Meine Damen und Herren! Der èechische Parlamentarismus
hat schon manche sonderbare Blüten gezeitigt. Sein em Boden
ist unter anderm auch die berüchtigte Vìtšina
entsprossen, jenes merkwürdige Gebilde von Kindlichkeit und
Brutalität, das da glaubt, sich gegen die Minderheit alles
herauszunehmen zu können. Diesem Umstande vor allem ist es
zuzuschreiben - und ich habe gestern
im Immunitätsausschuß schon darauf verwiesen - daß
es in diesem Hause zu der von der jeweiligen Mehrheit so verpönten
lärmenden Obstruktion kommt. Einzelne èechische Parteien
haben im alten Österreich öfter und freudig obstruiert.
Die Jungèechen zum Beispiel, also die Partei des Herrn
Dr Karl Kramáø, hat die
Obstruktion in das österreichische Parlamentsleben überhaupt
eingeführt. Es ziemt sich in diesem Augenblick daran zu erinnern,
daß es diese Herren waren, die im Jahre 1893 im böhmischen
Landtag den Ausgleich zu Falle brachten und bei dieser Gelegenheit
einen recht solennen Sturm aufs Präsidium unternahmen. Heute
tun sie unendlich entrüstet. Die Erinnerung an diese Zeit
mag ein Warnungszeichen für jene deutschen Parteien sein,
die da glauben, dieser Partei jemals trauen zu können. Angehörige
einer anderen èechischen Partei haben im Wiener Reichsrat
nicht nur stundenlange Reden gehalten, sondern sie haben auch
Pfeifen, Kindertrompeten, ja um zu zeigen, daß sie mit dem
Fortschritt gehen, elektrische Läutwerke
benützt, sie haben ferner ihre Gewandtheit im Werfen von
Aktenbündeln und Tintenfässern bewiesen. Einzelne von
diesen Herren sitzen auch noch auf den Bänken dieses hohen
Hauses. Niemandem ist es aber damals eingefallen, sie etwa dafür
zur Verantwortung zu ziehen, weil nämlich das alte Österreich,
der Polizeistaat, wie sie ihn heute nennen, das Obstruktionsrecht
anerkannte. Er anerkannte es, trotzdem man dort mit der Minderheit
etwas anders, nämlich weitaus besser verfuhr als im Prager
Parlament. Nur einer ist sehr konservativ geblieben. Er hat schon
im alten Österreich das Obstruktionsrecht nicht anerkannt.
Es war der èechische Vizepräsident des österreichischen
Reichsrates Dr. Karl Kramáø,
der 1897 die Polizei ins Haus rief. Man weiß also, welcher
Tradition die Prager Parlamentspolizei entsprungen ist. (Souhlas.)
In den ersten Zeiten des èechischen Parlamentarismus
schwang noch die Erinnerung an das vergangene Heldenzeitalter
der Obstruktionen mit. In der Erwartung, stets unter sich, in
der Vìtšina zu bleiben, ersann man daher eine Geschäftsordnung,
die Obstruktionen unmöglich machen sollte. Sie hat sie zwar
nicht unmöglich, wohl aber wirkungslos gemacht. Das aber
nur deshalb, weil Sie das Parlament zur reinen
Abstimmungsmaschine herabwürdigen ließen, die im größten
Lärm auf das "Hände hoch" des Berichterstatters
oder einer anderen beliebigen Person, die oben steht, glänzend
funktioniert. Im Laufe der Zeit hat so mancher der Herren seine
obstruktionistische Vergangenheit völlig vergessen und gebärdet
sich nachgerade in entzückender Naivität so, als ob
er niemals etwas von Obstruktion, am allerwenigsten von einer,
die er selbst gemacht hat, wüßte.
Vor Jahren wurde Kollege Dr. Baeran dem Staatsanwalte
überliefert und ins Elend gestürzt, weil er eine harmlose
Stinkbombe geworfen hat. Gestern haben die Vertreter der beiden
èechischen sozialistischen Parteien, die an der Entwicklung
der Dinge im hervorragenden Maße mitteiligt und mitschuldig
sind, (Souhlas.) - das ist Ihre Tragik
im Immunitätsausschusse gerade auf den Fall Baeran verwiesen,
den Sie seinerzeit mitkonstruiert haben. Das ist wohl der Gipfelpunkt
der Geschmacklosigkeit und Heuchelei. Oder sind die Herren, seitdem
sie das bittere Brot der Menšina essen müssen, bekehrte
Sünder geworden? Es wäre hier unter uns Weltkindern
Freude darüber, wenn wir es glauben würden. Vor kurzem
haben Sie selbst noch im Immunitätsausschuß fröhlich
für Auslieferungen gestimmt.
27 Abgeordnete, also nahezu ein Zehntel der
Mitglieder des Abgeordnetenhauses, wurden vom Gerichte zur Auslieferung
verlangt. Ein hiesiges Blatt erinnert im heutigen Leitaufsatz
daran, daß es vor 305 Jahren ebenfalls 27 waren, die in
unserer Nähe vor dem gegenwärtig festlich hergerichteten
Altstädter Rathaus dem Henker Ferdinands des Blutigen überantwortet
wurden. Die Ironie der Geschichte will es nicht nur, daß
die 27 von heute - selbst zumeist Èechen - von Èechen
vor Gericht gefordert werden, sondern daß sich unter ihnen
auch Angehörige der èechischen
Sozialisten finden, jener Partei, die für sich den Titel
der staatserhaltenden Partei in Anspruch nimmt und daraus die
Berechtigung ableitete, den Staat auf ihre Art zu reinigen. Nicht
aber etwa von Korruptionen, beileibe nicht, sondern zu
reinigen insbesondere die Ämter von allen Deutschen. Auf
der Liste der zur Auslieferung verlangten stand auf der Name des
Dr Franke, des berüchtigten Abbauministers, der Tausende
und Abertausende von deutschen Staatsangestellten ins Elend stieß
und gegen den wir seinerzeit die Anklage eingebracht haben,
allerdings vergeblich, denn eine Krähe hackt der andern kein
Auge aus - und damals bestand im èechischen Lager noch
die Solidarität der Krähen. (Posl. Patzel: Bratr
Franke! - Posl. dr Franke: Øeknìte to dr
Kramáøovi. Vždy to mùžete
napravit, máte pro to vìtšinu! Celní
vìtšina vám to odhlasuje! -
Posl. Patzel: Ein böses Gewissen haben Sie doch!)
Er verträgt alles, er hat eine dicke Haut. (Posl.
dr Franke: Dìlal jsem svou povinnost, ale ti páni
se ke mnì zachovali nádhernì!)
Pøedseda (zvoní): Prosím
o klid.
Posl. inž. Jung
(pokraèuje): Herr Kollege
Franke, ich gebe zu, daß es unangenehm ist, wenn
man Sie gerade an Ihr Abbauwerk erinnert. (Posl. dr Franke:
Já s vámi nepolemisují, pane kolego, s vámi
ne, to tomu nerozumíte!) Jetzt, da das Futter knapper
und zum Teil ungenießbar geworden ist, hat die Solidarität
zeitweilig ausgesetzt. Zeitweilig, ich betone es ausdrücklich.
Auf dem genugsam bekannten Wege des Kuhhandels wurden von den
27 zur Auslieferung Verlangten 16 ausgeschieden, 5 Abgeordnete
sollen sofort ausgeliefert werden, 6 werden zum Hangen und Bangen
in schwebender Pein verurteilt. Die Gründe dieses Vorgehens
sind uns klar. Man will im Zeichen des Sokolkongresses und vor
dem Hustag die Verbitterung im èechischen
Lager nicht ins Unermeßliche steigern. Daher wurden auch
ohne nähere Begründung die politisch bedeutsamsten Personen
aus dem Verfahren ausgeschieden. Schon dies müßte für
alle Deutschen ein Grund sein, sich bei diesem Verfahren jeder
Mithilfe zu enthalten, weil diese einmal schlecht gelohnt werden
wird. Wir betrachten daher die Mithilfe deutscher Parteien an
diesem Werke als einen schweren Fehler. (Posl. Krebs: Und eine
Dummheit noch dazu! - Výkøik: Eine
Schmach ist es, nicht ein Fehler!) Ich
akzeptiere auch das. Für die ablehnende Haltung meines Klubs
sind aber auch grundsätzliche Maßnahmen maßgebend.
Das Auslieferungsverfahren stützt sich vor allem auf das
Schutzgesetz, jenes Gesetz, gegen das wir Deutsche damals noch
in geschlossener Front von allem Anfang an ankämpften und
das gegen unsere Volksgenossen in der ärgsten Weise mißbraucht
wird. Ich brauche nur auf die Prozesse des Fachlehrers Goeth in
Iglau und des Hochschülers Schiebel in Troppau, sowie auf
einige Auslieferungsbegehren gegen deutsche Abgeordnete hinzuweisen
Als Angehörige der in diesem Hause brutal behandelten Minderheit
können wir weiters auf das Obstruktionsrecht nicht verzichten.
(Souhlas.) Es ist schon sehr bedenklich, wenn der hier
landesübliche Parlamentarismus glaubt, der Parlamentswache
nicht entraten zu können. Nimmer mehr aber dürfen wir
unsere Zustimmung dazu geben, daß auch dem Gericht und dem
Staatsanwalt Gelegenheit geboten wird, in die parlamentarischen
Verhältnisse sich einzumengen, daß man Sie dazu noch
aufruft; denn das bedeutet das tatsächliche Abdanken des
Parlamentarismus. Aus diesen Gründen habe ich namens des
Klubs der deutschen Nationalsozialisten zu erklären, daß
wir gegen den Auslieferungsantrag der Mehrheit des Immunitätsausschusses
stimmen werden. Für den Minderheitsantrag Dr Patejdl,
Riedl, Koudelka, Køíž
werden wir stimmen. (Souhlas poslancù nìm.
nár. socialistické strany.)
Meine Damen und Herren! Zur Erklärung
des Herrn Kollegen Koudelka stelle ich fest, daß
mir insofern ein Irrtum unterlaufen ist, als Herr Kollege Koudelka
nicht Berichterstatter in der Stinkbombenaffäre Dr Baerans
gewesen ist. Wahr ist aber, daß Kollege Koudelka
bei dem Auslieferungsbegehren gegen Baeran wegen Spionageverdacht
die Rolle eines Berichterstatters so ausgezeichnet versah, daß
es eines Staatsanwaltes würdig gewesen wäre. Wahr bleibt
weiter, daß Kollege Koudelka bei der Niederringung
jeder deutschen Obstruktion immer in den vordersten Reihen kämpfte
und mit seinen Klubkollegen dem herrschenden Gewaltsystem
der allnationalen Koalition Schergendienste leistete. Wahr bleibt
weiter auch, daß die èechischen sozialistischen Parteien
gleichgültig welcher Färbung,
sich bei der Anwendung aller Gewaltmittel
gegen die parlamentarische Minderheit in gar nichts von
den èechischen bürgerlichen
Parteien unterschieden und daß
insbesondere die Amtsführung des Präsidenten Tomášek
nicht minder rücksichtslos war als die gegenwärtige.
Wir sprechen daher dem Kollegen Koudelka das Recht ab,
sich über die jetzige Vergewaltigung der parlamentarischen
Minderheit zu entrüsten. (Potlesk poslancù
nìm. strany národní.)