Pátek 25. èervna 1926

13. Øeè posl. dr Koberga (viz str. 2643 tìsnopisecké zprávy):

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe mich als "Pro"-Redner eintragen lassen, weil wir für den Antrag stimmen werden, für den 9 von 19 Abgeordneten im Immunitätsausschusse sich ausgesprochen haben. Ich habe mich aber auch deshalb als "Pro"-Redner eintragen lassen, um uns von vornherein von jenen zu unterscheiden, die jetzt zwar auf einer Linie mit uns marschieren, die aber ich muß schon sagen - den traurigen Mut aufgebracht haben, jemanden als Ankläger des Systems und der ganzen Praxis, die Sie bisher im Auslieferungsverfahren geübt haben, herauszustellen, dem wir von vornherein jedes Recht dazu absprechen müssen, sichten darüber aufzuspielen, daß man die Minderheit hier vergewaltigt, während er früher selbst das Meiste mit dazu beigetragen hat, um die damalige Minderheit bei jeder Gelegenheit zu vergewaltigen. Ich meine damit den ersten Redner, den Herrn Kollegen Koudelka, der in unseren Augen der ungeeignetste Ankläger dieses Systems deshalb ist, weil er seinerzeit als Berichterstatter im Falle Baeran derjenige war, der die Auslieferung dieses Abgeordneten hier mit den schärfsten Worten beantragt hat, trotzdem dieser Mann damals bloß eine harmlose Stinkbombe geworfen hat, durch die kein Mensch an seiner Gesundheit, körperlichen Sicherheit oder an seinem Leben irgendwie gefährdet worden wäre. (Výkøiky.) Heute natürlich ist er anderer Ansicht. Wir halten das geradezu für eine Provokation derjenigen, die immer und ehrlich auf derselben Linie marschiert sind. (Souhlas poslancù nìm. strany národní.) Damals hat der jetzige Berichterstatter, wie ich gerade dem stenographischen Protokolle entnommen habe, sich auf die geschändete Demokratie berufen, die er damals verteidigen mußte. Wir glauben, daß er heute nicht das Recht hat, einen gegenteiligen Standpunkt einzunehmen zu dem, was heute der Herr Berichterstatter vertritt, der hier wiederum, von der gegenwärtigen Mehrheit bestellt, von einem Palladium spricht, das nicht getrübt werden darf, und der nun ebenso wie früher Kollege Koudelka behauptet, man müsse gegen jene einschreiten, die gewagt haben, dieses hohe und hehre Palladium der Demokratie anzutasten. (Posl. dr Schollich: Die Zeiten ändern sich!) So ändern sich eben die Zeiten. Wir aber - das will ich feststellen - protestieren heute genau so wie damals gegen jede Vergewaltigung der Minderheit. Wir haben keine Ursache, unseren Standpunkt zu ändern. Heute allerdings geschieht von einer anderen Mehrheit, die sich anders zusammensetzt, dasselbe in Grün, was damals bei Baeran und in anderen wiederholten Fällen geschehen ist... (Posl. inž. Kallina: Grünschwarz ist die neue Staatsfarbe!) Man könnte auch grün-schwarz sagen. Wie nehmen die gleiche Stellung ein wie damals und sind deshalb auch heute der Ansicht, daß es nicht angeht, wenn man das Mehrheitsprinzip überspitzt und dadurch der Minderheit überhaupt von vornherein jegliche Arbeit im parlamentarischen Leben unmöglich macht.

Baeran, um noch ganz kurz auf ihn zurückzukommen, den Sie damals ans Messer geliefert haben, hat, wie Sie wissen werden, tatsächlich durch die Kerkerhaft schweren Schaden an seiner Gesundheit erlitten und ist heute landflüchtig. Und der Mann hat nur eine harmlose Stinkbombe geworfen. Präsident Tomášek hat zwar bei Gericht als Zeuge ausgesagt, daß er sich nachträglich doch gefreut habe, als er bemerkt hat, daß niemand zuschaden gekommen ist; und dadurch hat er allerdings zur Verurteilung beigetragen. Aber es war nur eine so dünne Glaskugel, die einige Meter hinter dem Präsidenten aufgeflogen ist, daß wirklich niemand Ursache hatte, sich darüber aufzuregen, und daß wirklich niemand auch nur im geringsten Furcht um sein Leben zu haben brauchte. Es war vielleicht sehr gesund, daß damals nachher gelüftet wurde, und wir hätten es in diesen Nachtsitzungen, die wir jetzt mitgemacht haben, vielleicht ganz gerne gesehen, wenn hie und da eine halbstündige Pause eingeschaltet worden wäre, damit man uns wieder frische Luft gönnt. Man hat aber gerade jetzt bei der Kongrua und bei den Zollvorlagen es für notwendig erachtet, uns von 9 Uhr früh bis 6 Uhr früh des nächsten Tages ununterbrochen sitzen zu lassen, und hat nicht einmal das getan, was damals Baeran durch seinen harmlosen Stinkbombenwurf herbeiführte, daß nämlich die Fenster einmal aufgemacht wurden, um frische Luft hereinzulassen.

Wir nehmen heute keinen unmittelbaren Anteil daran, was hier vorgeht. Denn es ist eine Tatsache, daß wir nicht unter jenen angeführt werden, die zur Auslieferung beantragt sind. Dennoch halten wir es für notwendig, unsere Stellung auch zu diesem Antrage klarzustellen, umsomehr als wir sonst in der Regel diejenigen sind, die immer wieder das Fallbeil der Auslieferung über uns niedergehen lassen müssen. Deshalb werden Sie es begreifen, daß wir unsere Stellung klar beziehen und zum Ausdrucke bringen wollen.

Da möchte ich zunächst sagen: Die Dreiteilung, die vom Herrn Referenten vorgeschlagen wurde, halten wir für eine äußerst unglückliche Lösung dieser Frage. (Posl. Horpynka: Das ist eine schreckliche Protektionswirtschaft!) So ist es, es ist nichts anderes als Protektionswirtschaft, wenn man 5 von 27 Abgeordneten zur Auslieferung beantragt, 6 in Schwebe läßt und 16 nicht ausliefert, und noch dazu ohne irgendwelche sachliche Begründung. Diese Begründung wird als ein Staatsgeheimnis behandelt, und wir, die nicht das unaussprechliche Glück haben, der gegenwärtigen Mehrheit anzugehören, werden nicht für würdig erachtet, die Begründung für diese großartige Dreiteilung, die sich die Herren patentieren lassen können, zu erfahren. Es riecht allzusehr nach Parteilichkeit, Einsertigkeit und Ungerechtigkeit, als daß wir uns mit diesen Anträgen identifizieren könnten. Der Antrag des Staatsanwaltes ist als ganzer gestellt worden und ist auch in unseren Augen als Ganzes aufzufassen. Man muß sich zu ihm als Ganzes stellen und alle gleichmäßig behandeln. Will man alle 27 ausliefern, dann soll der Staatsanwalt untersuchen, ob er gegen alle 27 die Anklage erheben kann, und das Gericht möge beurteilen, wer von den 27 vielleicht unschuldig ist und deshalb freigesprochen werden muß. Wir aber sind kein Tribunal, welches vorzugreifen hat. Der Antrag des Berichterstatters geht weit über daß Maß dessen hinaus, wozu der Immunitätsausschuß überhaupt berechtigt und bestellt ist. Besser wäre es allerdings, alle 27 nicht auszuliefern und dadurch die Würde dieses hohen Hauses wirklich zu wahren. Es schaut aber so aus, als ob man zugunsten einiger weniger von einem Begnadigungsrechte Gebrauch machen würde, weil diese Herrschaften, die man retten will, eben halt doch nicht solche Bösewichter sind, von denen man vermuten kann, daß sie auch in Zukunft sich so ungebührlich benehmen werden. Man will sie mit einer bloßen Ermahnung oder Warnung davon kommen lassen und hofft auf Besserung. Bei den andern macht man von dem Gnadenrecht nicht Gebrauch und liefert sie rücksichtslos und brutal ans Messer. Denn schließlich und endlich ist es keine Kleinigkeit, um die es geht. Es handelt sich bei allen um ein Verbrechen nach dem Schutzgesetze, das sich diese Herren damals, die jetzt zum Teil auch in der Tinte sitzen, selbst gemacht haben. § 10 wurde ja eigens auf die Verhältnisse von gesetzgebenden Körperschaften zugeschnitten und damals haben einige jener Parteien, welche der drakonischen Strafdrohung zustimmten, nicht vermutet, daß auch Sie einmal in die unangenehme Lage kommen könnten, von diesen Paragraphen betroffen zu werden. (Posl. Krebs: Wer andern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein!) Ja, der fällt bestimmt einmal hinein.

Wir glauben, daß gleiches Recht für alle Abgeordnete gelten muß und daß man keine Abgeordneten erster, zweiter oder dritter Güte unterscheiden darf. Allerdings ist das, was hier beantragt wird, nur eine Konsequenz und die logische Folge dessen, daß wir auch Staatsbürger erster, zweiter und dritter Güte in diesem Staate haben. Indem alle Staatsbürger nach Kategorien eingeteilt und demgemäß verschieden behandelt wurden, glaubte man vielleicht den Schutz der Republik herbeizuführen. Aber mit ungleichem Maße zu messen, führt natürlich zu keinem guten Ende. Es ist doch klar, daß am 19. Juni nicht nur 5 Abgeordnete hier auf der Tribüne waren und dem Präsidenten des Hauses an der Ausübung seines Amtes verhindern wollten. Es war vielmehr das ganze Podium voll, wie Sie sich wohl noch erinnern werden, und es ist höchst merkwürdig und sonderbar, daß man ausgerechnet 5 heraussucht und sagt: So, die müssen jetzt das Band für alle ausgießen und die Schale des Zornes wird gleichsam auf diese 5 Opfer verschüttet. (Hluk) Das ist nicht nur eine ganz entsetzliche Unkollegialität, daß man einige herausreißt, und für die andern eintunkt, sondern auch ein trauriges Zeichen des Tiefstandes dieses Parlamentes überhaupt, ein trauriges Bekenntnis, womit das Haus selbst seinen Bankerott erklärt und offenkundig sagt: Ich bin ohnmächtig, ich bin nicht mehr imstande, hier selbst zu helfen, ich brauche dazu die Polizei und den Staatsanwalt und die Gerichte, denn wir sind hier lauter Greise, die auf dem Dache sitzen und nicht wissen, wie Sie sich helfen sollen. Man sollte schon vom Standpunkt der Mehrheit auch nur den Anschein jeder Gehässigkeit vermeiden, um nicht in den Verdacht zu kommen, daß man hier ein reines Protektionssystem übt und jenen die mißliebig sind, den Hals abdrehen will. Und ist denn überhaupt, als sich diese Szenen abspielten, die Republik in Gefahr gekommen, daß man zum Gesetz zum Schutz der Republik greifen muß? Ich glaube, durch diese Szenen ist die Republik nicht im geringsten ins Wanken gekommen und sie steht heute genau so wie damals. Deshalb war es überflüssig, auch noch die §§ 10 und 15 des Schutzgesetzes sich beizubiegen, um einige mißliebige Herren zu treffen und zu schädigen. Diese Paragraphen sind an und für sich eine Schmach in der Gesetzgebung des Staates. Gas haben wir schon damals gesagt, als das Schutzgesetz gemacht wurde. Die Würde des Hauses wird nicht dadurch gewahrt, daß man die Polizei zu Hilfe ruft und den Staatsanwalt und die Gerichte bemüht, sondern viel besser dadurch, daß wir selbst hier Ordnung machen, wenn es notwendig ist, ohne und vor aller Welt bloßzustellen und dadurch das Zügenglöcklein des Parlamentarismus und der Demokratie zu läuten und sie allmählich zu Grabe zu tragen. (Pøedsednictví se ujal pøedseda Malypetr.)

Namentlich die deutschen Parteien, die heute der Mehrheit angehören, hätten es sich wohl überlegen müssen, bevor sie sich entschlossen, gerade auch für die Anwendung dieser Schutzgesetzparagraphen zu stimmen, gegen die Sie seinerzeit genau so wie wir Sturm gelaufen sind. Dadurch, daß Sie nun dafür stimmen, sanktionieren Sie geradezu das Schutzgesetz, das Sie so heftig bekämpft haben und nie und nimmer anerkennen wollten. Sie sollten daran denken, daß es im Sprichworte heißt: Heute mir, morgen dir. Sie wissen ja nicht, wann sich das Blatt wieder wenden wird und wann man vielleicht mit den gleichen Paragraphen und den gleichen Mitteln auch gegen Sie wieder vorgehen wird. Sie werden sich dann nicht darauf berufen können, daß das eine Gemeinheit, daß das eine Schmach und Schande ist, sondern man wird Ihnen darauf sagen: Wenn es euch damals recht und billig war, müßte ihr es jetzt natürlich auch dulden, daß wir das Schutzgesetz gegen euch anwenden. (Souhlas poslancù nìmecké strany národní.) Es ist wirklich traurig, daß sich Deutsche finden, um den Èechen auch bei dieser Gelegenheit aus der Patsche zu helfen, wie Sie es in diesem Hause in jüngster Zeit bereits öfter getan haben. Den Deutschen bereiten Sie damit gewiß nichts gutes. (Výkøiky.) Zwar haben Sie eine Erklärung veröffentlicht, in der Sie sagen: Nicht leichten Herzens, aber im Bewußtsein, den eingeschlagenen Weg im Interesse des deutschen Volkes konsequent weiter gehen zu müssen, haben sich die deutschen Parteien der derzeitigen Regierungsmehrheit entschlossen, für die Aufhebung der Immunität einiger Abgeordneten zu stimmen. Und dann heißt es weiter: Sie haben damit das Bekenntnis ablegen wollen, daß Sie jeden nationalistischen Terror und jede Klassendiktatur ablehnen und für den wirklichen Parlamentarismus zu kämpfen fest entschlossen sind. Das ist die Begründung für Ihr Vorgehen, die in allen Zeitungen zu lesen stand. Jedenfalls ist darin gesagt, daß sie für einen wirklichen Parlamentarismus zu kämpfen entschlossen sind, daß also jetzt kein wirklicher Parlamentarismus vorhanden ist, und trotzdem sind Sie bereit, diesen nicht wirklichen Parlamentarismus zu schützen, indem Sie die Paragraphen des Schutzgesetzes in diesem Falle anwenden wollen. Die Logik, die darin zum Ausdruck kommt, ist höchst verwunderlich, und ich gratuliere den deutschen Parteien der derzeitigen Regierungsmehrheit zu dieser herrlichen, großartigen Begründung, die eines Kant würdig wäre. Besser und folgerichtiger wäre es aber gewesen, sie hätten die Auslieferung, wie ich schon sagte, aller 27 Abgeordneten gefordert oder aber Sie hätten, da sie ja auch die Herren Christlichsozialen in Ihren Reihen haben, den Mantel der christlichen Nächstenliebe über alle Vorfälle gebreitet. Das wäre entschieden vornehmer und es wäre auch logischer und folgerichtiger gewesen. (Souhlas poslancù nìm. strany národní.) Aber Sie sind jetzt in einer allzu willfährigen Gefolgschaft in allem und jedem gegenüber den Herren, die sie offenbar fasziniert haben, die Ihnen veilleicht auch irgend etwas für die Zukunft vielsprochen haben, von dem Sie natürlich noch nicht wissen, ob Sie es bekommen werden, und deswegen wollen Sie sich wahrscheinlich den Weg ins Himmelreich sichern durch all die guten Werke, die Sie gegenwärtig vollbringen. Sie sanktionieren aber damit nicht nur die Auslieferung Baerans, die Sie seinerzeit auch bekämpft haben, sondern Sie sanktionieiren auch das Schutzgesetz, Sie sanktionieren schließlich auch die Maulkorbparagraphen der Geschäftsordnung dadurch, daß Sie immer für deren Anwendung stimmen, (Sehr gut!) und vielleicht werden Sie demnächst in richtiger Folge auch noch die Sprachenverordnung in ähnlicher Weise sanktionieren, gegen die Sie mit allen Mitteln anzukämpfen am 28. Feber d. J. feierlichst versprochen haben. Als die allergetreuesten Untertanen schlucken Sie freudig im Dienste des neuen Vaterlandes selbst die bittersten Pillen und apportieren gehorsamst, was die Herren von Ihnen verlangen. So ist gegenwärtig die Lage. Und wenn das alles nicht hilft, um Sie endlich doch regierungsfähig zu machen, dann weiß ich wirklich nicht, was Sie noch alles tun sollen und ob Sie nicht am Ende die Rolle des Mohren spielen werden, aber ohne feste Gage. (Veselost na levici.)

Wir zählen uns natürlich nicht, und das muß ich hier ausdrücklich betonen, zu den sogenannten Deutschbürgerlchen, die jetzt immer in Bausch und Bogen als Gegner aller Abänderungsanträge, bzw. Abwehrsmaßnahmen der Minderheit genannt werden. Wir wünschen nicht, mit den Herrschaften in einen Topf geworfen zu werden, die heute als Regierungstreue jene Grundsätze verleugnet haben, die uns früher gemeinsam waren, und die nun davon nichts wissen wollen, was sie nicht nur im Jahre 1920, sondern auch noch bei den letzten Wáhlen als Oppositionelle versprochen haben. Wir sind eine Volkspartei und schon deshalb nicht bloß "Bürgerliche". Wir lehnen es ab, mit jenen in einem Atem genannt zu werden, welche die Linie gänzlich verlassen haben, die Sie seinerzeit auf Grund der staatsrechtlichen Erklärung, die Sie mit uns gemeinsam unterschrieben, eingehalten haben und die sie jetzt absolut nicht mehr als richtig anerkennen wollen.

Ich habe gestern im Immunitätsausschuß als Wurzel allen Übels die Geschäftsordnung bezeichnet, die seinerzeit in der revolutionären konstituierenden Nationalversammlung geschaffen wurde, in jener Versammlung, die sich von vornherein die Verfassung und alles andere so angerichtet hat, wie es den Èechen damals paßte, ohne daß sonst überhaupt jemand gefragt wurde und ohne daß man irgend eine Änderung im Nachhinein dulden will. Hiezu hat Herr Dr Patejdl gesagt, was übrigens heute auch im Minderheitsberichte des Immunitätsausschuß zu lesen ist, der gedruckt im Hause aufliegt, daß diese Geschäftsordnung nur zu dem Zwecke so gemacht wurde, wie sie ist von vornherein jegliche Obstruktion in diesem Hause unmöglich zu machen, d. h. den Widerstand jeder Minderheit zu brechen und den Willen der Mehrheit unter allen Umständen durchzusetzen. Nun kehrt sich natürlich der Spieß um und der Pfeil fliegt vielleicht auf den Schützen zurück, der ihn seinerzeit abgeschossen hat. Wir haben immer davor gewarnt, daß man den Mehrheitsbegriff zu einem Götzen macht, wie es in diesem Hause gang und gäbe ist, indem man einfach jede Opposition von vornherein erschlägt und gar nicht hören will, was die andern zu sagen haben, sondern mit dem fertigen Urteil in der Tasche hereinkommt und erklärt: Es ist uns ganz gleichgiltig, was die reden, wir haben für jeden Fall unsere Beschlüsse gefaßt und die werden glatt durchgeführt. Dadurch wird naturgemäß jegliche Minderheit, mag sie sich so oder so zusammensetzen, zum Kampfe mit allen Mitteln herausgefordert gegen die Unterdrückung. Der Terror geht nicht von der Minderheit aus, sondern von der Mehrheit; denn selbst ein Wurm krümmt sich, wenn er getreten wird, und keine Minderheit wird sich eine derartige Behandlung ruhig gefallen lassen, wie sie hier durch sechs Jahre ununterbrochen, damals allerdings bloß gegen die Deutschen, an der Tagesordnung war. Heute hat sich eine andere Mehrheit gebildet, heute wird die andere Minderheit genau so entrechtet und geknechtet, wie früher bloß die deutschen und Magyaren in diesem Hause entrechtet und geknechtet wurden. Ein altes deutsches Sprichwortsagt: Gewalt kann durch Gewalt gebrochen werden. Das war ein Rechtsgrundsatz schon bei den Germanen. Es ist klar, wenn man mit Gewalt gegen eine so große Minderheit auftritt, wie sie hier in diesem Hause besteht, daß sich diese wieder des einzigen Mittels, das noch übrig bleibt, bedienen muß, wenn sie überhaupt noch Achtung vor sich selbst hat, das heißt, daß sie dieser Gewalt wieder mit Gewalt begegnet. Deshalb darf man den Stab nicht brechen über jene, welche sich vielleicht zu Handlungen hinreißen ließen, die sie in ruhiger Überlegung nicht begehen würden, die aber provoziert wurden durch das Benehmen der Majorität, und man darf sich nicht wurden, wenn einem die Nerven durchgehen, der Tag und Nacht hier sitzen muß, während man vorher Wochen und Monate lang zur Untätigkeit verdammt war. Auf einmal wird alles Mögliche ins Haus geworfen, durchgepeitscht, und dann wundert man sich über die daraus entspringenden Exzesse. Ihren unduldsamen Geist, meine Herrn von der Mehrheit, machen wir verantwortlich für die Exzesse, welche sich in diesem Hause abgespielt haben. Sie wären auf die Anklagebank zu setzen und nicht diejenigen, welche ihr unduldsamer Geist erst hineingejagt und hineingetrieben hat in ein Benehmen, das vielleicht dem parlamentarischen Anstand und den gewöhnlichen, bürgerlichen Sitten nicht entspricht. In dem Hause hat sich allerdings schon manches ereignet und es wird sich vielleicht, wenn es so weiter geht, noch so manches ereignen, was den guten Sitten nicht entspricht, wenn Sie nicht ablassen von diesem unduldsamen Geiste. Jedenfalls ist es ganz klar, daß einer jeden Minderheit die Mitarbeit von vornherein verekelt wird, wenn man hier nur Worte wie Erbsen an die Wand werfen kann und weiß, daß die Mitarbeit keinen Zweck hat, weil einfach das Prinzip der Demokratie, die, wie Masaryk es genannt hat, Diskussion ist, hier überhaupt nicht zu ihrem Rechte kommt, sondern, weil man selbst mit Engelszungen reden könnte und trotzdem tauben Ohren predigen würde. Dadurch wird das ganze Parlament, die ganze Szene hier zu einer Farce, zu einem Theater, das niemand ernst nehmen kann, und wir, die wir verurteilt sind, als Akteure, als Schauspieler an diesem Theater mitzuwirken, wir können dann selbstverständlich nicht die Lust und die Liebe aufbringen, um hier tatsächlich so zu spielen, wie es die Herren von der Mehrheit wünschen, die als Drahtzieher dahinter stehen und uns wie Puppen an den Drähten hin und herziehen möchten, damit das ganze nach außen hin ein schönes Gesicht hat, und die darüber wachen, daß das Mäntelchen der Demokratie am Ende nicht verschoben wird, damit man nicht dahinter plötzlich das grinsende nackte Gesicht der Oligarchie sieht, die jetzt genau so herrscht, wie sie früher hier geherrscht hat, jene Herrschaft, die sich jetzt vielleicht anders zusammensetzt, aber im wesentlichen dasselbe geblieben ist, wie vordem. Die Demokratie wird so zur Dirne, zur Lüge herabgewürdigt und das ganze Haus wird prostituiert, wenn man weiterhin die Minderheit so drückt, knechtet und entrechtet, wie man es bisher getan hat. Überspannen Sie den Bogen nicht, denn sonst wird er brechen! Es ist klar, daß durch ein Überschätzen des Mehrheitsbegriffes die Demokratie allmählich über die Oligarchie vielleicht gar zur Diktatur werden und sich dann sehr leicht auch gegen jene wenden könnte, die jetzt die Schrittmacher sind, ohne daß sie es vielleicht wissen oder wollen. Immer überschlägt sich ein Prinzip, wenn es auf die Spitze getrieben wird und das wäre gewiß auch der Fall, wenn die jetzige Mehrheit weiterhin auf der abschüssigen Bahn fortschreitet, auf der sich die alte Mehrheit bewegt hat. Die Minderheitsrechte ständig mit Füßen treten, wie es hier geschieht, ist jedenfalls eine Sache, die dem Deutschen dieses Staates am allerwenigsten gelegen sein sollte, und zu diesen Minderheitsrechten gehört schließlich und endlich auch das Okstruktionsrecht, das man bei derartigen Verhältnissen, bei einem derartigen Parlamentarismus unter allen Umständen als ein zum Gewohnheitsrecht gewordenes Notwehrrecht der Minderheit bezeichnen muß, ohne das man hier nicht auskommen kann.

Wenn man dies nicht anerkennen will, dann kann man auch in Hinkunft nicht mit weiß Gott welchen Minderheitsrechten kommen und für eine Kulturautonomie oder eine andere Selbstverwaltung eintreten, weil man mit Recht mit dem Hinweis darauf abgewiesen werden kann, daß man ja auf anderen Gebieten die Minderheitsrechte selbst nicht geachtet hat. Wir haben in diesem Staat seit je den Kampf um Recht und Freiheit auf unser Panier geschrieben. Wir werden nicht dulden, daß dieser Kampf um Recht und Freiheit von deutschen Volksgenossen herabgewürdigt wird vielleicht zu einem Kampfe um die Futterkrippe. Das ist nicht unsere Art. Darum warnen wir die deutschen Zollparteien nochmals 1n letzter Stunde: Wir halten es insbesondere für ein gefährliches Präjudiz, die §§ 10 und 15 des Schutzgesetzes anzuwenden, denn man macht dadurch für alle Zukunft jegliche technische Obstruktion in diesem Hause unmöglich. Nach dem Wortlaut dieser Paragraphen kann man doch tatsächlich und jeder der Herren, der diese Paragraphen kennt, wird mir recht geben - einfach bei jeder Gelegenheit sämtliche Abgeordnete, die irgendwie eine scharfe technische Obstruktion anwenden, sofort wegen Verbrechens ausliefern. Macht man das einmal, dann ist die Bahn frei, sich beliebig oft dieses schönen Paragraphen 10 des Schutzgesetzes zu bedienen. So läßt sich von vornherein jede Opposition mundtot machen. Trotzdem werden wir Deutschnationale auch weiterhin gegen alles Unrecht ankämpfen, das hier von der jeweiligen Mehrheit verbrochen wird. Wir glauben, daß es für uns Sudetendeutsche in diesem Staate immer noch erträglicher und besser ist, weiter das trockene Brot der Opposition zu essen, bevor wir uns insgesamt auf eine der artige Brücke begeben, wie sie jetzt Prof. Spina zu den Èechen geschlagen hat, auf eine schiefe Ebene, auf der man immer schneller und schneller herabgeleitet ins Verderben. Mein Vorredner Dr Czech hat hervorgehoben, wie überraschend schnell sich die Dinge entwickeln. Meiner Meinung nach ist das eine ganz logische Entwicklung, eine Folge der einmal angebahnten Beziehungen. Eine Kugel, die den Berg hinunterläuft, wird immer schneller zu Tale sausen. Und so wird es auch mit jenen Kräften gehen, die von deutscher Seite zur Erzielung einer Kursänderung eingesetzt wurden: Sie haben es nicht mehr in der Hand, das Steuer zurückzureißen. Hat man sich einmal eingelassen in einen Kuhhandel auf einem Gebiet, so folgt schnell der Kuhhandel auf einem anderen Gebiet. Jedenfalls müssen wir aber trotz dieser unaufhaltsamen Entwicklung von den deutschen Zollparteien einen gewissen Gerechtigkeitssinn verlangen. Gegen jede Rechtsbeugung und Protektion, möge sie von welcher Seite immer kommen, werden wir stets den schärfsten Einspruch erheben. Wir mißbilligen jedes Unrecht an sich und haben deshalb keine Ursache für den Antrag zu stimmen, den eine so knappe Mehrheit im Immunitätsausschuß trotz unserer Warnungen angenommen hat. Ohne den Vorsitzenden war das Stimmverhältnis 9 zu 9, mit ihm 10 zu 9. Wir haben zwar keine besonderen Sympathien zu den Kommunisten und den èechischen Nationalsozialisten - das beruht übrigens auf Gegenseitigkeit - wir haben überhaupt keine Berührungspunkte namentlich mit den Kommunisten, im Gegenteil! Wir sind von Haus aus eine Ordnungspartei und steh en als solche in natürlichem Gegensatze zu den Bolschewiken, aber wir mißbilligen es, wenn ihnen Unrecht geschieht, wir mißbilligen, daß man die Gerechtigkeit mit Füßen tritt, daß man zugunsten einzelner Abgeordneten ein protektionistisches System sich auswirken läßt, das sich heute gegen den und morgen gegen jenen richtet. Wir verwahren uns schließlich auch gegen die Behauptung im "Èeské Slovo", daß wir Deutschnationale an diesen Ausschreitungen teilgenommen haben und deshalb ebenfalls ausgeliefert werden müßten. Wir haben uns an den letzten Ausschreitungen nicht beteiligt. Die falsche Beschuldigung ist ein durchsichtiges Manöver, um das Nationalgefühl der Èechen gegen die Deutschen wieder in Siedehitze zu bringen, gegen jene Deutschen, die sich angeblich ebenso schuldig gemacht haben, wie die zur Auslieferung beantragten Èechen. Indem man sagt, es sei traurig, daß wir nicht auf der Auslieferungsliste stehen, wollte man uns mit den Kommunisten auf eine Stufe stellen. (Pøedseda zvoní.) Ich bin gleich fertig.

Wir sind zwar - wie gesagt - als Ordnungspartei Gegner der Kommunisten, aber nichtsdestoweniger führen wir gegen eine solche Behandlung den Kampf mit allen Mitteln, auch wenn sie sich von denen der Kommunisten nicht unterscheiden. Wir kämpfen immer gegen alles Unrecht, das irgendeiner Minderheit angetan wird. Im Ringen um die Freiheit müssen alle Unterdrückten zusammenhalten. Deshalb bedauern wir das Abschwenken der deutschen Zollparteien ins Lager der Unterdrücker und stimmen gegen den Antrag des Berichterstatters, aber für den Antrag der Minderheit auf Ablehnung jeglicher Auslieferung. (Souhlas poslancù nìm. strany národní.)


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