Støeda 9. èervna 1926

Pøíloha k tìsnopisecké zprávì

o 28. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní

republiky Èeskoslovenské

v Praze ve støedu dne 9. èervna 1926

1. Øeè posl. Krebse (viz str. 1416 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! Dieses Haus war eben Zeuge einer unerhörten Provokation von Seite der èechischen Parteien. Der Repräsentant desselben Systems, das in diesem Lande gerade in der Landwirtschaft die unerhörteste Zertrümmerung und Verwüstung der Landwirtschaft auf ihrem Gewissen hat, das System, das Herr Viškovský repräsentiert, das Milliarden und Abermilliarden ohne Kontrolle verschoben hat, das System, das in diesem Lande, anstatt eine soziale Bodenreform durchzuführen, in diesem Lande Tausende von Bauern, Tausende von kleinen Landwirten von der Scholle und von den Pachtgründen vertrieben hat, dasselbe System, das in Marienbad Triumphe gefeiert hat, das wagt es diesen Menschen hier vorzuschicken, den Repräsentanten eines Systems, das gehaßt wird in diesem Lande und das in der Landwirtschaft selbst die Hauptursache war, daß gerade ihre Not den Ruf nach den Zöllen laut werden läßt. Das ist eine unerhörte Provokation, die wir auf das entschiedenste zurückweisen. Ich werde auf die Auswirkungen dieser Bodenreform, in der landwirtschaftlichen Produktion in meinen heutigen Ausführungen noch zu sprechen kommen.

Dem Abgeordnetenhaus liegt heute ein wirtschaftspolitisches Gesetz, der Antrag Mašata vor, von dem ohne Übertreibung gesagt werden kann, daß es in der Gesetzgebung die unabsehbarsten wirtschaftlichen innen- und außenpolitischen Folgen zeitigen kann. Wie in allen Ländern und zu allen Zeiten nicht nur der Kampf zwischen Freihandel und Schutzzoll, sondern auch die Frage über die Höhe der Zölle selbst die allergrößten und heftigsten Kämpfe hervorgerufen hat, um wieviel mehr müßte dies in einem Lande und zu einer Zeit geschehen, wie es in dieser Zeit und in diesem Lande eben der Fall ist, einem Lande, das, wie die Èechoslovakei, mehr als andere Staaten abhängig ist von seinen Nachbaren. Wenn wir die Lage bei den klassischen Kämpfen in der Zollfrage in England, Deutschland, ja selbst im alten Österreich überblicken, überall hat es jahrelanger Arbeit bedurft, überall wurden große politische Kämpfe um die Zollfrage geführt. Ja selbst ganze Wahlkämpfe waren ausschließlich um diese Frage gekämpft worden. Und wer wollte bestreiten, daß es sich in dieser Frage der Einführung oder Erhöhung von Zöllen nicht um eine Lebensfrage allerersten Ranges der Gesamtbevölkerung handelt? Sehen wir nicht, daß dieses Gesetz im Durchschnitt eine Erhöhung der wichtigsten Lebensmittel um etwa ein drittel der bisherigen Preise bringen muß? Es ist selbst vom Standpunkt der Zollfreunde aus gesehen ganz falsch, die Größe der Opfer leugnen zu wollen, die der Bevölkerung durch dieses Gesetz auferlegt werden. Aber nicht nur dies ist von Bedeutung. Es muß auch untersucht werden, welche wirtschaftlichen und außenpolitischen Folgen die Zölle bringen können. Die Èechoslovakei hat aus der Konkursmasse des alten Österreich 65 bis 80% der Gesamtindustrie übernommen. Viel zu viel, um ihre Produkte im Inlande allein verbrauchen zu können. Sie ist bei der Ausfuhr vor allem auf die Nachfolgestaaten und die Nachbarstaaten, insbesondere Deutschland und Österreich, angewiesen. Mit einem Teil der Nachfolgestaaten steht dieser Staat in einem politischen Bündnis, in der sogenannten Kleinen Entente, gegen Deutschland. In seiner Wirtschaftspolitik bezieht er munter eine Linie, die gegen die Nachfolgestaaten gerichtet ist und sich gegen sie auswirkt. Wir könnten uns über die Zwangsläufigkeit der Politik freuen, weil sie einen Teil unserer Voraussagen bestätigt. Aber sie stellt uns noch vor eine Reihe anderer wichtiger Fragen. Es scheint, daß nun auch für diesen Staat eine Wendung der Dinge eingetreten ist. Aber diese Wendung ist nicht so, wie sie vernunftgemäß laufen müßte, nämlich hin zu einer mitteleuropäischen Ordnung der politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse. Im Gegenteil, sie pflegt politische Beziehungen zu den Nachfolgestaaten und bleibt gleichwohl politischer Gegner jenes Deutschland und Österreich, das 85% der Ausfuhr dieses Landes, insbesondere der Industriegebiete Böhmen, Mähren und Schlesien, aufnimmt, das die historischen Länder von drei Seiten vollkommen umklammert und in dessen Lebens- und Siedlungsraum dieser Staat liegt und dauernd liegen wird. So werden gerade die Wirkungen des Gesetzes von der Wahrheit der Tatsache überzeugen, daß dieser Staat eben in Mitteleuropa liegt, daß er zu seinen Nachbarn, gleichgültig, wie er zu ihnen politisch steht, nicht wirtschaftliche Gegnerschaft ertragen kann. Die Agrarzölle schaffen eine Grundlage zu neuen großen Kämpfen und möglicher Weise auch zu kriegerischen Auseinandersetzungen. Erinnern wir uns denn nicht mehr an die Entwicklung des Gegensatzes zwischen Österreich-Ungarn und Serbien vor mehr als zwei Jahrzenten, denken Sie nicht daran, wie man in Polen, in Südslavien, ja selbst in Rumänien diese Zollpolitik beurteilen wird und schon gegenwärtig beurteilt? Wenn uns heute gesagt wird, daß man diese verschiedenen Ermächtigungen zum Abschluß von Handelsverträgen braucht, dann werden Sie sich in sehr kurzer Zeit überzeugen, daß entweder die ganzen Ermächtigungen wertlos sein werden oder aber daß sie im Lager unserer Nachbarstaaten die größten wirtschaftlichen Gegensätze zu uns hervorrufen müssen. Eine Frage von derartiger Bedeutung, wie es die Zölle sind, wird von diesem Hause in wenigen Tagen erledigt. Ich will nicht darauf hinweisen, daß der Antrag Mašata erst am 27. Mai d. J., also kaum vor 14 Tagen, eingebracht wurde, aber wie lange wird die Frage des Schutzzolles überhaupt bei uns öffentlich erörtert? Vor wenigen Monaten haben wir die ersten bescheidenen Ansätze für solche Bestrebungen gesehen, wobei auch nicht die geringste Rede von der Einführung von Zöllen war. Ich bin überzeugt, daß, wenn der Wahlkampf um die Zollfrage gegangen wäre, wir eine ganz andere Zusammensetzung dieses Hauses zu verzeichnen hätten. (Posl. Hackenberg: Wird auch werden!) Gewiß, wird auch werden. In diesen wenigen Wochen ist alles getan worden, um eine Klärung der Frage, eine Erörterung der Zölle zu verhindern. Weder Fachressorts noch zuständige Minister, noch Wirtschafts- oder hervorragende Fachmänner sind gehört worden. Ja selbst Anträge der Opposition auf Anhörung von Fachreferenten und Fachministern sind von der Zollmehrheit einfach niedergestimmt worden. Wer wundert sich da, daß bei solcher Behandlung einer Gesetzvorlage von allergrößter Bedeutung die Massen der Bevölkerung ahnungslos den Folgen derselben ausgesetzt sind. Ist diese Behandlung des Zollantrages nicht typisch für dieses Haus überhaupt, für den Geist in diesem Hause, für den Geist, der in diesem ganzen Staate herrscht, wer wundert sich da, daß der Parlamentarismus verfällt, zu einer öden Abstimmungsmaschine geworden ist, ohne Geist, ohne Inhalt, ohne irgendwelche Lebensmöglichkeit? Zwar hat sich die Zusammensetzung der Mehrheit geändert, der herrschende Geist aber ist der alte, die auf eine formale Zollmehrheit gestützte Diktatur ist geblieben und nichts anderes. Diskussion, Aussprache, Entwicklung der Argumente, von einem Kampf der Geister ist gar keine Rede. Hauptsache ist die vìtšina. 13 oder 15 Stimmen Mehrheit, und damit wird regiert. Alles übrige hole der Teufel. So sind von einer anderen Mehrheit bisher die Gesetze gemacht worden und so ist es auch jetzt bei dieser neuen Mehrheit geblieben.

Meine sehr Geehrten! Wenden wir uns einmal dem Gesetzeswerke selbst zu. Eine Tatsache ist wohl unbestritten, daß die Zölle vor allem anderen eine erhebliche Teuerung verursachen werden. Wir stützen uns bei dieser Behauptung durchaus nicht auf leere Theorien, wir haben für uns nicht nur die Erfahrungen in vielen anderen Staaten und Ländern, wir haben für uns nicht nur das, was wir ja im alten Österreich wiederholt haben, sondern auch gewichtige Zeugnisse aus der politischen und ökonomischen Wissenschaft. Einer der bedeutendsten Volkswirtschaftslehrer des alten Österreich, Universitätsprofessor Phillipovich sagt in seinem "Grundriß der politischen Ökonomie" über die Wirkung der Schutzzölle folgendes: "Die Schutzzölle müssen eine preissteigernde Wirkung ausüben und diese müssen eben vom Abnehmer der geschützten Waren gezahlt werden. Die Schutzzölle müssen ihrer Natur nach, ihrem Zwecke nach verteuernd wirken, ob nun eine wirkliche Preissteigerung eintritt oder eine Verhinderung des Preissinkens." Meine Verehrten! Es tritt aber auch eine Verteuerung der Bodenpreise ein, die durchaus nicht gleichgiltig sein kann und vor allem auch eine Preissteigerung nicht nur der Nahrungsmittel, sondern auch aller jener Bedarfsgegenstände, die im Lande produziert werden. Wir haben für diese Behauptung auch noch eine ganze Reihe von anderen Zeugen, Zeugen, die gegenwärtig eine hervorragende Rolle spielen und ein großes Ansehen in der Öffentlichkeit genießen. Da ist z. B. das Zeugnis des Oberrates Meissner, der in einer Rede, die er am 29. Mai gehalten hat und die als Broschüre erschienen ist, ausdrücklich sagt: "Auch eine Preiserhöhung bei der konsumfähigen Ware werden die Zölle zur Folge haben." Und es ergibt sich nun die Frage, wie es mit den Zwischengewinnen in der Èechoslovakei aussieht, und das ist eine Frage, über die wir uns heute noch werden etwas ausführlicher auseinandersetzen müssen.

Zunächst aber fragen wir uns, wie hoch sich die Verteuerung auswirken wird. Die Auffassungen darüber gehen auseinander. Einig sind sich wohl alle darüber, die die Zölle zu beurteilen vermögen, daß eine Verteuerung kommen wird. Die Preise werden, wenn die Zölle zur vollen Auswirkung gelangen, bei den wichtigsten Nahrungsmitteln eine Verteuerung um mindestens 30% bewirken. Wir haben eine Erhöhung des Zollsatzes von Weizen auf 60 Kè, bei Roggen auf 56 Kè, bei Gerste auf 44 Kè, bei Hafer auf 48 Kè, von Fettstoffen auf 360 Kè, von Mehl auf 120 Kè, also durchschnittlich - ich zitiere nur die allerwichtigsten Lebensmittel - eine Erhöhung um 30% des Grundpreises. Wenn sich diese Preiserhöhungen voll auswirken - und ich bin überzeugt, daß nach den Erfahrungen in anderen Ländern sich die Preiserliöhungen zur vollen Höhe auswirken werden, höchstens daß sie bei einer zufällig sehr reichen Ernte etwas unter dieser Höhe bleiben - dann wird eine Verteuerung der Lebenshaltung in jeder einzelnen Familie erfolgen, die als ungeheuerlich bezeichnet werden muß, wenn man die Einkommensverhältnisse der Massen der erwerbenden Bevölkerung gegenüberstellt. Wenn wir annehmen, daß eine Familie gegenwärtig ungefähr einen Jahresbedarf von 400 kg Brotgetreide, 100 kg Fleisch und 50 kg Fett und Fettprodukte hat - ich nenne nur die frei allerwichtigsten Nahrungsmittel - dann ergibt sich, daß wir bei Brotgetreide eine Preissteigerung von 240 Kè, bei Fleisch um 200 Kè, bei Fetten um 180 Kè zu verzeichnen haben werden. Also zusammen allein bei diesen drei wichtigsten Nahrungsprodukten eine Preissteigerung von insgesamt 620 Kè pro Kopf und Jahr. Meine sehr Verehrten! Was das bei der heutigen Lage der arbeitenden Bevölkerung in diesem Lande bedeutet, das werde ich mir gestatten, Ihnen kurz darzulegen.

Wie ist die Lage der Arbeiterschaft, wie ist die Lage des Mittelstandes, der Gewerbetreibenden und all der Tausenden Staatsangestellten, die jetzt schon seit Monaten und Monaten auf ihr Staatsangestelltengesetz warten? Meine Verehrten! In unserer Wirtschaft herrscht eine ungeheure Arbeitslosigkeit, eine Krise, die man eine zweifache nennen kann: eine öffentliche Arbeitslosigkeit, die von den statistischen Ämtern erfaßt wird, und eine verschleierte. Die öffentliche Arbeitslosigkeit ist jene, die vom Genter System und durch das System überhaupt erfaßt und ausgewiesen wird, die uns zeigt, daß der Staat eigentlich nur eine verhältnismäßig geringe Anzahl von Arbeitslosen besitzt. Aber auf statistischem Wege werden heute nicht erfaßt die Massen der Tausende und Abertausende Arbeitsloser, die kein Anrecht auf die Wohltat des Genter Systems besitzen, die entweder schon ausgesteuert sind, indem sie die 13 Wochen des Anspruches der Arbeitslosenunterstützung bereits hinter sich haben, oder jene Tausende und Abertausende, die sie überhaupt niemals genießen, weil sie keiner Organisation angehören und nicht in dieser Statistik erfaßt sind. Ich denke da ferner an die Tausende und Abertausende von Arbeitern, Bergarbeiter, Textilarbeiter und viele andere, die durch Kurzarbeit einen mehr als um die Hälfte geringeren Verdienst haben als bei normaler Arbeitszeit. Der Durchschnittslohn der beschäftigten Arbeiter darf nicht einmal mit 150 Kè als zu hoch angesetzt werden.

Und nun bitte ich Sie, meine Verehrten, bedenken Sie die Wirkung, die eine Verteuerung der Lebenshaltung von durchschnittlich mehr als 600 Kè auf den Haushalt einer Familie hervorrufen muß! Und denken Sie an die Wirkungen dieser Verteuerung bei einem Einkommen von 600 Kè monatlich! (Posl. dr Luschka: Das sind willkürliche Berechnungen!) Was heißt das? Wenn Herr Dr. Luschka von willkürlicher Berechnung spricht, dann entgegne ich ihm darauf, daß die Zollmehrheit uns überhaupt keine statistischen Grundlagen vorgelegt hat. (Sehr richtig!) Wir versuchen, Ihnen aus dem praktischen Leben und auf Grund unserer wirklichen Erfahrungen die Notlage der Massen, unserer Berufsorganisationen und Gewerkschaften darzulegen und wir haben bereits im Budgetausschuß darauf verwiesen, welche ungeheure Krise unsere gesamte Industrie gegenwärtig durchmacht. Das Mitglied der Gewerbepartei Koll. Pekárek hat uns darauf erwidert: "Ja, unsere Industrie ist eben zu groß. Wir müssen 30% unserer Industrie abbauen". Da eröffnet sich ein Problem von der ungeheuersten Bedeutung, und da zeigt sich die ganze Brutalität des jetzigen Planes. Zunächst einmal möchte ich die Frage stellen, ob denn die Herren, die heute von einem Abbau der Industrie sprechen, nicht wissen, daß die Industrie schon einen gewaltigen Abbau hinter sich hat? Wissen Sie nicht, daß im Falkenauer Industriegebiete vor dem Kriege 13.000 Bergarbeiter beschäftigt waren, gegenwärtig aber nicht viel mehr als 5500? Wissen Sie nicht, daß wir in der Textilindustrie Tausende und Abertausende Arbeitslose haben? Wissen Sie nicht, daß wir einen großen Teil unserer Textilindustrie vor der Auswanderung stehen haben? Wissen Sie nicht, daß zum Beispiel auch große Industriewerke, wie z. B. die Schichtwerke in Aussig, infolge der Zertrümmerung des Wirtschaftsgebietes einen großen Teil der Produktion in das Ausland verlegen mußten, was schon viel mehr als einen 30%igen Abbau bedeutet? Wenn in diesem einen Industrieunternehmen, das vor dem Krieg 3000 Arbeiter beschäftigt hat, jetzt kaum 1300 beschäftigt sind, so ist das ein Beweis, daß in gewissen Industrien nicht bloß 30, sondern 60% Abbau zu verzeichnen sind. Wir haben infolge der vollständig unter chauvinistischem Diktat stehenden Außenhandelspolitik dieses Landes in der Nachkriegszeit eine Abwanderung der Industrie gesehen, die beispiellos war. Zahlreiche Textilfabriken haben ihre Maschinen abmontiert und nach Ungarn, Rumänien, Südslavien und Polen geschickt. Hunderte von Industrieunternehmungen sind zugrunde gegangen und können überhaupt nie mehr ihren Betrieb eröffnen. Wir haben also einen solchen Abbau unserer Industrie schon hinter uns und müssen trotzdem feststellen, daß wir aus einer Krise in die andere wandern. Wie steht es denn mit der Steuerbelastung, die ja auch eine der wichtigsten Ursachen des Zugrundegehens unserer Industrie und unserer Wirtschaft überhaupt und auch der Existenz jedes Einzelnen ist? Wir haben in der Vorkriegszeit auf dem Gebiete der jetzigen Èechoslovakei eine Kopfsteuer von 75 Kronen gehabt. Wenn man das nach dem jetzigen Stand der Währung aufwertet, so ergibt das 500 bis 600 Kè Steuer pro Kopf, aber wir haben nach den amtlichen statistischen Nachweisen im Jahre 1922 auf den Kopf der Bevölkerung eine Steuerbelastung von 1051 Kè gehabt. Versetzen Sie sich in die Lage der Steuerträger, der Massen unserer erwerbenden Bevölkerung, was diese unerhörte Belastung, die ja weiter getragen werden muß, jetzt noch verschärft durch die Zölle, für sie bedeutet. Die Arbeiterschaft weiß es ganz genau, daß gegenwärtig große schwere Lasten auf sie niedersinken. Es ist mit ziemlicher Sicherheit vorauszusagen, daß wir in den nächsten Monaten eine neuerliche Erhöhung unserer Mietzinse zu erwarten haben. Wir haben am 1. Juli dieses Jahres das Inkrafttreten der Sozialversicherung, die wiederum gerade den arbeitenden Schichten große neue Lasten aufbürdet. Nunmehr haben wir noch die Last der Zölle. Welche Auswirkungen das auf unseren Mittelstand und unsere Gewerbetreibenden haben wird, wird mein Parteigenosse Kollege Wenzel in der Debatte noch ausführlich behandeln. Ich habe nur die Aufgabe, die Belastung zu untersuchen, welche die Kreise der selbständig Erwerbenden zu tragen haben werden. Wir stehen vor der wahrscheinlichen Verabschiedung der Beamtengehaltsgesetze. Die Staatsangestellten sollen die langerwartete und langersehnte kleine Erhöhung ihres Einkommens bekommen. Die Ziffern, die wir da sehen, zeigen uns, wie spärlich die Mittel sind, die gerade auf die Gruppe der niederen und mittleren Staatsangestellten fallen werden. Gewiß, die hohen Beamten in den Ministerien werden eine verhältnismäßig etwas höhere Aufbesserung von diesem Gesetze erhalten. (Posl. Patzel: Das Gesetz hat ja ein lediger Sektionschef gemacht!) Ja, es sieht so aus. Aber was die große Masse der mittleren und kleineren Beamten aus der sogenannten Erhöhung ihrer Gehälter, für die man wieder neue verhetzende Steuern ersonnen hat, für die man den Zucker und den Spiritus verteuern will, durch die man die Masse der Bevölkerung gegen die Beamten aufhetzt, für Beträge erhalten werden, sehen wir ja. Beträge, die 400, 500, 600 Kronen, in einigen Fällen etwas mehr ausmachen. Auf der anderen Seite wird schon vor diesem Gehaltsgesetz ein anderes Gesetz verabschiedet, das diesen Staatsangestellten dieselbe Summe nimmt, die sie jetzt als eine Erhöhung ihres wirtschaftlichen Standarts bekommen sollen. Es ist ja auch von Seite der Zollschutzparteien gesagt worden, daß die Landwirtschaft ebenso das Anrecht auf Schutz hat, wie die Industrie und daß sie auch ein wichtiges Glied der Volkswirtschaft ist, da 38% unserer Bevölkerung Landwirte sind. Das geben wir ohne weiters zu. Wir sagen nicht nur, daß die Landwirtschaft ein wichtiges Glied unserer Volkswirtschaft ist, sondern wir sagen, daß die landwirtschaftliche Produktion sogar eine der wichtigsten Leistungen in einem Staate darstellt. Wir sagen auch, daß der Schutz der Landwirtschaft uns eine ganz selbstverständliche Sache ist. Die Landwirte sind nicht nur Arbeiter, sondern sie müssen auch schwerer und oft länger arbeiten, wenigstens zu gewissen Zeitperioden, als eine große Anzahl der übrigen Arbeiterschaft. Aber sicher ist auch, daß der Weg, der hier beschritten worden ist, um der Landwirtschaft Hilfe zu bringen, nicht derjenige ist, der den Landwirten, der Volkswirtschaft und der arbeitenden Bevölkerung in diesem Staate überhaupt zum Nutzen gereicht. Wir fragen zunächst: Haben wir nicht eine ganze Reihe von Zollpositionen, die eine Verteuerung der Viehproduktion als notwendige Folge erscheinen lassen? Ist nicht eine ganze Reihe von Futtermitteln ganz erheblich mit Zöllen belastet? Ist denn nicht von den Zöllen auf Hafer, Wicken und Lupinen eine erhebliche Verteuerung der landwirtschaftlichen Futtermittel zu erwarten? Ist nicht die Verteuerung der Phosphate durch die Zölle ebenfalls eine Verteuerung der landwirtschaftlichen Produktion? Ist nicht das Belegen von landwirtschaftlichen Maschinen mit Zöllen ebenfalls eine Verteuerung der landwirtschaftlichen Produktion? Stehen wir denn auf dem Standpunkt wie vor 50 Jahren, als die Landwirtschaft keine oder nur außerordentlich wenig maschinelle Einrichtung hatte? Der schon in den Zolldebatten in den Ausschüssen erwähnte Oberrat Meissner hat in seiner Rede auf die Preisverhältnisse in der Landwirtschaft hingewiesen und gesagt: In der heurigen landwirtschaftlichen Maisausstellung in Prag waren hochinteressante Diagramme des landwirtschaftlichen Instituts für Buchführung und Betriebskunde zu sehen, denen hier ein Vergleich hinsichtlich der Preise der wichtigsten Lebensmittel im Frühjahr 1920 und im April 1926 einerseits beim Urproduzenten und andererseits beim Einkauf des Verbrauchers im Kleinhandel entnommen ist. Die Preise beim Urproduzenten sind bei 100 kg Weizen im Frühjahr 1925 275 Kronen, und im April 1926 184 Kronen, also eine Verbilligung um 67%, bei 100 kg Roggen im Frühjahr 1925 ein Preis von 234 Kronen, im April 1926 121 Kronen, also ein Sinken des Preises von 52%, bei Kartoffeln ein Preis von 58 Kronen im Frühjahr 1925 und von 37 Kronen im April 1926, also ein Sinken um 64%. Das Lebendgewicht Rindfleisch ist von 8.47 Kronen im vergangenen Jahre auf 8.10 Kronen im heurigen Jahre zurückgegangen. Und wie steht es mit den Preisen beim Einkauf? Ich bitte, das ist in einer Periode, wo wir keinen Schutzzoll hatten, wo wir im Lande also einen Freihandel mit landwirtschaftlichen Produkten hatten. Wir haben hier folgende Ziffern: Im vergangenen Jahre ein kg Semmeln aus Hausmehl um 6.25 Kronen, heuer wieder 6.25 Kronen, ein kg Brot 2.60 Kronen, heuer 2.56 Kronen, also 98%, 100 kg Kartoffeln im vergangenen Jahre 115 Kronen, heuer 95 Kronen, Fleisch im vergangenen Jahre 16.50 Kronen, heuer 16 Kronen.

Wir sehen also, daß beim Verbrauch, beim Liefern an den Konsum gar keine oder außerordentlich geringe Änderungen eingetreten sind. Oberrat Meissner sagt zu diesen Ziffern folgendes: Während der Bauer seine Produkte gegenüber 1925 insgesamt um 28% billiger verkaufte, erhält der Konsument die Lebensmittel nur um 3% billiger. Der durch die Preissenkung verursachte Verlust wird dem Landwirt bei 10 ha mit 5832 Kronen berechnet, das ist ein Minderverdienst gegen das vergangene Jahr, dagegen erspart der Industriearbeiter nur die geringe Summe von 260 Kronen. Und nun deduziert Meissner und da kommen wir in Gegensatz zu ihm - Folgendes: "Die angeführten Ziffern stellen außer Zweifel, daß die geringe Preissteigerung, welche sich nach Einführung angemessener Agrarzölle bei den landwirtschaftlichen Produkten ergeben kann, auf dem Weg bis zum Konsumenten restlos vom Zwischenunternehmer aufgenommen werden kann, ohne daß sein angemessener Verdienst gefährdet wird. Hier ergibt sich für das Ministerium für Volksverpflegung eine sehr dankenswerte Aufgabe."

Dieser Meinung sind wir schon seit einen Jahre, daß sich hier eine sehr dankenswerte Aufgabe für das Ministerium für Volksverpflegung ergeben hätte. Aber wir wissen, daß dieses Amt und auch die anderen Ämter diesen wirtschaftlichen Tatsachen gegenüber vollkommen ohnmächtig sind. Wir wissen, daß die Macht der Zwischenhändler, der Börsenspekulanten, der Schieber viel größer ist, als daß sie ein Ministerium für Volksverpflegung brechen könnte. Wir wissen, daß auch die Agrarzölle nicht aus dem Zwischengewinn der Börsenspekulanten, der Zwischenhändler gedeckt werden, sondern daß die durch die Zölle bewirkte Preissteigerung ausschließlich auf die Konsumenten umgewälzt wird, und zwar, wie ich ruhig und offen auf Grund von Tatsachen behaupte und wie man beweisen kann, wahrscheinlich in der Form, daß man die Ziffern noch nach oben abzurunden bereit sein wird. Tatsächlich wird der einzige große Gewinner an den kommenden Zöllen niemand anderer als die Börse und die Spekulation sein.

Wir sind der Meinung, daß die Landwirtschaft gerade hier eine große Aufgabe für die gesamte Volkswirtschaft zu übernehmen hätte, daß sie die Ausschaltung dieses unlauteren Zwischenhandels, der preisverteuernd auf allen Gebieten wirkt, vorzunehmen hätte. Wir sind der Meinung, daß insbesondere die kleinen Landwirte, insbesondere die Gebirgsbauern, schwer unter den kommenden Zöllen werden zu leiden haben. Wir sind überzeugt, daß ein großer Katzenjammer die Folge nicht nur für einige, sondern, ich glaube, für fast alle Mitglieder der zollfreundlichen Parteien sein wird. Es ist wie eine Ironie, es fällt mir gerade ein, daß bei der Behandlung des Antrages im Budgetausschuß eine Zollpost ermäßigt worden ist, und ich glaube, vielleicht auch ein kleines Verdienst daran zu haben, nämlich der Zoll für Heringe, für geräucheite Fische. (Pøedsednictví se ujal pøedseda Malypetr.) Ich glaube, es könnte wie ein Witz sein, daß diese Heringe aufgespart werden auf den Katzenjammer, der sich einstellen wird, wenn die Herren von den zollfreundlichen Parteien erkennen werden, daß die Zölle für sie alles andere sind, als die Versprechungen, die sie gemacht haben. (Posl. dr. Luschka: Sie werden uns dann im "Verband" stützen!) Wir werden über dieses Kapitel noch sprechen.

Aber noch etwas anderes fällt uns bei Behandlung der landwirtschaftlichen Zölle auf. Ich möchte übrigens darauf hinweisen, daß es nicht allein landwirtschaftliche Zölle sind, die man jetzt im Kampf um die landwirtschaftlichen Zölle einführt, und daß eine große Anzahl von Industrieerzeugnissen in den Tarif aufgenommen sind, daß man also so unter der Hand eine ganze Reihe von Artikeln verteuert hat, ohne daß die Bevölkerung darüber spricht, ohne daß man viel davon hört. Da kommt eine Satzpost "Teppiche" vor, da kommen Motorräder vor, landwirtschaftliche Maschinen, von denen ich bereits gesprochen habe, da ist darin eine ganze Reihe von Erzeugnissen der Motorindustrie, der chemischen Industrie. Die Živnostenská Banka ist an all diesen Dingen sehr wesentlich interessiert. Sie ist auch sehr daran interessiert, daß unsere Flugzeuge wesentlich verteuert werden. Wir haben meines Wissens eine einzige große Flugzeugfabrik auf dem Boden dieses Staates, und der einzige wirkliche Abnehmer ist der Staat, und es klingt wie eine Ironie, daß er sich 50% des Wertes der Flugzeuge selbst als Zoll auferlegt.

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