Ètvrtek 25. listopadu 1926

Daran hat man sich natürlich die ganzen Jahre über nicht gehalten und war dabei von keinen Gewissensskruppeln beschwert. Ein angemessener Teil heißt doch in sinngemäßer Auslegung des Wortes der Anteil, welcher der Minderheit nach der perzentuellen Zusammensetzung der Bevölkerung und unter Berücksichtigung der Steuerkraft und wirtschaftlichen Stärke entspricht. Es würde zu weit führen, wollte man heute hier untersuchen, nm wieviel Millionen wir jährlich im Schulbudget allein von Staatswegen betrogen, bzw. unser Schulwesen schlechter dotiert wurde, Wenn wir nur den Voranschlag für das Schulwesen im Jahre 1927 herausgreifen so ergibt der annähernd berechnete deutsche Anteil rund 102 Millionen Kè bei einer Gesamtsumme von 667,222.962 Kè, d. i. 15 1/2% gegen er einer durchschnittlichen Bevölkerungsziffer von 23,4%, zeigt also eine Verkürzung von nahezu 8%. In einzelnen Kapiteln ist der deutsche Anteil gleich Null (Výkøiky.) z. B. in der Zentralverwaltung mit 12,777.176 Kè, bei Schul- und Kulturverkehr mit dem Auslande mit 5,130.000 Kè. bei anderen Kapiteln äußerst gering. Von den 7,420.000 Kè, die für die Studentenfürsorge vorgesehen sind, erhalten die Deutschen kaum 1 Million, von den 6,680.000 Kè, für Denkmalschutz beträgt der deutsche Anteil rund 500.000 Kè, bei den 16,240.786 Kè für die Kunst rund 750.0000 Kronen beim Volksbildungswesen mit 4,090.000 Kronen annähernd. 90.000 Kronen. Besonders auffallend ist die Benachteiligung des deutschen Schulwesens in Investitionsbudget. Der Investitionsaufwand für das Schulwesen beträgt für die historischen Länder und die Slovakei 97,782.133. Kronen und zwar für Hochschulzwecke in Böhmen 20,535.422 Kronen, davon für deutsche Zwecke 1,227.170 Kronen, in Mähren 11,806.673 Kronen, davon für deutsche Zwecke 476.6.73 Kronen, in der Slovakei 3,475.000 Kronen, davon für deutsche Zwecke nichts. (Hör t! Hört!) Für Fachschulen in Böhmen 2,250.000, Kronen, davon für deutsche Zwecke 400.000 Kronen, in Mähren 3,850.000 Kronen, davon für deutsche Zwecke 700.000 Kronen, in der Slovakei 1,300.000 Kronen, davon für deutsche Zwecke nichts. Für Mittelschulen in Böhmen 27,232.271 Kronen, davon für deutsche Zwecke 24.278 Kronen, in Mähren 4,300.1109 Kronen davon für deutsche Zwecke nichts in der Slovakei 1,540.000 Kronen, davon für deutche Zwecke nicht s. Für Minderheitsschulen ein Gesamtbetrag von 36,000.000 Kronen, davon für deutsche Zwecke nichts. Zusammen daher 97,782.133 Kronen davon deutscher Anteil 2,828.121 das sind nicht einmal ganze 3%, demnach eine Verkürzung von mehr als 20% bei Einschluß der Slovakei, in den historischen Ländern allein über 30% (Výkøiky.) Wenn wir die Beträge, um die unser Schulwesen die ganzen 8 Jahre über verkürzt wurde, zusammenrechnen würden, kämen wir wohl weit über 1 Milliarde hinaus. Das ist aber nur die tatsächliche Kürzung auf dem Schulgebiete, wenn noch die anderen vielen Zweige der Staatsverwaltung hinzugenommen würden, kämen wir zu Zahlen in schwindelnder Höhe. Was diese Verkürzung für die ganze deutsche Volkswirtschaft bedeutet, das kann in diesem Zusammenhange heute nicht ausgeführt werden. So ernst nehmen es die Èechen mit beschworenen Verpflichtungen und beschlossenen Gesetzen.

Doch alles soll nun anders und besser werden, denn man stehe nach Hodža vor der Lösung der Frage der Selbstverwaltung der Schulen. Diese Selbstverwaltung sei dringend und werde daher noch vor Aktivierung der Gaue und zwar mit 1. Juli 1927 durchgeführt werden. Die Selbstverwaltung werde durch eine Reform, teils in den Bezirken, teils in den Ländern durchgeführt werden. Von Einzelheiten zu sprechen, sei noch nicht möglich, da über die Sache noch verhandelt wird, aber schon heute können erklärt werden, daß alle Bevölkerungsschichten ohne Unterschied der Nationalität die Selbstverwaltung der Schule erhalten werden. Durch ein Gesetz soll inzwischen die Schulvereinheitlichung durchgeführt werden.

Zu dieser Ankündigung des Herrn Unterrichtsminister muß zunächst gesagt werden, daß sie äußerst vorsichtig und zurückhaltend geh alten ist und daß es mir unbegreiflich ist, wie so deutsche Patrioten daraus entnehmen konnten, daß dem Sudetendeutschtum damit die kulturelle Selbstverwaltung angekündigt wurde. Der Überschwung deutscher Zeitungen, welche dieses Ereignis mit großen Lettern ankündigten und damit die deutsche Öffentlichkeit wie so oft irreführten, ist durchaus unverständlich. Besser wäre es nach den vielen traurigen Erfahrung en gewesen, erst einmal den Entwurf dieser gedachten Schulverwaltung und dann erst die Lobeshymnen auf die beginnende Einkehr auf èechischer Seite und auf die Erfolge deutscher Regierungspolitik und selbst aufopfernder Staatstreue zu singen. Ich habe vorhin kurz den Stand der Schulgesetzgebung in alten Österreich dargestellt, um Ihnen zu zeigen, daß wir damals der nationalen Schulverwaltung viel näher standen als heute, daß also die Èechoslovakei vor allem auf den modernen und demokratischen Grundlagen der österreichischen Schulgesetzgebung hätte aufbauen, bezw. der freien Entwicklung ihren Lauf lassen müssen. Der Herr Minister Dr Hodža versprach eine Schulselbstverwaltung im Rahmen der Bezirke und vorläufig der Landesausschüsse, später in Übereinstimmung mit dem Gaugesetze. Das besaßen wir alles bereits und bedeutet dieses Versprechen daher nur eine Wiederherstellung alter Zustände, eine Wiedergutmachung, aber keine weitere Entwicklung. Das Gesetz vom 9. April 1920, die Verordnung vom 6. November 1920, Nr. 605 Slg., geben immerhin in ihrer Auslegung die Möglichkeit für die Bildung nationaler Ortsschulräte. Das Gaugesetz dagegen schafft keine Gaue nach der nationalen Siedlung, sondern zieht vielfach durchaus gemischte Bezirke zu Gauen zusammen und setzt für die Verwaltung der Schulen Gauschulräte mit geringem Wirkungskreise ein. Da die meisten Gaue national gemischt, zur Mehrheit èechisch sein werden - die 2 einzigen Gaue mit deutscher Mehrheit, Karlsbad und Böhm. Leipa, sollen ja noch beseitigt und die hiezu nötige Zuteilung von èechischen Bezirken vorgenommen werden - wird also da deutsche Schulwesen auch in den Gauen unter èechischer Aufsicht und Verwaltung stehen und dem Wohlwollen Fremdnationaler ausgeliefert sein, es wäre denn, daß das Gaugesetz von Grund auf geändert und seine vollständige aud vollkommene Zweiteilung nach, Nationalitäten durchgeführt wird. Bei diesem Anlaße müßte auch der Wirkungskreis der Gauschulräte wesentlich erweitert werden. Die èechische Gesetzgebung liebt in allem einen straffen Zentralismus, während früher in Österreich die Èechen die ausgesprochenen Föderalisten waren. So wurden durch das Gesetz vom 9. April 1920 alle Angelegenheiten, welche da Hoch-, Mittel- und Fachschulwesen betreffen und die bisher zum Wirkungskreise der Landesschulräte gehörten, diesem entzog en und dem Ministerium für Schulwesen und Volkskultur angegliedert, ebenso wie auch das Ministerium das Entscheidungsrecht in Volks- und Bürgerschulfragen, wie in Angelegenheiten der Kindergärten an sich riß. Das Minderheitsschulwesen wurde gleichfalls direkt dem Schulministerium unterstellt. Diese Zentralisierung soll nun aber nicht nach Hodža abgebaut, sondern im Gegenteil noch weiter geführt werden, indem auch noch das Fortbildungsschulwesen verstaatlicht werden soll.

Es ist demnach vorläufig noch überhaupt nicht abzusehen, worin die angekündigte Selbstverwaltung der Schule bestehen wird und dürfte wahrscheinlich lediglich eine Änderung und Besserung nach der Richtung gedacht sein, daß allgemein die Volks- und Bürgerschulen wieder den Ortsschulräten unterstellt werden, welche Körperschaften aus Angehörigen der eigenen Nationalität zusammengesetzt sind und auf Grund der Verhältniswahl gewählt werden und daß auch die Bezirks- und Landesausschüsse nach dem gleichen Gesichtspunkte gebildet, beziehungsweise gewählt werden. Eine deutlichere Vorstellung ist nach den äußerst vorsichtigen Worten des Herrn Ministers noch nicht möglich. Wir hoffen, daß wir bei unserem Mißtrauen einmal angenehm von der Wirklichkeit überrascht werden und nicht, wie so oft bisher, unangenehm. Im übrigen sollten wohl bei Beratung und Ausarbeitung eines so wichtigen Gesetzes die Vertreter der einzelnen Völker dieses Staates gehört und ihre Ansichten und Wünsche hiezu entgegengenommen werden, wenn man wirklich demokratisch vorgehen und etwas Gutes und Brauchbares für die Zukunft schaffen wollte. Die Grundzüge wahrer völkischer Selbstverwaltung, der nationalen Schulautonomie habe ich schon in meiner Budgetrede am 23. November 1921 angedeutet und einen diesbezüglichen Antrag damals eingebracht, der folgende Grundsätze, die auch heute noch gelten, festlegte: 1. Jede Nation wird vom Staate als Trägerin und Verwalterin des gesamten Schulwesens anerkannt, 2. zur Verwaltung des gesamten nationalen Schulwesens werden nationale Reichsschulräte aus den Vertretern der betreffenden Nation gebildet, bzw. gewählt, 3. Diesen Reichsschulräten obliegt die Betreuung des gesamten Schulwesens jeder Art einschließlich der Minderheitsschulen, sie entscheiden allein über die Errichtung, Verwaltung und Auflassung der Schulen, sie nehmen die notwendigen Besetzungen und Ernennungen von Lehrkräften, Beamten und Schulinspektoren vor. 4. Jedes Volk trägt seinen Schulaufwand selbst, daher wird ihm zur Aufbringung der notwendigen Kosten die Steuerhoheit gegeben. Die Reichsschulräte sind daher berechtigt, den betreffenden Nationsgenossen Schulbeiträge vorzuschreiben und von ihnen einzuheben. 5. Die Schulaufsicht des Staates beschränkt sich lediglich auf die Einhaltung der den nationalen Schulorganen obliegenden Pflichten. 6. Für die Zugehorigkeit zu einer im Staate anerkannten Nation ist allein das frei und unabhängig abgegebene Bekenntnis maßgebend.

Würden sich die Èechen zu diesen Grundsätzen bekennen und würde das Ministerium die Selbstverwaltung der Schulen nach deutschen Gesichtspunkten aufbauen, wäre die Schule ein für allemal dem nationalen Streite entrückt. Mehr als die bloße Versicherung des Herrn Ministers würde uns diese Tat davon überzeugen, daß sie uns unsere Kinder nicht wegnehmen, sie nicht der Entnationalisierung zuführen wollen. So aber sehen wir auf Grund gemachter Erfahrungen in der Erklärung des Herrn Ministers nichts anderes als eine bewußte Irreführung des lieben guten deutschen Michels, der sich noch zu allen Zeiten in angeborener Leichtgläubigkeit und in leichtgläubiger Dummheit durch schöne Versprechungen und durch rosige Wechsel auf ferne Sicht täuschen ließ. Es fehlt uns umsomehr der Glaube, als auch die Zeit der èechisch-deutschen Regierungsmehrheit noch keinen Abbau des èechischen Schulchauvinismus gebracht hat. Während der Herr Minister erklärt, daß Schulauflassungen nicht mehr vorkommen werden - im Schuljahre 1925/26 verloren wir neuerdings 49 Schulen mit 911 Klassen - gehen inzwischen die Schulauflassungen ruhig weiter, da ja die ganze Macht auf Grund des Gesetzes vom 3. April 1919, Nr. 189 Slg., in die Hand eines einzigen Beamten, des Vorsitzenden des Landesschulrates gelegt ist, bezw. von dem chauvinistischen Präsidialbeamten ausgeübt wird. (Výkøiky.) Herr Ministerialrat Dr Beran in Brünn hat sich jedenfalls um die Worte des Herrn Ministers noch nicht gekümmert, sonst hätte es nicht vorkommen können, daß eben wieder mehrere Klassen im Neutitscheiner Schulbezirk, in Mähr-Ostrau, Seitendorf bei Neutitschein u. a. aufgelassen wurde, obwohl im heurigen Schuljahre mehr Kinder vorhanden sind als im Vorjahre. So wurden auch in dem Schulbezirke Böhm.-Leipa 4 Klassen, in Deutschgabel 5 Klassen aufgelassen, wie auch in vielen anderen Gegenden. Mit Rücksicht auf die zunehmende Kinderzahl hätte man erwarten dürfen, daß Klassen nicht aufgelöst werden, wenn durch die Zusammenziehung mit einer zweiten Klasse eine Schülerzahl von über 60 entsteht. Leider wird auch darauf keine Rücksicht genommen. So wurde, um nur wieder ein Beispiel unter vielen herauszuheben, in Wallisgrün (Bezirk Jechnitz) die zweite Klasse der dortigen zweiklassigen Volksschule durch den böhmischen Landesschulrat aufgelassen, weil diese Klasse heuer nur 35 Kinder zählt und kann nach den jetzt geltenden Gesetzesbestimmungen erst wieder aufgemacht werden, bis sie wieder 60 Schüler zählen wird. Insolange bleibt natürlich die Schule einklassig, wenn auch diese Klasse 80 oder 100 Schüler besitzen wird. In den dreiklassigen Volksschulen in Altrognitz, Marschendorf, Raatsch und Soor wurden über Auftrag des Landesschulrates die zweite und dritte Klasse zusammengezogen, weil zufällig die zwei Klassen zusammen nicht mehr als 60 Schüler zählen. Solche und ähnliche Fälle gibt es viele. Aus allen Teilen des Landes hören wir von neuen Klassensperrungen, während notwendige Teilungen bei Überfüllung von Klassen oftmals verweigert werden, wenn auch nur ein Kind auf die gesetzliche Anzahl fehlt. Der Herr Minister Hodža würde mit seinen schönen Versprechungen einer besseren Zukunft viel mehr Glauben bei dem bereits so oft belogenen und betrogen en deutschen Volke finden, wenn er Veranlassung finden würde, zumal er doch als oberster Chef des gesamten Unterrichtswesens hiefür verantwortlich ist, daß endlich diese unvernünftige Praxis bei den Schulauflassungen, die mit Recht Empörung hervorruft, aufgelassen würde und daß die Taten der èechischen Schulverwaltung mit seinen schönen Worten in Übereinstimmung gebracht werden. Meine Partei hält sich allerdings nur an die Taten und ist von Haus aus von dem größten Mißtrauen gegen jede èechische Vertretung, demnach auch gegen die jetzige erfüllt, wenn diese auch heute zwei deutsche Minister zum Aufputz in ihren Reihen hat. Wie übrigens die beiden Herren noch dazu als Hochschulprofessoren das alles vor dem deutschen Volke verantworten wollen, was auf dem Schulgebiete gegen uns gesündigt wurde, und noch wird, das muß ich ihrem Gewissen überlassen. Wir wissen, daß es mit dem Eintritt deutscher Minister in die Regierung in dem System dieses Staates nichts, aber auch gar nichts geändert hat und daß dieses System auf dem Schulgebiete darauf hinausläuft, das sudetendeutsche Volk im Laufe der Entwicklung zu einem niedrigen Kulturvolke, zum willigen unkultivierten Sklaven und, um mit Spina zu reden, zu brauchbaren Èechoslovaken zu machen, durch die eigene, höhere Ausbildungsmöglichkeit anzuziehen und aufzusaugen, obwohl der Präsident dieses Staates einstens das Wort sprach: "Es ist das erste Erfordernis der Menschlichkeit, die oberste Norm der Soziologie, daß jeder die Möglichkeit habe, sich zu bilden. Wer einem einzelnen oder einem Volke im Streben nach Bildung in den Weg tritt, begeht eine Todsünde. Das Recht sich zu bilden, hat jeder Mensch genau so wie das Recht zu leben."

Da uns aber die Èechen das Recht, als Deutsche frei und unabhängig in ihrem Staate zu leben, aus Selbsterhaltungstrieb nicht geben können und werden, werden sie uns logischer Weise auch das Recht, uns zu bilden und zum Kampfe um die Freiheit bestmöglichst mit Geistesgaben zu rüsten, nicht geben, sondern immer wieder trachten, die deutschen Bildungsmöglichkeiten nach ihren Grundsätzen zu beeinflußen, nach ihrem Gutdünken zu regeln und zu leiten. Wir aber wollen kämpfen, bis wir die vollständige Unabhängigkeit unseres Erziehungswesens von jeder fremdnationalen Beeinflußung erreicht haben, weil dies zu den ureigensten und heiligsten Rechten eines jeden Volkes gehört. Nur in der Freiheit und Unabhängigkeit kann der deutsche Geist gedeihen, kann die deutsche Jugend für den Kampf um die Freiheit und um die Menschenrechte des deutschen Volkes erzogen werden. Friedlicher Ausgleich und Verständigung ist nur dort möglich, wo jeder ehrliches Recht erhält und jeder ehrliches Recht zu geben auch bereit ist. Da die Èechoslovakei aber durch Verrat entstanden, auf Unrecht aufgebaut, durch brutale Gewalt und Rechtsbeugungen erhalten wird, ist der Kampf gegen sie eine sittliche Pflicht und Notwendigkeit bis zu ihrer Beseitigung. Diesen unbeugsamen unentwegten Kampf wird die deutsche Nationalpartei führen bis zur Erreichung unseres Zieles: Der Freiheit. (Potlesk na levici.)

2. Øeè posl. Roschera (viz str. 742 tìsnopisecké zprávy):

Meine Damen und Herren! Wir können nur jenen Staat als einen wahrhaften Kulturstaat betrachten, der tatsächlich sein wertvollstes Gut, die Arbeiter, entsprechend schützt. Ein Kulturstaat muß es zu seiner vornehmsten Aufgabe machen, dafür zu sorgen, daß mit diesem höchsten Gute ökonomisch gewirtschaftet wird und er hat weiter die Aufgabe, dafür zu sorgen, daß den Trägern der Arbeit ausreichender Schutz für das Leben und die Gesundheit gewährleistet wird. Die Arbeit ist der Quell aller Kultur, die Arbeit veredelt erst das Leben der Menschen und ohne Arbeit ist kein Staatswesen möglich der guten sozialpolitischen Gesetzgebung kommt die Achtung vor den arbeitenden Menschen zum Ausdruck, während eine schlechte, mangelhafte sozialpolitische Gesetzgebung die Mißachtung vor der Arbeit ausdrückt. Gute sozialpolitische Gesetze bedeuten für die arbeitende Bevölkerung Erhaltung der Gesundheit, längeres Leben, mehr Familienglück, Erhöhung der Lebens-, Schaffens- und Arbeitsfreude.

Die sozialdemokratische Partei und die freien Gewerkschaften haben es immer als ihre wichtigste Aufgabe betrachtet, gute sozialpolitische Gesetze zu erreichen. In schweren, opferreichen Kämpfen hat die Arbeiterschaft den Boden für die sozialpolitische Gesetzgebung vorbereitet, es mußte erst der Widerstand der kapitalistisch en Klasse gebrochen werden, um Schritt für Schritt ein Stück Recht nach dem anderen auf dem Gebiete der Sozialpolitik zu erkämpfen. Als dieser Staat vor 8 Jahren gegründet wurde, erklärten die damaligen Machthaber, daß dieser neue Staat den Arbeitern volle Würdigung, volle Unterstützung in ihren kulturellen Bestrebungen angedeihen lassen werde, daß den arbeitenden Menschen der größte Schutz zuteil werden solle. Wenn wir nach diesen 8 Jahren des Bestandes dieses Staates die Bilanz ziehen, so ist das Ergebnis äußerst mager. Wir haben gewiß eine Anzahl sozialpolitischer Gesetze in diesen 8 Jahren erhalten, aber diese Gesetze sind mangelhaft und unklar, sie entsprechen nicht den Forderungen der Arbeiterschaft, sie sind schwammig, sie öffnen der. Willkür in der Auslegung Tür und Tor und sie haben nicht zur Rechtssicherheit beigetragen, sondern in vielen Fällen ist Rechtsunsicherheit entstanden. Sie tragen den Stempel der schlampigen Gesetzesarbeit an sich und sie tragen auch das Signum der Feindschaft der Vertreter der kapitalistischen Klassen gegen die Arbeiterschaft.

Ich will mich nun heute mit einigen sozialpolitischen Gesetzen und auch mit unseren nächsten Forderungen auf sozialpolitischem Gebiete befassen. Ein Kapitel, das die Arbeiterschaft in der Nachkriegszeit am meisten interessiert hat, ist die Fürsorge für die arbeitslosen Arbeiter. Ich will heute kein Wort über die Ursachen der Wirtschaftskrise und Arbeitslosigkeit verlieren. Feststellen möchte ich nur, daß die Arbeiterschaft erst vom Jahre 1922 auf 1923 eine der schwersten Wirtschaftskrisen durchlebt hat und daß wir uns gegenwärtig wiederum mitten in einer der schwersten Wirtschaftskrisen befinden. In dieser Zeit haben wir festgestellt, daß der Staat ganz ungenügend für seine Arbeitslosen vorgesorgt hat und daß das Gesetz über den Staatsbeitrag zur gewerkschaftlichen Arbeitslosenunterstützung sich als vollständig unbrauchbar erwiesen hat. Wir haben bei dem Inkrafttreten des Gesetzes vor diesem Gesetz gewarnt. Wir waren Gegner dieses Gesetzes. Wir haben seine unheilvollen Wirkung en für die Arbeiterschaft vorausgesehen und immer die Forderung nach Einführung einer anderen Arbeitslosenfürsorge, der Pflichtversicherung, erhoben. Heute sehen wir, welche verheerende Auswirkungen dieses System der Arbeitslosenfürsorge nach sich zieht. Wir haben gegenwärtig noch zehntausende Arbeiter, die kurzarbeiten, die mit der Arbeit aussetzen müssen, wir haben zehntausende Arbeiter, die aus der Arbeitslosenunterstützung ausgesteuert sind und so ohne jede Unterstützung dastehen. Die Arbeitslosigkeit hat nicht alle Berufe gleichmäßig stark erfaßt. Am schwersten betroffen wurden die Textilarbeiter, die Glasarbeiter, die Metallarbeiter, die Bergarbeiter und die Bekleidungsarbeiter. Schon seit Monaten sind bei den meisten Gewerkschaften die Arbeitslosenkassen vollständig erschöpft und die Gewerkschaften haben Millionenbeiträge aus den anderen Verbandsreserven bereitstellen müssen, um die Auszahlung der Arbeitslosenunterstützung zu ermöglichen. Millionen schuldet der Staat den Gewerkschaften. Er schuldet nicht bloß die Beträge, die mit dem Staat bereits verrechnet wurden, er schuldet den Gewerkschaften auch jene Beträge an Staatsbeitrag, die sie im vorhinein für jene Arbeitslosenfälle auszahlen müssen, die draußen bei den Ortsgruppen laufen. Ein solches Verhalten des Staates ist ein Skandal, es ist eines Staatswesens unwürdig, daß er zu aller Not den Gewerkschaften noch die Pflicht aufhalst, auch ihm noch Gelder zu borgen, für die Auszahlung der Arbeitslosenunterstützung.

Was hat der Staat Holland in der Zeit der Wirtschaftskrise getan, der ein ähnliches Arbeitslosensystem hat? Die Gewerkschaften haben in einem Jahr für die Arbeitslosenkassen 4 Millionen Gulden aufgebracht, der Staat hat 4 Millionen Gulden dazu gezahlt und außerdem hat er in einem Jahre den Arbeitslosenkassen 10 Millionen holländische Gulden an Darlehen gewährt, damit die Auszahlung der Unterstützung ermöglicht wurde. Belgien hat in einem Jahre den Kassen 130 Millionen Franken zur Verfügung gestellt, um die Auszahlung der Unterstützungen zu ermöglichen. In Dänemark besteht ein sogenannter Krisenfond, wenn die Arbeitslosigkeit einen bestimmten Prozentsatz übersteigt, erhalten die Arbeitslosenkassen der Gewerkschaften aus diesem Krisenfonds Zuschüsse. Und was geschieht in der Èechoslovakei? Nichts! In der Èechoslovakei müssen die Gewerkschaften die ganze Last der Arbeitslosigkeit, die Arbeitslosenfürsorge fast vollständig allein tragen. Gegen diese Behandlung der Arbeiterschaft und ihrer Gewerkschaften wenden wir uns mit unserer ganzen Leidenschaft. Der Staat muß seine moralische Pflicht erfüllen, die darin besteht, daß er sich den Staatsbeitrag nicht auf Kosten der Gewerkschaften auszahlen läßt. Wir haben die Arbeitslosenunterstützung in den Gewerkschaften aus einem ganz anderem Grunde eingeführt, aber nicht dazu, daß sie, wie es heute sehr oft geschieht, mißbraucht wird. Als die Gewerkschaften die Arbeitslosenunterstützung einführten, sollte sie ein Akt der Solidarität gegenüber den Klassengenossen sein. Die Arbeitslosenunterstützung sollte ein Schutz für den einzelnen Arbeiter und für die Gesamtheit gegen Lohndruck sein, sie sollte den aufrechten Arbeiter, der seine Interessen und die seiner Mitarbeiter vertritt, vor Not schützen. Heute müssen wir sehen, daß man mit der gewerkschaftlichen Arbeitslosenunterstützung Mißbrauch treibt.

Wir haben in dieser Zeit wiederholt gesehen, daß die Unternehmer ihre Betriebe willkürlich eingestellt haben und daß die Einstellung den Zweck verfolgte, um auf den Staat und die Regierung einen Druck auszuüben, um Steuerermässigungen zu erhalten, und wir haben wiederholt gesehen, daß die Arbeitslosenunterstützung zur Sanierung der Produktion durch die Unternehmer benützt wurde und daß die Gewerkschaften die Mittel bereitstellen mußten zur Unterstützung an diese arbeitslosen Arbeiter. Gegen diese Art der Verwendung der gewerkschaftlichen Mittel legen wir entschieden Verwahrung ein und wir sind nicht gewillt, für solche Zwecke die Mittel der Arbeiter bereit zu stellen.

Im Budget für 1927 hat man den Pappenstiel von 10 Millionen Kronen für die Arbeitslosenunterstützung eingestellt. Hier kommt die ganze Mißachtung des Staates gegenüber den Arbeitslosen zum Ausdruck. Der Staat hat Mittel für andere Zwecke sehr oft schon bereit gestellt. Ich erinnere an die Bereitstellung von Mitteln für die verkrachten Banken, erinnere daran, daß vielen Kapitalisten große Steuerbeträge abgeschrieben wurden, während man auf der anderen Seite nicht immer mit den feinsten Mitteln die Steuern bei den Arbeitern eingetrieben hat. Unsere Forderung ist, daß dieses System der Arbeitslosenfürsorge beseitigt und daß ein System der Arbeitslosenfürsorge geschaffen werde, das sich auf der Pflichtversicherung aufbaut. Unsere Forderung geht weiter dahin, solange dieses System besteht, den bereits ausgesteuerten Arbeitern noch durch 13 Wochen die Arbeitslosenunterstützung aus Staatsmitteln zu gewähren. Unsere Forderung geht weiter dahin, daß diese Unterstützung mindestens in derselben Höhe gewährt werde, wie sie der Arbeitslose zuletzt bei seiner Gewerkschaft bezogen hat. Wir verlangen weiter, daß den Gewerkschaften die aufgelaufenen Verwaltungskosten, die in die Hunderttausende gehen, rückersetzt werden und fordern, daß die einmaligen Anschaffungskosten den Gewerkschaften ebenfalls rückerstattet werden.

Ich will Ihnen ein Beispiel anführen, damit Sie sehen, welche Wirkungen die Arbeitslosigkeit auslöst. Die Union der Textilarbeiter hat seit 1. April 1925 bis jetzt an 34 842 Mitglieder die Arbeitslosenunterstützung angewiesen. Auf die ersten 9 Monate 1925 entfielen 8665 Arbeitslosenfälle und im Jahre 1926 wurde an 26.177 Mitglieder die Unterstützung angewiesen. Gegenwärtig laufen bei dieser Gewerkschaft noch annähernd 7000 unverrechnete Arbeitslosenfälle. Der Staat schuldet dieser Gewerkschaft 868.262 Kronen an bereits abgerechnetem Staatsbeitrag. Diese Gewerkschaft hat aus den Reserven mehr als 4 Millionen Kronen zur Verfügung gestellt, um die Auszahlung der Arbeitslosenunterstützung zu ermöglichen. Die Verwaltungskosten in dieser Zeit betragen 291.000 Kronen und der Staat hat im ganzen den Betrag von 25.500 Kronen rückvergütet. Die Auszahlung an Arbeitslosenunterstützung betrug in den 9 Monaten 1925 1,219.000 Kè, sie beträgt in den ersten 9 Monaten 1926 schon 4,842.000 Kè. Ähnlich liegen die Verhältnisse bei einer ganzen Reihe von anderen Gewerkschaften, allgemein ist das Bild, das ich geschildert habe, auch dort zutreffend. Gegen diese Mißachtung der primitiven Lebensrechte der Arbeiterschaft und ihrer Gewerkschaften legen wir schärfsten Protest ein.

Im Zusammenhang damit möchte ich die gesetzliche Einführung der Zwangsarbeitsvermittlung besprechen. Heute besteht eine Arbeitsvermittlung überhaupt nicht mehr. Die letzten Reste einer Arbeitsvermittlung wurden durch die Unwirksamkeit des alten Arbeitslosenunterstützungsgesetzes vollständig beseitigt. Die Unternehmer haben keine Pflicht zur Meldung der freien Arbeitsstellen, sie unterliegen auch keiner Verpflichtung, Arbeiter durch die Arbeitsvermittlung stellen zu beziehen. Bei den heutigen Arbeitsvermittlungen, die nur in Böhmen bestehen, in anderen Ländern nicht, haben die Gewerkschaften so viel wie gar nichts hineinzureden. Sie sind von der Verwaltung dieser Arbeitsvermittlungen ausgeschlossen. Soll der Arbeitsmarkt reguliert werden, dann ist es nur durch eine gute Arbeitsvermittlung möglich. Die Arbeitsvermittlung ist bei dem fortwährenden Auftreten von Wirtschaftskrisen in der Èechoslovakei zu einer Lebensfrage für die Arbeiterschaft geworden. Es ist ein unwürdiger Zustand für die Arbeiter, daß sie von Betrieb zu Betrieb betteln gehen müssen, um Arbeit zu finden. Wir wissen schon, daß den Kapitalisten dieser Zustand nicht unangenehm ist, wenn vor den Toren draußen eine Reservearmee wartet, die bereit ist, jeden Moment in die Betriebe hineinzukommen, und die der Unternehmer benützt, um einen Druck auf seine Arbeiter in den Betrieben auszuüben, damit deren Lohn- und Arbeitsverhältnisse verschlechtert werden können. Diesen unwürdigen Zustand, gegen den wir seit Jahrzehnten ankämpfen, wollen wir beseitigt wissen. Der Unternehmer soll verpflichtet sein, alle freien Stellen der Arbeitsvermittlungsstelle zu melden, der Unternehmer soll verpflichtet sein, nur durch die Arbeitsvermittlung Arbeitskräfte zu beziehen, damit dieses unwürdige System des Herumlaufens von Betrieb zu Betrieb endlich beseitigt wird. Es liegt ein Gesetzentwurf vor, er hat Mängel, aber er könnte zumindest die Verhandlungsgrundlage für ein Arbeitsvermittrlungsgesetz bilden.

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