Im Zusammenhang damit möchte ich noch
eine Frage besprechen, die für die Arbeiter nicht unwichtig
ist. Wir haben in den Staat eine große Industrie übernommen,
die mitunter bis zu 70 und 80% ihrer Erzeugung auf den Export
angewiesen ist. Diese Industrien weisen dank der falschen Wirtschaftspolitik,
die in den letzt en Jahren in diesem Staate getrieben wurde, eine
verminderte Exportmöglichkeit auf, und die Zahl der beschäftigten
Arbeiter ist kleiner als in der Vorkriegszeit. Auf diese Weise
wurden Zehntausende Arbeiter aus einzelnen Industriezweigen ausgeschieden.
Wir haben die letzten Jahre hindurch viele Maschinen ins Ausland
exportiert, die Arbeiter sind aber hier geblieben. Es ist heute
für den Arbeiter nicht möglich, im Ausland Arbeit zu
suchen, weil sich das Ausland abgesperrt hat und fremde Arbeitskräfte
nicht zuläßt. Hier liegt ein großes volkswirtschaftliches
Problem vor uns, das zu lösen ist. Tüchtige Fachmänner
und alle wirklichen Sozialpolitiker müßten sich mit
diesem Problem beschäftigen, damit diese Arbeiter wieder
Arbeit und eine Lebensexistenz finden. Gegenwärtig redet
man ungemein viel von der Rationalisierung der Industrie, was
wiederum Arbeiter überflüssig machen wird. Da ist es
Aufgabe des Staates, Vorsorge zu treffen, wenn Arbeiter überflüssig
werden, daß sie anderwärts ein Unterkommen finden,
welches Ihnen die Lebensmöglichkeit garantiert.
Und nun zur Frage des Achtstundentages. Schon
seit Beginn der Geltung des Gesetzes sind Bestrebungen in diesem
Staate im Gange, den Achtstundentag zu durchbrechen. Wir sehen
ja, daß die kleinen Gewerbetreibenden fast durchgängig
für ihre Gehilfen den Achtstundentag nicht einhalten, daß
er auch auf - dem Lande draußen nicht eingehalten wird.
Die Unternehmer wollen den Arbeitern einreden, "Arbeitet
länger und ihr werdet mehr verdienen", während
auf der anderen Seite Tausende und Zehntausende Arbeiter herumlaufen
um Arbeit und keine finden können. Wir haben auf Grund der
Erhebungen des statistischen Staatsamtes feststellen können,
daß das Überstundenunwesen ständig im Steigen
begriffen ist. Wir fordern: Daß der Staat, der die Verpflichtung
hat, darüber zu wachen, daß diese Gesetze eingehalten
werden, auch darüber wacht, daß das Gesetz über
den Achtstundentag eingehalten wird. Dann fordern wir, daß
solange Arbeitslose vorhanden sind, unter keinen Umständen
Überstunden bewilligt werden. Im September hat der Oberste
Gerichtshof eine charakteristische Entscheidung gefällt.
Anläßlich ein es Rechtsstreites hat er in einer Entsheidung
ausgesprochen, daß über die Leistung von Überstunden
nicht mit den Vertrauensleuten der Arbeiter verhandelt werden
braucht, daß die Arbeiter Überstunden zu leisten haben,
wenn der Unternehmer es will und daß derjenige Arbeiter,
der die Überstunden verweigert, nach § 82 entlassen
werden kann. Durch diese Entscheidung des Obersten Gerichtshofes,
das sprechen wir hier offen aus, wird sich die organisierte Arbeiterschaft
in keiner Weise einschüchtern lassen. Sie wird dafür
sorgen, daß über die Leistung von Überstunden
die Arbeiterschaft befragt werden muß und daß der
Unternehmer kein Recht hat, den Achtstundentag, die wichtigste
kulturelle Errungenschaft der Arbeiter, zu durchbrechen. Wir verlangen
schon seit Jahren, daß der § 82 beseitigt wird. Er
besteht seit mehr als 40 Jahren und entspricht den heutigen Zeitverhältnissen
nicht mehr. Er besitzt schwere Härten gegen die Arbeiter,
mag es ich um Entlassungen nach dem Betriebsausschüssegesetz,
mag es sich um das Urlaubsgesetz, oder um andere Bestimmungen
handeln, immer wird diese rückständige Bestimmung gegen
die Arbeiter ins Feld geführt. Die schwerste soziale Härte
liegt darin, daß auch dort, wo eine Kündigung besteht,
der Arbeiter nach einer vierwöchigen Krankheitsdauer ohne
Kündigung entlassen werden kann. Stellen Sie sich nur einmal
vor, was das für den Arbeiter, der zu Hause krank darniederliegt,
bedeutet, wenn er eines Tages die Entlassung zugestellt erhält
und seinen Arbeitsplatz verliert. Auch da liegt ein Gesetzentwurf
von uns vor. Schon seit Monaten wird über eine Änderung
beraten, aber die Beratung kommt nicht vom Fleck, weil man die
alten Bestimmungen dieses Paragraphen beibehalten möchte.
Eine weitere wichtige Frage ist die Rechtsverbindlichkeit
der kollektiven Arbeitsverträge. Die Kollektivverträge,
die heute zu hunderten und tausenden bestehen, sind das Produkt
der gewerkschaftlichen Entwicklung, sie sind das Produkt des erfolgreichen
Kampfes der Gewerkschaften. Der Arbeiter schließt heute
nicht mehr als einzelner mit dem Unternehmer den Lohnund Arbeitsvertrag
ab, sondern er schließt ihn gemeinsam mit seinen Klassengenossen
ab. Wir haben Verträge, die Betriebe, Orte, ganz große
Gebiete, ja sogar das Staatsgebiet als solches umfassen. Trotzdem
besitzen diese Kollektivverträge bis zum heutigen Tage keine
Rechtsverbindlichkeit. Es ist möglich, daß der Unternehmer
diesen Kollektivvertrag für den einzelnen Arbeiter rechtsunwirksam
machen kann. Die Unternehmer wollen diesen Zustand, sie wollen,
daß er weiter besteht, damit der Unternehmer nur dem einzelnen
Arbeiter gegenüber steht, um den Vertrag zu diktieren. Im
Zusammenhang damit steht die gesetzliche Einführung der Lohnschiedsgerichte,
und mancher ernste Konflikt könnte durch diese Einrichtung
geschlichtet werden.
Wir haben einen Antrag eingebracht, daß
das Entgelt bei Waffenübungen nach § 1154 wieder zu
zahlen ist. Im Gesetz vom 31. März 1925 über die Aufrechterhaltung
der Dienstverhältnisse bei Waffenübungen ist die Bestimmung
des § 1154 a. b. G. nicht enthalten. Obwohl der § 1154
nicht abdingbar ist, hat man durch Urteile der Gerichte den Arbeitern
den Anspruch auf Entgelt aberkannt. Wir fordern deshalb, daß
in das Gesetz vom 31. März 1925 die Bestimmung des §
1154 aufgenommen wird, damit das Entgelt bei Waffenübungen
wieder gezahlt wird.
Im weitern verweisen wir darauf, daß
auch das Betriebsausschüssegesetz abänderungsbedürftig
ist. Es soll novelliert werden damit die vielen Streitigkeiten,
die heute bestehen, beseitigt werden und daß alle Arbeiter
und Angestellten unter das Gesetz über die Betriebsausschüsse
fallen.
Wir fordern weiter, daß Arbeiter- und
Angestelltenkammern errichtet werden, wie sie in Deutschland und
Österreich bereits bestehen, wie sie die Gewerbetreibenden
und Industriellen heute besitzen oder wie sie die Bauern in ihren
Landeskulturräten haben, auch die Ärzte, Advokat en
und Ingenieure haben ihre separaten Kammern. Wir brauchen die
Arbeiter- und Angestelltenkammern als Gegengewicht gegen die Handels-
und Gewerbekammern und zum Schutze der Arbeiter im besonderen.
Es wäre noch wichtig, auch ein Wort über die Errichtung
einer staatlichen Kommission für die Unfallverhütung
zu sagen, welche die Aufgabe hätte, Betriebsunfälle
zu bekämpfen, die Ursachen der Berufskrankheiten zu ergründen
und auf deren Abstellung zu drängen.
Weiters fordern wir, daß das Feiertagsgesetz,
an das sich ohnedies niemand hält, novelliert wird, die Doppelfeiertage
sind für die Arbeiterschaft zu einer sozialen Notwendigkeit
gewerden. Wir fordern weiters, daß die Novellierung des
Pensionsversicherungsgesetzes endlich durchgeführt wird und
daß man den alten und invaliden Angestellten eine Rente
zahlt, die ihnen das Leben ermöglicht. Wir fordern weiter,
daß das Handlungsgehilfengesetz novelliert wird, daß
eine Verlängerung der Kündigungsfrist für die Angestellten
erfolgt und daß in Handel und Gewerbe die Sonntagsruhe strikte
eingehalten wird, sowie daß der Sechsuhrladenschluß
aufrecht erhalten bleibt. Wir werden uns auch mit Leidenschaft
gegen die Verschlechterung der Sozialversicherung wenden. Es liegt
bereits ein Antrag der Agrarier vor, der nur den Zweck verfolgt,
daß dieses Gesetz für die Arbeiterschaft verschechtert
wird. Die Arbeiterschaft wird, mag der Angriff von welcher Seite
immer kommen, auf ihren Lebensrechten beharren, sie wird versuchen,
jeden Angriff darauf mit aller Kraft abzuwehren.
Wir stehen heute einer deutsch-èechischen Koalition gegenüber,
welche die Absicht hat, die sozialpolitische Gesetzgebung
zu verschlechtern, und welche bestrebt ist, neue sozialpolitische
Gesetze zu verhindern. Die Herren glauben, daß sie den sozialen
Aufstieg der Arbeiterklasse werden hindern können. Die Herren
werden eine große Enttäuschung erleben. Man kann die
sozialistische Arbeiterbewegung in ihrem Aufstieg vorübergehend
hemm en, aber man wird ihren Aufstieg niemals aufhalten. Das lebendige
Recht der Arbeiterklasse wird all die reaktionären Pläne
dieser deutsch-èechischen Mehrheit durchkreuzen. Es haben
schon mächtigere und größere
Staatsmänner gegen den Aufstieg der sozialistischen Arbeiterbewegung
angekämpft, als es die Herren sind, die gegenwärtig
die Ministerbank zieren, und diese großen Staatsmänner
mußten vor dem Ansturm der klassenbewußten Arbeiterschaft
letztenendes kapitulieren, wie wir vor einer Zeit eine Arbeitsordnung
von Ostböhmen aus dem Jahre 1860 ausgegraben, deren erster
Satz lautet: "Die Arbeitszeit beginnt um 5 Uhr früh
und endet um 8 Uhr abends." Heute haben wir den gesetzlichen
Achtstundentag. Wie wir im Laufe der Jahre den Kampf um das Recht
der Arbeiter nach einer menschenwürdigen Arbeitszeit geführt
und den Achtstundentag erreicht haben, so werden wir auch in Zukunft
den Kampf um unsere Rechte führen und werden imstande sein,
allen Widerstand, der sich uns entgegenstellt, zu brechen. (Potlesk
nìm. soc. demokratických poslancù.)
Hohes Haus! Die deutsche christlichsoziale
Volkspartei ist in die Regierungsmehrheit eingetreten mit dem
ernsten Willen, in ernster Arbeit mitzuwirken, daß dieser
Staat zur erträglichen Wohnstätte für das sudetendeutsche
Volk werde, zu einer Wohnstätte, in der das sudetendeutsche
Volk seine Hausherrenrechte mitgenießt. Wir verkennen nicht,
daß noch harte Kärrner- und Schlepparbeit zu leisten
sein wird, bevor dieses Ziel erreicht werden kann. Auch der gegenwärtig
zur Beratung stehende Voranschlag stellt noch lange kein solches
Bild dar, das uns die Verwirklichung unseres Zieles in nahe Aussicht
stellt. In uns aber lebt der Glaube, daß die gemeinsamen
Interessen der Völker dieses Staates so stark sind, daß
sie zwangsläufig eine Überbrückung der Interessengegensätze
und dadurch endlich eine gemeinsame Arbeit im Dienste des Wohles
aller Staatsbürger herbeiführen müssen.
Solche Arbeit im Dienste des Gesamtwohles ist
vor allem die Arbeit im Dienste der sozialen Fürsorge, ist
eine gesunde soziale Politik. Wenn ich mir hier erlaube, gerade
zu diesem Kapitel den Standpunkt meiner Partei zu präzisieren,
so geschieht das nicht in letzter Linie deshalb, weil gerade unser
Eintritt in die gegenwärtige Regierung zum Anlaß für
demagogische Angriffe gegen die Sozialpolitik unserer Partei genommen
wurde. Es ist mehr als bezeichnend für unsere politischen
Gegner, wenn sie uns einer reaktionären antisozialen Gesinnung
zeihen, ja uns selbst den ehrlichen Willen zur ersten Mitarbeit
für eine gesunde soziale Politik absprechen, nur weil wir
auf entgegengesetzter weltanschaulicher Grundlage stehen und ihre
Wege als falsch und nicht zum gewünschten Ziele führend
erkannt haben.
Wir leugnen nicht, daß starke Kräfte
tätig sind, um allenthalben und auch in diesem Staate die
Politik in einen antisozialen Kurs zu drängen. Wir erkennen
die Hindernisse und Schwierigkeiten, die sich der Verwirklichung
unserer programmatischen sozialpolitischen Ziele entgegenstellen.
Wir verwahren uns jedoch gegen die demagogische Art, in der uns
reaktionäre, antisoziale Gesinnung und fehlender guter Wille
gerade von jenen Gegnern vorgeworfen wird, welche in den langen
Jahren ihrer Macht selbst nicht imstande waren, das zu erreichen,
was sie als die Erfüllung ihrer Minimalforderungen bezeichnen.
Gerade um einen antisozialen Kurs zu verhindern, war mit ein bestimmender
Grund für den Eintritt unserer Partei in die Regierung. Wenn
wir für das Kapitel "Soziale Fürsorge" im
Staatsvoranschlag stimmen, so bezeugen wir dadurch nicht, daß
uns die für diesen Zweck eingesetzten Ziffern restlos befriedigen.
Wir stellen uns dadurch lediglich auf den Boden der realen Tatsachen,
ohne zu vergessen, daß auch unsere staatliche soziale Gesetzgebung
noch große Lücken aufweist, deren möglichst baldige
Ausfüllung auch weite Kreise unseres sudetendeutschen Volkes
erwarten. Wir stehen noch immer mitten drinnen in einer gewaltigen
Wirtschaftskrise, die tausende und tausende Hände und Hirne
aus ihrer Berufstätigkeit herausgerissen und in tausende
und tausende Familien Not und Elend gebracht hat. Eine vernünftige
Wirtschaftspolitik, durch eine ausreichende soziale Fürsorge
unterstützt, muß die traurigen Folgen dieser Wirtschaftskrise
zu mildern suchen. Innerstaatlich allein ist die so brennende
Frage einer ausreichenden Arbeitslosenfürsorge nicht zu lösen.
Vor allem wird eine Hauptsorge unserer Außenhandelspolitik
sein, unserer Industrie neue Absatzgebiete und dadurch vermehrte
Arbeitsmöglichkeit zu erschließen. Ich denke da vor
allem auch an das große aufnahmsfähige Gebiet Sowjetrußlands.
Innerstaatlich erweist sich die Novellierung des Gesetzes, betreffend
den Staatsbeitrag zur Unterstützung Arbeitsloser, als dringend
notwendig. Dieses Gesetz, das für Zeiten eines normalen Wirtschaftsbetriebes
geschaffen wurde, belastet heute die Gewerkschaften in unerträglicher
Weise und ist bei der gegenwärtigen andauernden Wirtschaftskrise
inbezug auf die Unterstützungsfrist allzu eng begrenzt. Wir
werden die Bestrebungen des Ministeriums für soziale Fürsorge
in dieser Hinsicht gerne unterstützen, dem ja diesbezügliche
Vorschläge bereits seitens der Gewerkschaften unterbreitet
wurden. Die Gewerkschaften haben seit Inkrafttretung dieses Gesetzes
eine staatserhaltende Arbeit von solchem Umfange geleistet, daß
ihnen voller Dank und Unterstützung ihrer Bestrebungen gebührt.
Einen Idealzustand der Arbeitslosenfürsorge
stellt das gegenwärtige Gesetz auch für normale Zeiten
nicht dar. Unsere Bestrebungen werden auf die Schaffung einer
Arbeitslosenversicherung hinzielen müssen, zu der Arbeitnehmer,
Arbeitgeber, Gemeinde und Staat Beiträge zu leisten haben.
Den Arbeitslosen muß das niederdrückende Gefühl
genommen werden, lediglich Almosenempfänger zu sein. Gleichzeitig
mit dem Ausbau der Arbeitslosenversicherung ist die Schaffung
der gesetzlichen Zwangsarbeitsvermittlung und die Ausarbeitung
eines großzügigen Arbeitsbeschaffungsprogrammes notwendig.
Sparmaßnahmen sind auf diesem Gebiete gewiß unangebracht,
denn diese Ausgaben sind produktiv und geeignet, den Posten für
unproduktive Arbeitslosenunterstützung zu vermindern. Ich
verweise da nur auf die großen Flächen, die durch den
Bergbau vernichtet wurden und die bei planmäßiger Rekultivierung
unter finanzieller Heranziehung der Bergwerksbesitzer Hunderten
von Familien Arbeit und Brot bringen könnten. Die Neubelebung
der Bautätigkeit kommt ebenfalls als nicht unbedeutender
Faktor bei der Arbeitslosenfrage in Betracht. Die Regierung hat
uns eine Vorlage über ein Baugesetz unterbreitet, deren gründliche
und fachmännische Ausarbeitung gewiß nicht angezweifelt
werden kann, die jedoch unter den gegenwärtigen wirtschaftlichen
Verhältnissen welche kaum mehr weitere Belastungen vertragen-sowohl
bei den Hausbesitzern als auch bei den Mietern auf heftigen Widerspruch
stößt. Es ist zweifellos, daß auch die Frage
der Wohnungsfürsorge nur im Geiste echter Volkssolidarität
gelöst werden kann. (Posl. Katz: Wie soll die auschauen,
die Volkssolidarität?) Herr Abg. Katz, das wissen
Sie leider nicht. (Rùzné výkøiky.)
Die Opfer, welche hier gebracht werden müssen
sind in Wahrheit Opfer für das Gesamtwohl des Volkes.
Das in seinem Grundgedanken gewiß große
Werk der Sozialversicherung begegnet ebenfalls zum Großteil
berechtigtem Widerspruch. Ich halte es für verfrüht,
über Novellisierungspläne des Sozialversicherungsgesetzes
in einer Weise zu reden, wie es von manchen Kreisen heute schon
vielfach geschieht, bevor man die Auswirkungen dieses Gesetzes
nicht aus längeren Erfahrungen beurteilen kann.
Ich bestreite nicht, daß heute schon
gewisse Härten und Ungerechtigkeiten beseitigt werden können,
keinesfalls aber können wir einer Novellierung zustimmen,
die diesem Gesetze seinen sozialen Charakter nimmt. Die politische
Konstellation in diesem Hause wird wohl kaum jemals eine solche
sein, daß die hier geschaffenen Gesetze alle restlos befriedigen.
Aufgabe der Gesetzgebung aber muß es immer sein, einmal
erwiesene Ungerechtigkeiten wieder zu beseitigen. Als eine solche
Tat möchte ich besonders die Notwendigkeit der endlichen
Gleichstellung und Gleichbehandlung der sogenannten Alt- und Neupensionisten,
die Gleichstellung der Arbeiter und Angestellten in den staatlichen
Betrieben, besonders in den Tabak- und Bergbaubetrieben mit den
übrigen Staatsbedienstetenkategorien, ferner die endliche
Einbeziehung der Land- und Forstarbeiter in die Unfallversicherungspflicht
bezeichnen.
Ich kann der beschränkten Redezeit wegen
aus dem Komplexe der zu leistenden Arbeiten auf sozialpolitischem
Gebiete nur einige der Fragen herausgreifen, deren Lösung
mir am dringendsten erscheint. (Rùzné
výkøiky poslancù nìm. soc. demokratické
strany dìlnické a nìm. køes.
sociální strany lidové. -
Místopøedseda Stivín zvoní.
- Posl. Katz: Herr Greif, werden Sie
auch entsprechende Anträge stellen?) Nur abwarten. (Hluk.)
Die Hauptversammlung des Verbandes der christlichen
Gewerkschaften hat am 16. Oktober die baldige Inangriffnahme folgender
sozialpolitischer Arbeiten vom Ministerium für soziale Fürsorge
verlangt: Die sofortige Novellierung des Gesetzes Nr. 267, betreffend
den Staatsbeitrag zur Unterstützung Arbeitsloser, in dem
Sinne, daß die Unterstützungsfrist verlängert
und den Gewerkschaften ihre ungeheueren Lasten erleichtert werden,
die baldige Schaffung einer Arbeitslosenversicherung, zu der Arbeitnehmer,
Arbeitgeber, Gemeinde und Staat Beiträge zu leisten haben,
die umgehende Schaffung der gesetzlichen Zwangsarbeitsvermittlung
(nepokoj), die sofortige Ausarbeitung eines großzügigen
Arbeitsbeschaffungsprogrammes, welches insbesondere dazu dient,
eine planmäßig produktive Arbeitslosenfürsorge
einzuführen, die Herausgabe einer neuen Vorlage über
die Bauförderung, die Erhöhung des steuerfreien Einkommens
auf den Vorkriegsstand, die Schaffung der Unabdingbarkeit der
Kollektivverträge, die endliche Abänderung des §
82 der Gewerbeordnung. (Pøedsednictví
pøevzal místopøedseda Slavíèek.)
Die Novellierung des Feiertagsgesetzes,
insbesondere die gesetzliche Festlegung der Doppelfeiertage, die
Herausgabe der Durchführungsverordnung zum Urlaubsgesetz,
die endliche Schaffung des Gesetzes über die Altersversorgung
jener Personen, die das 60. Lebensjahr überschritten haben
und deshalb nicht mehr in den Bereich der Sozialversicherung fallen.
Die Novellierung der Pensionsversicherung für die Privatangestellten,
die endliche Gleichstellung der Alt- und Neupensionisten, die
Gleichstellung der in den staatlichen Betrieben beschäftigten
Arbeiter und Angestellten, insbesondere der Tabakarbeiter und
der Bergarbeiter mit den übrigen Staatsbedienstetenkategorien,
und schließlich die Ausdehnung der Arbeiterunfallversicherungspflicht
auf die Land- und Forstarbeiter. Diese Forderungen sind von der
deutschen christlichsozialen Volkspartei im vollen Bewußtsein
der Verantwortung mitübernommen worden. (Rùzné
výkøiky. - Posl. Grünzner:
Die Agrarzölle haben Sie mitgemacht! - Hluk.
Výkøiky posl. Windirsche.)
Wir erkennen die Fülle der zu leistenden
Arbeit und wir werden mit ernstem Willen jederzeit zur Mitarbeit
bereit sein. Sieht doch die deutsche christlichsoziale Volkspartei
gerade in der gemeinsamen Arbeit aller Stände des Volkes
im Dienste der sozialen Fürsorge die Erfüllung ihrer
vornehmsten Aufgabe im Sinne ihres deutschen, christlichen und
sozialen Programmes. Im Zeichen dieses ernsten Willens zur weiteren
Arbeit für das Wohl unseres Volkes werden wir für diesen
Voranschlag stimmen. (Potlesk.)
Hohes Haus! Es ist ein trauriges Zeichen der
Zeit, daß dem Kultur- und Schulwesen nicht jene Bedeutung,
Pflege und Förderung zuteil wird, die es verdient. Insbesondere
in der letzten Zeit werden die Klagen immer lauter, daß
das Schulwesen weiter gedrosselt werde, und wir sehen statt eines
Ausbaues einen steten Abbau. Wo bleibt die Einlösung des
Versprechens, das bei den Friedensschlüssen gegeben wurde,
daß das deutsche Schulwesen gefördert werde? Das Gegenteil
dieser Versprechungen ist eingetreten. Wir sehen, daß das
deutsche Schulwesen degradiert wird, daß fünfklassige
in vierklassige, vierklassige in dreiklassige u. s. w. Schulen
umgewandelt werden, lebensfähige Klassen mit 20 und 30 Schülern
werden aufgelöst und aufgebohen. Und doch wäre hier
eine gesetzliche Handhabe, daß auch Schulen mit geringerer
Schülerzahl aufrechtbleiben könnten. Denn § 7,
Abs. 2 des kleinen Schulgesetzes sagt klar und deutlich, daß
bereits errichtete Klassen nicht aufzuheben, bezw. nicht zusammenzuziehen
seien, wenn durch die Auflassung oder Vereinigung der Schülerzahl
in einer Klasse die Zahl von 60 übersteigen würde. Wenn
dieser Paragraph gehandhabt würde, würde er eine Sicherung
für die Aufrechthaltung der Klassen mit einer niedrigeren
Schülerzahl bedeuten. Diese Bestimmung wird aber nicht gehandhabt,
die Schulbehörden sagen, daß diese Bestimmung nur auf
definitive Klassen anzuwenden sei, auf keinen Fall aber auf provisorische
Klassen, weil die provisorischen Klassen, keine richtigen Klassen
im Sinne des Gesetzes sind. Dem Landesschulrate steht es frei,
diese Klassen schließen zu können. Es wurde in der
letzten Zeit eine Unmenge von Schulklassen geschlossen und ich
werde Ihnen nur eine ganz kleine Auslese hier vortragen. Ich bemerke
nochmals, daß es jene Schulklassen sind, die in der allerletzten
Zeit der Schuldrosselung verfallen sind: In Schreckenstein, Peterswald,
Stöben, in Ober-Ebersdorf, in Blottendorf und Dauba, Haida,
Jechnitz, in Wallisgrün, in Rodisfort, Pirkenlammer und Donitz,
in Görsdorf und Lang-Ugest, in Altstadt, Krischwitz und Riegersdorf,
in Alt Rognitz, Marschendorf, Raatsch und Soor. Das sind die letzten
großen Taten, über die auch schon Koll. Kaufmann
in einem anderen Zusammenhange gesprochen hat. Die Drosselungen
gehen lustig weiter. Es wurden, in Prozenten ausgedrückt
und gegenübergestellt dem Kinderrückgang, 42,5%
Klassen aufgelassen bei einem Kinderrückgang von 26,3%, in
Klassen und Schulen umgewandelt bedeutet das 49 aufgelöste
ganze Schulen und 911 Klassen. Der Kinderrückgang sowohl
bei der èechischen wie bei der deutschen Nation beträgt
durchschnittlich 5%, der Klassenabbau
aber bei den Èechen 5%, bei den Deutschen 9%. Es wurden
also beinahe noch einmal so viel deutsche Schulklassen gesperrt,
während auf der anderen Seite èechische Schulklassen
und Schulen für nur wenige Schüler errichtet wurden.
Wir haben Beweise, daß für fünf,
vier, drei und zwei Kinder, ja für ein Kind Schulen eröffnet
wurden.
Ich möchte dabei feststellen, daß
wir es als selbstverständlich halten, daß für
anderssprachige Nationen Schulen eröffnet werden. Jeder Nation
- ich habe das auch bereits im Budgetausschuß erklärt
- gebühren ihre Schulen. Aber was wir bei den anderen Nationen
selbstverständlich finden, dasselbe fordern wir mit für
die deutsche, für unsere Nation. Èechische Schulen
wurden also errichtet, und um ihre Eröffnung zu ermöglichen,
werden unter verschiedenem Zwang deutsche Kinder in die èechischen
Schulen eingeschrieben. Einmal unter der Androhung der Entlassung
des Arbeitnehmers, ein andermal spielt eine örtliche Frage
eine Rolle, dann findet man, daß der Vater oder die Mutter
oder vielleicht gar ein Urahne ein Èeche
gewesen ist. Und so ergibt sich, daß auf diese Art und Weise
- selbstverständlich auch durch freiwillige Einschreibung
im Jahre 1925 nicht weniger als 7795 deutsche Kinder in èechischen
Volks- und Bürgerschulen eingeschrieben
worden sind. Das bedeutet 130 deutsche Schulklassen.
Wenn ich in diesem Zusammenhange nun über
die Erziehung der Kinder sprechen will so muß ich sagen,
daß es dem Lehrer unmöglich ist, den erzieherischen
Anforderungen zu entsprechen, wenn in einer Klasse 50 und 60,
ja, wie es z. B. in Tetschen der Fall ist, über 80 Kinder
(Posl. Kaufmann: In Komotau 92!) - und in Komotau 92, wie
der Zwischenruf beweist, sitzen. Wir bekommen ja nicht die ganzen
Daten in die Hand, sonst wären es ganz erschreckende Zahlen.
Der Herr Minister weiß das, aber er will dies nicht sehen.
Er wäre in der Lage und hätte dazu die Möglichkeit,
die überfüllten Klassen zu trennen und Parallelklassen
eröffnen zu lassen. Er tut es aber nicht. Daraus ergibt sich
naturgemäß, daß eine kolossale Anzahl stellungsloser
Lehrer zu verzeichnen ist. Allein 1500 Lehrpersonen sind durch
die Stellenlosigkeit dem größten Elend preisgegeben.
Während auf der einen Seite - und das wirkt ganz komisch
aber traurig - unzählige Lehrpersonen beschäftigungslos
sind, gibt es Klassen, die keinen Lehrer haben. In diesen Klassen
muß suppliert werden, denn die Sparmaßnahmen des Schulministeriums
geben eine Neuanstellung einer Lehrperson nicht zu.