Ich will mir die Aufgabe stellen, auf eine
ganze Reihe bisher unerwähnt gebliebener Schädigungen
unserer Volkswirtschaft hinzuweisen.
Meine engere Heimat, Südmähren, war
seinerzeit das Hinterland Wiens. Unsere heimische Wirtschaft war
eingestellt auf Belieferung der nachbarlichen Millionenstadt und
es gab daselbst kein Landwirtschaftsprodukt, das nicht den günstigeren
Absatz dort gefunden hätte.
So konnte Südmähren z. B. gar nicht
so viel Milch erzeugen, als Wien angesprochen hatte. Eine sträfliche
Handelspolitik, bzw. gänzlich verfehlte Zollschranken
von Seite der Èechoslovakei zwangen Österreich zu
einer Umstellung seiner Wirtschaft und so findet sich heute im
Nachbarlande an Stelle der seinerzeitigen Aufzuchtwirtschaft eine
ausgesprochene Abmelkwirtschaft auch im Alpengebiete, die bereits
den größten Prozentsatz des Milchbedürfnisses
Österreichs zu decken vermag. Österreich kann heute
jenes Produktes fast entraten, das noch vor einem halben Jahrzehnte
hier zu Lande erbettelt werden mußte, ja es wagte den Kampf
mit der Milcherzeugung dieses Staates aufzunehmen, indem es uns
vom Wiener Markte durch einen gewichtigen Zollsatz auf Milch und
Milchprodukte absperrt. Was diese Maßnahme für unser
Gebiet bedeutet, muß ich nicht besonders betonen! Südmähren
könnte auf dem Milchmarkte nur geholfen werden, wenn die
Eisenbahnverwaltung sich dazu verstehen wollte, jener einst nach
Wien gravitierenden Gebieten einen Ausnalmstarif für, dem
baldigen Verderben unterliegende Produkte, so insbesondere für
Milch, Gemüse, Frühobst und Weintrauben zu gewähren.
Die Möglichkeit der Einführung solcher Sonderfrachtsätze,
wenigstens bis Prag und Ostrau ist nicht nur gegeben, sie wird
zur unbedingten Notwendigkeit werden, wenn es nicht gelingen sollte,
Österreich vertraglich zu binden, jene Menge an Milch von
uns zu beziehen, die nicht durch seine Eigenerzeugung gedeckt
erscheint.
Gerade die Voranschlagswechselrede fordert die Betonung dieser
Verhältnisse heraus, da wir die Förderung der Landwirtschaft
wohl in Österreich beobachten, jedoch auf èechischem
Gebiete außerordentlich vermissen. Der Agrarzoll ist leider
erst ein unzureichender Anfang und werden wesentliche Reformen
auf diesem Gebiete erst folgen müssen! Während in allen
Gebietsteilen Böhmens, Mährens und Schlesiens die Milchpreise
sich doch auf 1,30 bis 2 Kè erhalten,
ja in den Industriegebieten bis 2.50
Kè steigen, erlangen wir in Südmähren nur 90
Heller bis 1 Kè in Ausnahmsfällen 1,10 Kè.
Dabei wird jeder Landwirt zugeben müssen, daß die Milcherzeugung
im Getreidegebiete die Haupteinnahmsquelle der Landwirtschaft
ist, umsomehr als heute der Zuckerrübenanbau
infolge der sinkenden Preise ganz im Argen liegt. Der Rückgang
des Rübenanbaues zeigte sich schon im heurigen Jahre und
wird in den kommenden Jahren mancherorts zur Einstellung des Rübenbaues
führen, da die Gestehungskosten bei einem Preise von
14 Kè pro Meterzentner Rüben kaum mehr erreicht erscheinen.
Auch hier ließ sich die Èechoslovakei ein Absatzgebiet,
wie es Österreich war, durch eine unkluge Handelspolitik
entgehen.
Und unsere Znaimer Gurke! Sie hat den Wiener
Markt schon, und zwar für alle Zeiten verloren. Die Handelsschwierigkeiten
gegenüber Österreich bewirkten leider die Umstellung
der österreichischen Nachbarbezirke, sodaß heute bereits
Retz und Oberhollabrunn mit ihrer Gurkenerzeugung Wien völlig
sättigen.
Das Wohlergehen des südmährischen
Landvolkes ist damit geschwunden, umsomehr, als auch bei der Weinproduktion
unsere sonnige Heimat von staatswegen keinerlei Rücksichtnahme
erfährt, ja durch ein Weinbaubesteuerungswesen ohne gleichen
an den Ruin gebracht wird.
Ich will in der Veranschlagswechselrede nicht
eingehender die allgemeine Weinsteuer kritisieren und beschränke
mich auf die Feststellung, daß der südmährische
Wein, in Qualitäten den besten Weinen Mitteleuropas gleich,
bisher nie der Obsorge des èechoslovakischen Staates
teilhaftig wurde. Die Voranschlagsziffern sprechen ja weit mehr
als Worte. Für den mährischen Wein- und Obstbau, die
auf Grund der fraglichen Rentabilität völlig darniederliegen,
führt der Voranschlag einen völlig unzureichenden
Auslagenposten an. Aus dem Weinbau jedoch zieht der Staat eine
Einnahme, die mit hunderten Millionen gebucht erscheint.
Ein trauriger Abschnitt in unserem Hauerleben
ist das Kapitel Neukultivierung. Die zu geringen Zuwendungen aus
Staatsmitteln verzögern die Neuanlagen der Gärten, da
das Mutterstockmaterial noch vielfach aus Rumänien und Österreich
bezogen werden muß, und zwar zu unerschwinglichen Preisen.
Das Ackerbauministerium wendet dieser Frage allzuwenig Aufmerksamkeit
zu. Hier könnte durch ausgiebige Subventionierung die Neubepflanzung
gefördert, ja gesichert werden, doch der Voranschlag schweigt
auch über dieses Kapitel. Noch immer aber wird der Steuerertrag
nach einem ganz falschen Schlüssel errechnet, nach den Weinpreisen
aus dem Jahre 1920 und 1921.
Die damals hinaufgesetzte Steuer mit ihren Zuschlägen beträgt
heute noch 1,60 Kè, d. i. an Staatssteuer 80 Heller, Landeszuschlag
20 Heller, Gemeindezuschlag auch beiläufig 20 Heller und
40 Heller pauschalierter Umsatzsteuer, trotzdem der Weinpreis
auf die Hälfte gesunken. Das Weinland
steht damit in der höchsten Steuerstufe und man kann ohne
Übertreibung die Steuersumme für 1 ha Weinland auf 4000
Kè bemessen, ein Betrag, der bei Berücksichtigung
der hohen Bearbeitungskosten den Weinbau zum Luxusackerbau werden
läßt, umsomehr als ja Weinjahre sich durch ihre Seltenheit
besonders interessant machen.
Was aber muß die unvermeidliche Folge
der Übersteuerung des Weinbaues und der Weinerzeugung sein?
Wir werden in nicht ferner Zukunft im bisherigen Rebenlande kahle
Hügel finden, die für Getreidebau fast ungeeignet, schließlich
der Wildnis preisgegeben sein werden, handelt es sich doch um
die schlechtesten Böden.
Es bleibt nur die Frage, ob dann auch noch
von Heckenrosenbüschen oder Schlehdorn, oder bestenfalls
von spärlichem Akazienwuchs der Staat seine Steuermillionen
nehmen kann. Da sollte eben die Steuerbremse sofort ansetzen,
um noch zu retten, was zu retten ist, und um die Lust zum Weinbau
neuerlich zu heben.
Uns mangelt insbesondere die Staatsaushilfe
bei Bekämpfung der Rebenfeinde. Der Staat sollte hochwertige
chemische Bekämpfungsmittel gegen Peronospora, Oidium, Kräuselkrankheit
und Heu- und Sauerwurm zu billigen Preisen in den Handel bringen.
Handelt es sich doch um die Erhaltung der Weinbausteuerquelle
auch für die Zukunft. Mit dem Weinbau steht ja und fällt
ja auch ein gutes Stück Gewerbe, Industrie und Handel. Wieviel
Hunderttausende wirft doch der Weinbau alljährlich aus für
Spritzpumpen, Fässer, Bottiche, Kupfervitriol, Weinschläuche,
Mostschöffel, Weinpressen, Mostwagen u. s. w. Man sollte
also erhoffen, daß ein, nur auf naturbegünstigtem Boden
gedeihendes Produkt, an welches eigentlich das Gedeihen und Verderben
so vieler Berufsstände gebunden ist, die besondere Sorge
der Wirtschaftsfaktoren bilden müßte. Leider ist es
nicht so, den bescheidensten Wünschen der Hauerbevölkerung
wird nicht Rechnung getragen. Es sollte ihr wenigstens gegönnt
sein, auch steuerfrei einen Tropfen ihrer Erzeugung genießen
zu können. Das Gesetz müßte mindestens 1 Liter
Wein täglich, unbeschadet der Menge der Erzeugung, steuerfrei
lassen, es müßte auch, und dies insbesondere in der
Slovakei jenes alte, traditionelle Recht auf den Buschenschank
anerkennen.
Wenn der Weinbauer um Pressburg herum zum Buschenschankverkauf
seine Zuflucht nimmt, dann geschieht es wohl erst in höchster
Notlage und zwingen ihn äußerste Absatzschwierigkeiten
und Geldnöte dazu. Der Engrosverkauf ist nicht immer möglich,
da die heimischen Großstädte ihren Weinbedarf leider
vielfach im Auslande decken. Die Beschränkung oder Einstellung
des Buschenschankes müßte in den slovakischen Gegenden
geradezu die Einstellung des Weinbaues bedeuten und würde
sich auch in den südmährischen Weingebieten ungünstig
auswirken.
Die drückenden Gefällstrafen sollten
längst zufalle kommen, leider aber bilden sie auch im heurigen
Budget wieder einen beträchtlichen Einnahmsposten des Staatshaushaltes.
Ob eine Wirtschaft, die ihre Einnahme, wenn
auch nur zum Teil, auf Verfehlungen ihrer Steuerzahler gründet,
als gesund betrachtet werden kann, bleibe dahingestellt.
In diesem Zusammenhange sei auch hingewiesen
auf die ungerechte Besteuerung des Flaschenweines und auf die
Beschränkung des Weinhandels auf die mindeste Handelsmenge
von 40 Liter Wein oder Most. Diese Gesetzesbestimmung trifft
nur den Erzeuger und muß als Schutz des Weingroßhandels
aufgefaßt werden, die wir nicht Rücksicht auf ihre
Einseitigkeit entschiedenst bekämpfen. Die Hauptsorge aber
bei alledem bleibt auch beim Weinbaue die Absatzschwierigkeit.
Die Èechoslovakei, die ja selbst mehr:
Wein schafft, als sie verbraucht, öffnet fremden Weinen ihre
Grenzen, begünstigt eine ganze Reihe von Staaten bei der
Einfuhr von Fremdweinen, während hier zu Lande Überfluß
an Altweinen herrscht. Es wäre einerseits ein Zollschutz
gerecht zur Förderung der heimischen Erzeugung, andererseits
aber könnte der Zolltarif eine beträchtliche Einnahmsquelle
für den Staat bilden und es würde eine Besteuerung der
fremden Weine alle jene an heimatliche Genüsse gewöhnen,
die immer nur in der Ferne das Beste wähnen. Wenn ich schon
das bestehende Getränkesteuergesetz einer Kritik unterziehe,
kann ich auch an einem verwandten Kapitel nicht vorübergehen,
an der Verwertung des in eigener Wirtschaft erzeugten Obstes.
Bis zum Umsturz hatten die mährischschlesischen
Sliwowitz-Erzeuger ein von Maria Theresia gestiftetes Patent,
nach welchem jeder Landwirt aus seinem eigenen Obste oder eigenen
Trebern Branntwein erzeugen konnte. Das Brennen stand wohl unter
finanzbehördlicher Aufsicht, galt aber bis zu einer Menge
von 5 hl Maische als steuerfrei, jedes weitere Quantum unterlag
der Steuer. In jenen Gebieten, wo intensiver Obstbau betrieben
wird, galt das Sliwowitzbrennen oftmals als die letzte Verwertungsmöglichkeit
der Zwetschke. Die bestehenden gesetzlichen Bestimmungen, bezw.
Verordnungen unterbinden geradezu die Sliwowitzerzeugung im klein-
und mittellandwirtschaftlichen Betriebe. Sie entziehen aber auch
dem Staate eine bedeutende Steuereinnahmsquelle und ich
führe hier nur das Beispiel des Znaimer Steuerbezirkes an,
wo vor dem Umsturze jährlich weit über 1000 Landwirte
Sliwowitz brannten, ihn versteuerten und in den Handel brachten.
Heute jedoch entgeht dem Staate dieser Steuersatz von Millionen,
da notgedrungen die Obstanlagenbesitzer die vermaischbaren Obstsorten
dem Verderben überlassen müssen, bei Fehlen fast jeglichen
Absatzes. Es wird einem dringenden Bedürfnisse entsprechen,
endlich mit einem neuen Gesetze diese trüben Erscheinungen
zu beheben und den bäuerlichen Betrieb wieder in seine Rechte
einzusetzen.
Ich sehe nun von landwirtschaftlichen Fragen
etwas ab und will noch einige andere Budgetposten einer Betrachtung
unterziehen. In dem Voranschlage des Arbeitsministeriums vermisse
ich vollkommen eine Ausgabe für den Neubau oder wenigstens
Zubau des Znaimer Reformrealgymnasiums deutscher Unterrichtssprache.
Beim Umsturze noch hatte Znaim drei deutsche Mittelschulen und
2 deutsche Fachschulen. Eine eigenartige Geometrie brachte von
diesen 5 Schulen 4 zu Falle oder besser gesagt, ließ sie
zusammenschmelzen auf 1 Staats-Reformrealgymnasium. Im 200 Jahre
alten Gebäude des ehemaligen Gymnasiums pfercht man heute
die Schüler aus Gymnasium, Realschule und Lyzeum zusammen
in gänzlich unzureichende Räume. 324 Schüler füllen
13 Mittelschulklassen, da jedoch das Gebäude nicht ausreicht,
so sind nicht nur Klassen in Privathäusern und anderen
Schulen untergebracht, sondern es fehlen auch Turnsaal, Zeichensaal.
Physik und Chemiesaal, sowie Laboratorien. An 5 verschiedenen
Stellen wird der RealGymnasial-Unterricht erteilt, leider
nicht zum Gedeihen des Studiums. Diese traurige Erscheinung
wirkt für uns deutsche Südmährer umso verletzender,
als wir zuschauen müssen, wie in allen besser gebauten und
neueren Schulen Znaims sich die Èechen häuslich
eingerichtet haben, wie sie heute
drei Mittelschulen, bezw. Fachschulen, besitzen und den
Begriff "Raummangel" nur vom Hörensagen kennen.
Eine äußerst bescheidene, jedoch umso dringendere
Forderung Südmährens ist es, wenigstens die einzige
deutsche Mittelschule Znaims so auszugestalten, daß sie
ihrem Zwecke dienen kann und dies durch sofortige Aufführung
eines Zubaues. Der Raum ist vorhanden, die Möglichkeit
gegeben, den Zubau zu bewerkstelligen und ich will hoffen, daß
nicht etwa hier die bei den deutschen Schulen
Mährens so oft geübte Sparmaßnahme wieder eine
Ausrede bildet. Eine zum Bereich dieser Mittelschule zählende
Bevölkerung von 70 bis 80.000 deutschen Bewohnern
und Steuerzahlern hat wohl ein gutes Recht auf die erhobene
Forderung, umsomehr, als sie Zeuge des übermäßigen
Aufwandes ist, der beim Bau von èechischen
Minderheitsschulen und Kindergärten
im deutschen Gebiete getrieben wird. Für
6 bis 8 Kinder werden ganze Schulpaläste erbaut,
dabei werden die Kinder aus völlig fremden Schulsprengeln
mit der Bahn herbeigeholt, um der Schule eine Daseinsberechtigung
zu verleihen. Es wäre dies auch ein Kapitel für
Sparmaßnahmen des Eisenbahnministeriums.
Zum Kapitel Verteidigungsministerium muß
ich gleichfalls eine Einwendung machen. Der Herr Minister
hat im Budgetausschusse auch der kulturellen Erfordernisse
gedacht und Militär-Büchereien und Kursen das
Wort gesprochen. Bei den landwirtschaftlichen Kursen haben
wir leider die Erfahrung gemacht, daß sie vielfach unbesucht
bleiben, weil die Soldaten hiezu nicht gezwungen
werden, andererseits aber weil sie ermüdet oder in Erwartung
einer anstrengenden Übung den Schlaf dem Unterrichte vorziehen.
Es wäre da eine Verfügung dahingehend zu treffen, daß
nicht solche Umstände den Unterricht fruchtlos werden lassen,
oder überhaupt unmöglich machen. Bezüglich der
Büchereien lege ich Verwahrung ein gegen Bücher,
wie mir hier eines vorliegt, betitelt "Unser
erste Präsident". Es ist entschieden verwerflich, wenn
unseren Soldaten eine Lektüre aufgenötigt wird, die
sprachliche Fehler enthält, wie dieses Buch es gleich im
Titel bezeugt. Verletzend aber ist, wenn der Inhalt sich auch
auf Ereignisse bezieht, welche die trübsten Erinnerungen
einem treuen heldenhaften Volke aufzwingen, in oft verletzendem
Tone. Wir wollen hoffen, daß der neue Kurs auch mit unserer
seelischen Verwundbarkeit rechnen wird.
Um nochmals auf die landwirtschaftlichen Erfordernisse
zurückzukommen, will ich des Falles besonders gedenken,
der heute unter der Frage der Kartoffelkrebsbekämpfung eine
der Hauptsorgen der Landwirtschaft ist. Es ist kluge Vorsicht,
die das Ackerbauministerium hier obwalten läßt und
wir anerkennen sie in vollem Maße, jedoch sollte die fachmännische
Beschau des zur Einfuhr gelangenden Samens vereinfacht werden.
Heute ist die Einfuhrbewilligung auch im Grenzgebiete aus eigenem
Besitze auf die Begutachtung eines Organes der phytopathologischen
Versuchsanstalt angewiesen. Die Kosten dieser Untersuchung trägt
der Interessent und es kommt vor, daß die Grenzbewohner
ihr eigenes Produkt durch dieses Untersuchungsverfahren
sich eigentlich kaufen müssen. Es ließe sich auf diesem
Gebiete insoferne Abhilfe schaffen, als man die Lehrpersonen der
ländlichen Fachschulen, womöglich auch diplomierte Landwirte,
in Kursen mit den Symptomen des Kartoffelkrebses vertraut macht
und ihnen gegen staatliche Vergütung die Untersuchung der
Rückfuhrkartoffel aus dem Grenzgebiete überträgt.
Um auch noch auf die Überflutungskatastrophen
hinzuweisen, stelle ich fest, daß leider meine Heimat im
Voranschlage unbedacht blieb. Südmähren bedarf einer
ausgiebigen Flußregulierung der Thaya, Schwarza und ihrer
Nebenflüsse, da durch Abschwemmungen und Überflutungen
alljährlich unsäglicher Schaden verursacht wird. In
dieser Frage wäre eine Lösung sofort gefunden, durch
den Bau der Stauwerke in Frain und Brünn, leider aber vermisse
ich im Voranschlag des Arbeitsministeriums diesen Posten.
Mit diesen von mir bemängelten Verhältnissen
werden die Ministerien sich denn doch zu befassen
haben, da sie auf die Dauer unhaltbar sind, bei gutem Willen
jedoch ehestens günstig gestaltet werden können. (Potlesk.)
Hohes Haus! Eine Betrachtung der für 1927
präliminierten Staatseinnahmen zeigt, daß die Hoffnungen
des deutschen Gewerbestandes und aller Konsumenten, die Steuerreform
werde eine entsprechende Herabsetzung der Lasten bringen, unerfüllt
bleiben. Die Steuerschraube wird anstatt nachgelassen fester angedreht.
Der vorliegende Staatsvoranschlag kündigt dem gesamten Handwerker-
und Gewerbestande ein unerbittliches Anziehen der Steuerschraube
an, um weiter herauszupressen, was nur möglich ist. Um
ein Bild der Steuerwirtschaft zu gewinnen, erscheint es zweckmäßig
festzustellen, inwieweit die direkten und indirekten Steuern erhöht
werden sollen.
Aus den amtlichen Ziffern finden wir
die Erhöhung der Einkommensteuer um 32 Mill. Kronen, Zölle
um 235,481.000 Kè, Spiritussteuer um 88,080.000 Kè,
Zuckersteuer um 417,508.000 Kè, Mineralölsteuer um
8,500.000 Kè, Zündmittelsteuer um 4,300.000 Kè,
Allgemeine Getränkesteuer um 9,300.000
Kè, Wasserkraftsteuer um 5,000.000 Kè, Stempelgebühren
um 16,811.000 Kè, Rechtsgebühren um 10,515.000 Kè,
Eisenbahnverkehrssteuer um 228,095.640 Kè, Fahrkartenabgabe
um 3 8,865.000 Kè.
Wir haben gegenwärtig mehr als 180.000
Arbeitslose, diese 180.000 Arbeitslose verdienen nichts. Flotte
Arbeitsmöglichkeit, hohe Arbeitslöhne, billige
Lebensmöglichkeiten sind der beste Untergrund für Gewerbe
und Handel. Dieser Untergrund wurde in der letzten Zeit durch
die Agrarzölle schwer erschüttert.
Früher, als es noch Leibeigene oder Sklaven
gab, konnte man jeden Leibeigenen und Sklaven verkaufen oder kaufen.
Menschen mit Haut, Haaren und Beinen waren Privateigentum des
Herrn und Gebieters. Der Herr prügelte im Stall seinen Leibeigenen
zu Tode, so ungefähr wie einer im Zustande der Trunkenheit
einen Wirtshaustisch zertrümmert. Der Mensch als Arbeiter
wurde früher bekanntlich wie das liebe Vieh behandelt. Er
wurde gefüttert, eingespannt und wenn er nichts taugte, geprügelt
oder umgebracht. So war es früher! Und heute? Allerdings
wird der Gewerbestand wie Lehrling, Gehilfe und Meister nicht
mehr direkt geprügelt und erschlagen. Dafür aber wird
durch das gegenwärtige Wirtschafts- und Steuersystem förmlich
die Arbeitskraft und die vollendete gewerbliche Geschicklichkeit
gekauft und verkauft. Der gesamte Gewerbestand befindet sich heute
in einem unerquicklichen Zwangsverhältnis. Die Arbeiterschaft
hat die Möglichkeit, in ihren Gewerkschaften sich zusammenzuschließen
und ihre Löhne zu regulieren. Das Kapital und die Industrie
bildet Kartelle, Trusts, Preisringe. Was soll der Handwerker und
Gewerbetreibende beginnen, wenn er nun abermals vor der furchtbaren
neuen Feststellung steht, daß die neuen direkten und indirekten
Steuern sich um nicht weniger als 1.095,055.000 Kè
vermehrt haben?
Des öftern machen die Gewerbegenossenschaften
den Versuch, zumindest Richtpreise und Einheitspreise als solche
herauszugeben. Aber da erscheint im Angenblick die Behörde
und stellt fest, daß dies ein Kartellieren sei. Nein, es
ist da nicht an ein Kartellieren gedacht, sondern die Gewerbetreibenden
sind bemüht, den Grundsatz der Erhaltung guter Löhne,
die Möglichkeit der Aufkalkulierung einer guten Regie wenigstens
in dieser Form durchzuführen. Aber auch da ist die Behörde
sofort zur Hand und man sieht, wie man den kleinen am liebsten
aufhängen möchte, aber den großen Lumpen, der
sich hinter Kartelle verkriecht, laufen läßt.
Wie und wohin soll nun das Gewerbe oder der
Handwerker die neue Steuerlast der indirekten Steuern verrechnen?
Er ist derjenige, der diese so erhöhte Regie bei der
Kalkulation der Waren mit zu verrechnen hat. Was aber bietet der
Staat dem Handel und Gewerbe für diese neu festgelegte Steuerbüttelarbeit?
Für Gewerbeförderung sind nur lumpige 5,8 Millionen
Kronen ausgeworfen worden. Es sind dies für das Jahr 1927
rund 100.000 Kronen mehr als im Vorjahr. Wir sehen also
auf der einen Seite eine Mehrbelastung an Steuern, Zöllen
und Gebühren im Betrage von 1.095,055.000 Kè und dafür
nur das geradezu lächerliche Trinkgeld von 100.000 Kronen
für die gesamte Gewerbeförderung in der Èechoslovakei.
Man muß sich nur die Lage des Gewerbe-
und Handelsstandes vorstellen, wie dieser um seine Existenz hart
ringen und kämpfen muß.
Meine sehr Verehrten! Seit langer Zeit bemüht
sich der Gewerbestand, die Reform der Lehrlingsschulen durchzuführen.
Der Gesetzentwurf, der allerdings von der Regierung längst
vorbereitet ist, liegt irgendwo in einem Schubkasten verborgen.
Es ist beinahe ein Kulturskandal, wie man mit den Lehrlingen und
dem Nachwuchs des Gewerbestandes umspringt. Es gibt in der Republik
noch Gegenden, wo der Fortbildungsschulunterricht noch Sonntag
vormittags abgehalten wird. (Posl. Patzel: Gestern hat ja ein
Redner das direkt verlangt!) Jawohl! Ebenso gibt es Gebiete,
wo der Fortbildungsschulunterricht in den Abendstunden abgehalten
wird. Beides ist unsozial und unrationell. Bereits am 6. Mai 1926
richtete ich eine Interpellation an den Minister für öffentliches
Gesundheitswesen, an den Fürsorgeminister und an den Minister
für Handel und Gewerbe in Angelegenheit der Erforschung der
Berufstauglichkeit: eine Antwort konnte ich bis heute auf meine
Interpellation von den Ministern nicht erhalten. In Deutschland
ist es längst nicht mehr so, daß jeder unkontrolliert
durch den öffentlich ausgeschriebenen Stellenausweis das
werden kann, was er gerade werden will. Es ist vielmehr durch
eine im Gesetz verankerte Organisation Vorsorge dafür getroffen,
daß alle Berufssucher, ob es jugendliche oder ältere,
ob es männliche oder weibliche sind, von den Arbeitsbehörden
auf ihre Neigungen und Berufseignung untersucht werden. Die Stellen,
die diese Arbeit ausführen, sind die öffentlichen Nachweisämter,
denen die Bewirtschaftung der gesamten Arbeitskraft des Volkes
der Idee nach obliegt. Zu den Aufgaben dieser Stellen gehört
die Arbeitsvermittlung, die Erwerbslosenunterstützung die
Berufsberatung und die Berufsauslese.
Meine sehr Verehrten! Es ist zweifellos nicht
rationell, gerade unter den bezeichneten Verhältnissen eines
so engherzigen Befähigungsnachweises, wenn irgendein junger
Mensch sich durch irgendeinen Zufall für einen Beruf entscheidet.
Er ist vielleicht engbrüstig, ist vielleicht von nicht genügend
starkem Körperbau in dem Augenblick, wo er einem schweren
Gewerbe zugeführt wird, ist nicht imstande, dieser Arbeit
nachzukommen, er wird übermüdet, schlaff, er füllt
seinen Arbeitsplatz nicht aus und er ist nicht mehr in der Lage,
auf Grund der gegenwärtigen gewerblichen Verhältnisse
wieder umzusatteln und einen neuen Beruf zu ergreifen, der für
ihn auf Grund seiner physischen und psychischen Eignung notwendig
wäre.