Die Post "Statistisches Amt" ist
wohl kaum zu bemängeln. Hier wäre nur zu wünschen,
daß das Statistische Amt vor allem bei der Volkszählung
etwas objektiver vorgehe, auch bei der Feststellung der Zahl der
Zugehörigen der Minderheitsnationen etwas objektiver seine
Feststellungen mache. Es wäre weiters notwendig, daß
das Statistische Amt sein Arbeitsgebiet etwas erweitert. Ich möchte
nur zwei Punkte anführen. Vor allem wäre eine genaue
und gründliche Lohnstatistik, sowie eine Statistik über
die Arbeitsleistungen notwendig. Gerade diese beiden statistischen
Arbeiten wären für uns besonders wichtig, weil sie uns
ein wertvolles Material geben würden, um manche Lüge,
die seitens unserer Unternehmer bei Lohnverhandlungen und Lohnkämpfen
der Öffentlichkeit mitgeteilt wird, widerlegen zu können
- nämlich die Lüge von den hohen Löhnen und den
kleinen Leistungen.
Wenn wir den Gesamtaufwand des Ministerratspräsidiums
feststellen, ergibt sich trotz der Parole des Sparens und trotz
der Ersparungskommission ein gesteigerter Aufwand im Voranschlage
für 1927. Für 1926 präliminierte das Ministerratspräsidium
einen Betrag von 28,882.744 Kronen, für 1927 einen solchen
von 32,904.677 Kronen, also ein Plus von 4,021.933 Kronen, ein
Plus also in der Zeit des Sparens. Auch hier zeigt der Vergleich
mit anderen Staaten, daß wir einen höheren Ausgabenbedarf
haben. Deutschösterreich setzt z. B. für das Kapitel
"Bundeskanzleramt" 3,686.710 Schilling ein, das sind
ungefähr 15.3 Millionen Kè, also
ungefähr die Hälfte dessen, was unser Ministerratspräsidium
benötigt. In Deutschland ist die betreffende Ziffer noch
niedriger als in Deutschösterreich.
Zum Schlusse wollen wir nochmals festhalten,
daß von den Gesamtausgaben im Betrage von 32.9
Millionen über 8 Millionen, also ein Viertel des Gesamterfordernisses
des Ministerratspräsidiums für den Reptilienfonds verwendet
wird, für Auslandspropaganda, für Informationsdienst,
Bestechungsgelder usw. In Anbetracht dieser Posten müssen
wir zu dem Resultat kommen, daß wir für dieses Budget
nicht stimmen können. Wir haben eine ganze Reihe von Abänderungsanträgen
auch für dieses Kapitel eingebracht und bitten das hohe Haus,
diesen Abänderungen zuzustimmen. (Potlesk nìm.
soc. demokratických poslancù.)
Hohes Haus! Zu dem Kapitel Ministerium des
Innern halte ich mich verpflichtet, die gegenwärtigen Verhältnisse
des Gemeindewesens und der Selbstverwaltungsverbände einigermaßen
zu beleuchten. Durch die Umwandlung des alten Österreich
in eine demokratische Republik sind auch die Verhältnisse
der Gemeinden vollständig verändert worden, vielseitig
jedoch in einer undemokratischen Weise. Der selbständige
Wirkungskreis der Gemeinden wurde von Jahr zu Jahr mehr beschnitten,
so daß heute eine Gemeinde nur noch zu Gutachten bei Verleihung
von Heimatsrechten, Konzessionen u. dgl. herangezogen wird, welche
aber in den seltensten Fällen berücksichtigt werden.
Ja man geht sogar gegenwärtig so weit, daß den Gemeinden
Eingriffe in die Voranschläge oft nicht erspart bleiben.
Der übertragene Wirkungskreis nimmt täglich zu. Die
Gemeinden benötigen oft die Hälfte ihrer Beamten und
Angestellten nur dazu, um die Militäragenden und Steuerzustellungen
zu bewältigen. Eine große Belastung ist auch das Militäreinquartierungsgesetz,
welches nicht selten in der härtesten Weise ausgenützt
wird. Die Finanzwirtschaft der Gemeinden und Bezirke ist geradezu
eine trostlose. Seit der Zerstückelung des alten Österreich
ist auch eine Wirtschaftskrise in der Industrie eingetreten, welche
sich für die Selbstverwaltungskörper katastrophal auswirkt.
Der Rückgang der Ausfuhr hat den Rückgang der Industrie
und dieser wieder den Zusammenbruch unseres Steuerapparats nach
sich gezogen. Der Staat hilft sich über diese Krise mit den
Kriegszuschlägen hinweg, den Gemeinden und Bezirken ist diese
Möglichkeit jedoch nicht geboten. Die Steuerbasis in den
einzelnen Gemeinden ist von dem Jahre 1921 bis 1923 oft auf ein
Viertel herabgesunken, was, nachdem die Ausgaben der Gemeinden
nicht niedriger geworden sind, eine Erhöhung der Zuschläge
der autonomen Verbände zur Folge haben mußte. Durch
eine Finanzreform, welche der Herr Finanzminister in Verbindung
mit der Steuerreform dem Hause vorgelegt hat und welche wir bei
Behandlung noch eingehender beleuchten werden, läßt
sich dieses Übel nicht beheben. Es geht nicht an, daß
man eine lineale Höhe für Zuschläge festsetzt,
da sich dieselben immer nur nach der Steuerkraft des Ortes richten
können.
Von größerem Werte ist es, daß
die Selbstverwaltungsverbände der sozialen Lasten durch den
Staat einigermaßen enthoben werden. Ganz besonders ist die
Armenversorgung eine große Ausgabe in den Gemeinden, es
wäre an der Zeit, daß eine staatliche Unterstützung
für alte arme Staatsbürger gewährt würde.
Desgleichen sollten die Gemeindekrankenhäuser besser mit
Subventionen von Seiten des Staates Unterstützung finden.
Ebenso kostet die Wohnungsfürsorge den Gemeinden immense
Summen, auch dieses läßt sich wieder nur durch ein
modernes Wohnungsfürsorgegesetz beheben. Auch tragen die
mangelhafte Invalidenfürsorge und äußerst mißliche
Arbeitslosenunterstützung erheblich zur Belastung der Gemeinden
bei. Ebenso wäre es geboten, daß der Staat für
die Erhaltung der Straßen und Wege, welche jetzt den Gemeinden
obliegt und eine besonders große Auslage verursacht, aufkommt.
Eines der wichtigsten Kapitel für die
Hebung der Gemeindefinanzen ist die Lösung der Kriegsanleihefrage,
denn gerade dadurch sind viele Gemeinden behindert, eine ordnungsgemäße
Bilanzierung ihres Haushaltes durchzuführen. Wir ersuchen
deshalb den Herrn Innenminister, energisch dafür einzutreten,
daß das sogenannte Teplitzer Übereinkommen endlich
einmal zustandekommt, womit der Sanierung der Gemeindefinanzen
einigermaßen näher gerückt wird. Ein großer
Übelstand ist weiters die mangelhafte Überweisung der
Zuschläge seitens vieler Steuerämter an die Gemeinden.
Und ein großer Teil der Gemeinden und Bezirke strebt die
Einhebung ihrer Zuschläge selbst an. Es sind zwar den Gemeinden
durch das Gesetz vom 12. August 1921, Nr. 329 Slg., und die Durchführungsverordnung
vom 22. Mai 1922, Nr. 143 Slg., Einnahmsmöglichkeiten geboten
worden, jedoch ist eine der wichtigsten derselben, die Wertzuwachsabgabe,
mit dem Gesetz vom 25. Juni 1926 wieder fast hinfällig geworden.
Ebenso wird die Umsatzsteuerzuweisung für die Gemeinden durch
Pauschalierung stets kleiner.
Ein besonderes Kapitel ist die Notlage der
Sparkassen, die dadurch entstand, daß die Regierung bis
heute von der Anwendung der § § 23 und 26 des Kriegsanleihegesetzes
noch nicht Gebrauch gemacht hat. Wir ersuchen den Herrn Finanzminister,
die Kriegsanleihefrage der Gemeinden wie der Sparkassen ehestens
einer günstigen Lösung zuzuführen. Der Herr Finanzminister
hat zwar in seinem Motivenbericht zum neuen Gemeindefinanzgesetz
auf die Sparsamkeit der Gemeinden hingewiesen, was jedoch für
den größten Teil der Gemeinden nicht in Frage kommen
kann, sondern bestenfalls nur für einige wenige, deren Gemeindefunktionäre
niemals unter die direkten Steuerzahler gehört haben oder
nur jene betrifft, die mit Verwaltungskommissionen durch Jahre
beglückt worden sind. Nur solchen Gemeinden kann man erhöhte
Sparsamkeit anempfehlen, nur hier ist anzunehmen, daß sie
den Gemeindehaushalt vielleicht nicht richtig geführt haben.
Wir verlangen, daß die Behörden den Gemeinden und Bezirken
größeres Vertrauen entgegenbringen als bisher und wieder
ihre Amtstage so abhalten wie es im alten Österreich war,
damit der Kontakt zwischen Behörde und Selbstverwaltung wieder
hergestellt werde. Mit einer Sprachenverordnung, wie sie erflossen
ist, wird nur das Gegenteil erzielt, weil dadurch ganz besonders
den deutschen Gemeinden die Arbeit erschwert wird. Die Selbstverwaltungskörper
sind die Träger der öffentlichen Ordnung im Staate und
sollen auch als solche vom Staate gestützt und gefördert
werden, nur dadurch wird die Republik sich zu einer demokratischen
entfalten. Hand in Hand mit einander arbeiten - nur wenn man sich
nicht fernhält von einander, nur wenn man den innigen Kontakt
herbeiführt, nur dann wird die Republik zu einer demokratischen
Republik werden, was sie sein soll. (Potlesk.)