Hohes Haus! Wenn ich hier namens meiner Partei
in der Spezialdebatte des Staatsvoranschlages das Wort ergreife,
geschieht dies, um öffentlich zu beweisen, daß weder
Zölle noch Kongrua uns veranlaßt haben, in die Regierung
einzutreten. Wenn wir die uns dargebotene Hand annahmen, haben
wir nur jenes Programm erfüllt, welches wir seit Jahren verfolgten.
Sind wir auch mit diesem uns vorgelegten Staatsvoranschlag nicht
in allen Belangen einverstanden, so dürfen wir doch nicht
verhehlen, daß wenigstens der Versuch zu sparen gemacht
wurde, wenn auch nicht immer am rechten Platz. Man verdächtigt
uns sehr gern als schuldtragende an der Teuerung, ohne zu untersuchen,
wo eigentlich die Schuld dieser Teuerung liegt. Erstens ist es
die völlige Mißernte dieses Jahres, zweitens die hiesige
Bodenreform und drittens die Vernachlässigung der Landwirtschaft
durch die Regierung, speziell der Gebirgsbauern. So will ich über
den Voranschlag des Bodenamtes und des Landwirtschaftsministeriums
eine kleine Betrachtung anstellen, ohne annehmen zu wollen, den
einen oder den andern der Verfasser zu bekehren. Das Bodenamt
legt seinen Voranschlag für 1927 vor, der eine gute Rechenübung
und ein Beispiel von Zahlen darstellt, aber kein klares Bild ergibt,
wieviel Boden das Bodenamt enteignet hat oder enteignen will,
was es mit diesem Boden gemacht hat, wieviel Geld es für
diesen Boden per Hektar empfangen hat und wieviel es für
den enteigneten Boden bezahlt hat u. s. w. Diese nackten, kommentarlosen
Zahlen sind völlig ungenügend. Keine Staatsbehörde
verfügt über solche Milliardenwerte, kein Staatsamt
ist so selbstherrlich und kontrollos. Das Bodenamt verfügt
nicht nur über Millionen- und Milliardengelder, sondern über
unersetzlichen Boden, über Industrieunternehmungen Wenn irgendwo
genaue und peinliche Rechnungslegung am Platze wäre, dann
nur beim Bodenamte. Ohne eine solche Rechnungslegung muß
der Unordnung, den Affären, der Korruption Tür und Tor
geöffnet werden. In jeder Budgetdebatte der früheren
Jahre wurden dem Bodenamt von den deutschen Parteien die heftigsten
Vorwürfe gemacht. Jedes Jahr wurde der Antrag gestellt, das
Bodenamt solle endlich einmal einen wirtschaftlichen und finanziellen
Rechenschaftsbericht erstatten. Das Bodenamt lassen jedoch alle
diese Anfragen und Aufträge kalt. Mit verbundenen Augen und
zugestopften Ohren, nicht in die Vergangenheit schauend, nicht
die Gegenwart berücksichtigend, nicht in die Zukunft blickend
zerschlägt, zerteilt, verteilt es Besitz auf Besitz, Wald
auf Wald. Wir sind nicht in die Regierung eingetreten, um das
zu decken, was man bis jetzt unter dem Namen Bodenreform getrieben
hat. Kein rechtlich und wirtschaftlich denkender Mensch kann dieses
Treiben gutheissen. Die Verantwortung für die hiesige Bodenreform
tragen jedoch die, welche diese Gesetze geschaffen haben. (Sehr
richtig!) Wir als soziale Partei sind gewiß für
eine vernünftige und gesunde, gerechte Bodenreform, was aber
hier geschieht, das haben wir früher stark verurteilt und
das müssen wir auch heute noch verurteilen. Was das Bodenamt
gemacht hat, ist keine Reform des Bodens, nein das führt
zur Deformierung der Bodenbesitzverhältnisse. Die hiesige
Bodenreform ist eine Sünde wider die ehernen Gesetze der
Vernunft, Wirtschaft und Volkswirtschaft. Der hiesigen Bodenreform
fehlt trotz zahlreicher Programme ein positiver Plan. Wenn im
Durchschnitt nicht ganz ein Hektar Grund an kleine Leute zugeteilt
wurde, ist das keine Bildung oder Stärkung von Kleinhäuslern,
von Heimstätten, das ist ein Bankerott der Bodenreform. Die
Bodenreform bei uns hat zwar keinen positiven, dafür aber
einen negativen Plan, wie sie überhaupt nicht aufbauend,
sondern nur zerstörend wirkt. Ihr Streben ist es, geschlossene
hochintensive Wirtschaftseinheiten zu zerschlagen und aufzuteilen
und zu verschenken. Unsere land- und forstwirtschaftliche Intelligenz
macht man brotlos, die modernen landwirtschaftlichen Maschinen
auf den Gütern werden altes Eisen. Leuten, die nichts von
der Landwirtschaft verstehen, Bank- und Fabriksdirektoren, Ministerialräten
und Rechtsanwälten gibt man die enteigneten Meierhöfe.
(Posl. Sehweichhart: Das könnten Sie doch ändern,
wenn Sie in der Regierung sind!) Werden wir auch versuchen
und haben es versucht, aber Sie haben im Zeichen der Bodenreform
die Wahlen gemacht, Herr Kollege! (Posl. Schweichhart: Keine
Spur!) Früher war die Güterschlächterei gesetzlich
verboten, heute übt sie das Bodenamt öffentlich aus.
Wenn heute jemand mit 10% Verdienst arbeitet, wird er wegen Wuchers
verurteilt werden. Das Bodenamt arbeitet jedoch ungestraft schon
jahrelang mit einem Verdienst bis 300% und noch mehr. Die alten
erprobten Unternehmungen, die höchste Hektarerträgnisse
und Qualitätswaren lieferten, denen unser Zucker-, Gersten-
und Holzeport seine Blüte verdankt, zerschlägt man und
neue landwirtschaftliche Riesenunternehmungen ballt man in den
Händen èechischer sozialdemokratischer
oder èechischer nationalzosialistischer Genossenschaften
zusammen. Das ist keine Bodenreform, das sind Bodenschiebungen
zur Bereicherung des èechischen Besitzstandes Maierhöfe,
die früher 60 bis 80 Stück erstklassiges Vieh aufwiesen,
beherbergen heute vielfach kaum 10 Stück
minderwertigen und ausgemergelten Viehes. Die früheren mustergültigen
Felder sind heute zum Teile nicht, zum Teil schlecht bebaut und
verunkrautet. Wie wird es erst nach Jahren aussehen, wo der in
dem Boden gelegte Kunstdünger verbraucht und nicht mehr ersetzt
sein wird!
Die bisherige Durchführung der Bodenreform
ist auch eine Sünde gegen die nationale Gerechtigkeit und
gegen den nationalen Frieden. Klar vor Augen liegt es heute für
jedermann, wie verschieden die Bodenreform im èechischen
und im deutschen Sprachgebiet durchgeführt wurde. Im èechischen
Sprachgebiet Kleinzuteilungen an die ortsansässige Bevölkerung,
wobei natürlich parteipolitische Rücksichten ausschlaggebend
waren. Denn der enteignete Boden diente dazu,
die Anhänger der Regierungsparteien bei der Stange zu halten.
(Posl. Schweichhart: Jetzt kriegt Ihr wahrscheinlich auch etwas!)
Wir wollen hoffen. Das kommt dann Ihren Leuten zugute.
Wir selbst wollen nichts. Deshalb auch der große Kampf der
èechischen Parteien um den Boden, mit
all seinen häßlichen Ordnung und Sitten untergrabenden
Begleiterscheinungen. Im deutschen Sprachgebiet gab es, ganz geringe
Einzelfälle abgerechnet, keine Kleinzuteilung. Wo dies trotzdem
geschah, wurde vielfach die Bedingung gestellt, daß
die Bodenwerber ihre Kinder in die èechische Schule schicken
müssen. Man hat sogar Pachtgründe, welche Deutsche Jahre
hindurch innehatten, gekündigt und sie zu den neuen Staatshöfen
hinzugeschlagen, die Maierhöfe wurden den bisherigen Besitzern
enteignet, dem Staatsbesitz hinzugefügt
und unverändert an èechische Pächter, die den
Regierungsparteien entnommen wurden, zugewiesen. Die ortsansässige
einheimische Bevölkerung hat nichts erhalten, und wenn hie
und da geringfügige Zuteilungen erfolgten, so
geschah dies nur aus dem Grunde, um sagen zu können, daß
auch die Deutschen beteilt wurden. Die deutschen Gemeinden haben
bisher kaum 5% von dem Bodenausmaß erhalten, das die Stadt
Prag allein erhalten hat. Von den 1257 Restgütern, die gebildet
wurden, haben Deutsche kaum 1/4% erhalten. (Posl.
Schweichhart: Jetzt wird es ja besser werden!) Selbstverständlich
wird es besser werden. Die Deutschen langjährigen Kleinpächter
erhielten ca 31.000 Hektar von insgesamt 120.000 Hektar. Diese
Aktion wurde aber durch die Gerichte durchgeführt, die unparteiisch
vorgehen müssen. Im übrigen erhielten die Deutschen
vom Bodenamt 3000 Hektar gegenüber den annähernd 900.000
Hektar, die bis jetzt zur Aufteilung gelangten, mit anderen Worten:
die Deutschen erhielten nicht einmal 1/2%.
Diese Ergebnisse sind so haarsträubend und so unglaublich,
daß man es fast für unmöglich hält. Dabei
hat sich die Èechoslovakei in den Friedensverträgen
verpflichtet, alle Bürger dieses Staates ohne Unterschied
der Nationalität, Rasse und Sprache gleich
zu behandeln.
Die Bodenreform wurde bisher dazu mißbraucht, das deutsche
Volk zu berauben, unseren Besitzstand zu verringern und uns arm
zu machen, das èechische Volk dafür zu bereichern
und einen neuen Stand von èechischen Landedelleuten zu
begründen und mit Boden auszustatten,
wie sich der frühere Präsident des Bodenamtes Dr. Viškovský
so oft aussprach. (Posl. Schweichhart: Er ist ja jetzt
Euer Verbündeter!) Sind Sie uns neidisch, Herr Kollege?
(Posl. Schweichhart: Aber nein, macht es besser!) Daß
vor allem an den Sprachgrenzen èechische Kolonien errichtet
werden, um die Sprachgrenze immer mehr ins deutsche Gebiet vorzutreiben,
ist ja allgemein bekannt. Diese armen èechischen Kolonisten,
die aus Polen und Rußland hergebracht wurden, die dort ihren
Besitz schnell und deshalb mit Verlust veräußern mußten,
werden dem Bodenamt wenig Dank wissen, sie haben hier Schulden
machen müssen und können mit unserer hochentwickelten
landwirtschaftlichen Bevölkerung nicht gleichen Schritt halten
und sehen sich immer mehr ins Hintertreffen kommen.
Der neue Präsident des Bodenamtes Dr. Voženílek
hat am 12. November im Budgetausschuß versucht, die bisherige
Politik des Bodenamtes zu verteidigen. Es ist begreiflich, weil
er ja selbst der Generalstabschef dieser Aktionen war. Leider
schlagen aber seine Behauptungen der
Wahrheit und den Tatsachen ins Gesicht. In den Zeitungen sind
die Angaben des Dr. Voženílek ausführlich widerlegt
worden. Wir hatten gehofft, daß mit einem neuen Leiter auch
ein neuer Geist der Gerechtigkeit und der wirtschaftlichen Vernunft
ist das Bodenamt einziehen wird. Doch wenn es richtig ist, was
die Zeitungen melden, so hat der Präsident Dr. Voženílek
bei seinem Antritt des neuen Amtes erklärt, er wolle im alten
Geiste sein Amt führen. (Posl. Schweichhart:
Da müssen Sie jetzt einen neuen Geist einführen!) Das
werden wir versuchen, Herr Kollege, und unterstützen Sie
uns nur dabei. Wenn dies zutreffen sollte, so werden weiterhin
unserer Staats-, Volks- und Nationalwirtschaft zahlose unheilbare
Wunden geschlagen, das Verháltnis zwischen Deutschen
und Èechen in diesem Staate weiterhin vergiltet werden.
Das Bodenamt ist der größte und
sorgloseste Schuldenmacher in diesem Staate. Was nützt es,
wenn der noch so tüchtige Finanzminister Dr. Engliš
an allen Ecken und Enden zu sparen, in unsere Wirtschaft ein System,
Ordnung und kaufmännisches Gebahren zu bringen bestrebt ist,
wenn das Bodenamt Tag für Tag lustig und unkontrolliert weiter
enteignet, den Boden verteilt, den Erlös hiefür zur
Aufrechterhaltung seines Betriebes verwendet, ohne sich zu fragen,
was dieser Boden wert ist, was hiefür zu zahlen ist, welche
Zinsen für die geschuldeten Beträge zu leisten sind
usw.
Man greift sich an den Kopf, daß Hunderttausende
von Hektar enteignet wurden, erst Jahre nachher wurde die Farce
einer Schätzung vorgenommen vielfach von privaten Firmen
durchgeführt, die pro Hektar für die Schätzung
ganz ansehnliche Beträge erhalten. Vertreter solcher privaten
Schätzungsfirmen sitzen auch heute in den verschiedensten
Körperschaften und blasen laut in das Horn weiterer Verstaatlichung,
damit sie weitere ihre Geschäfte machen können. Das
Bodenamt bleibt fast allen Boden, den es enteignet, schuldig.
(Posl. Heeger: Spina wird es jetzt besser machen!) Das
wollen wir hoffen. (Rùzné výkøiky.)
Die 27 Millionen Einnahmen, die das Bodenamt
ausweist, sind Erlöse für enteigneten Boden. Davon müssen
die mehr als 600 Beamten und Angestellten des Bodenamtes bezahlt
und der gesamte Sachaufwand gedeckt werden. Das Bodenamt zehrt
den enteigneten Boden buchstäblich auf und übrig bleiben
nur die Schulden.
Wir fragen im Interesse einer geordneten Staatswirtschaft:
Ist es schon bekannt, wie viele Hunderte von Millionen wir für
den enteigneten Boden werden zahlen müssen? Ist es bekannt,
wie viel Boden bereits geschätzt, wie viel entschädigt,
wie viel enteignet aber noch nicht geschätzt ist? Die langen
Jahre bis jetzt hat noch niemand von den verantwortlichen Faktoren
diese Frage berührt. Ist es bekannt, wie viel Millionen an
direkten Steuern und Vermögensabgabe dem Finanzärar
durch diese sinnlosen Enteignungen des Bodenamtes verloren gehen?
Doppelt und dreifach werden wir dadurch geschädigt, denn
dem enteigneten Boden werden wir aus Steuergeldern bezahlen müssen.
Bodenerwerbern, besonders aber den Genossenschaften, wurden Millionenkredite
zum Betriebe der Unternehmungen gewährt, die früher
hohe Erträgnisse abwarfen, und außerdem verloren wir
Millionen an Steuern und Vermögensabgabe. Allmählich
dämmert es aber auch in unserer èechischen
Öffentlichkeit, daß es nicht angeht, die Ausländer
ohne angemessene Entschädigung zu enteignen. Man erinnert
sich jetzt nach dem Ablaufen des Enteignungsrausches, daß
es so etwas wie ein Völkerrecht gibt, das zur Ermöglichung
eines friedlichen Zusammenlebens der Völker
die Bestimmung enthält, daß ein Staat Ausländer
nur enteignen darf, wenn es das allgemeine Wohl erheischt und
dann nur gegen Gewährung einer angemessenen, d. h. vollen
Entschädigung. Man erinnert sich jetzt auch, daß es
einen internationalen Schiedsgerichtshof im Haag gibt, daß
es eine Reihe weiterer internationaler Schiedsgerichte gibt, welche
dem erwähnten Grundsatz des Völkerrechtes in zahlreichen
Fällen zum Siege verholfen haben und Staaten verurteilten,
die sich gegen diesen Grundsatz des Völkerrechtes bei Enteignungen
vergangen haben. Ob es das allgemeine Wohl erheischt, daß
der Abgeordnete X oder Y einen Meierhof und eine Spiritusbrennerei
und dazu noch Wald erhält, das wollen Sie selbst beurteilen.
(Posl. Sehweichhart: Die Kirche kann es haben und auch irgend
ein reicher Graf und Fürst, da macht es nichts aus!) Nur
Beweise liefern. Es ist auch vor dem Völkerrecht gleichgiltig,
ob man diese Enteignungsmaßnahmen Bodenreform nennt oder
sonst mit einem andern schönschillernden Namen deckt. (Posl.
Schweichhart: Ihr wolltet ja keine Bodenreform!) Ich habe
betont, daß wir als soziale Partei die Bodenreform wollen,
aber nicht in dem Sinne und in der Form. (Posl. Schweichhart:
Ihr seid gegen jede Bodenreform!) Oha, oha! Herr Kollege,
es war schon eine Forderung der alten christlichsozialen Partei
im Wiener Parlament, daß man langjährige Kleinpächter
selbständig macht. Das haben wir schon früher gefordert
als Ihr. Es ist auch gleichgiltig, ob man die eigenen Bürger
fast ohne Entschädigung enteignet und ihnen gegenüber
die Grundsätze außer Kraft setzt, die den Ausländern
gegenüber gelten müssen. Ob dies ein besonderer Beweis
für die Höhe unserer Kultur, Zivilisation und Sitte
ist, das beantworten Sie ebenfalls selbst. Mehr als 100.000 Hektar
Bodens wurde den Ausländern bisher durch die jetzige Bodenreform
weggenommen. Lange hat man sich selbst Sand in die Augen gestreut
und gesagt, das seien feindliche Ausländer, die entschädigungslos
enteignet werden können. Auch das Oberste Gericht in Brünn
hat sich zur Schande für unsere Rechtsprechung nicht gescheut,
ähnliche Ansichten in einem Urteile auszusprechen. Jetzt
erst erkennt man allmählich diese außerordentlich verhängnisvolle
Selbsttäuschung.
Es wäre Pflicht des Bodenamtes und des
Finanzministeriums zu berechnen, wieviel wohl den Ausländern
für enteigneten Boden wird zu zahlen sein und dem entsprechend
das weitere Vorgehen einzurichten. Es ist verantwortungslos, einfach
derart darauf los zu enteignen und Schulden zu machen, ohne an
ein Bezahlen der Zeche zu denken (Posl. Schweichhart: Ein Großgrundbesitzer
wird auch nicht anders reden als Sie es heute tun!) Ich habe
es nicht bis zum Großgrundbesitzer gebracht und hätte
ich einen Großgrundbesitz geerbt, so würde ich denselben
verteidigen, genau so wie ich meine Wirtschaft verteidige. Auch
Sie verteidigen Ihren Stand. (Posl. Heeger: Der Großgrundbesitz
ist ja nicht Ihr Stand!) Er ist nicht mein Stand, aber vom
rechtlichen Standpunkt müssen wir das Interesse dieser Leute
vertreten, weil auch Sie ein Recht und die Pflicht zum leben haben.
Ihre Leute sind bei jenen beschäftigt und sind dort gut aufgehoben.
Fragen Sie einmal! Von all diesen Leuten, die organisiert sind,
werden Sie dort, wo der Besitz aufgehoben oder weitergegeben wurde
lauter Klagen hören, wie gut sie es früher im Vergleich
zu jetzt hatten. Wenn Sie für die Bodenreform schwärmen,
so schaffen Sie damit für ihre Genossen nicht, wer weiß
was für Glück auf Erden.
Und wenn die Ausländer voll entschädigt
werden sollen, was werden die eigenen Staatsbürger zu einem
Staate sagen, der seine eigenen Angehörigen schlechter behandelt
als die Ausländer? Wir dürfen der Erkenntnis der Tatsache
nicht ausweichen, daß das Bodenamt durch sein Vorgehen unserem
Staat im In- und Auslande in argen Mißkredit gebracht hat,
was nützen alle diese Millionen die das Außenministerium
für Propagandazwecke in der ganzen Welt aufwendet, um das
Ansehen unseres Staates zu heben, die öffentliche Meinung
zu bestechen, wenn die unsinnigen Enteignungen des Bodenamtes,
die eine Reihe von internationalen Schiedsgerichten bereits beschäftigen,
uns um jedes Ansehen und um unseren Kredit bringen? Die letzte
Ursache all dieser traurigen Erscheinungen sind aber die Bodengesetze
selbst, deren Undurchführbarkeit und Schädlichkeit heute
keinen Einsichtigen, ruhig und wirtschaftlich denkenden Menschen
unbekannt ist. Die Bodenreformgesetze, die alle wirtschaftlichen
Gesetze verleugnen, die dem Bodenamte eine unermeßliche
und unkontrollierbare Macht geben, die Gesetze, in denen immer
das Wörtchen "kann" vorkommt, sie sind die eigentlichen
Ursachen dieser traurigen Zustände. Aus dem Sumpfe dieser
Gesetze sind die Giftblumen der zahllosen Affären, die wir
in letzter Zeit erlebten, emporgewachsen. Und gewiß sind
diese Affären nicht die letzten. Wenn einmal eine Geschichte
der hiesigen Bodenreform, illustriert durch Beispiele und all
das was hinter den Kulissen vorgegangen ist, geschrieben werden
wird, wird Entsetzen jene ergreifen, die die Väter dieses
Gesetzes waren. (Posl. Heeger: Euere Freunde von heute!) Das
waren unsere Freunde noch lange nicht, als Sie das Bodengesetz
gemacht haben! (Posl. Schweichhart: Ihr habt ihnen zugejubelt,
nicht wir!) Ich erinnere an das Jahr 1920 wo Sie in den Wahlkampf
eingetreten sind. Ganz richtig schreibt deshalb die Zeitung
"Nový 28. Øíjen" vom 18. ds. M.:
"Die wirkliche Ursache der Koburgäffaire ist die Undurchführbarkeit
der Bodengesetze. Aus aussenpolitischen, innerwirtschaftlichen
und öffentlich finanziellen Gründen ist es unmöglich,
die Bodenreform in allen ihren Konsequenzen
durchzuführen. Wenn man die Quelle dieser Störungen
verstopfen will, muß man dieses unmögliche Gesetz abändern".
Die Bodengesetze sind ein Werk der Revolution,
die in die jetzige Zeit des innen- und aussenpolitischen Locarno
nicht mehr passen. Man muß doch bedenken, daß inzwischen
7 bis 8 Jahre vergangen sind und daß sich bei und und vor
allem um uns sehr viel geändert hat. Vogelstraußpolitik
treiben ist immer das schlechteste gewesen.
Diese Erwägungen, über die wirtschaftlichen,
außenpolitischen und finanziellen Folgen der Bodenreform
mögen vielen hier sehr unangenehm sein. Wir Abgeordneten
hier sind aber nicht dazu da, um Schönfärberei zu treiben,
sondern bei Lenkung der Geschichte des Staates real, wahr und
gerecht zu denken und zu handeln.
Wir sind in die Regierung eingetreten, um an
dem Ausbau dieses Staates mitzuarbeiten. Wir wollen, daß
die Wirtschaft des Staates eine gesunde sei, daß das Verhältnis
der diesen Staat bewohnenden Völker auf der Grundlage der
Gerechtigkeit und gegenseitigen Loyalität ein gutes sein
möge. Die Bodengesetze und deren bisherige Durchführung
haben aber der Wirtschaft unseres Staates den schwersten Schaden
zugefügt, haben den nationalen Frieden und die nationale
Gerechtigkeit mit Füßen getreten, haben unserem Staate
gewaltige Schulden aufgebürdet und uns außenpolitisch
nur geschadet. Wir erwarten, daß aus diesen Prämissen
der entsprechende Schluß gezogen wird und daß vor
allem mit der unwirtschaftlichen Wälderverstaatlichungsaktion
ein Ende gemacht wird. Unser Staat besitzt genug Wald, er lerne
erst einmal den aktiv zu gestalten und richtig zu verwalten. Alle
Maßnahmen, die gegen die Grundsätze der Vernunft. Gerechtigkeit
und Volkswirtschaft verstoß en sind einzustellen. Nur so
kann dieser Staat auf die Dauer gedeihen und allen seinen Völkern
Frieden geben.
In seinem Exposé, das Herr Minister
Dr. Engliš im Senate im Oktober d. J. hielt, hat er
insbesondere die Notwendigkeit der Produktivität hervorgehoben.
Die Landwirtschaft spielt in jedem Staatswesen die wichtigste
Rolle weil sie die Nahrungsmittel für die Bevölkerung
liefert. Je billiger besser und reichlicher im Staate die Landwirtschaft
ihre Erzeugnisse anliefert, desto besser wird dies für das
Staatswesen sein. Ein Staatswesen, das alle Nahrungsmittel selbst
erzeugt ist fester gefügt und fundamentiert, als dies durch
militärische und politisch chauvinistische Maßnahmen
möglich ist. Die ganzen Jahre seit dem Bestande des Staates
wurde und wird stets von der Selbstgenügsamkeit des Staates
bezüglich der Landwirtschaft geprochen und die Volkswirtschaftler
zerbrachen sich den Kopf darüber ob denn die Landwirtschaft
bei einigermaßen größerer Intensivierung die
Bevölkerung ernähren kann. Das Ergebnis betriebs- und
staatswirtschaftlicher Erwägungen lautet, daß die Landwirtschaft
den Verbrauch an Nahrungsmitteln leicht decken könnte, ja
noch mehr, daß bei halbwegs gründlicher landwirtschaftlicher
Arbeit eine Qualitätsware erzeugt werden könnte, die
als Exportware mit den Erzeugnissen anderer Staaten konkurrieren
könnte. Die Mehrzahl der Erzeuger in der Landwirtschaft bilden
die kleinen und mittleren Betriebe, deren Besitzer allein nicht
aus eigenem rasch und gründlich den Betrieb ausgestalten
können, wie dies für eine Erzeugungsregierung notwendig
ist. Diese klein und mittelbäuerlichen Betriebe sind auf
eine staatliche Unterstützung angewiesen, die gerade im Gebirge
berechtigt ist, weil der Gebirgsbauer bei der geringen Einträglichkeit
der Gebirgswirtschaft an Kapitalarmut leidet.
Der Staatsvoranschlag für 1927 spricht
allerdings durch die neuerliche Herabsetzung der Dotationen von
30 bis 60% der vorjährigen eine Sprache, die die Worte des
Finanzministers Dr. Engliš von der Notwendigkeit der
Steigerung der Produktivität, soweit die Landwirtschaft in
Frage kommt, widerlegt. Der Herr Finanzminister, der an sich ein
gründlicher Finanzpolitiker ist, hat gewiß ein Verständnis
für die Forderungen der Landwirtschaft und der Gebirgswirtschaft
im besonderen. Die vielen Anstrengungen zu einer höheren
landwirtschaftlichen Erzeugung zu kommen, sind zwecklos, solange
der Herr Finanzminister dem Herrn Landwirtschaftsminister den
Geldverbrauch vorschreibt. Es wäre doch notwendig, daß
auch der Landwirtschaftsminister entsprechend den Bedürfnissen
der Landwirtschaft schon im Interesse des Staates sich im Finanzministerium
Gehör verschafft. Ich erlaube mir als Gebirgsbauer die Unzweckmäßigkeit
des Staatsvorschlages für die Landwirtschaft von einigen
Gesichtspunkten aus zu beleuchten, damit das hohe Haus auch die
Gefahren und Schäden dieses Voranschlages für die Landwirtschaft
näher erkennen kann.
Wir Gebirgsbauern wirtschaften schwerer als
der Flachlandwirt, dem die Natur mit einer längeren Vegetationsperiode
zu Hilfe kommt. Wir können uns nicht dem Getreidebau widmen.
Für uns ist die Grünlandwirtschaft, die gutes und reichliches
Futter liefert, das Schwergewicht im Betriebe. Das Futter setzen
wir in Fleisch, Milch und Fett um und verwerten daher diese marktlosen
Vegetabilien durch marktgängige Produkte. Alle Tiere sind
hinsichtlich der Leistung und Futterverwertungskraft verschieden
von einander. Die Kunst in der Landwirtschaft besteht nun darin,
nur die futterdankbarsten Kühe herauszubekommen und zu halten.
Diese Feststellung der Milchleistungen und Futterverwertung kann
der Durchschnittslandwirt selbst nicht vornehmen, hiezu fehlen
ihm die theoretischen Kenntnisse. Auch würde vielleicht bei
den Erhebungen durch den Gebirgslandwirt selbst die Objektivität
der Feststellungen leiden. Aus diesem Grunde hat das Landwirtschaftsministerium
im Jahre 1923 in großzügiger Weise die Milchleistungskontrolle
der Kühe eingeführt, die von einem theoretisch eigens
vorgebildeten Landwirt regelmäßig alle 14 Tage besorgt
wird. Die Belastung für den Einzellandwirt im Gebirge, der
ohne Rentabilität arbeitet, durch die Kontrolle der Kühe
ist nun eine zu große Last. Auch hat der Staat ein Interesse
an der Anlieferung guter und genügender Milch. Die Milchkontrolle
hat sich ein gelebt und bewährt, die Leistungen der Kühe
sind um mehr als 500 Liter pro Kuh und Jahr gestiegen. Jetzt kommt
das Landwirtschaftsministerium und erklärt, gezwungen zu
sein, infolge der Sparmaßnahmen der Regierung, die Beiträge
für die Erhaltung der Kontrollvereine herabzusetzen. Der
Bauer im Gebirge verlegt sich auf die Heranzüchtung leistungsfähiger
Rinder, also er erzeugt Qualitätsware, die er dem Flachlandwirt
abgibt, der wiederum den Getreide-, Rübenbau und Hopfenbau
infolge der natürlichen Verhältnissen betreiben muß
und durch diese Erzeugungsrichtung überlegen ist. Es ist
da nicht notwendig, ins Ausland zu fahren und dorthin unser Geld
für Zuchtvieh hinauszutragen. Wir können genau so gut,
wie die Schweiz und die Alpenländer Zuchtvieh im eigenen
Lande erzeugen. Das eigentliche Mittel hiezu ist die Milchleistungskontrolle.
Wenn gesagt wird, der Gebirgsbauer soll die Kosten der Milchleistungskontrolle
aus eigenem tragen, so zeugt das von der Unkenntnis der Verhältnisse.
Die Züchter von Vieh erhalten dieses heute nicht in der Höhe
der Erzeugungskosten bezahlt. Er kann es sich bei seiner miseren
Situation nicht leisten, zu dem Defizit aus der Küheaufzucht
noch die Kosten der Milchkontrolle zu tragen. Es ist die Pflicht
des Staates einzugreifen und die Geldmittel zur Verfügung
zu stellen, die für diese Qualitätszucht in der Gebirgslandwirtschaft
notwendig sind. Wenn die Kosten, die jährlich in den Orbis-Verlag
hineingesteckt werden, für diesen produktiven Zweck verwendet
worden wären, wäre für einige Jahre das Erfordernis
für die Milchleistungskontrolle im Gebirge gedeckt worden.
Der Staat hätte hieraus einen viel größeren Vorteil.
Ich bemerke, daß an dieser Frage nicht allein die Sudetendeutsche
Gebirgslandwirtschaft interessiert ist, sondern daß dies
eine Sorge aller Gebirgsgebiete der gesamten Republik ist.