Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe mich
als "Pro"-Redner eintragen lassen, weil wir für
den Antrag stimmen werden, für den 9 von 19 Abgeordneten
im Immunitätsausschusse sich ausgesprochen haben. Ich habe
mich aber auch deshalb als "Pro"-Redner eintragen lassen,
um uns von vornherein von jenen zu unterscheiden, die jetzt zwar
auf einer Linie mit uns marschieren, die aber ich muß schon
sagen - den traurigen Mut aufgebracht haben, jemanden als Ankläger
des Systems und der ganzen Praxis, die Sie bisher im Auslieferungsverfahren
geübt haben, herauszustellen, dem wir von vornherein jedes
Recht dazu absprechen müssen, sichten darüber aufzuspielen,
daß man die Minderheit hier vergewaltigt, während er
früher selbst das Meiste mit dazu beigetragen hat, um die
damalige Minderheit bei jeder Gelegenheit zu vergewaltigen. Ich
meine damit den ersten Redner, den Herrn Kollegen Koudelka,
der in unseren Augen der ungeeignetste Ankläger dieses Systems
deshalb ist, weil er seinerzeit als Berichterstatter im Falle
Baeran derjenige war, der die Auslieferung dieses Abgeordneten
hier mit den schärfsten Worten beantragt hat, trotzdem dieser
Mann damals bloß eine harmlose Stinkbombe geworfen hat,
durch die kein Mensch an seiner Gesundheit, körperlichen
Sicherheit oder an seinem Leben irgendwie gefährdet worden
wäre. (Výkøiky.) Heute
natürlich ist er anderer Ansicht. Wir halten das geradezu
für eine Provokation derjenigen, die immer und ehrlich auf
derselben Linie marschiert sind. (Souhlas poslancù
nìm. strany národní.) Damals
hat der jetzige Berichterstatter, wie ich gerade dem stenographischen
Protokolle entnommen habe, sich auf die geschändete Demokratie
berufen, die er damals verteidigen mußte. Wir glauben, daß
er heute nicht das Recht hat, einen gegenteiligen Standpunkt einzunehmen
zu dem, was heute der Herr Berichterstatter vertritt, der hier
wiederum, von der gegenwärtigen Mehrheit bestellt, von einem
Palladium spricht, das nicht getrübt werden darf, und der
nun ebenso wie früher Kollege Koudelka behauptet,
man müsse gegen jene einschreiten, die gewagt haben, dieses
hohe und hehre Palladium der Demokratie anzutasten. (Posl.
dr Schollich: Die Zeiten ändern sich!) So ändern
sich eben die Zeiten. Wir aber - das will ich feststellen - protestieren
heute genau so wie damals gegen jede Vergewaltigung der Minderheit.
Wir haben keine Ursache, unseren Standpunkt zu ändern. Heute
allerdings geschieht von einer anderen Mehrheit, die sich anders
zusammensetzt, dasselbe in Grün, was damals bei Baeran
und in anderen wiederholten Fällen geschehen ist... (Posl.
inž. Kallina: Grünschwarz ist die neue Staatsfarbe!)
Man könnte auch grün-schwarz
sagen. Wie nehmen die gleiche Stellung ein wie damals und sind
deshalb auch heute der Ansicht, daß es nicht angeht, wenn
man das Mehrheitsprinzip überspitzt und dadurch der Minderheit
überhaupt von vornherein jegliche Arbeit im parlamentarischen
Leben unmöglich macht.
Baeran, um noch ganz kurz auf ihn zurückzukommen,
den Sie damals ans Messer geliefert haben, hat, wie Sie wissen
werden, tatsächlich durch die Kerkerhaft schweren Schaden
an seiner Gesundheit erlitten und ist heute landflüchtig.
Und der Mann hat nur eine harmlose Stinkbombe geworfen. Präsident
Tomášek hat zwar bei Gericht als Zeuge ausgesagt,
daß er sich nachträglich doch gefreut habe, als er
bemerkt hat, daß niemand zuschaden gekommen ist; und dadurch
hat er allerdings zur Verurteilung beigetragen. Aber es war nur
eine so dünne Glaskugel, die einige Meter hinter dem Präsidenten
aufgeflogen ist, daß wirklich niemand Ursache hatte, sich
darüber aufzuregen, und daß wirklich niemand auch nur
im geringsten Furcht um sein Leben zu haben brauchte. Es war vielleicht
sehr gesund, daß damals nachher gelüftet wurde, und
wir hätten es in diesen Nachtsitzungen, die wir jetzt mitgemacht
haben, vielleicht ganz gerne gesehen, wenn hie und da eine halbstündige
Pause eingeschaltet worden wäre, damit man uns wieder frische
Luft gönnt. Man hat aber gerade jetzt bei der Kongrua und
bei den Zollvorlagen es für notwendig erachtet, uns von 9
Uhr früh bis 6 Uhr früh des nächsten Tages ununterbrochen
sitzen zu lassen, und hat nicht einmal das getan, was damals Baeran
durch seinen harmlosen Stinkbombenwurf herbeiführte, daß
nämlich die Fenster einmal aufgemacht wurden, um frische
Luft hereinzulassen.
Wir nehmen heute keinen unmittelbaren Anteil
daran, was hier vorgeht. Denn es ist eine Tatsache, daß
wir nicht unter jenen angeführt werden, die zur Auslieferung
beantragt sind. Dennoch halten wir es für notwendig, unsere
Stellung auch zu diesem Antrage klarzustellen, umsomehr als wir
sonst in der Regel diejenigen sind, die immer wieder das Fallbeil
der Auslieferung über uns niedergehen lassen müssen.
Deshalb werden Sie es begreifen, daß wir unsere Stellung
klar beziehen und zum Ausdrucke bringen wollen.
Da möchte ich zunächst sagen: Die
Dreiteilung, die vom Herrn Referenten vorgeschlagen wurde, halten
wir für eine äußerst unglückliche Lösung
dieser Frage. (Posl. Horpynka: Das ist eine schreckliche Protektionswirtschaft!)
So ist es, es ist nichts anderes als Protektionswirtschaft,
wenn man 5 von 27 Abgeordneten zur Auslieferung beantragt, 6 in
Schwebe läßt und 16 nicht ausliefert, und noch dazu
ohne irgendwelche sachliche Begründung. Diese Begründung
wird als ein Staatsgeheimnis behandelt, und wir, die nicht das
unaussprechliche Glück haben, der gegenwärtigen Mehrheit
anzugehören, werden nicht für würdig erachtet,
die Begründung für diese großartige Dreiteilung,
die sich die Herren patentieren lassen können, zu erfahren.
Es riecht allzusehr nach Parteilichkeit, Einsertigkeit und Ungerechtigkeit,
als daß wir uns mit diesen Anträgen identifizieren
könnten. Der Antrag des Staatsanwaltes ist als ganzer gestellt
worden und ist auch in unseren Augen als Ganzes aufzufassen. Man
muß sich zu ihm als Ganzes stellen und alle gleichmäßig
behandeln. Will man alle 27 ausliefern, dann soll der Staatsanwalt
untersuchen, ob er gegen alle 27 die Anklage erheben kann, und
das Gericht möge beurteilen, wer von den 27 vielleicht unschuldig
ist und deshalb freigesprochen werden muß. Wir aber sind
kein Tribunal, welches vorzugreifen hat. Der Antrag des Berichterstatters
geht weit über daß Maß dessen hinaus, wozu der
Immunitätsausschuß überhaupt berechtigt und bestellt
ist. Besser wäre es allerdings, alle 27 nicht auszuliefern
und dadurch die Würde dieses hohen Hauses wirklich zu wahren.
Es schaut aber so aus, als ob man zugunsten einiger weniger von
einem Begnadigungsrechte Gebrauch machen würde, weil diese
Herrschaften, die man retten will, eben halt doch nicht solche
Bösewichter sind, von denen man vermuten kann, daß
sie auch in Zukunft sich so ungebührlich benehmen werden.
Man will sie mit einer bloßen Ermahnung oder Warnung davon
kommen lassen und hofft auf Besserung. Bei den andern macht man
von dem Gnadenrecht nicht Gebrauch und liefert sie rücksichtslos
und brutal ans Messer. Denn schließlich und endlich ist
es keine Kleinigkeit, um die es geht. Es handelt sich bei allen
um ein Verbrechen nach dem Schutzgesetze, das sich diese Herren
damals, die jetzt zum Teil auch in der Tinte sitzen, selbst gemacht
haben. § 10 wurde ja eigens auf die Verhältnisse von
gesetzgebenden Körperschaften zugeschnitten und damals haben
einige jener Parteien, welche der drakonischen Strafdrohung zustimmten,
nicht vermutet, daß auch Sie einmal in die unangenehme Lage
kommen könnten, von diesen Paragraphen betroffen zu werden.
(Posl. Krebs: Wer andern eine Grube gräbt, fällt
selbst hinein!) Ja, der fällt bestimmt einmal hinein.
Wir glauben, daß gleiches Recht für
alle Abgeordnete gelten muß und daß man keine Abgeordneten
erster, zweiter oder dritter Güte unterscheiden darf. Allerdings
ist das, was hier beantragt wird, nur eine Konsequenz und die
logische Folge dessen, daß wir auch Staatsbürger erster,
zweiter und dritter Güte in diesem Staate haben. Indem alle
Staatsbürger nach Kategorien eingeteilt und demgemäß
verschieden behandelt wurden, glaubte man vielleicht den Schutz
der Republik herbeizuführen. Aber mit ungleichem Maße
zu messen, führt natürlich zu keinem guten Ende. Es
ist doch klar, daß am 19. Juni nicht nur 5 Abgeordnete hier
auf der Tribüne waren und dem Präsidenten des Hauses
an der Ausübung seines Amtes verhindern wollten. Es war vielmehr
das ganze Podium voll, wie Sie sich wohl noch erinnern werden,
und es ist höchst merkwürdig und sonderbar, daß
man ausgerechnet 5 heraussucht und sagt: So, die müssen jetzt
das Band für alle ausgießen und die Schale des Zornes
wird gleichsam auf diese 5 Opfer verschüttet. (Hluk) Das
ist nicht nur eine ganz entsetzliche Unkollegialität, daß
man einige herausreißt, und für die andern eintunkt,
sondern auch ein trauriges Zeichen des Tiefstandes dieses Parlamentes
überhaupt, ein trauriges Bekenntnis, womit das Haus selbst
seinen Bankerott erklärt und offenkundig sagt: Ich bin ohnmächtig,
ich bin nicht mehr imstande, hier selbst zu helfen, ich brauche
dazu die Polizei und den Staatsanwalt und die Gerichte, denn wir
sind hier lauter Greise, die auf dem Dache sitzen und nicht wissen,
wie Sie sich helfen sollen. Man sollte schon vom Standpunkt der
Mehrheit auch nur den Anschein jeder Gehässigkeit vermeiden,
um nicht in den Verdacht zu kommen, daß man hier ein reines
Protektionssystem übt und jenen die mißliebig sind,
den Hals abdrehen will. Und ist denn überhaupt, als sich
diese Szenen abspielten, die Republik in Gefahr gekommen, daß
man zum Gesetz zum Schutz der Republik greifen muß? Ich
glaube, durch diese Szenen ist die Republik nicht im geringsten
ins Wanken gekommen und sie steht heute genau so wie damals. Deshalb
war es überflüssig, auch noch die §§ 10 und
15 des Schutzgesetzes sich beizubiegen, um einige mißliebige
Herren zu treffen und zu schädigen. Diese Paragraphen sind
an und für sich eine Schmach in der Gesetzgebung des Staates.
Gas haben wir schon damals gesagt, als das Schutzgesetz gemacht
wurde. Die Würde des Hauses wird nicht dadurch gewahrt, daß
man die Polizei zu Hilfe ruft und den Staatsanwalt und die Gerichte
bemüht, sondern viel besser dadurch, daß wir selbst
hier Ordnung machen, wenn es notwendig ist, ohne und vor aller
Welt bloßzustellen und dadurch das Zügenglöcklein
des Parlamentarismus und der Demokratie zu läuten und sie
allmählich zu Grabe zu tragen. (Pøedsednictví
se ujal pøedseda Malypetr.)
Namentlich die deutschen Parteien, die heute
der Mehrheit angehören, hätten es sich wohl überlegen
müssen, bevor sie sich entschlossen, gerade auch für
die Anwendung dieser Schutzgesetzparagraphen zu stimmen, gegen
die Sie seinerzeit genau so wie wir Sturm gelaufen sind. Dadurch,
daß Sie nun dafür stimmen, sanktionieren Sie geradezu
das Schutzgesetz, das Sie so heftig bekämpft haben und nie
und nimmer anerkennen wollten. Sie sollten daran denken, daß
es im Sprichworte heißt: Heute mir, morgen dir. Sie wissen
ja nicht, wann sich das Blatt wieder wenden wird und wann man
vielleicht mit den gleichen Paragraphen und den gleichen Mitteln
auch gegen Sie wieder vorgehen wird. Sie werden sich dann nicht
darauf berufen können, daß das eine Gemeinheit, daß
das eine Schmach und Schande ist, sondern man wird Ihnen darauf
sagen: Wenn es euch damals recht und billig war, müßte
ihr es jetzt natürlich auch dulden, daß wir das Schutzgesetz
gegen euch anwenden. (Souhlas poslancù
nìmecké strany národní.) Es ist
wirklich traurig, daß sich Deutsche finden, um den Èechen
auch bei dieser Gelegenheit aus der Patsche zu helfen, wie Sie
es in diesem Hause in jüngster Zeit bereits öfter getan
haben. Den Deutschen bereiten Sie damit gewiß
nichts gutes. (Výkøiky.) Zwar
haben Sie eine Erklärung veröffentlicht, in der Sie
sagen: Nicht leichten Herzens, aber im Bewußtsein, den eingeschlagenen
Weg im Interesse des deutschen Volkes konsequent weiter gehen
zu müssen, haben sich die deutschen Parteien der derzeitigen
Regierungsmehrheit entschlossen, für die Aufhebung der Immunität
einiger Abgeordneten zu stimmen. Und dann heißt es weiter:
Sie haben damit das Bekenntnis ablegen wollen, daß Sie jeden
nationalistischen Terror und jede Klassendiktatur ablehnen und
für den wirklichen Parlamentarismus zu kämpfen fest
entschlossen sind. Das ist die Begründung für Ihr Vorgehen,
die in allen Zeitungen zu lesen stand. Jedenfalls ist darin gesagt,
daß sie für einen wirklichen Parlamentarismus zu kämpfen
entschlossen sind, daß also jetzt kein wirklicher Parlamentarismus
vorhanden ist, und trotzdem sind Sie bereit, diesen nicht wirklichen
Parlamentarismus zu schützen, indem Sie die Paragraphen des
Schutzgesetzes in diesem Falle anwenden wollen. Die Logik, die
darin zum Ausdruck kommt, ist höchst verwunderlich, und ich
gratuliere den deutschen Parteien der derzeitigen Regierungsmehrheit
zu dieser herrlichen, großartigen Begründung, die eines
Kant würdig wäre. Besser und folgerichtiger wäre
es aber gewesen, sie hätten die Auslieferung, wie ich schon
sagte, aller 27 Abgeordneten gefordert oder aber Sie hätten,
da sie ja auch die Herren Christlichsozialen in Ihren Reihen haben,
den Mantel der christlichen Nächstenliebe über alle
Vorfälle gebreitet. Das wäre entschieden vornehmer und
es wäre auch logischer und folgerichtiger gewesen. (Souhlas
poslancù nìm. strany národní.) Aber
Sie sind jetzt in einer allzu willfährigen Gefolgschaft in
allem und jedem gegenüber den Herren, die sie offenbar fasziniert
haben, die Ihnen veilleicht auch irgend etwas für die Zukunft
vielsprochen haben, von dem Sie natürlich noch nicht wissen,
ob Sie es bekommen werden, und deswegen wollen Sie sich wahrscheinlich
den Weg ins Himmelreich sichern durch all die guten Werke, die
Sie gegenwärtig vollbringen. Sie sanktionieren aber damit
nicht nur die Auslieferung Baerans, die Sie seinerzeit auch bekämpft
haben, sondern Sie sanktionieiren auch das Schutzgesetz, Sie sanktionieren
schließlich auch die Maulkorbparagraphen der Geschäftsordnung
dadurch, daß Sie immer für deren Anwendung stimmen,
(Sehr gut!) und vielleicht werden Sie demnächst in
richtiger Folge auch noch die Sprachenverordnung in ähnlicher
Weise sanktionieren, gegen die Sie mit allen Mitteln anzukämpfen
am 28. Feber d. J. feierlichst versprochen haben. Als die allergetreuesten
Untertanen schlucken Sie freudig im Dienste des neuen Vaterlandes
selbst die bittersten Pillen und apportieren gehorsamst, was die
Herren von Ihnen verlangen. So ist gegenwärtig die Lage.
Und wenn das alles nicht hilft, um Sie endlich doch regierungsfähig
zu machen, dann weiß ich wirklich nicht, was Sie noch alles
tun sollen und ob Sie nicht am Ende die Rolle des Mohren spielen
werden, aber ohne feste Gage. (Veselost na levici.)
Wir zählen uns natürlich nicht, und
das muß ich hier ausdrücklich betonen, zu den sogenannten
Deutschbürgerlchen, die jetzt immer in Bausch und Bogen als
Gegner aller Abänderungsanträge, bzw. Abwehrsmaßnahmen
der Minderheit genannt werden. Wir wünschen nicht, mit den
Herrschaften in einen Topf geworfen zu werden, die heute als Regierungstreue
jene Grundsätze verleugnet haben, die uns früher gemeinsam
waren, und die nun davon nichts wissen wollen, was sie nicht nur
im Jahre 1920, sondern auch noch bei den letzten Wáhlen
als Oppositionelle versprochen haben. Wir sind eine Volkspartei
und schon deshalb nicht bloß "Bürgerliche".
Wir lehnen es ab, mit jenen in einem Atem genannt zu werden, welche
die Linie gänzlich verlassen haben, die Sie seinerzeit auf
Grund der staatsrechtlichen Erklärung, die Sie mit uns gemeinsam
unterschrieben, eingehalten haben und die sie jetzt absolut nicht
mehr als richtig anerkennen wollen.
Ich habe gestern im Immunitätsausschuß
als Wurzel allen Übels die Geschäftsordnung bezeichnet,
die seinerzeit in der revolutionären konstituierenden
Nationalversammlung geschaffen wurde, in jener Versammlung, die
sich von vornherein die Verfassung und alles andere so angerichtet
hat, wie es den Èechen damals paßte, ohne daß
sonst überhaupt jemand gefragt wurde und
ohne daß man irgend eine Änderung im Nachhinein dulden
will. Hiezu hat Herr Dr Patejdl gesagt, was übrigens
heute auch im Minderheitsberichte des Immunitätsausschuß
zu lesen ist, der gedruckt im Hause aufliegt, daß diese
Geschäftsordnung nur zu dem Zwecke so gemacht wurde, wie
sie ist von vornherein jegliche Obstruktion in diesem Hause unmöglich
zu machen, d. h. den Widerstand jeder Minderheit zu brechen und
den Willen der Mehrheit unter allen Umständen durchzusetzen.
Nun kehrt sich natürlich der Spieß um und der Pfeil
fliegt vielleicht auf den Schützen zurück, der ihn seinerzeit
abgeschossen hat. Wir haben immer davor gewarnt, daß man
den Mehrheitsbegriff zu einem Götzen macht, wie es in diesem
Hause gang und gäbe ist, indem man einfach jede Opposition
von vornherein erschlägt und gar nicht hören will, was
die andern zu sagen haben, sondern mit dem fertigen Urteil in
der Tasche hereinkommt und erklärt: Es ist uns ganz gleichgiltig,
was die reden, wir haben für jeden Fall unsere Beschlüsse
gefaßt und die werden glatt durchgeführt. Dadurch wird
naturgemäß jegliche Minderheit, mag sie sich so oder
so zusammensetzen, zum Kampfe mit allen Mitteln herausgefordert
gegen die Unterdrückung. Der Terror geht nicht von der Minderheit
aus, sondern von der Mehrheit; denn selbst ein Wurm krümmt
sich, wenn er getreten wird, und keine Minderheit wird sich eine
derartige Behandlung ruhig gefallen lassen, wie sie hier durch
sechs Jahre ununterbrochen, damals allerdings bloß gegen
die Deutschen, an der Tagesordnung war. Heute hat sich eine andere
Mehrheit gebildet, heute wird die andere Minderheit genau so entrechtet
und geknechtet, wie früher bloß die deutschen und Magyaren
in diesem Hause entrechtet und geknechtet wurden. Ein altes deutsches
Sprichwortsagt: Gewalt kann durch Gewalt gebrochen werden. Das
war ein Rechtsgrundsatz schon bei den Germanen. Es ist klar, wenn
man mit Gewalt gegen eine so große Minderheit auftritt,
wie sie hier in diesem Hause besteht, daß sich diese wieder
des einzigen Mittels, das noch übrig bleibt, bedienen muß,
wenn sie überhaupt noch Achtung vor sich selbst hat, das
heißt, daß sie dieser Gewalt wieder mit Gewalt begegnet.
Deshalb darf man den Stab nicht brechen über jene, welche
sich vielleicht zu Handlungen hinreißen ließen, die
sie in ruhiger Überlegung nicht begehen würden, die
aber provoziert wurden durch das Benehmen der Majorität,
und man darf sich nicht wurden, wenn einem die Nerven durchgehen,
der Tag und Nacht hier sitzen muß, während man vorher
Wochen und Monate lang zur Untätigkeit verdammt war. Auf
einmal wird alles Mögliche ins Haus geworfen, durchgepeitscht,
und dann wundert man sich über die daraus entspringenden
Exzesse. Ihren unduldsamen Geist, meine Herrn von der Mehrheit,
machen wir verantwortlich für die Exzesse, welche sich in
diesem Hause abgespielt haben. Sie wären auf die Anklagebank
zu setzen und nicht diejenigen, welche ihr unduldsamer Geist erst
hineingejagt und hineingetrieben hat in ein Benehmen, das vielleicht
dem parlamentarischen Anstand und den gewöhnlichen, bürgerlichen
Sitten nicht entspricht. In dem Hause hat sich allerdings schon
manches ereignet und es wird sich vielleicht, wenn es so weiter
geht, noch so manches ereignen, was den guten Sitten nicht entspricht,
wenn Sie nicht ablassen von diesem unduldsamen Geiste. Jedenfalls
ist es ganz klar, daß einer jeden Minderheit die Mitarbeit
von vornherein verekelt wird, wenn man hier nur Worte wie Erbsen
an die Wand werfen kann und weiß, daß die Mitarbeit
keinen Zweck hat, weil einfach das Prinzip der Demokratie, die,
wie Masaryk es genannt hat, Diskussion ist, hier überhaupt
nicht zu ihrem Rechte kommt, sondern, weil man selbst mit Engelszungen
reden könnte und trotzdem tauben Ohren predigen würde.
Dadurch wird das ganze Parlament, die ganze Szene hier zu einer
Farce, zu einem Theater, das niemand ernst nehmen kann, und wir,
die wir verurteilt sind, als Akteure, als Schauspieler an diesem
Theater mitzuwirken, wir können dann selbstverständlich
nicht die Lust und die Liebe aufbringen, um hier tatsächlich
so zu spielen, wie es die Herren von der Mehrheit wünschen,
die als Drahtzieher dahinter stehen und uns wie Puppen an den
Drähten hin und herziehen möchten, damit das ganze nach
außen hin ein schönes Gesicht hat, und die darüber
wachen, daß das Mäntelchen der Demokratie am Ende nicht
verschoben wird, damit man nicht dahinter plötzlich das grinsende
nackte Gesicht der Oligarchie sieht, die jetzt genau so herrscht,
wie sie früher hier geherrscht hat, jene Herrschaft, die
sich jetzt vielleicht anders zusammensetzt, aber im wesentlichen
dasselbe geblieben ist, wie vordem. Die Demokratie wird so zur
Dirne, zur Lüge herabgewürdigt und das ganze Haus wird
prostituiert, wenn man weiterhin die Minderheit so drückt,
knechtet und entrechtet, wie man es bisher getan hat. Überspannen
Sie den Bogen nicht, denn sonst wird er brechen! Es ist klar,
daß durch ein Überschätzen des Mehrheitsbegriffes
die Demokratie allmählich über die Oligarchie vielleicht
gar zur Diktatur werden und sich dann sehr leicht auch gegen jene
wenden könnte, die jetzt die Schrittmacher sind, ohne daß
sie es vielleicht wissen oder wollen. Immer überschlägt
sich ein Prinzip, wenn es auf die Spitze getrieben wird und das
wäre gewiß auch der Fall, wenn die jetzige Mehrheit
weiterhin auf der abschüssigen Bahn fortschreitet, auf der
sich die alte Mehrheit bewegt hat. Die Minderheitsrechte ständig
mit Füßen treten, wie es hier geschieht, ist jedenfalls
eine Sache, die dem Deutschen dieses Staates am allerwenigsten
gelegen sein sollte, und zu diesen Minderheitsrechten gehört
schließlich und endlich auch das Okstruktionsrecht, das
man bei derartigen Verhältnissen, bei einem derartigen Parlamentarismus
unter allen Umständen als ein zum Gewohnheitsrecht gewordenes
Notwehrrecht der Minderheit bezeichnen muß, ohne das man
hier nicht auskommen kann.
Wenn man dies nicht anerkennen will, dann kann
man auch in Hinkunft nicht mit weiß Gott welchen Minderheitsrechten
kommen und für eine Kulturautonomie oder eine andere Selbstverwaltung
eintreten, weil man mit Recht mit dem Hinweis darauf abgewiesen
werden kann, daß man ja auf anderen Gebieten die Minderheitsrechte
selbst nicht geachtet hat. Wir haben in diesem Staat seit je den
Kampf um Recht und Freiheit auf unser Panier geschrieben. Wir
werden nicht dulden, daß dieser Kampf um Recht und Freiheit
von deutschen Volksgenossen herabgewürdigt wird vielleicht
zu einem Kampfe um die Futterkrippe. Das ist nicht unsere Art.
Darum warnen wir die deutschen Zollparteien nochmals 1n letzter
Stunde: Wir halten es insbesondere für ein gefährliches
Präjudiz, die §§ 10 und 15 des Schutzgesetzes anzuwenden,
denn man macht dadurch für alle Zukunft jegliche technische
Obstruktion in diesem Hause unmöglich. Nach dem Wortlaut
dieser Paragraphen kann man doch tatsächlich und jeder der
Herren, der diese Paragraphen kennt, wird mir recht geben - einfach
bei jeder Gelegenheit sämtliche Abgeordnete, die irgendwie
eine scharfe technische Obstruktion anwenden, sofort wegen Verbrechens
ausliefern. Macht man das einmal, dann ist die Bahn frei, sich
beliebig oft dieses schönen Paragraphen 10 des Schutzgesetzes
zu bedienen. So läßt sich von vornherein jede Opposition
mundtot machen. Trotzdem werden wir Deutschnationale auch weiterhin
gegen alles Unrecht ankämpfen, das hier von der jeweiligen
Mehrheit verbrochen wird. Wir glauben, daß es für uns
Sudetendeutsche in diesem Staate immer noch erträglicher
und besser ist, weiter das trockene Brot der Opposition zu essen,
bevor wir uns insgesamt auf eine der artige Brücke begeben,
wie sie jetzt Prof. Spina zu den Èechen geschlagen
hat, auf eine schiefe Ebene, auf der man immer schneller und schneller
herabgeleitet ins Verderben. Mein Vorredner Dr Czech hat
hervorgehoben, wie überraschend schnell sich die Dinge entwickeln.
Meiner Meinung nach ist das eine ganz logische Entwicklung, eine
Folge der einmal angebahnten Beziehungen. Eine Kugel, die den
Berg hinunterläuft, wird immer schneller zu Tale sausen.
Und so wird es auch mit jenen Kräften gehen, die von deutscher
Seite zur Erzielung einer Kursänderung eingesetzt wurden:
Sie haben es nicht mehr in der Hand, das Steuer zurückzureißen.
Hat man sich einmal eingelassen in einen Kuhhandel auf einem Gebiet,
so folgt schnell der Kuhhandel auf einem anderen Gebiet. Jedenfalls
müssen wir aber trotz dieser unaufhaltsamen Entwicklung von
den deutschen Zollparteien einen gewissen Gerechtigkeitssinn verlangen.
Gegen jede Rechtsbeugung und Protektion, möge sie von welcher
Seite immer kommen, werden wir stets den schärfsten Einspruch
erheben. Wir mißbilligen jedes Unrecht an sich und haben
deshalb keine Ursache für den Antrag zu stimmen, den eine
so knappe Mehrheit im Immunitätsausschuß trotz unserer
Warnungen angenommen hat. Ohne den Vorsitzenden war das Stimmverhältnis
9 zu 9, mit ihm 10 zu 9. Wir haben zwar keine besonderen Sympathien
zu den Kommunisten und den èechischen Nationalsozialisten
- das beruht übrigens auf Gegenseitigkeit - wir haben überhaupt
keine Berührungspunkte namentlich mit den Kommunisten, im
Gegenteil! Wir sind von Haus aus eine Ordnungspartei und steh
en als solche in natürlichem Gegensatze
zu den Bolschewiken, aber wir mißbilligen es, wenn ihnen
Unrecht geschieht, wir mißbilligen, daß man die Gerechtigkeit
mit Füßen tritt, daß man zugunsten einzelner
Abgeordneten ein protektionistisches System sich auswirken läßt,
das sich heute gegen den und morgen gegen jenen richtet.
Wir verwahren uns schließlich auch gegen die Behauptung
im "Èeské Slovo", daß wir Deutschnationale
an diesen Ausschreitungen teilgenommen haben und deshalb ebenfalls
ausgeliefert werden müßten. Wir haben uns
an den letzten Ausschreitungen nicht beteiligt. Die falsche
Beschuldigung ist ein durchsichtiges Manöver, um das Nationalgefühl
der Èechen gegen die Deutschen wieder in Siedehitze zu
bringen, gegen jene Deutschen, die sich angeblich ebenso schuldig
gemacht haben, wie die zur Auslieferung
beantragten Èechen. Indem man sagt, es sei traurig, daß
wir nicht auf der Auslieferungsliste stehen, wollte man uns mit
den Kommunisten auf eine Stufe stellen. (Pøedseda zvoní.)
Ich bin gleich fertig.
Wir sind zwar - wie gesagt - als Ordnungspartei
Gegner der Kommunisten, aber nichtsdestoweniger führen wir
gegen eine solche Behandlung den Kampf mit allen Mitteln, auch
wenn sie sich von denen der Kommunisten nicht unterscheiden. Wir
kämpfen immer gegen alles Unrecht, das irgendeiner Minderheit
angetan wird. Im Ringen um die Freiheit müssen alle Unterdrückten
zusammenhalten. Deshalb bedauern wir das Abschwenken der deutschen
Zollparteien ins Lager der Unterdrücker und stimmen gegen
den Antrag des Berichterstatters, aber für den Antrag der
Minderheit auf Ablehnung jeglicher Auslieferung. (Souhlas
poslancù nìm. strany národní.)