Hohes Haus! Bei allen volkswirtschaftlichen
Maßnahmen ist in erster Linie zu erwägen, ob dieselben
der Allgemeinheit zugute kommen oder nur einzelnen Volksschichten.
Wir deutschen Sozialdemokraten sind nie von diesem Grundsatz abgekommen
und werden auch bei dieser Zollvorlage diesen Weg einhalten, ohne
Rücksicht darauf, ob wir als Partei an Popularität gewinnen
oder verlieren. Der vorliegende Antrag auf Schaffung eines neuen
autonomen Zolltarifes ist von weitgehendster Bedeutung. Von den
Schutzzöllnern wird zu seiner Begründung die wirtschaftliche
Notlage der Landwirtschaft angeführt. Ich habe seit vielen
Jahren die Diskussion über Zollfragen in den verschiedensten
Ländern verfolgt, aber eine so armselige Begründung,
wie sie unsere Herren Agrarier und ihre Zollfreunde hier vorbringen,
habe ich nirgens gefunden. Wenn man die Verhandlungen im landwirtschaftlichen
Ausschuß und auch im Budgetausschuß verfolgt hat,
konnte man immer deutlicher und deutlicher bemerken, daß
nur die Profitinteressen der Großagrarier maßgebend
waren. Wir haben gesehen, daß die Gier nach höheren
Profiten das einzige Ziel war, und mit Widerwillen hat man diese
Verhandlungen verfolgt. Wenn man die Heuchelei, die Unaufrichtigkeit
und Verdrehung der Tatsachen gesehen hat, mit welchem Pathos die
Herren die Notlage der Agrarier geschildert haben, wurde man von
Widerwillen erfaßt, und immer mußten die Kleinen herhalten,
in deren Namen sie vorgaben, die Zölle einführen zu
wollen. Mit dem Kleinlichsten ist man gekommen. So hat z. B. der
Abg. Windirsch erklärt, daß wer auch nur eine
Ziege hat, schon ein Interesse an dem Agrarzolle habe. Herr Abg.
Hodina ist schon etwas weitergegangen und hat gesagt, daß
wer eine Kuh hat, schon ein Interesse an den Zöllen hätte.
Auf einer solchen Basis ist es schwer, eine Diskussion abzuführen.
Besonders und vor allem wird die allgemeine Notlage der kleinen
Landwirte, der Häusler und Kleinpächter ins Treffen
geführt. Daß bei den kleinen Landwirten eine Notlage
vorhanden ist, stimmt. Daß man aber jetzt auf einmal das
gute Herz für die kleinen Landwirte entdeckt, ist doch eigentümlich.
Aller Klasengegensatz scheint aufgehoben und man will die Zölle
aus reiner Liebe für die kleinen Landwirte einführen.
Wir Sozialdemokraten sind keine Dogmatiker
und so ist auch die Zollfrage für uns kein starres Dogma.
Wir beurteilen die Zollfrage vom Standpunkte der Zweckmäßigkeit.
Beweisen Sie uns, daß durch die Einführung von Zöllen
auf Getreide, Vieh und andere landwirtschaftliche Produkte die
allgemeine wirtschaftliche Lage gehoben wird, und wir werden ohne
weiteres für die Zölle stimmen. Ja, Sie brauchen nur
zu beweisen, daß der überwiegende Teil der Bevölkerung
von dieser Maßnahme Vorteile genießt, so werden wir
unsere Ansicht revidieren. Sie brauchen uns sogar nur nachzuweisen,
daß durch Zollmaßnahmen die landwirtschaftliche Produktion
gehoben wird und wir sind bereit, über die Zölle zu
verhandeln. Und beweisen Sie schließlich, daß wenigstens
den kleinen Landwirten, welche wir ja bisher einzig und allein
vertreten haben, geholfen wird und daß die andere arbeitende
Bevölkerung keinen Nachteil haben wird, und wir sind bereit
für die Zölle zu stimmen. Aber nichts von alledem trifft
zu. Wahr ist und bleibt, daß gegenwärtig Getreidezölle
nicht zweckmäßig sind und daß deren Einführung
nur den großen Agrariern zugute kommt und daß nicht
einmal die Mittelbauern einen Nutzen davon haben. Wir stellen
den Zollfragen ich will ausdrücklich bemerken, daß
wir für den Freihandel sind - kein starres Nein entgegen,
aber die Zweckmäßigkeit muß erwiesen sein. Wir
geben ohne weiteres zu, daß sich die Landwirtschaft in einer
Krise befindet. Die Krisen scheinen leider in diesem Staate der
Normalzustand zu werden. Aber Zölle werden eine Krise nicht
beheben.
Die Verhältnisse in der industriellen
Bevölkerung sind jedoch noch viel trauriger, als die in der
Landwirtschaft. Ich bin selbst Landwirt und gebe es ohne weiteres
zu. Aber auch in der Landwirtschaft müssen diesbezüglich
Unterschiede gemacht werden. Denn hier werden hauptsächlich
die kleinen Landwirte betroffen. Die Großagrarier haben
immer mehrere Warengattungen zu verkaufen. Sie können mit
dem Verkaufe zuwarten, bis sie einen geeigneten Preis dafür
bekommen, sie haben einmal Rinder oder Schweine abzugeben, das
anderemal Getreide, die meisten haben Waldbesitz und können
Waldprodukte verkaufen. Sie sind auch zum großen Teil Industriebesitzer:
viele haben Ziegeleien, Steinbrüche, Sandgruben u. s. w.,
kurz die Großagrarier haben bis jetzt von einer Krise wenig
oder nichts verspürt, sie wollen vielmehr durch Einführung
der Zölle den Genuß einer höheren Profitrente
erlangen. Als Beweis der Notlage konstatieren sie eine beginnende
Verschuldung der Landwirtschaft. Ja, das trifft zu. Aber auch
hier sind es wieder zum allergrößten Teile die ganz
kleinen Landwirte, welche von ihrem kleinen Grundbesitz nicht
leben können und als Arbeiter in der Industrie keine Beschäftigung
finden, weil eben viele einen kleinen Grundbesitz haben und vom
Unternehmer entlassen werden. Ihre Wohngebäude sind seit
Ausbruch des Krieges nicht repariert worden und nun müssen
sie eine Hypothek aufnehmen, um einesteils die Familie zu ernähren
und andernteils um das reparaturbedürftige Anwesen instand
zu setzen sowie die rückständigen Steuern zu bezahlen.
Wenn also der landwirtschaftliche Besitz verschuldet ist, so kommt
da hauptsächlich der kleine Landwirt in Betracht. Als Beweis
hiefür dienen uns die Grundbücher. Ich habe mich der
Mühe unterzogen und in einigen Dörfern Untersuchungen
angestellt und habe gefunden, daß kein einziger Großbauer
verschuldet war, sondern ausschließlich Kleinlandwirte.
Großbauern und Großagrarier haben bis jetzt keine
Ursache, verschuldet zu sein, außer sie werden ausnahmsweise
von schweren Unglücksfällen betroffen.
Nun entsteht die Frage: Werden die Getreidezölle
die verschuldeten Kleinlandwirte entlasten? Wenn dem so wäre,
wären wir sofort bereit, denselben durch Zollmaßnahmen
zu helfen. Wir stellen jedoch ausdrücklich fest, daß
durch Zölle den kleinen Landwirten nicht geholfen werden
kann, weil sie das, was sie produzieren, selbst konsumieren, sie
haben also kein Interesse an der Erhöhung der Getreidepreise,
ja im Gegenteil, sie haben nur einen Nachteil davon. Die Hälfte
der Landwirte erzeugt nicht einmal soviel, als sie für ihren
Haushalt brauchen, und sie müssen daher noch zukaufen. Wenn
man z. B. eine Abstimmung unter den kleinen Landwirten vornehmen
würde, ob sie für oder gegen die Zölle sind, so
würden die Zölle bestimmt mit einer großen Mehrheit
abgelehnt werden. Wir haben in Böhmen laut Handbuch des Statistischen
Staatsamtes 1,483.042 Besitzfälle, davon sind 1,226.283 Besitzfälle
bis zu 5 ha und nur 256.000 Besitzer über 5 ha. Es gibt also
in Böhmen bloß 17% Landwirte, welche sich selbst versorgen.
Ähnlich wie in Böhmen sind die Verhältnisse in
Mähren, Schlesien und in der Slovakei. Aber auch Landwirte,
welche über 5 ha Boden haben und einen Teil ihrer Produkte
verkaufen können, haben keinen Nutzen von den höheren
Getreidepreisen, weil durch hohe Lebensmittelpreise sich alle
andern Haushaltungsartikel verteuern, und zwar so, daß die
Verteuerung der Haushaltungskosten viel höher ist, als der
Mehrerlös beim Verkauf der Produkte. Daß die Flachs-,
Wein- und Hopfenbauern kein Interesse an Getreidezöllen haben,
ist selbstverständlich. Von der Gesamtbevölkerung des
Staates haben also höchstens 8 bis 9% einen effektiven Nutzen
von den Zöllen.
Ein Argument, welches besonders von den Agrariern
für die Zölle und gegen die Einfuhr von Vieh ins Treffen
geführt wird, ist die Gefahr der Einschleppung der Maul-
und Klauenseuche. Sie vergessen dabei, daß diese Krankheit
im eigenen Lande fast nie erlischt. Das aber die Höhe der
Zölle und Einfuhrverbote desinfizierend auf die Viehseuche
wirken sollte, ist der heutigen Wissenschaft nicht bekannt. Das
bleibt den Herrn Agrariern vorbehalten. Wer die Rede des Herrn
Abg. Böhm gehört hat, wird zugeben, daß
dies seine Argumente waren. Nun es wird aber etwas anderes eintreten,
gerade die hohen Viehzölle werden in dieser Beziehung eine
ungünstige Wirkung ausüben, denn die Spannung der Preise
zwischen dem Ausland und dem Inland wird eine ziemlich hohe sein,
so daß ein Anlaß zum Schmuggel gegeben sein wird.
Der Schmuggel wird kaum zu verhindern sein. Geschmuggeltes Vieh
kann nicht kontrolliert werden und daher ist die Einschleppungsgefahr
der Maul- und Klauenseuche eine viel größere. Die Grenzbewohner
sind gegenwärtig in einer so schlechten materiellen Lage,
daß sie tatsächlich auf den Schmuggel angewiesen sind.
Not kennt kein Gebot. Die Kinder haben nicht genug zu essen, sie
haben kaum etwas zum Anziehen und können deswegen nicht einmal
in die Schule gehen. Die Klöppelindustrie in den Grenzgebieten
liegt vollständig darnieder, die Notlage ist groß.
Daher wird Viehschmuggel getrieben werden und es werden kaum solche
Maßnahmen getroffen werden können, um denselben hintanhalten
zu können. Ohne Übertreibung sage ich - und ich will
es nur in Erinnerung bringen - daß die Maul- und Klauenseuche
nicht nur ein trauriges Kapitel in der Tiergeschichte ist, sondern
schon einmal von weltgeschichtlicher tragischer Bedeutung geworden
ist. Österreich ist an der Maul- und Klauenseuchenpolitik
zugrunde gegangen. Durch die Maul- und Klauenseuche ist der Weltkrieg
vorbereitet worden, es ist das kein Witz, sondern blutiger Ernst.
Man möge nur die Ursache vom Anlaß unterscheiden. Denn
so oft den österreichischen oder ungarischen Großagrariern
das Fleisch, resp. die Rinder zu billig waren, wurde die Maul-
und Klauenseuche in Serbien für ausgebrochen erklärt.
So oft die Diplomatie am Ballplatz in Wien mit der serbischen
Politik nicht einverstanden war, wurde durch die damalige grausame
Veterinärpolizei die Maul- und Klauenseuche in Serbien als
ausgebrochen erklärt. Sogar geschlachtetes Vieh hat man an
der Grenze als seuchenverdächtig aufgehalten und solange
stehen lassen, bis es verdorben war, und hat es dann den serbischen
Bauern zur Verfügung gestellt. So hat man das serbische Volk
zur Verzweiflung gebracht, denn die Serben waren ein Bauernvolk
und mit ihrer Ausfuhr auf Österreich angewiesen. Durch ein
solches Vorgehen Österreichs ist bei der serbischen Bevölkerung
nicht nur Verarmung eingetreten, sondern es war auch der Grund
zu grenzenlosem Hasse. Und war diese politische Einstellung Österreichs
nicht die alleinige Ursache des Weltkrieges, so war sie doch mit
eine der größten Ursachen. Vielleicht ist es gerade
jetzt an der Zeit, an den Ausspruch des rücksichtslosesten
Egoisten, den je eine Geschichte aufzuweisen hatte und der noch
immer von den Agrariern als Parteiheiliger verehrt wird, zu erinnern,
an den ehemaligen Reichsritter Simitsch von Hohenblum, welcher
sagte: "Wir fürchten die serbischen Soldaten und Kanonen
weniger, als die serbischen Ochsen und Schweine." Wir wissen
nicht, wo die Herren Agrarier den Mut hernehmen, schon 8 Jahre
nach dem Weltkrieg wieder mit Methoden zu kommen, die der Menschheit
zum Verhängnis geworden sind. Man spekuliert leider mit zu
viel Erfolg auf die Vergeßlichkeit der Menschen. Heute sind
wir wieder an derselben Stelle angelangt, wo Österreich in
den Weltkrieg eingetreten ist. Es wird dieselbe verhängnisvolle
Zollpolitik getrieben, wie im ehemaligen Österreich-Ungarn.
Daß die Balkanstaaten mit zu den Verbündeten der Èechoslovakei
gehören, wird die èechischen Agrarier von ihrer rücksichtslosen
agrarkapitalistischen Politik nicht abhalten.
Wir haben bereits eine solche politische Zentralstelle,
wie sie das alte Österreich unter dem Vorsitze Hohenblums
in Wien hatte. Diese Stelle befindet sich in Prag in der Hybernergasse
und heißt "Zentro-Cooperative". In dieser Vereinigung
sind die Agrarier ohne Unterschied der Nation vertreten. Von dort
aus wurde auch die Regierung beauftragt, Zölle einzuführen.
Und über kurz oder lang wird auch die
Regierung den Auftrag erhalten, zu konstatieren, in welchen Grenzländern
die Maul- und Klauenseuche auszubrechen hat.
Als besonderes Argument für die Zölle
führen die Agrarier an, daß bei Nichteinführung
von Zöllen und niedrigeren Getreidepreisen kein Saatgut mehr
gezüchtet werden kann. Aber hier ist gerade das Gegenteil
der Fall, denn das Saatgut wird in der Regel um 30% höher
bezahlt, die Regie ist höchstens um 10% größer,
so daß ein 20%iger Nutzen bei der Saatgutzüchtung erwächst.
Natürlich war die Saatgutzüchtung bisher ein Monopol
der Großagrarier und diese haben daraus bis jetzt großen
Nutzen gezogen.
Ein weiteres Argument hat Herr Meissner in
seinem Vortrag beim höheren agrarpolitischen und Genossenschaftslehrgang
an der Bauernvolkshochschule in Bad Ullersdorf im Jänner
1926 vorgebracht, daß nur dann, wenn Zölle eingeführt
werden und das Zuchtvieh hoch im Preise steht, edle Rassen gezüchtet
werden können. Er sagte wörtlich: "Ähnlich
würde sich die Entwicklung für den Kleinlandwirt gestalten,
wenn durch Verweigerung von Viehzöllen ein Rückgang
der heimischen Viehzucht herbeigeführt würde. Bei den
viehzüchtenden Bauern und Großgrundbesitzern würde
die Qualität des Zuchtmaterials immer mehr zurückgehen."
Das stimmt durchaus nicht. Ein Beweis dafür, daß wir
mit unserer Viehzucht nach dem Kriege und ohne Zölle auf
fast derselben Höhe sind und nicht viel in Bezug auf Rasse
und Qualität nachstehen, also in der Zeit, wo wir keine oder
nur mäßige Zollsätze für Vieh hatten, hat
sich die Viehzucht außerordentlich entwickelt.
Interessant ist es zu konstatieren, gegen welche
Länder sich die Zölle richten werden. Wir sehen da,
daß die Èechen gegen ihre Verbündeten,
die slavischen Brüder, die Polen und Jugoslaven auftreten
und wir sehen, daß unsere Deutschen gegen Deutschland und
die deutsche Schweiz auftreten. Da kennen die Herren Agrarier
weder einen deutschen, noch einen èechischen
Verbündeten, denn aus Deutschland und der Schweiz werden
bedeutende Mengen Zuchtvieh eingeführt. Daß es den
Agrariern nicht ernst ist mit der Behauptung, daß ein Mangel
an Zuchtvieh eintreten wird und daß dies nur ein Vorwand
für ihre egoistischen Interessen ist, beweist, daß
sie auch auf Zuchtvieh einen Zoll verlangen.
Daß nicht alle landwirtschaftlichen Betriebe
auf der Höhe sind, will ich ja zugeben. (Posl. Schweichhart:
Das geben ja auch die Agrarier selbst zu!) Ja wohl, Besonders
die durch die Bodenreform entstandenen neuen Besitzer mit größerem
Bodenausmaß. Widersinnig und falsch ist es, wenn man erzählt,
daß in den Ländern mit Agrarzöllen eine höhere
Produktion erzielt wird. Die Zölle sind für die Produktion
vollständig irrelevant und haben keinen Einfluß auf
die Produktion. In erster Linie kommt es bei der Produktionsmöglichkeit
auf das Klima, auf die Niederschlagsmenge, auf die Höhenlage
und insbesondere auf die Bonität des Bodens sowie auf die
intensive Bewirtschaftung desselben überhaupt an. Nun kann
aber konstatiert werden, daß in jenen Ländern, wo Zölle
eingeführt sind, der Weizenertrag pro Hektar Jahresdurchschnitt
in Deutschland 18.44, in Österreich 11.97, in Frankreich
10.55, in Italien 8.63 beträgt. In den Ländern ohne
Zoll dagegen, in England 21.58, in den Niederlanden 21.06, in
Belgien 22.33 und in Dänemark 29.56 Meterzentner betrug.
Daraus ist zu ersehen, daß Zollmaßnahmen auf die Produktion
entweder keinen oder nur einen ungünstigen Einfluß
haben können.
Um eine Besserstellung der Landwirtschaft zu
erreichen, ist es notwendig, die intensivste Produktionsweise
einzuführen. Aber gerade hier empfiehlt ein Teil der Großagrarier
die extensive Bewirtschaftung. Es wurde sogar von führenden
Agrariern, natürlich von den allerrückständigsten,
empfohlen, nur so viel Getreide zu bauen, als jeder landwirtschaftliche
Haushalt bedarf. Extensive Wirtschaft kann man in dünnbevölkerten
Staaten, wo Ackerboden im Uebermaß vorhanden ist, vielleicht
betreiben, - ich sage vielleicht - zumindest aber nicht in Europa.
Extensive Wirtschaft bringt jeden Landwirt an den Bettelstab und
je kleiner der Betrieb, desto früher. Wenn die Agrarier einmal
sagen, daß jene Staaten, die extensive Wirtschaft betreiben,
die gefährlichen Konkurrenten sind, weil sie billiger erzeugen,
das anderemal aber Abgeordneter Böhm bestätigt,
daß jene Staaten, die eine intensive Wirtschaftsweise haben,
wie Dänemark, die eigentlichen Konkurrenten sind, so widersprechen
sie sich doch. Wir sind selbstverständlich für eine
intensive Wirtschaft und Sie sehen, daß Dänemark nach
dem Kriege nach ganz Europa Lebensmittel exportiert hat. Das ist
ausschließlich darauf zurückzuführen, daß
es eine intensive Wirtschaft hatte. (Posl. Schweichhart: Weil
es eine glänzende Organisation hatte!) Ja.
In erster Linie wäre eigentlich der Staat
berufen, die intensive Wirtschaft zu fördern. Hier können
wir nach weisen, daß der Staat sehr viel vernachlässigt
hat. Der Staat behauptet, er habe nicht genügende Mittel,
wir wissen aber, daß der Staat oft Auslagen macht, die nicht
produktiv angelegt sind, daß man z. B. bei der Bodenreform
Hunderte von Millionen hinausgeworfen hat und nicht nur nicht
produktive, sondern im Gegenteil, die Produktion schädigende
Ausgaben, wie z. B. für den Militarismus, gemacht hat. Aber
wenn dem schon so ist, so könnte man doch wenigstens mit
den vorhandenen Mitteln die Landwirtschaft fördern und eine
intensive Produktionswirtschaft einführen. Aber auch das
geschieht nicht. Dem Landwirtschaftsministerium steht ein Betrag
von rund 1/4 Milliarde zur Verfügung. Ein planmäßiges
Arbeiten mit diesen Mitteln könnte die Landwirtschaft auf
eine bedeutende Stufe bringen, aber gerade jene Zuwendungen, die
zur Förderung der Landwirtschaft dienen sollen, sind lächerlich
gering. So hat der deutsche Landeskulturrat zur Förderung
des Maschinenwesens und für die Subventionieiung bei Anschaffung
landwirtschaftlicher Geräte inklusive der Elektromotoren
90.000 Kronen zur Verfügung. Wenn man mit ausländischen
landwirtschaftlichen Fachleuten zusammenkommt, so muß
man sich tatsächlich schämen, einen solchen Betrag zu
nennen. Es entfällt nämlich auf einen deutschen landwirtschaftlichen
Betrieb beiläufig ein Betrag von 20 Hellern. Daß bei
der Subventionierung der èechischen Landwirtschaft mit
einer anderen Elle gemessen wird, ist
so selbstverständlich, daß man sich darüber eigentlich
nicht mehr zu wundern braucht. Denn leider steht auch das Landwirtschaftsministerium
auf dem Standpunkt einer wirtschaftlichen Stärkung der èechischen
Nation und überall und mit allen Mitteln
Schwächung der Deutschen unter allen Umständen.
Es wird jährlich ein größerer
Betrag für Meliorationen ausgegeben, aber ein Fortschritt
ist diesbezüglich nicht zu verzeichnen. Die Ausarbeitung
eines Planes für Meliorationen ist nur mit Schwierigkeiten
zu bekommen. Den größten Teil der Gelder für Kleinmeliorationen
verschlingen die Kommissionen. Und was könnte in dieser Hinsicht
geleistet werden! Die Èechoslovakei hat die herrlichsten
Bedingungen für die Entwicklung der Landwirtschaft. Bei einer
planmäßigen Förderung und Bewirtschaftung könnte
ohne Schwierigkeiten die Produktion um 20% gesteigert werden.
Aber es scheint, daß die Herren Großagrarier eine
intensive Bewirtschaftung eigentlich nicht wollen. Deutschland
hat sich vor dem Kriege bis auf 5% mit Fleisch selbst versorgt.
Der Verbrauch betrug per Kopf 52 kg im Jahre. Die Viehzucht stand
also in Deutschland auf einer besonderen Höhe. Man zählte
im Jahre 1913 20.4 Millionen Rinder und 25 Millionen Schweine.
Die Einwohnerzahl betrug 62 Millionen. Diese landwirtschaftliche
Leistung ist einfach zu bewundern. Erreicht wurde dieses Resultat
durch Einfuhr billiger Futtermittel. Eingeführt wurden in
demselben Jahre 3 Millionen Tonnen russische Gerste, eine Million
Tonnen amerikanischen Mais und eine Million Tonnen Fisch- und
Fleischmehl. Während des Krieges ist natürlich die Viehzucht
zurückgegangen, dürfte aber in absehbarer Zeit wieder
auf der vollen Höhe sein. Das Hauptaugenmerk richtet Deutschland
auf die Einführung billiger Kraftfuttermittel. Bei uns wird
man trotz allen Widersinnes landwirtschaftliche Zölle auf
Futtermittel einführen. Dadurch werden naturgemäß
auch diese bedeutend im Preise steigen und die Viehzucht kommt
in eine schwierige Situation. Hauptsächlich leiden die kleinen
Landwirte darunter, der Großgrundbesitzer hat in vielen
Fällen noch Futtermittel abzuverkaufen. Die Agrarier behaupten
aber, daß sie die Zölle wegen der Kleinen verlangen.
Wenn man nun einen Agrarier in der Getreidegegend fragt, worin
der Nutzen der Zölle für den kleinen Landwirt besteht,
so sagt er: Nun, im Getreidegebiet weniger, aber die Viehzüchter
haben den Nutzen. Im Viehzuchtgebiet erklärt man wieder:
Ja, hier nicht, aber die Tausende kleinen Getreidebauern haben
den Nutzen.
Wir haben eine Zuschrift von einem Kleinlandwirt
erhalten, der die Notlage eines solchen Kleinbauern schildert.
Ich möchte diese Zuschrift kurz verlesen, damit Sie sehen,
wie Kleinlandwirte über die Zölle denken. Er schreibt:
"Ich bebaue 110 Ar Grund, halte eine Kuh und habe drei Köpfe
zu versorgen. An Schlachtvieh habe ich nie etwas zu verkaufen,
denn wenn die eine Kuh einmal zur Zucht unbrauchbar wird und geschlachtet
werden muß, muß ich wieder eine andere Zuchtkuh kaufen.
Je höher die Viehpreise, desto mehr muß ich darauf
zahlen, so daß mich der Viehzoll, der das Tier verteuert,
sehr schädigt. Für die Butter, die mir von einer mittelguten
Kuh außer dem Verbrauch dreier Familienangehöriger
noch zum Verkaufe übrig bleibt, erzielte ich im letzten Jahre
2040 Kronen. Wären 5 oder 6 Köpfe vorhanden, fiele auch
der Butterverkauf gänzlich weg, so daß auch hier der
Zoll nur sehr wenig oder gar nichts einbringt. Ich muß jährlich
mindestens 8 bis 9 Metzen Kleie als Kraftfutter zukaufen. Nach
Inkrafttreten der Zölle wird der Metzen um 10 bis 15 Kronen
teurer sein, was mir einen Schaden von 90 bis 130 Kronen jährlich
verursachen wird. Die etwa 80 kg Fleisch, die ich im Jahre kaufe,
werden mir durch den geplanten Zoll um ungefähr 160 Kronen
verteuert werden. Da ich weiter das ganze Kragtfutter, wie Mais,
Schrot, Futtermehl und Gerstenschrot kaufen muß, wird mir
durch die Getreidezölle nun auch das Halten von Schweinen
fast unmöglich. An Roggen- und Weizenmehl brauche ich für
meine dreiköpfige Familie 400 kg im Jahre, wovon ich 130
kg selbst baue. Beim Kauf der restlichen 270 kg würde mir
durch den geplanten Zoll eine weitere große Mehrausgabe
aufgebürdet. Wir, die wir im Randgebiet meistens auf Viehhaltung
und auf Milch- und Buttererzeugung eingerichtet sind, die wir
für die Familie viel Getreide und Mehl, für das Vieh
viel Kraftfutter zukaufen müssen, bekämen durch die
geplanten Zölle große Mehrausgaben, die die Lebenslage
der kleinen Landwirte sehr erschweren. Das gilt auch für
jene Kleinlandwirte mit drei bis vier Hektar Grund und zwei bis
drei Kühen. Auch sie hätten von den hohen Zöllen
keinen Nutzen, da auch sie weniger zu verkaufen haben, aber viel
Kraftfutter zukaufen müssen.
Wir haben daher, um die Viehzucht nicht zu
gefährden, einen Antrag auf freie Einfuhr von Futtermitteln
eingebracht, insbesondere Futtergetreide und Mais. Jeder praktische
Landwirt erkennt die Vorteile hievon. Nicht nur daß wir
uns dadurch mit Vieh und Fleisch selbst versorgen können,
sondern durch die höhere Viehzahl und bessere Fütterung
ist die Dungmöglichkeit eine viel bessere und es kann daher
auch der Getreidebau auf die höchstmögliche Stufe gebracht
werden. Wir schlagen weiter vor, in jedem Bezirke eine Beispielswirtschaft
zu errichten, nämlich eine bereits bestehende kleine Landwirtschaft
in eine solche umzuwandeln. Die Kosten sind nicht hoch und der
Nutzen, den sie der Landwirtschaft bringen, ist von größter
Bedeutung. Man möge also nicht auf der unrechten Seite sparen.
Wir kleinen Landwirte verlangen weiters, daß wir im Landeskulturrate
und allen landwirtschaftlichen Körperschaften eine unserer
Zahl nach uns gebührende Vertretung bekommen. Durch den Einfluß
der Agrarier wurde dies bisher verhindert. Wir verlangen, daß
endlich die Landwirtschaftsgenossenschaften und Landwirtschaftskammern
ins Leben gerufen werden. Die diesbezüglichen Gesetzesvorlagen,
welche bisher vom Landwirtschaftsministerium ausgearbeitet wurden,
sind reaktionär und unzulänglich. Es sind nicht weniger
als 3 Wählerkurien im letzten Entwurfe vorgesehen. Im vorhinein
wird den Großagrariern die Majorität gesichert. Wenn
die letzte Vorlage zum Gesetz erhoben wird, so wird beiläufig
Folgendes eintreten: 1500 Kleinbesitzer werden 20 Vertreter wählen,
200 Mittelbesitzer werden ebenfalls 20 Vertreter wählen und
5 Großgrundbesitzer gleichfalls 20 Vertreter. Also im vorhinein
werden die Kleinen schon ausgeschaltet. Ein solches Gesetz wäre
im alten Österreich kaum möglich gewesen.
Ich will nur noch auf etwas hinweisen. Von
den Agrariern wurde immer gesagt, daß die landwirtschaftlichen
Genossenschaften gefördert werden müssen. Aber ich sage
Ihnen, daß die Agrarier nicht einmal wollen, daß die
kleinen Landwirte in die Genossenschaften eintreten. Nachstehendes
Beispiel soll es beweisen: Es wurde in Westböhmen eine Weidegenossenschaft
gegründet und die Anteile wurden auf 200 Kronen festgesetzt.
Wir wollten uns beteiligen. Aber als die Agrarier sahen, daß
wir uns dieser Weidegenossenschaft anschließen wollen, haben
sie die Anteile auf 1000 Kronen erhöht. Sie sehen, daß
sie uns nicht einmal in den Genossenschaften haben wollen. Das
letzte Mittel, womit besonders die deutschen Agrarier begründen
und beweisen wollen, mit welchem Recht und aus welchen Ursachen
sie für die Zölle eintreten, ist angeblich das nationale
Moment. Aber auch dieser Trost bleibt ihnen nicht. Ich bin überzeugt:
wenn die Regierung, wenn die bisherigen Mehrheitsparteien wüßten,
und wenn es Tatsache wäre, daß der deutschen Landwirtschaft
durch Zölle geholfen werden solle, so würde die Zollvorlage
heute noch zum Scheitern gebracht werden. Aber es ist etwas anderes:
man will die Früchte der Bodenreform erhalten, die neuen
èechischen Edelinge schützen, und aus diesem Grunde
ist es notwendig, die Zölle einzuführen. Hat doch Herr
Hodža, bevor er als Minister gegangen
ist, in einer Versammlung erklärt, daß in der Landwirtschaft
eine Krise herrscht, insbesondere seien es die neuen Besitzer,
welche von dieser Krise betroffen werden. Man hat die Absicht,
hier in diesem Staate 2000 neue Adelige zu schaffen, 1200 sind
schon ernannt worden. Man hat diesen neuen Großgrundbesitzern
Grund und Boden fast umsonst gegeben. Man hat ihnen Gelder zu
einem niedrigen Zinsfuß gegeben und wir sind überzeugt,
daß sie diese geborgten Gelder kaum zurückzahlen werden.
Aber jetzt soll weiter gewirtschaftet werden und nun brauchen
sie die Zölle. Ich weiß nicht, wie die neuen Adeligen
in den Rahmen der Republik passen. Sie werden nicht das erfüllen,
was sich die Gründer der Republik vorgestellt haben, denn
dieser neue Adel ist gegenwärtig schon dem Faszismus ergeben.
Es wird das Gegenteil eintreten von dem, was man sich vorgestellt
hat. Ich kann mir nicht vorstellen, daß unsere Bruderparteien
im èechischen Lager sich auf solche Adelsgründungen
eingelassen haben. Wenn aber die Herren Agrarier erklären,
daß sie die Vertreter der kleinen Landwirte sind,
so muß ich sagen, daß dies eine Ironie und Heuchelei
ist. Wir können uns noch erinnern, welchem Terror und welcher
Unterdrückung die kleinen Landwirte ausgesetzt waren und
dort, wo Sie Einfluß hatten, heute noch viel zu leiden haben.
Viel ist vom Steuerwesen gesagt worden es haben
die Agrarier in ihren Körperschaften dazu beigetragen, daß
die kleinen Landwirte mit Steuern höher belastet wurden als
sie selbst. Bei den Steueradministrationen haben die Agrarier
erklärt, daß die kleinen Landwirte eine viel höhere
Produktion auf ihrem Boden haben und infolgedessen auch eine höhere
Steuerlast tragen können. In manchen Steueradministrationen
wurden wir um 2/3 höher eingeschätzt. Die Agrarier haben
sich immer als die Gegner der Kleinlandwirte gezeigt, daher habe
ich vom Zentralverband der deutschen Kleinbauern und Häusler
den Auftrag erhalten, gegen die Zölle zu stimmen und ich
werde diesem Auftrag mit Freude nachkommen. (Potlesk
nìm. soc. demokratických poslancù.)