Tage noch nichts geschehen. Ich betöne dies,
weil gerade der neue Staatsvoranschlag klipp und klar beweist,
daß die gewaltige Steuerlast, die hier in Erscheinung tritt,
wieder nur getragen wird von den kleinen Produzenten und Konsumenten
und vom Handelsstand.
Wie immer wir den vorliegenden Staatsvoranschlag
und die bisherige Wirtschaft betrachten mögen, wir können
nur feststellen und zu der Überzeugung kommen, daß
es sich wiederum im kommenden Wirtschaftsjahre nur um die Niederringung
der wirtschaftlich Schwachen handelt. Die nationalsozialistische
Partei wird deshalb für den vorliegenden Staatsvoranschlag
nicht stimmen. (Potlesk poslancù nìm.
nár. socialistické strany dìlnické.)
Meine Damen und Herren! Der Herr Finanzminister
hat es für angebracht gehalten, in seinem Exposée
vom 14. Oktober hier im Abgeordnetenhause die Selbstverwaltungskörper
ganz allgemein als die Ursache für die übermäßig
hohe Belastung der Steuerträger hinzustellen, indem er wörtlich
sagte: "Die Belastung durch die Selbstverwaltungskörper
ist viel zu schwer. Die Gemeinden müssen sich größere
Zurückhaltung bei den Ausgaben auferlegen.
Autonomie muß mit Verantwortungsgefühl verbunden sein".
Auch der Motivenbericht zum neuen Finanzgesetze für die Selbstverwaltungskörper
enthält solche Phrasen. Dadurch erweckt man den Eindruck,
als ob gegenwärtig in der Selbstverwaltung kein Verantwortungsgefühl
oder wenigstens in nichtgenügenden Maße vorhanden wäre
und als ob es die Länder, Bezirke und Gemeinden
im Gegensatz zum Staate an der erforderlichen Sparsamkeit fehlen
ließen. Durch ständige Wiederholung des Schlagwortes
von der verschwenderischen Finanzgebahrung der Selbstverwaltung
versucht Herr Dr Engliš die öffentliche Kritik
von der Mißwirtschaft dieser Staatsverwaltung geschickt
abzulenken. Anstatt vor der eigenem Türe zu kehren und darauf
hinzuweisen, daß es vor allem notwendig wäre, im Staatshaushalt
mit gutem Beispiele vor anzugehen und endlich ein- und unökonomische
Ausgaben, wie die 75 Millionen für Pulver und Granaten vermeiden,
tut er so, als ob die Gemeinden das ihnen vom Staate gnädigst
zur Verfügung gestellte Geld einfach zum Fenster hinauswürfen
und dafür Rathäuser und ähnliche unnütze Gebäude
aufführten, die keine Rentabilität ergeben. Das mag
ja vielleicht das eine oder das anderemal vorgekommen sein, rechtfertigt
aber keineswegs die Verallgemeinerung. Genau so wie der Herr Finanzminister
selbst im Budgetausschuß am 26. Oktober hinsichtlich der
betrüblichen Erscheinungen in den Prager Steuerämtern
erklärte, es wäre ein ungeheueres Unrecht, wegen einzelner
Fälle die Gesamtheit verantwortlich zu machen, genau so müssen
wir erklären: Es ist ein ungeheueres Unrecht, daß der
Herr Finanzminister hier vor aller Welt unserer Selbstverwaltung
in Bausch und Bogen Verschwendungssucht, Mangel an Sparsamkeitssinn
und Verantwortungsgefühl vorgeworfen hat. Darin liegt eine
bewußte Irreführung der öffentlichen Meinung und
deshalb erheben wir gegen diese Pauschalverdächtigung den
schärfsten Einspruch. Schon die Allgemeinheit
der Finanznot unserer Selbstverwaltungskörper auf èechischer,
deutscher, polnischer, slovakischer und magyarischer Seite wiederlegt
die Anschuldigungen und läßt darauf schließen,
daß die Ursachen dafür viel
tiefer liegen, als der Herr Finanzminister meint: Zunächst
in der Geldentwertung, die den Staat veranlaßt hat, Kriegszuschläge
zu den Steuern einzuheben, welche aber nicht in die zuschlagsfähige
Umlagengrundlage eingerechnet werden. Dadurch waren unsere Gemeinden
höherer und niederer Ordnung von vornherein gezwungen, die
Umlagen zu erhöhen oder Schulden zu machen. Hätte sich
die staatliche Finanzverwaltung gesagt, was dem Staate recht ist,
muß der Selbstverwaltung billig sein und wären die
durchschnittlich 100%igen Kriegszuschläge in die Umlagenbasis
einbezogen worden, so hätten viele, ja die meisten Gemeinden
eine Umlagen Erhöhung überhaupt nicht vorgenommen.
Ferner wurde bekanntlich die Zuschlagsfähigkeit der Hauszinssteuer
und der Erwerbssteuer der öffentlichen Rechnungsleger beschränkt,
ohne daß den Gemeinden hiefür ein entsprechendes
Entgelt geboten worden wäre. Für Neubauten, für
die Erneuerung vom Maschinen usw. wurden Steuerbegünstigungen
gewährt, die selbstverständlich eine Schmälerung
der Gemeindeeinnahmen mit sich brachten. Die Steuern wurden, wie
der Herr Finanzminister selbst wiederholt zugeben mußte,
unglaublich spät vorgeschrieben und eingehoben, die den Selbstverwaltungskörpern
von den Steuerbehörden gemachten Angaben über die Umlagenbasis
waren in der Regel falsch, die Aufstellung ordentlicher Voranschläge
wurde so geradezu unmöglich gemacht. Bis heute wissen die
meisten Gemeinden nicht, woran sie sind. Immer noch werden sie
durch übertrieben hohe Angaben hinsichtlich der zu erhoffenden
Steuereingänge amtlich irregeführt. Dazu kommt die famose
Art der Kriegsanleiheeinlösung, die drückende Besteuerung
der Gemeindeunternehmungen, die Vermögensabgabe und vieles
andere. Wo liegt also die Schuld für die traurigen Zustände
in der öffentlich en Finanzwirtschaft? Auch die sogenannten
Sanierungsversuche konnten keine durchgreifende Verbesserung mit
sich bringen. Es waren Versuche mit untauglichen Mitteln. Die
neuen Abgaben und Gebühren, welche den Gemeinden bewilligt
wurden, waren nur ein Tropfen auf einen heißen Stein. Eine
Entlastung der Gemeinden durch Abnahme einiger Zweige des bisherigen
Wirkungskreises, wie sie die Novelle zu den Gemeindeordnungen
vom 7. Feber 1919 vorsah, ist nicht erfolgt, im Gegenteil! Im
übertragenen Wirkungskreis bekamen die Gemeinden durch alle
möglichen Gesetze seit dem Bestande der Republik so viel
aufgehalst, daß sie darunter zusammenbrechen müssen,
insbesondere da sie noch dafür nicht einen roten Heller als
Vergütung erhalten. Heute sind schon 2/3 bis 3/4 aller Gemeindegeschäfte
tatsächlich Staatsaufgaben, die Gemeinden sinken immer mehr
zu unbesoldeten Exekutivorganen der Staatsbehörden herab.
Es zeugt von einer vollständigen Verkennung
der wahren Verhältnisse, wenn der Finanzminister meint, die
Gesamtausgaben der Selbstverwaltungskörper, also der Gemeinden,
Bezirke und Länder, die er für 1927 auf 5717 Millionen
schätzt, seien im Verhältnis zu den Ausgaben für
die Staatsverwaltung viel zu hoch. Herr Dr Engliš berechnet
dieses Verhältnis mit 54: 100. Man kann die Richtigkeit dieser
Schätzung mehr oder minder in Zweifel ziehen, jedenfalls
muß man aber berücksichtigen, wie viele Aufgaben der
Staatsverwaltung gegenwärtig ohne Entgelt durch unsere Selbstverwaltung
erfüllt werden, daß also zu dem Aufwand von fast 10
Milliarden für die eigentliche Staatsverwaltung noch gut
2/3 des Aufwandes der Selbstverwaltung, somit noch gegen 4 Milliarden
hinzuzurechnen und bei den Ausgaben der Selbstverwaltung abzurechnen
sind. Dann ergibt sich sogleich ein ganz anderes Bild. Von den
15 1/2 Milliarden, welche die öffentliche Verwaltung
in diesem Staate nach Engliš insgesamt kosten soll,
entfallen dann 13 1/2 Milliarden auf die Staatsverwaltung
und nur 2 Milliarden auf die eigentliche Selbstverwaltung, somit
auf die Länder, Gaue, Bezirke und Gemeinden, zusammen nicht
einmal 1/2 dessen, was der Moloch Staat verschlingt. Oder
anders ausgedrückt, ist das Verhältnis der Ausgaben
der Selbstverwaltungskörper für den eigenen Wirkungskreis
zu den mittelbaren und unmittelbaren Staatsausgaben wie 15: 100.
Man sieht daraus, wie problematisch der Wert
der von Professor Engliš verwendeten Statistik ist
und wie überaus sparsam in Wirklichkeit die Selbstverwaltung
wirtschaftet - im Gegensatz zum Staate, der das Sparen getrost
von der Selbstverwaltung lernen könnte. Ich verweise diesbezüglich
nur beispielsweise auf die Ausgaben für die Staatspolizei,
die für sieben Direktionen und 10 Kommissariate 135 Millionen
betragen, wozu noch 5 Millionen zur Errichtung neuer Staatspolizeiämter
kommen, so daß die Staatspolizei insgesamt über 140
Millionen Kronen kostet. Auf ein Staatspolizeiamt entfällt
also durchschnittlich ein Aufwand von fast 8 Millionen Kronen.
Hätte man die ganze Polizei den in Betracht kommenden Gemeinden
belassen, so wäre dieser Verwaltungszweig gewiß nicht
schlechter betreut als jetzt, der Aufwand dafür aber betrüge
sicher kaum 1/3. Allerdings könnte dann nicht jedes Polizeiamt
über ein eigenes Automobil verfügen wie jetzt, auch
wäre dann das Heer der Spitzel nicht vorhanden, ohne das
dieser Staat scheinbar nicht existieren kann. (Výkøiky
na levici.) Welchen Unsinn diese Spitzel
oft für teueres Geld liefern, davon weiß ich aus einiger
Erfahrung ein Lied zu singen, da ich ja auf Grund eines solchen
geradezu grotesk erlogenen Spitzelberichtes ausgeliefert wurde.
Gegenwärtig werden wir Deutschnationalen in Schlesien durch
einen gewissen Kunzendorff, einen Reichsdeutschen, der im Dienste
der Troppauer Polizeidirektion steht, einen großen, hageren,
blauäugigen Herrn von unverkennbar preußischer Herkunft
ständig überwacht. Schade um das Geld dafür! Jedenfalls
wäre es für die öffentliche Ordnung, Ruhe und Sicherheit
nicht im mindesten ein Unglück, wenn wenigstens ein Teil
dieser Geheimagenten und zwar zunächst jene Polizeiangestellten
entlassen würden, die über dem systemisierten Stand
mitgeschleppt werden. Es sind dies weit über 500,
so daß dadurch allein mehr als 5 Millionen Kronen erspart
werden könnten. Das entspräche auch dem Abbaugesetz
vom 22. Dezember 1924, Nr. 286. Streicht man außerdem noch
den Betrag von 5,124.000 Kè zur Errichtung neuer
Staatspolizeiämter, so kann man bei dem Kapitel "Staatspolizei"
allein ohne weiteres über 10 Millionen Kronen ersparen. Gleichzeitig
könnte durch einen allmählichen weiteren Abbau
der Staatspolizei eine Wiederherstellung der Gemeindeautonomie
angebahnt werden, gewiß zur Ehre der demokratischen Republik
und zum Wohle der Bürgerschaft. 8 Millionen unerledigte Akte
dürfte es in keinem Ministerium geben, wenn man der Selbstverwaltung
die ihr gebührenden Rechte nicht derart verkürzen würde.
Nur eingefleischte Zentralisten vermögen
es nicht zu würdigen, welche Unsumme von Arbeit in der Selbstverwaltung
ehrenamtlich oder gegen eine geringfügige Vergütung
geleistet wird und wie innig der Aufschwung eines Staates damit
zusammenhängt, daß die Gemeinden höherer und niederer
Ordnung das erhalten, was sie zum Leben brauchen. In Deutschland
z. B., dessen Emporblühen vor dem Kriege und auch jetzt gewiß
nicht bestritten werden kann, bekommen die Länder und Gemeinden
über zwei Drittel aller Steuereinnahmen, während man
hierzulande die Selbstverwaltung mit den Brosamen abspeist, die
von dem reichgedeckten Tische des Staates abfallen. Dabei sucht
man systematisch das Verantwortungsgefühl in den Gemeinden
zu ertöten, indem man sie immer mehr unter eine Kuratel der
Aufsichtsbehörden stellt und sie wie Unmündige oder
Blödsinnige behandelt, die ihre eigenen Angelegenheiten selbst
zu besorgen unfähig sind. Und dabei klagt man noch pharysäisch
über das Schwinden des Verantwortungsbewußtseins in
der Selbstverwaltung! Viel wäre zu sagen über den Gesetzentwurf
zur Neuregelung der Finanzwirtschaft der teritorialen Selbstverwaltungsverbände.
Da aber dieser Entwurf heute noch nicht zur Verhandlung steht,
will ich auf Einzelheiten nicht eingehen. Nur so viel möchte
ich schon jetzt vorneweg feststellen, daß die darin vorgesehenen
Drosselungen der Gemeindefreiheit unerträglich sind und daß
auf diesem Wege weder eine Sanierung der öffentlichen Finanzen,
insbesondere nicht jener der Selbstverwaltungskörper noch
ein Abbau der allgemeinen Übersteuerung erzielt werden kann.
Herr Minister Engliš hat ganz richtig
gesagt, Autonomie müsse mit Verantwortungsgefühl verbunden
sein. Erschlägt man die Autonomie, so erschlägt man
gleichzeitig auch das Verantwortungsgefühl in der Bevölkerung.
Deshalb sollte kein Gesetzentwurf derartige Bestimmungen enthalten,
die an Stelle des Selbstverwaltens das Verwaltetwerden von oben
setzen, an Stelle der Selbstbestimmung die polizeistaatliche Fürsorge
und an Stelle der Selbstverantwortung das "Vertrauen an eine
hohe Regierung". Möge Herr Engliš doch einmal
die englischen Verhältnisse studieren, wenn er schon von
dem reichsdeutschen Beispiel nichts wissen will! Dort hat sich
seit Jahrhunderten gezeigt, daß eine starke Selbstverwaltung
sehr gut mit einer starken Staatsgewalt vereinbar ist. Die These
der hiesigen Zentralisten: "Je schwächer die Selbstverwaltung,
desto stärker die Staatsgewalt", eine These, die offenbar
von Paris bezogen wurde, erscheint dadurch widerlegt. Die Zentralisation
wirkt im Sinne der Vereinfachung und Verbilligung der Verwaltung,
fördert den Gemeinsinn, die Initiative und die Mitarbeit
aller Bürger zum Gemeinwohl. In der entösterreicherten
Èechoslovakei hingegen reißt immer mehr der Geist
des Metternichschen Polizeistaates ein. Während schon im
alten Rom der Satz galt: Minima non curat praetor
- um Kleinigten hat sich der Prätor nicht zu kümmern,
kommt bei uns jeder Schmarrn bis nach Prag und dabei wird unnütz
Zeit, Kraft, und Volksvermögen vergeudet. (Pøedsednictví
pøevzal místopøedseda Stivín.)