Meine Damen und Herren! Zum erstenmale seit dem Bestande der èechoslovakischen
Republik haben wir einen Staatsvoranschlag vor uns, der von einer
èechisch-deutschen Regierungsmehrheit vertreten wird. Diese
Regierung fordert auch von der deutschen Bevölkerung
des Staates die Bewilligung des Voranschlages.
Eine solche Bewilligung bedeutet die größte
Vertrauenskundgebung für die Regierung in einem parlamentarisch
regierten Staate. Bevor ich auf den Staatsvoranschlag selbst eingehe,
fühle ich mich verpflichtet, mich mit den geänderten
Verhältnissen, die zur Bildung der èechisch-deutschen
Regierung geführt haben, zu befassen.
Es wäre töricht, in dem Augenblicke, wo die bisherige
èechisch-allnationale Koalition von einer èechisch-deutschen
Regierungskoalition abgelöst wurde, anzunehmen,
daß die Stellungnahme zu dieser neuen Regierung allein diktiert
werden könnte vom Standpunkte kleinlicher Parteiforderungen.
Der Weltkrieg mit all seinen furchtbaren Folgen hat gleich einer
gewaltigen Naturerscheinung die Grundlagen des Zusammenlebens
der Völker verändert. Alte historische Staaten, die
noch vor wenigen Jahren in eherner Rüstung und überwältigender
Festigkeit dastanden, brachen plötzlich zusammen, neue Staaten
traten an ihre Stelle. Auf Grund der Forderung des heiligsten
Naturrechtes der Völker, der "Selbstbestimmung"
wurden kleine Völker zur Staatenbildung berufen und so das
Antlitz Ost- und Südosteuropas verändert. Die Forderung
nach dem Selbstbestimmungsrechte machten sich auch die èechischen
Reichsratsabgeordneten zu eigen und
in der am 6. Jänner 1918 nach Prag einberufenen Versammlung
aller èechischen Parlamentarier wurde eine Deklaration
beschlossen, der ich nur folgende Worte entnehmen will: "Von
diesen Grundlagen geleitet, protestieren wir feierlich gegen jede
Ablehnung des Selbstbestimmungsrechtes der Völker bei den
Friedensverhandlungen und fordern, daß im Sinne dieses Rechtes
allen Völkern, sohin auch unserem Volke die Teilnehmung und
die volle Freiheit, auf dem Friedenskongresse ihre Rechte zu verteidigen,
zugestanden wird."
Diesen Forderungen entsprechend, verdankt auch
die èechoslovakische Republik ihre Entstehung.
Das èechische Volk,
erst Mitte des vorigen Jahrhunderts zu neuer kultureller Entwicklung
sich durchringend und dies unter Mithilfe deutscher Gelehrter,
hat es verstanden, unter kluger politischer Führung stehend,
die Massen u. zw. sowohl die Industriearbeiterschaft, als auch
die Bauernschaft mit einem nationalen Stolze zu erfüllen,
der mir immer schon die höchste Bewunderung abgerungen hat.
Die politische Entwicklung während der Regierung Kaiser
Franz Josef I. war dem Èechentum außerordentlich
günstig. Mit dem Jahre 1848 begann das Ringen Österreichs
und Preußens um die Vormachtstellung in Deutschland. Als
im Jahre 1866 der Erfolg Preußen zufiel,
waren die Habsburger bestrebt, in ihren Ländern ein Österreichertum
heranzuzüchten und scheuten kein Mittel, dieses Ziel, das
in erster Linie auf die Einschmelzung der Deutschösterreicher
gerichtet war, dadurch zu erreichen, daß sie die slavischen
Völker auf Kosten der Deutschen in jeder Richtung
bevorzugten. Diese für die slavischen Völker, insbesonders
für die Èechen und Polen vorteilhafte Lage und das
dem slavischen Volkscharakter innewohnende Einfühlungsvermögen,
gepaart mit politischer Klugheit, sich in
diesen Zeitläuften nach außen- und obenhin als begeisterte
und untertänige Österreicher zu gebärden, hat ihnen
Erfolg über Erfolg eingebracht. Daneben verstanden es die
Èechen außerdem, mit rastlosem Eifer
unter der Devise "Svùj
k svému" an der inneren Erstarkung
ihres Volkstums und an dem Ausbau ihrer Volkswirtschaft zu arbeiten.
Neben en höchsten persönlichen Erfolgen konnten so die
Führer des Èechentums große wirtschaftliche
und politische Erfolge für ihr Volk erzielen. Sie verstanden
es aber auch in entsprechenden Augenblicken
an dem Ausbau realpolitischer Grundlagen ihres Volkstums zu arbeiten
und wenn es notwendig war, auch die geschlossene Volkskraft in
die Wagschale zu werfen. Für ihr Tun und Handeln galten immer
nur die ungeschriebenen Gsetze ihres Volkes, nie und nimmer aber
die österreichischen Staatsgesetze. Dieser ihrer Politik
verdanken sie auch das im Landtage Böhmens am 12. September
1871 zur Verlesung gebrachte kaiserliche Reskript, in welchem
der Kaiser die Anerkennung der Rechte Böhmens mit
seinem Krönungseide zu erneuern versprach. Es gelang den
Èechen aber in weiterer Folge, nicht nur in Prag an sich
die Macht zu reißen, sondern auch in den Wiener Zentralämtern
verläßliche èechische Beamte unterzubringen.
Vom Minister bis zum
letzten Amtsdiener standen ihnen alle Posten frei. Sie haben diese
Möglichkeiten gründlich ausgenützt.
Es wäre meines Erachtens grundfalsch, glauben zu wollen,
daß diese Tätigkeit der Èechen in Österreich
von den Deutschen im èechoslovakischen Staate kopiert werden
könnte. Es ist ein Grundirrtum, die hier herrschenden Verhältnisse
mit denen im alten. Österreich nur vergleichen zu
wollen. Vor allem ist die Verteilung der Machtverhältnisse
grundverschieden, denn über den miteinander ringenden Völkern
im alten Österreich stand die Herrschergewalt des Monarchen,
gestützt auf das Heer, auf das Beamtentum, peinlich bedacht
auf die Sicherung der Hausmachtinteressen, die allen Monarchen
heilig waren. Nur so war es auch denkbar, daß Kaiser Wilhelm,
dem österreichischen Kaiser den Rat geben konnte, gegenüber
der deutsch-österreichischen Bevölkerung mit Vorsicht
zu Werke zu gehen. Für die Entwicklung der Völker im
alten Österreich war also die Einstellung des Monarchen und
die Konzentrierung einer so ungeheuren Macht in seinen Händen
von ausschlaggebender Bedeutung. Daß der Kaiser seine ganze
Macht gegen das nationalbewußte Deutschtum einsetzte, war
und ist niemandem ein Geheimnis geblieben. Die größten
Vorteile errangen für sich persönlich geschlechtslose
Deutsche und die slavischen Völker, die es infolge ihrer
Anpassungsfähigkeit verstanden haben, sich zum Großteile
als treu ergebene Untertanen aufzuspielen, während sie in
ihren Heimatsgebieten ein stolzes Nationalbewußtsein förderten
und erzogen. Diese Feststellungen sollen keinen Vorwurf
bilden, sondern sie sollen nur den Beweis dafür liefern,
daß es die größte Irreführung der Weltöffentlichkeit
gewesen ist, wenn die Èechen über Unterdrückung
im alten österreichischen Kaiserstaate geklagt haben und
daß es eine Verdrehung der Wahrheit
ist, wenn heute noch Èechen auftreten und ihr brutales
Vergewaltigungssystem gegen uns Sudetendeutsche damit zu verteidigen
suchen, indem sie die alte Fabel auftischen, daß sie im
alten Österreich von den Deutschen unterdrückt worden
wären und ihr jetziges Verhalten nur die
Revanche für unsere damalige Handlungsweise sei. Mit dieser
Lüge muß endlich einmal aufgeräumt werden, denn
nichts schadet der Entwicklung der Völker mehr, als ein solcher
auf Grund unwahrer Behauptungen gepredigter Haß, der die
Völker nur gegenseitig zerfleischt, ungeheuere Volkskräfte
bindet und die gegenseitige friedliche Entwicklung, zum Schaden
beider Völker, hemmt.
Die alte Kaisermacht ist im Jahre 1918 geborsten,
die Untertanen wurden frei und das von unserem Führer Dr.
Lodgman schon im alten Österreich geforderte
Selbstbestimmungsrecht hätte den Völkern den Weg zu
einer gesunden wirtschaftlichen und politischen Entwicklung bahnen
können. Ich habe schon vorher darauf hingewiesen, daß
am 6. Jänner 1918 die èechischen Parlamentarier
das Selbstbestimmungsrecht der Völker forderten und es ist
nur tief bedauerlich, daß sie dieser Forderung nicht treu
geblieben sind, sondern im Siegestaumel, ohne je selbst einen
Sieg errungen zu haben - es sei denn der Sieg vom 4. März
1919, wo die blindwütige èechische Soldateska
wehrlose deutsche Männer, Frauen und Kinder niederknallte
- plötzlich das heilige Recht der Selbstbestimmung mit Füßen
traten und die Forderung aufstellten, daß ihrem Staat 3 1/2
Millionen Sudetendeutsche aus wirtschaftlichen
und strategischen Gründen zugeteilt werden sollen. Bis zu
jenem Tage hatte ich nur Bewunderung für das èechische
Volk, von da ab aber - nehmen Sie es mir nicht übel - verachte
ich jene Männer, die die heilige Fahne des Selbstbestimmungsrechtes
in den Kot zerrten und unter Mißachtung
dieses Rechtes gegen unseren feierlich verkündeten Willen,
spekulierend auf die deutsch-feindliche Einstellung der Westmächte,
uns in den èechischen Staat hineinpreßten. In den
Pariser Machtfriedensdiktaten wurde diesen Wünschen
Rechnung getragen, um den deutschen Volkskörper in Mitteleuropa
zu schwächen, einen Teil der deutschen Volkskraft zu binden,
um den befürchteten Wiederaufstieg des deutschen Volkes wenn
möglich zu hemmen. Unser Schicksal sollte die Entnationalisierung
sein, mit den modernen demokratischen Machtmitteln, mit
den Machtmitteln der zentralistischen Staatsgewalt ging man ans
Werk, um dieses Ziel zu erreichen. Unser aus tausend Wunden blutender
Volkskörper ist das Ergebnis ihres so viel gepriesenen èechischen
Humanismus, ist die Folge des blindwütigen
Hasses, den Sie zur Grundlage ihrer Kampfmethoden gemacht haben.
Ihre Losung war: Rasch handeln, bevor der Riese Deutschland die
ihm in Paris angelegten Sklavenketten zerbricht, bevor Deutschlands
Wiederaufstieg, den auch Sie kommen sahen, in Erscheinung tritt.
Ihre politischen Führer rechneten mit einer 30- bis 40jährigen
Frist. Das Schicksal hat es anders gewollt. Noch sind nicht
10 Jahre verflossen und Deutschlands Arbeitsgeist, Deutschlands
Arbeitskraft hat es zustande gebracht, sich die Achtung der Welt
wieder zu erringen. Deutschlands größter Gegner Frankreich
konnte nicht umhin, dieser Tatsache Rechnung zu tragen und wir
sehen, daß nach Locarno und Thoiry sich langsam aber sicher
die Verhältnisse zu Gunsten Deutschlands zu bessern
beginnen. Sie haben es seit der Gründung des Èechenstaates
nur verstanden, sich auf Kosten der unterdrückten Nationen
zu bereichern, Zehntausende deutsche Arbeitnehmer von ihren Arbeitsplätzen
zu verdrängen, die èechische Wirtschaft auf
Kosten der deutschen zu stärken, aber gleichzeitig durch
eine unsinnige Außen- und Handelspolitik eine innere Wirtschaftskrise
heraufzubeschwören, die sich gegen Sie selbst auszuwirken
beginnt. Das Anwachsen der kommunistischen Partei ist nur eine
Folge dieser Entwicklung. Sie haben Haß dort gesät,
wo nur viel Liebe und größtes Entgegenkommen vielleicht
Ihren Staat in der kommenden Zeit hätte sichern können.
Was keiner Ihrer politischen Führer vor 5 Jahren sich hätte
träumen lassen, ist zur Tatsache geworden. Sie sahen sich
gezwungen, an deutsche Parteien zu appellieren für Ihre Staatsnotwendigkeiten
einzutreten, Sie sahen sich gezwungen, deutsche Parteien zur Mitarbeit
an der Regierung heranzuziehen. Ich weiß, Sie handelten
nicht aus der inneren Überzeugung heraus, um endlich den
Sudetendeutschen die ihnen in den Staatsgrundgesetzen verheißene
Gleichberechtigung auf nationalen, wirtschaftlichen und kulturellen
Gebieten zu teil werden zu lassen, nicht mit der Absicht, das
furchtbare Elend tausender deutscher Familien zu lindern, die
tiefen Wunden zu heilen, die Sie unserem Volkstum geschlagen
haben, sondern nur notgedrungen, um die Regierungsgeschäfte
über die schwere Zeit dieser Wirtschaftskrise ohne Erschütterungen
fortführen zu können. Die Deutschen traten in
die Regierung nicht als Gleichberechtigte ein, sondern als Lückenbüßer
für die èechischen sozialistischen Parteien, denen
es so ermöglicht werden sollte, dem kommunistischen Ansturme
als halb-oppositionelle Parteien besser entgegenwirken
zu können.
Wir Sudetendeutsche sind in das èechoslovakische
Parlament im Jahre 1920 unter Abgabe der staatsrechtlichen Erklärung
eingetreten und wir werden an dieser Erklärung festhalten,
solange uns das Schicksal zwingt, in diesem Staate zu leben. Genau
so wie Sie an Ihrer seinerzeitigen staatsrechtlichen
Erklärung im österreichischen Reichsrate festhielten,
werden auch wir es tun. Für uns ist maßgebend, was
die sudetendeutschen Reichsratsabgeordneten am 22. Oktober 1918
als bevollmächtigte Vertreter unserer Heimatsgebiete bei
der Bildung des Nationalstaates Deutschösterreich beschlossen
haben: Die Einbeziehung der deutschen Sudetenländer in die
Republik Deutschösterreich. Und weiters bleibt für uns
maßgebend der Staatsakt der Republik Deutschösterreich
vom 12. November 1918, laut welchem Deutschösterreich als
ein Teil des Deutschen Reiches erklärt wurde. Alle diese
Beschlüsse sind nach wie vor für uns bindend, wir wurden
bisher an ihrer Durchführung nur durch die Gewalt der Pariser
Friedensdiktatoren gehindert.
Ich habe es für notwendig gehalten, diese
Feststellungen gerade im jetzigen Zeitpunkte zu machen, in welchem
zwei deutsche Minister dem Zwang der Verhältnisse folgend,
auf der Regierungsbank Platz genommen haben.
Seit Zusammentritt der Nationalitätenversammlung
im Mai des Jahres 1920 wurden uns 6 Staatsvoranschläge von
èechisch-nationalen Regierungen vorgelegt. Die Vertreter
aller deutschen Parteien hatten bisher immer gemeinsam gegen die
brutale Vernachlässigung der berechtigten deutschen Forderungen
in den Staatsvoranschlägen Stellung
genommen und das Vergewaltigungs- und Èechisierungssystem
vor aller Welt angeklagt.
Noch am 18. November 1924 war es der Führer
des Bundes der Landwirte Abgeordneter Køepek,
welcher im Namen seiner Partei, der deutschen christlichsozialen
Volkspartei und der deutschen Gewerbepartei die schärfste
Kritik am Staatsvoranschlage übte, nicht nur wegen der vollständigen
Vernachlässigung der deutschen Lebensinteressen, sondern
besonders auch wegen der unwürdigen Verhandlungsart. Er führte
aus, daß die Behandlung der Opposition bei den Verhandlungen
über den Staatsvoranschlag jeder Demokratie Hohn spreche
und kritisierte besonders scharf die Tatsache, daß seitens
des Berichterstatters von vornherein erklärt wurde, daß
jede Änderung des Voranschlages, und und zwar auch die kleinste
Änderung während der Beratungen ausgeschlossen sei.
Køepek sagte wörtlich:
"Diese Mißachtung des Parlamentarismus und der Opposition
im besonderen ist nur die Krönung eines Systems, das in Verkennung
des Mehrheitsprinzips die Minderheit innerhalb und außerhalb
des Parlamentes lediglich als Objekt der Politik betrachtet. In
der Durchführung dieses Systems wetteifern Gesetzgebung und
Verwaltung auf allen Gebieten, um die Minderheit zu Gunsten der
Mehrheit zu entrechten. Der deutsche Beamte und Angestellte
wird unter fadenscheinigen Vorwänden mit offener Brutalität
seines Arbeitsplatzes beraubt. Das èechische Schulbedürfnis
wird durch ungerechtfertigte Schließung deutscher Schulen
befriedigt, der den deutschen Anwärtern
vorenthaltene deutsche Boden wird Èechisierungszwecken
überantwortet, deutschen Landwirten wird der Heimatboden
genommen". Er schloß seine Ausführungen mit einer
scharfen Verwahrung gegen dieses unerhörte Vorgehen und erklärte,
daß die von ihm vertretenen Parteien
jede weitere Teilnahme an der Beratung daher ablehnen.
Heute sehen wir ein geändertes Bild vor
uns. Heute sehen wir die Vertreter jener Parteien, die damals
durch den Mund des Abgeordneten Køepek gegen
die unwürdige, jedem Parlamentarismus hohnsprechende Art
und Weise, wie über den Staatsvoranschlag verhandelt wird,
scharfen Protest erhoben haben, als ein Glied der Regierungsmehrheit
vor uns. Zwei ihrer führenden Männer haben auf der Ministerbank
Platz genommen und sie tragen daher die volle Verantwortung für
die jetzigen Methoden der Verhandlung über den Staatsvoranschlag.
Ich glaube mich eines Sinnes mit der ganzen deutschen Bevölkerung,
wenn ich hier feststelle, daß die Zusammenstellung des Staatsvoranschlages
für das Jahr 1927 auf derselben deutschfeindlichen Grundlage
erfolgt ist, wie in den vergangenen Jahren, daß die berechtigten
deutschen Interessen ebenfalls vollständig unberücksichtigt
geblieben sind und mit Bedauern müssen wir feststellen, daß
sich die vorbezeichneten deutschen Regierungsparteien entschlossen
haben, diesen Voranschlag mit ihren Namen zu decken. Man hat von
dieser Seite versucht, darauf hinzuweisen, daß es am Tage
des Regierungseintrittes, also am 12. Oktober, nicht mehr möglich
gewesen sei, eine Änderung des bereits im Druck vorgelegten
Staatsvoranschlages noch vor Beginn der Beratungen im Staatshaushaltungsausschuß
herbeizuführen.
Hiezu sei mir vor allem gestattet, zu bemerken,
daß die deutschen Regierungsparteien sich schon Monate vorher,
unter dem Beamtenkabinett Èerný
entschlossen hatten, und zwar anläßlich
der Beratungen des Agrarschutzzollgesetzes und des Kongruagesetzes,
mit den heutigen èechischen Regierungsparteien eine Regierungsmehrheit
zu bilden, zweifelhaft war nur, ob sie sich an der Regierungsbildung
auch durch Stellung von parlamentarischen Ministern
beteiligen werden. Für jeden Realpolitiker ist es klar, daß
unter diesen Umständen die Führer der deutschen Regierungsparteien
verpflichtet gewesen wären, die erstrebte Teilnahme an der
Macht, die ihre Krönung in der Entsendung deutscher Minister
finden sollte, vor allem dadurch zum Ausdrucke zu bringen, indem
sie auf die Ausarbeitung des Staatsvoranschlages entsprechenden
Einfluß zu nehmen suchen. Es widerspricht den einfachsten
Gesetzen der Logik, von der Notwendigkeit der Teilnahme an der
Macht im Staate zu sprechen, auf ihre Erringung hinzuarbeiten
und dann, ohne sich auf realpolitische Grundlagen stützen
zu können, den entscheidenden und verantwortungsvollen Schritt
zu tun, deutsche Minister in die Regierung zu entsenden.
Meines Erachtens geht es nicht an, heute den
deutschfeindlichen Aufbau des ganzen Staatsvoranschlages mit der
Ausrede verteidigen zu wollen, man hätte diesen Voranschlag
am 12. Oktober 1926 bereits auf der Regierungsbank vorgefunden
und müsse sich nun mit ihm abfinden. Denn hat man es auch
schon unterlassen, während der monatelangen Vorbereitungszeit,
die dem Eintritt in die Regierung voranging, also in einer Zeit,
in welcher die deutschen Regierungsparteien wiederholt das Kabinett
Èerný mit ihren
Stimmen gestützt und gehalten haben, auf die Aufstellung
des Staatsvoranschlages Einfluß zu nehmen, so war es meines
Erachtens Pflicht dieser Parteien gewesen, bei der Beratung im
Staatshaushaltungsausschusse jenen Abänderungsanträgen
zur Annahme zu verhelfen, die die Gleichberechtigung des sudetendeutschen
Volkes wenigstens auf wirtschaftlichem Gebiete einigermaßen
gewährleistet hätten. Statt dessen mußten wir
es aber erleben, daß schon der Generalberichterstatter Dr
Hnídek in seinem einleitenden Berichte feststellte,
daß die neue Regierungsmehrheit erwarte, daß bei den
Beratungen des Voranschlages der Ausschuß seiner bewährten
Tradition treu bleiben werde und zwar in der Erkenntnis, daß
der Voranschlag nicht der Mehrheit, sondern dem Staate und dem
Vaterland bewilligt werde. Diese Worte, in verständliches
Deutsch übersetzt heißen: Die èechisch-deutsche
Regierungsmehrheit setzt es als selbstverständlich voraus,
daß im Laufe der Beratungen im Haushaltungsausschusse keine
Änderungen, auch nicht geringfügigster
Art, vorgenommen werden und daß die Mehrheit gewillt ist,
jeden, auch noch so berechtigten Abänderungsantrag niederzustimmen.
Ich habe vorhin auf die Ausführungen des
Führers der heutigen deutschen Regierungsparteien, Abgeordneten
Køepek bei Beratung des
Staatsvoranschlages für das Jahr 1925 hingewiesen, welcher
diese brutale Niederknüppelungsmethoden damals schärfstens
gebrandmarkt hat, und jede Beteiligung an dieser Budgetkomödie,
bei welcher die oppositionellen Abgeordneten nur zu Abstimmungsstatisten
herabgewürdigt werden, ablehnte. Nun, heuer haben
wir erlebt, daß die gleichen deutschen Parteien als ein
Teil der Regierungsmehrheit diese Methoden nicht nur gutheißen,
sondern auch selbst mit Hand angelegt haben, die Opposition an
jeder sachlichen Mitarbeit zu hindern. Und nicht genug
daran, sich herabwürdigten, zu dulden, daß ihre eigene
Mitarbeit von den èechischen Koalitionsparteien verhindert
wird, indem man ihre Minister und Berichterstatter zwang, ihre
deutsche Muttersprache verleugnend, sich einer
Sprache zu bedienen, die sie selbst kaum verstehen. Hatten wir
also die ganzen Jahre hindurch eine Budgetkomödie, so wurden
die diesjährigen Beratungen zu einer Budgettragödie
für das sudetendeutsche Volk. Denn nicht nur sich der deutschen
Sprache zu bedienen hat man diesen Teilhabern an der Macht im
Staate verboten, sondern man hat sie auch gezwungen, alle jene
deutschen Abänderungsanträge, deren Annahme halbwegs
eine Gleichberechtigung des deutschen Volkes auf wirtschaftlichem
Gebiete sicherzustellen in der Lage gewesen wäre,
niederzustimmen. Die Öffentlichkeit hat erwartet, daß
die deutschen Regierungsparteien ihre Macht in der Regierung einsetzen
werden, um das von der èechisch-nationalen Regierung Èerný
hergestellte Elaborat des Staatsvoranschlages
im Wege der Verhandlungen im Budgetausschuß wenigstens zum
Zwecke der Herstellung der wirtschaftlichen Gleichberechtigung
der Deutschen abzuändern. Diese Selbstverständlichkeit
ist nicht eingetreten. Genau so vorbehaltlos, wie sie ihren Eintritt
in die Regierung vollzogen haben, ohne Sicherung selbst der von
ihnen noch am 18. Dezember 1925 aufgestellten Mindestforderungen
für eine aktive Mitarbeit im Staate, genau so vorbehaltlos
haben sie sich auch währen der Beratungen im Staatshaushaltungsausschusse
dem Diktate der èechischen Regierungsparteien unterworfen
und alle deutschen Forderungen niedergestimmt.
Dieses Schicksal wurde allen deutschen Abänderungsanträgen
zuteil, ohne Unterschied, ob sie die Forderung nach Einführung
der vollständigen deutschen Schulautonomie, Erhöhung
der Posten für die Parlamentsdrucke und Beistellung von Dolmetschen,
um durch die Auflegung deutscher Drucke eine sachliche parlamentarische
Arbeit der deutschen Abgeordneten zu ermöglichen, betrafen,
oder ob sie bezweckten, die bisher geübte schwere Benachteiligung
der deutschen Wirtschaft auf allen Gebieten staatlich en Einflusses
hinanzuhalten und eine gerechte Berücksichtigung der deutschen
Beamtenschaft auf Grund des Bevölkerungsschlüssels sicherzustellen.
Man hat versucht, dieses Vorgehen als
eine kluge Taktik hinzustellen, doch ist es jedem Einsichtigen
klar, daß die Ziffern des Staatsvoranschlages und die Bestimmung
ihrer Verwendung zu vorwiegend èechischen Zwecken im Laufe
des Jahres 1927 eine gerechte Berücksichtigung der deutschen
Ansprüche unmöglich machen, besonders wenn man sich
den Artikel VII des Finanzgesetzes vor Augen hält, in welchem
festgesetzt wird, daß die bewilligten Beträge des Staatsvoranschlages
nur zu den in den betreffenden Kapiteln, Titeln, Paragraphen und
Unterabteilungen angeführten Zwecken, und zwar gesondert
nach ordentlichen und außerordentlichen, persönlichen
und sachlichen Erfordernissen verwendet werden dürfen. Damit
ist also eine spätere Verschiebung überhaupt ausgeschlossen
und es ist eine bewußte Irreführung, wenn jemand das
Gegenteil behauptet. Da ich bereits in meinen Reden im Haushaltungsausschusse
bei Besprechung der einzelnen Kapitel des Staatsvoranschlages
die schwere Benachteiligung des sudetendeutschen Volkes auf allen
Gebieten und zwar zahlenmäßig belegt und nachgewiesen
habe, will ich heute nur in großen Zügen auf den Voranschlag
in seiner Gesamtheit zurückkommen.
Er sieht bekanntlich Ausgaben im Betrage von 9.703,505.151 Kè
und Einnahmen im Betrage von 9.723,914.485 Kè vor, also
rund einen Mehrertrag von 20 Millionen, wobei
nicht vergessen werden darf, daß der Herr Finanzminister
in seinem Bericht ausdrücklich erklärt hat, daß
ohne Reform des Kriegsbeschädigtengesetzes der Voranschlag
nicht aktiv bleiben könnte, was doch nichts anderes bedeuten
kann, als daß das Kriegsbeschädigtengesetz in der Richtung
abgeändert werden wird, daß diesen ärmsten Teufeln
ihre bisherigen Bezüge noch beschnitten werden. Finanzminister
Dr. Engliš ist unbestritten einer der ersten
èechischen Fachleute auf seinem Gebiete, was aber durchaus
nicht besagen soll, daß wir Sudetendeutschen seiner Tätigkeit
als Finanzminister auch nur das geringste Lob spenden könnten.
Denn sein ganzes Sinnen und Trachten ist ebenfalls auf den Ausbau
des èechischen Nationalstaates gerichtet
und seine ganze Tätigkeit diesem Ziel gewidmet. Er hat dem
heurigen Voranschlage einen neuen Aufbau gegeben und hofft durch
diese Konstruktion, in Zukunft Überschreitungen unmöglich
zu machen und die èechische Finanzwirtschaft in geordnete
Bahnen zu lenken. Nun ist es Niemandem ein
Gehemnis, daß dieses Ziel nur erreicht werden kann, durch
Ersparungen, die für die betroffenen Kreise selbstverständlich
die schwersten Nachteile mit sich bringen müssen. Der leitende
Grundsatz, dem auch er gerne sich unterwirft, bleibt nach
wie vor: Förderung der èechischen Wirtschaft, der
èechischen Kultur, daher schwere Benachteiligung der deutschen
Wirtschaft, der deutschen Kultur. Bei jenen großen Posten
des Voranschlages, wo wirklich Hunderte Millionen erspart werden
könnten, wird bewußt nicht gespart,
da man nicht bereit ist, die Großmachtallüren aufzugeben.
So verschlingen die diplomatischen und Verteidigungsauslagen dieses
Staates über 1/5 der gesamten Staatsausgaben, ein zweites
Fünftel die Verzinsung und Amortisation der bisher bekannt
gewordenen Staatsschulden, welch letztere zur Zeit mit 35 Milliarden
beziffert werden, wobei wiederum nicht vergessen werden darf,
daß der Außenminister Dr. Beneš selbst
die Reparationsschulden, die der Èechoslovakei noch in
Vorschreibung gebracht werden, mit rund 30
Milliarden angenommen hat. Aus diesen Feststellungen allein kann
man erkennen, welch ungeheure Belastung auf der gesamten Wirtschaft
ruht und welche Beträge in Zukunft aus den Steuerträgern
herausgepreßt werden sollen.