Wir müssen noch etwas anderes untersuchen!
Wer sind denn auf èechischer Seite die treibenden Elemente
der jetzigen Zollvorlage? Da hat jetzt vor einigen Augenblicken
der Repräsentant eines ganz bestimmten Systems dieses Staates
gesprochen, der Herr Dr. Viškovský.
Diese Herren von den èechischen Agrariern,
die Kramáøleute, die èechischen
Klerikalen, haben in Gemeinsamkeit mit den sozialistischen Parteien,
denen jetzt das Grausen angeht, den Staatsaparat die ganzen Jahre
hindurch in der Hand gehabt, und was haben sie für Politik
betrieben? Eine Wirtschaftspolitik, deren Ergebnis
heute ist: Der Landwirtschaft muß geholfen werden! Das ist
das Ergebnis. Was haben diese Herren und ihre Parteien betrieben?
Sie haben eine Bodenreform durchgeführt, die dem Namen Spott
und Schande anhaften läßt, die den Namen mißbraucht
zu einer nicht nur chauvinistischen, sondern auch sozial außerordentlich
bedenklichen Art der Durchführung dieses Gesetzes. Sie haben
Schiebungen über Schiebungen durchgeführt, eine Miliardenschiebung
nach der anderen, gerade unter der Ägide des Herrn Viškovský.
Tausende Existenzen sind auf dem Wege dieser Bodenreform liegen
geblieben, sind ruiniert worden. Wir haben keine Landwirte und
Pächter bei uns im deutschen Randgebiet, die 15, 20 und 25
Jahre, also beinahe die Ersitzungszeit nach dem bürgerlichen
Gesetzbuch, auf dem gepachteten Grund zugebracht haben, solche
Leute sind von der Heimatscholle vertrieben worden, ich verweise
auf die geradezu eine Revolution hervorrufende Vertreibung der
deutschen Pächter aus dem Wegstädtler und Leitmeritzer
Bezirk, wo man die Leute aus ihrem langjährigen gepachteten
Sitzen davongejagt hat. Wer anders war es, als jene Herren, die
heute der Landwirtschaft helfen wollen? War denn das nicht auch
Landwirtschaft, die man hier entwurzelt hat? Haben diese Landwirte
und Bauern nicht das Höchste aus dem Boden erwirtschaftet,
sowohl im Getreidebau wie in der Viehzucht? War das keine Landwirtschaft?
Wo war denn damals die Landwirtfreundlichkeit dieser Herren, die
ja heute noch die brutale Vertreibung des Kleinbauern, des Pächters
betreiben? Wo waren die Herren von der andern Seite, als man den
kleinen und mittleren Landwirten und der landwirtschaftlichen
Arbeiterschaft das Versprechen gegeben hat: Ihr werdet Anteil
bekommen an den Großgrundbesitzen, die Euch einmal geraubt
worden sind? Durch solche schöne Redensarten hat man diese
Kreise in ihrer sozialen Not noch weiter aufgestachelt, indem
man in ihnen die Hoffnung wachrief, daß ihnen ein Teil des
Unrechtes der Bodenreform zukommen werde. Was ist geschehen? Wo
ist in diesem Hause der Mann, der aufstehen könnte, der mir
den deutschen Bauer, den deutschen landwirtschaftlichen Arbeiter
nennen könnte, dem Grund zugeteilt worden wäre? (Posl.
Patzel: Und die Gemeinden!) Jawohl, und die Gemeinde, die
doch selbst im Gesetze als erste berufen ist, bei der Verteilung
des Bodens berücksichtigt zu werden! Wo ist die deutsche
Gemeinde, frage ich, die in einem ausreichenden Maße von
der Bodenreform Gewinn erlangt hätte? (Posl. inž.
Jung: Selbst wenn es protokollarisch festgelegt war, wie beim
Fürstenhof in Troppau, selbst dann bekommen es die Protektionskinder!)
Und gerade diese Protektionskinder kommen jetzt her, dieser
neue Landadel, diese von den èechischen Mehrheitsparteien
geschaffenen Schieber und Kriegsgewinner und Glücksritter,
die kommen jetzt her und sind die wichtigste Ursache, warum die
Zölle eingeführt werden müssen. Und ich erinnere
daran, was uns durch die Interpellation der èechischen
Sozialdemokraten bestätigt wurde, daß
man landwirtschaftliche Besitzungen um den Preis von drei Ämtern
verkauft hat! Ich könnte Beispiele nennen, wo man landwirtschaftlichen
Großgrundbesitz, wie z. B. den Besitz Hauska, mit 2 Millionen
besteuert hat und um 1 Million dem Herrn Anwärter des Bodenamtes,
dem Protektionskind zugewiesen hat, (Posl. Patzel: Dem Herrn
Präsidenten der Škodawerke!)... ja wohl, der ohnehin
schon Großgrundbesitzer par excellence ist. Meine Herren,
mit dem Schutze der Landwirtschaft kommen jetzt dieselben Herren,
die Steuern auf Steuern beschlossen haben, vor denen wir nicht
nur aus oppositionellen Gründen, sondern mit Rücksicht
auf unsere eigenen Steuerträger gewarnt haben, weil sie diese
Steuerträger überlastet haben, weil sie sie ruiniert
haben. Ein wahnwitziger Militarismus hat derartige Ausgaben uns
aufgehalst, daß die Hälfte aller Schulden für
diesen Militarismus gemacht wurde. 18 Milliarden haben wir in
den letzten sieben Jahren für Militär ausgegeben, 18
Milliarden von 38 Milliarden Staatsschulden. Meine Herren, da
mußte natürlich die Vermögensabgabe kommen, da
mußten die Steuern ins Ungemessene erhöht werden, da
mußte eine Last nach der andern der Bevölkerung aufgewälzt
werden!
Und wie war es denn bei der Einlösung
der Kriegsanleihe? Saßen da nicht die erbittertsten Gegner
einer gerechten Lösung dieser Frage, saßen da nicht
gerade jene, die unsere Kriegsanleihe besitzende Landwirtschaft,
die unseren Gewerbestand und Mittelstand und große Teile
der Arbeiterschaft eben wegen der Kriegsanleihe noch vor wenigen
Tagen gehöhnt und gefrotzelt, saßen die nicht gerade
auf jenen Bänken dort drüben, die heute die Freunde
der Landwirtschaft sind, die den Landwirt retten müssen,
nachdem sie ihm einen Fußtritt nach dem andern erteilt haben,
die ihn zum Tragtier des Landes gemacht haben, die dem kleinen
Landwirt und dem mittleren Landwirt das Fell über die Ohren
gezogen haben? Jetzt kommen sie her und posieren auf einmal die
Steuerfeinde und die Freunde der Landwirtschaft! Jetzt wollen
sie helfen! Und dabei, ich wiederhole es, nicht eine einzige wirklich
unangreifbare Statistik, nicht ein wirklicher Fachmann, der uns
die Wirkungen des Zollschutzes dargelegt hätte!
Aber diese Vorlage bringt außer den Zöllen
noch eine Reihe anderer Bestimmungen, vor allem die zwei Ermächtigungen
zum Art. 5 und Art. 8. Der Herr Finanzminister Engliš
hat den finanziellen Effekt der Vorlage mit ungefähr 500
Millionen Kronen eingeschätzt. Meine Herren, wem sollen wir
diese 500 Millionen bewilligen, wem? Sollen wir sie einer Regierung
Èerný bewilligen,
die für uns ein Anonymus ist, hinter dem morgen wieder die
Koalition frohe Urständ feiern kann? Wir sollen 500 Millionen
Steuerreffekt für diese Regierung bewilligen, wir sollen
ihr die Ermächtigung erteilen, dieses Zollgesetz bei den
Verhandlungen mit anderen Staaten schrankenlos anwenden zu können,
denn es ist eine schrankenlose Anwendung dieser Ermächtigung.
Artikel 8 bestimmt, daß, wenn die Einfuhr
aus einem Staate durch Gewährung von Ausfuhr- oder anderen
Vorteilen, durch Einführung einer längeren Arbeitszeit
oder anderer ungünstiger sozialer Arbeitsbedingungen, oder
durch Entwertung der Valuta die einheimische Produktion mit außerordentlicher
Konkurrenz bedroht, die Regierung zum Schutze der heimischen Produktion
Maßnahmen treffen kann, insbesondere durch Festsetzung besonderer
Zölle oder besonderer Zollzuschläge oder durch Einschränkung
der Einfuhr. Ja, meine Herren, was wollen Sie denn noch? Das ist
ein plein pouvoir. Die Herren können ja machen, was sie wollen.
Der Zollsatz ist für sie nichts anderes als ein Aushängeschild,
um diesen Art. 8 bewilligt zu bekommen, mit dem sie alles machen
können, was sie eben durchzusetzen für notwendig halten.
Wir wissen, daß die Landwirtschaft, die
heute nach Zöllen ruft, schwer zu kämpfen hat, wir wissen,
daß insbesondere die kleinen Landwirte schwer arbeiten und
unter den gegenwärtigen Zuständen schwer ringen müssen,
aber wir zweifeln daran, ja wir bestreiten es, daß das der
richtige Weg für die Zukunft ist. Wollen wir eine Entlastung
der Landwirtschaft von ihren übermäßigen Lasten,
wohlan, dann treten wir ein für eine Verminderung des Steuerdruckes,
dann bestehen wir darauf, daß die Umsatzsteuer wenigstens
beim Urproduzenten und beim Landwirt ermäßigt oder
beseitigt wird, dann treten wir ein für eine mustergiltige
Förderung der landwirtschaftlichen Genossenschaftsinstitute
und Organisationen, insbesondere zu dem Zwecke, damit der Zwischenhandel,
der vom Dr. Meissner ganz richtig als wucherischer Zwischenhandel
gekennzeichnet wird, beseitigt wird. Ich habe vor mir den Bericht
der Prager Produktenbörse vom 25. Mai dieses Jahres. In diesem
Originalberichte heißt es: "Die rege Kauflust für.
Mahlgetreide, die sich in der letzten Zeit entwickelte, hat heute
weitere Fortschritte gemacht. Die Beteiligung der Mühlen
war sehr lebhaft und es wurden heute recht ansehnliche Umsätze
erzielt, wobei Weizen 4 bis 5 Kronen, Roggen 3 Kronen gegen Schluß
der Vorwoche mehr erzielte. Offerte von slovakischen Neuweizen
lagen heute vor, sie fanden aber wenig Beachtung, da sie zu hoch
waren. Die Abgeber rechnen mit baldigem Inkrafttreten der Getreide-
und Mehlzölle und stellen dementsprechend ihre Forderungen."
Ja, meine sehr Verehrten, das waren nicht slovakische Bauern,
die die Spekulation schon jetzt betreiben, sondern das sind jene
Spekulanten, ohne deren entscheidende Beseitigung, sage ich, niemals
zwischen Land und Stadt eine wirkliche Versöhnung stattfinden
kann. (Výkøiky: Das ist die Aufgabe der
Konsumenten!) Das ist nicht die Aufgabe
der Konsumenten, auch die Industrie schafft sich ihre Absatzorganisationen
selbst, und auch die Landwirtschaft muß sie erst schaffen.
Das wäre eine für die ganze Volkswirtschaft wohltuende
Aufgabe, deren Lösung für die Landwirtschaft ein großes
Ruhmesblatt bedeuten würde.
Wir verweisen weiters noch darauf - ich habe
im Budgetausschuß, ohne daß ich noch Kenntnis hatte
von der Rede des Herrn Oberrat Meissner, dieselben Gedankengänge
ausgeführt. Er sagt auf Seite 26 seiner Broschüre, die
jüngst erschienen ist, Folgendes: "Am ärgsten aber,
fürchte ich" - das sagt Ihr wichtigster Fachmann auf
dem Gebiete - "werden die Enttäuschungen sein, welche
der Roggenzoll unseren Gebirgslandwirten bereiten wird. Es mag
sein, daß unmittelbar nach Einführung eines höheren
Roggenzolls unter Einfluß der Spekulation gerade beim Roggen
eine teilweise Preisbesserung eintreten wird, aber halten wird
sie sich auf die Dauer kaum." Und jetzt komme ich zur wichtigsten
Tatsache. Was Herr Oberrat Meissner vom Roggen sagt, das wird
in allen Fällen zutreffen. Der Zoll wird sich auswirken,
ja die Landwirtschaft wird eine Erhöhung ihres Ertrages haben,
heuer im Herbst. Aber wir werden uns im nächsten Jahre wieder
sehen und wir werden im nächsten Jahre, wenn die Folgen der
Zollerhöhung kommen werden, wenn die Arbeiterschaft, getrieben
durch eine niedrige Entlohnung, ebenso wie die Beamten und Angestellten,
neue Lohnforderungen stellen und durchsetzen wird, wenn wir eine
Verteuerung aller wichtigsten Industrie- und Bedarfsgegenstände
haben werden, dann wird die Landwirtschaft über Jahr und
Tag dastehen und wird den Ertrag ihrer Zölle in der Verteuerung
der gesamten Wirtschaft wieder versinken sehen. Und deshalb sagen
wir, wir halten diesen Weg nicht für den richtigen, auf diese
Weise der Landwirtschaft Hilfe angedeihen zu lassen. Wir werden
daher im Interesse der Arbeiterschaft, im Interesse des Mittelstandes,
im Interesse der Beamtenschaft, im Interesse aber auch der kleinen
Landwirte, die nicht in den Ertrag der Zölle gelangen werden,
im Interesse unserer Volkswirtschaft gegen die Gesetzvorlage Mašata
stimmen. (Souhlas a potlesk na levici.)
Hohes Haus! Es ist für mich ziemlich betrübend,
unter welchen Umständen ich hier im Namen des Bundes der
Landwirte für die vorliegende Zollvorlage sprechen muß,
weil ich zumindest gehofft hätte, daß diese so hoch
wirtschaftliche Frage, diese so wichtige Frage mit jener klaren
Nüchternheit und leidenschaftslosen Ruhe wäre behandelt
worden, die ich gewünscht und die sie auch verdient hätte.
Was wir aber heute hier bis jetzt erlebt haben, zum Teil auch
schon während der Beratungen in den Ausschüssen, ist
alles gewesen, nur keine sachliche Argumentation, ja, beinahe
könnte man behaupten: nachdem sachliche Argumente nicht hier
sind, hat der Terror eingesetzt, um die Argumentlosigkeit zu verdecken.
Wenn ich hier nun als Vertreter des Bundes der Landwirte spreche,
der fast nur aus Klein- und Mittelbauern besteht, und das Eintreten
für die Zollvorlage begründe, weiß ich ganz genau,
was ich tue, weil ich selbst diesem Stande angehöre und selbst
heute noch alle die Lasten und Leiden dieses Standes zu tragen
habe, so wie ich sie auch in früheren Jahren bei diesem Berufe
getragen habe. Die Gegner sehen in der Zollvorlage, die wir vertreten,
immer nur das reine Gewinnsystem, doch ich sage Ihnen ehrlich:
Aus uns spricht nicht das Gewinnsystem allein, sondern die primäre
Forderung, die wir mit der Bewilligung dieses landwirtschaftlichen
Zollschutzes aufstellen, ist die Forderung nach Gleichberechtigung.
(Souhlas.) Sind den wir deklassierte Staatsbürger,
daß die Konsumentenkreise sich seit Jahrzehnten erlauben
können, für die Industrie Zölle zu bestimmen, die
ins Unermessliche gehen, und die Landwirtschaft schutzlos zu lassen?
Wir haben dasselbe Recht im Leben wie die andern, und ich möchte
sagen, wir haben dieses Recht zu leben, eher als die andern, weil
wir das primäre Element im Leben des Volkes sind. Wir waren
vor der Industrie und wir werden nach ihr sein. Denn sonst hört
das Leben des Volkes überhaupt auf. Diese primäre Forderung
geht nach Gleichberechtigung, uns liegt hier wenig an der Höhe
der Zollsätze, wir würden zufrieden sein, wenn die überhohen
Zollsätze auf die Industrieartikel abgebaut würden,
um uns unsere Lebenshaltung etwas zu verbilligen. (Souhlas.)
Leider Gottes habe ich bis jetzt aus den Konsumentenkreisen
kein Stimme gehört, die sich für den Abbau der übermäßigen
Industriezölle eingesetzt hätte. (Posl. Patzel: Das
stimmt nicht, Herr Kollege!) Bitte, Wer hat sich eingesetzt?
Ich rede von den Konsumentenkreisen! Die haben Industriellzölle
eingeführt und die Agrarzölle verneint. Ob sie damit
volkswirtschaftlich richtig gehandelt haben, ist eine zweite Frage.
Jedenfalls haben die Herren schon ihren Karl Marx vergessen, seine
große Rede, die er im Jahre 1849 in Brüssel über
den Freihandel gehalten hat. Denn aus dieser Rede dieses jedenfalls
gescheiten Menschen hätten Sie entnommen, daß er damals
den englischen Freihandel resp. die Antikornliga schon entsprechend
glossiert hat, indem er sagte: "Ja, die Landwirtschaft werdet
Ihr ruinieren, aber Ihr werdet nicht andere Länder zwingen
können, Euch Eure Fabrikate abzukaufen." Dasselbe Elend
sehen wir jetzt hier in unserem Staate, daß hier wohl die
Landwirtschaft ruiniert wird, daß aber kein Mittel da ist,
um den Export unserer Industrieprodukte zu heben. (Výkøiky:
Sehr richtig! Karl Marx hat recht!) Er
sagt noch ganz anderes, ich komme noch darauf zurück. Sie
sehen, ob heute Schutzzoll oder Freihandel berechtigt ist, ist
eine Sache für sich, aber die Tatsache, daß kein landwirtschaftlicher
Schutzzoll bestehen soll, wohl aber Industriezölle, die fordert
uns zum Kampf heraus, und diesen Kampf werden wir kämpfen,
ob er lange oder kurz dauert, ob er noch so lange dauert, so lange,
als wir arbeiten können und hart arbeiten müssen. Wir
haben das Recht auf Gleichberechtigung und werden es uns auch
von den Konsumentenkreisen nicht nehmen lassen. Wir fühlen
mit den Konsumentenkreisen, aber wir sind auch Konsumenten für
Bedarfs- und Industrieartikel. Und wenn die anderen Kreise kein
Herz und kein Gefühl für uns übrig haben - mein
Gott! Nach jahrzehntenlangem Schaffen hat jede Sentimentalität
ein Ende - können wir sagen, auch wir kommen daran, auch
wir wollen unseren Platz an der Sonne haben, so gut wie die anderen.
Diese primäre Forderung nach Gleichberechtigung stellen wir
überhaupt voran. Jahrhundertelang hat das Landvolk in Leibeigenschaft,
in Frohn gelebt. Ich möchte besonders behaupten, daß
wir in jenen Zeiten gerade von den städtischen Kreisen nichts
zu hoffen hatten, daß in gewisser Beziehung die Beamtenschaft
des feudalen Großgrundbesitzes ein noch viel ärgerer
Bauernschinder war als der Großgrundbesitz selbst. Und wenn
wir heute durch Männer wie Josef II. und Dr. Hans Kudlich
unsere politische Gleichberechtigung erlangt haben, so haben wir
trotz alledem auch das Recht auf wirtschaftliche Gleichberechtigung.
Und ich sage, wir sind nicht minderwertig, schon infolge unserer
Arbeitsleistung nicht, infolge unserer Ruhe und Beständigkeit
und letzten Endes auch als unerschöpfliche Quelle jedes Volkes,
da sich nur durch die Populationskraft des Landvolkes die Industriebevölkerung
wird erhalten können. Wenn ich um eine Stadt eine Mauer ziehe,
so ist sie nach 5 Generationen ausgestorben. Ihre Bevölkerung
kann sich nicht vermehren, die Sterbeziffer ist größer
als die Geburtsziffer. Nur durch Zustrom frischen Blutes der Landbevölkerung
können Industrie- und Stadtbevölkerung erhalten werden.
(Výkøiky posl. L. Wenzela.) Gestatten
Sie, Herr Kollege! Ich polemisiere jetzt nicht, ich spreche rein
wirtschaftlich, wenn Sie daran kommen, bringen Sie ebenfalls wirtschaftliche
Argumente. Mit Politik befasse ich mich bei rein wirtschaftlichen
Fragen überhaupt nicht. An dieser Zollgesetzvorlage
haben alle Landwirte dieses Staates, ganz gleich ob Deutsche,
Èechen, Slovaken, Ruthenen, Polen oder Ungarn ein Interesse,
genau so, wie sie ein Interesse daran hatten, als Josef Il. die
Leibeigenschaft aufgehoben hat für Deutsche,
Polen und Italiener und alle die anderen! Das ist ganz genau dasselbe.
(Souhlas.) Jenes war die politische Gleichstellung mit
den Bürgern der Städte, und diese Vorlage soll die wirtschaftliche
Gleichberechtigung mit den übrigen Berufen bedeuten. Da haben
wir keine nationale Politik hineinzutragen. Es wäre auch
viel besser, wenn wir die nationale Politik bei Seite ließen
und nur rein von Wirtschaft sprächen. Es würde das schließlich
auch nicht schlecht für uns sein, wenn wir immer wirtschaftlich
in beiden Lagern denken würden, dann würden sich auch
jene großen Steuerlasten einmal vermindern lassen und es
würde uns etwas besser gehen. Heute von Freihandel sprechen?
Ich habe schon vorhin Marx bezüglich des englischen Freihandels
zitiert, den Mann, der vor 77 Jahren eingesehen hat, daß
es den europäischen Staaten nicht leicht fallen wird, einen
schrankenlosen Freihandel einzuführen, und da möchte
ich gerade jetzt meinem Vorredner widersprechen und sagen: gerade
in diesem mitteleuropäischen Staate hier ist er erst recht
nicht durchzusetzen, denn er hat keine Verbindung mit dem Weltmeer
und infolgedessen nicht die Möglichkeit, sich ohne weiteres,
ohne Grenzüberschreitung oder sonst dergleichen irgend etwas
aus den überseeischen Ländern zu importieren. Es wird
auch heute noch von gewissen Kreisen daran gearbeitet, ein sogenanntes
Paneuropa zu schaffen. Selbst wenn wir eine allgemeine europäische
Zollunion bekämen, dann würden wir unser blaues Wunder
erleben. Wir als Landwirte würden uns allerdings weniger
wundern, als die Industriearbeiter, und zwar aus gewissen Gründen.
Wir als Landwirte, die wir weniger verwöhnt sind und weniger
Ansprüche an die Lebenshaltung stellen, würden mit langer
und fleißiger Arbeit noch manches aushalten, was heute unsere
Industriearbeiterschaft nicht mehr aushält. Nach dem Gesetze
der Konkurrenz würde der Preis jeder Ware auf ein Minimum
heruntergedrückt, auf das Minimum der Produktionskosten,
somit ist das Lohnminimum auch der natürliche Preis der Ware:
"Arbeit." Karl Marx sagt in seiner Rede: "Ja, beim
Freihandel werdet Ihr für einen Franken mehr zu kaufen bekommen,
aber Ihr werdet weniger Franken bekommen für Eure Ware "Arbeit",
infolgedessen wird es Euch nicht besser, sondern schlechter gehen."
Trotz dieser vernichtenden Kritik, die Karl Marx über den
Freihandel aussprach, ist er zuletzt doch für den Freihandel
eingetreten, und da ist sein letzter Ausspruch sehr wohl zu werten:
"Im allgemeinen ist das Schutzzollsystem konservativ, während
das Freihandelssystem zerstörend wirkt. Es zersetzt die Nationalitäten
und treibt den Gegensatz zwischen Proletariat und Bürgertum
auf die Spitze. Mit einem Wort, das System des Freihandels oder
der Handelsfreiheit beschleunigt die soziale Revolution. Daher
stimme ich für den Freihandel." Das sagt natürlich
der Revolutionär Karl Marx. Trotzdem er wirtschaftlich einsieht,
daß das Schutzzollsystem für die innereuropäischen
Staaten eine unumgängliche Notwendigkeit ist, stimmt er natürlich
für den Freihandel, weil er ebenso wohl einsieht, daß
das Freihandelssystem zersetzend wirkt und infolgedessen den revolutionären
Ansprüchen entgegen kommt. Da ergibt sich schon in gewissem
Sinne unsere Stellungnahme. Wir sind keine Revolutionäre,
wir sind Evolutionäre, wir sind Bauern im edelsten Sinne
des Wortes, wir wollen aufbauen und bauen und fragen nicht danach,
ob es schon 6 Uhr gepfiffen hat, oder ob es 6 Uhr vorbei ist.
Aber wenn man heute aufbaut, wird man selbstverständlich
konservativ sein, beständiger, weil man das Geschaffene erhalten
will. Infolgedessen werden wir selbstredend, ob Klein- oder Mittelbauern,
für den Schutzzoll eintreten, weil wir wünschen, daß
die heimische Produktion geschützt wird, daß nicht
zersetzende Einflüsse platzgreifen, sondern daß der
Bestand erhalten bleibt und für das Wohl des Volkes weitergearbeitet
wird. Unsere heutigen Sozialdemokraten haben ihre revolutionären
Zähne zum größtenteil bereits verloren. Trotz
allem wird von ihnen mit dieser Doktrine des Freihandels immer
noch hausieren gegangen, obwohl sie ganz genau wissen können,
daß ihr jede Berechtigung eigentlich mangelt. Aber man benützt
diese Doktrin, um eben gegen die landwirtschaftliche Schutzzollgesetzgebung
anzukämpfen. Meine Herren, wir haben es ja schon erlebt,
wir haben in den Achtzigerjahren bereits eine große Konsumentenpartei
gehabt, die leider Gottes auch das Landvolk geführt hat,
die sogenannte Vereinigte Deutsche Linke unseligen Angedenkens
im alten Österreich. Bei dieser Partei hat der Name zugetroffen:
Vereinigt war sie, um deutsch zu sein, damit die Linke nicht wisse,
was die Rechte tut. Damals sind einseitige Hochschutzzölle
für die Industrie eingeführt worden und sie waren schuld
daran, daß im Laufe der neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts
Hunderttausende Bauernwirtschaften auf die Gant gegangen sind,
verkauft werden mußten, weil sie unrentabel wurden, weil
sie niemand erhalten konnte. Und wer hat sie gekauft? Gerade die
Industrie, und ich könnte Hunderte Fälle anführen,
wie solche Bauerngüter dann zur Waldanpflanzung, zur Anlage
von Fasanen- und Wildgehegen gedient haben. Ist das Produktionsförderung?
Nein. Damals hatten sich die Konsumentenparteien einseitig auf
den Standpunkt der Industrieförderung gestellt, um ihr auf
Kosten der Landwirtschaft zum Wohlleben zu verhelfen.
Ist die Schutzzollgesetzgebung schädlich?
Als Antwort auf diese Frage gibt es wohl kein treffenderes Beispiel
als das Deutschland Bismarcks. Bismarck hat die landwirtschaftlichen
Schutzzölle eingeführt, ebenso wie die Industriezölle.
Und in Deutschland draußen blühten Handel, Gewerbe
und Landwirtschaft. Die Landwirtschaft hob sich auf eine ungeahnte
Höhe. Mit ihrem Hektarertrag konnte sich das alte Österreich
nie vergleichen, trotzdem der Boden dort durchaus nicht besser
war als bei uns. Und hat das zur Herabsetzung der Lebenshaltung
der Arbeiter in Deutschland beigetragen? Meine Herren! In den
neunziger Jahren, als ich aus der Schule kam, ist alles nach Deutschland
hinübergewandert, was überhaupt konnte, weil drüben
die besten Löhne gezahlt wurden. Der landwirtschaftliche
Arbeiter bekann in Deutschland doppelt soviel Lohn als in Österreich,
und ist durch die landwirtschaftlichen Schutzzölle vielleicht
der Lebensstandard des Arbeiters erniedrigt worden? Das ist eine
Chimäre. Es ist dem Arbeiter in Deutschland nie besser gegangen
als zur Zeit des landwirtschaftlichen Schutzzolles. Aber natürlich
mußte der Schutzzoll gleichmäßig sein. (Posl.
Hirschl: Das waren Friedenszeiten!) Es könnten auch jetzt
wieder Friedenszeiten sein, wenn der Terror von beiden Seiten
unterbliebe. Wenn aber von beiden Seiten Terror geübt wird
und ein Kampf aller gegen alle anhebt, dann ist selbstverständlich
kein Friede und dann werden sich auch die Segnungen eines allgemeinen
Schutzes der heimischen Produktion nie auswirken können.
Das bitte ich zu beachten, als eine Vorbedingung, die unerläßlich
ist. Eine friedliche Entwicklung und Produktionssteigerung kann
nur dann stattfinden, wenn diejenigen, die sich für eine
Steigerung der Produktion einsetzen, auch die Sicherheit haben,
daß ihnen der Ertrag der Steigerung gewährleistet bleibt.
Das ist klar. Solche Narren sind wir heute nicht, daß wir
arbeiten, damit andere es uns wegnehmen. So dumm ist heutzutage
kein Mensch, daß er sich das gefallen ließe. Das wäre
unerhört. Und wenn zu mir jemand käme um das, wofür
ich mich mit meinem Weibe dreißig Jahre geplagt habe, wegzunehmen,
so würde ich mich mit allen Mitteln, auch mit der Axt, zur
Wehre setzen und ihn hinausjagen. Und wenn sich jemand auf den
Standpunkt stellt, er habe das Recht zu nehmen, weil ein anderer
auch nimmt, so sage ich, dieses Recht hat er nicht. Soviel Moralität
muß man besitzen, daß man ehrlich bleibt, auch wenn
der andere ein Lump ist. (Souhlas a rùzné
výkøiky.)