Hohes Haus! Dieses Haus war eben Zeuge einer
unerhörten Provokation von Seite der èechischen
Parteien. Der Repräsentant desselben Systems, das in diesem
Lande gerade in der Landwirtschaft die unerhörteste Zertrümmerung
und Verwüstung der Landwirtschaft auf ihrem Gewissen hat,
das System, das Herr Viškovský
repräsentiert, das Milliarden und Abermilliarden ohne Kontrolle
verschoben hat, das System, das in diesem Lande, anstatt eine
soziale Bodenreform durchzuführen, in diesem Lande Tausende
von Bauern, Tausende von kleinen Landwirten von der Scholle und
von den Pachtgründen vertrieben hat, dasselbe System, das
in Marienbad Triumphe gefeiert hat, das wagt es diesen Menschen
hier vorzuschicken, den Repräsentanten eines Systems, das
gehaßt wird in diesem Lande und das in der Landwirtschaft
selbst die Hauptursache war, daß gerade ihre Not den Ruf
nach den Zöllen laut werden läßt. Das ist eine
unerhörte Provokation, die wir auf das entschiedenste zurückweisen.
Ich werde auf die Auswirkungen dieser Bodenreform, in der landwirtschaftlichen
Produktion in meinen heutigen Ausführungen noch zu sprechen
kommen.
Dem Abgeordnetenhaus liegt heute ein wirtschaftspolitisches
Gesetz, der Antrag Mašata vor, von dem ohne Übertreibung
gesagt werden kann, daß es in der Gesetzgebung die unabsehbarsten
wirtschaftlichen innen- und außenpolitischen Folgen zeitigen
kann. Wie in allen Ländern und zu allen Zeiten nicht nur
der Kampf zwischen Freihandel und Schutzzoll, sondern auch die
Frage über die Höhe der Zölle selbst die allergrößten
und heftigsten Kämpfe hervorgerufen hat, um wieviel mehr
müßte dies in einem Lande und zu einer Zeit geschehen,
wie es in dieser Zeit und in diesem Lande eben der Fall ist, einem
Lande, das, wie die Èechoslovakei, mehr als andere Staaten
abhängig ist von seinen Nachbaren. Wenn wir die Lage bei
den klassischen Kämpfen in der Zollfrage
in England, Deutschland, ja selbst im alten Österreich überblicken,
überall hat es jahrelanger Arbeit bedurft, überall wurden
große politische Kämpfe um die Zollfrage geführt.
Ja selbst ganze Wahlkämpfe waren ausschließlich um
diese Frage gekämpft worden. Und wer wollte bestreiten, daß
es sich in dieser Frage der Einführung oder Erhöhung
von Zöllen nicht um eine Lebensfrage allerersten Ranges der
Gesamtbevölkerung handelt? Sehen wir nicht, daß dieses
Gesetz im Durchschnitt eine Erhöhung der wichtigsten Lebensmittel
um etwa ein drittel der bisherigen Preise bringen muß? Es
ist selbst vom Standpunkt der Zollfreunde aus gesehen ganz falsch,
die Größe der Opfer leugnen zu wollen, die der Bevölkerung
durch dieses Gesetz auferlegt werden. Aber nicht nur dies
ist von Bedeutung. Es muß auch untersucht werden, welche
wirtschaftlichen und außenpolitischen Folgen die Zölle
bringen können. Die Èechoslovakei hat aus der Konkursmasse
des alten Österreich 65 bis 80% der Gesamtindustrie übernommen.
Viel zu viel, um ihre Produkte im Inlande allein verbrauchen zu
können. Sie ist bei der Ausfuhr vor allem auf die Nachfolgestaaten
und die Nachbarstaaten, insbesondere Deutschland und Österreich,
angewiesen. Mit einem Teil der Nachfolgestaaten steht dieser Staat
in einem politischen Bündnis, in der sogenannten Kleinen
Entente, gegen Deutschland. In seiner Wirtschaftspolitik bezieht
er munter eine Linie, die gegen die Nachfolgestaaten gerichtet
ist und sich gegen sie auswirkt. Wir könnten uns über
die Zwangsläufigkeit der Politik freuen, weil sie einen Teil
unserer Voraussagen bestätigt. Aber sie stellt uns noch vor
eine Reihe anderer wichtiger Fragen. Es scheint, daß nun
auch für diesen Staat eine Wendung der Dinge eingetreten
ist. Aber diese Wendung ist nicht so, wie sie vernunftgemäß
laufen müßte, nämlich hin zu einer mitteleuropäischen
Ordnung der politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse.
Im Gegenteil, sie pflegt politische Beziehungen zu den Nachfolgestaaten
und bleibt gleichwohl politischer Gegner jenes Deutschland und
Österreich, das 85% der Ausfuhr dieses Landes, insbesondere
der Industriegebiete Böhmen, Mähren und Schlesien, aufnimmt,
das die historischen Länder von drei Seiten vollkommen umklammert
und in dessen Lebens- und Siedlungsraum dieser Staat liegt und
dauernd liegen wird. So werden gerade die Wirkungen des Gesetzes
von der Wahrheit der Tatsache überzeugen, daß dieser
Staat eben in Mitteleuropa liegt, daß er zu seinen Nachbarn,
gleichgültig, wie er zu ihnen politisch steht, nicht wirtschaftliche
Gegnerschaft ertragen kann. Die Agrarzölle schaffen eine
Grundlage zu neuen großen Kämpfen und möglicher
Weise auch zu kriegerischen Auseinandersetzungen. Erinnern wir
uns denn nicht mehr an die Entwicklung des Gegensatzes zwischen
Österreich-Ungarn und Serbien vor mehr als zwei Jahrzenten,
denken Sie nicht daran, wie man in Polen, in Südslavien,
ja selbst in Rumänien diese Zollpolitik beurteilen wird und
schon gegenwärtig beurteilt? Wenn uns heute gesagt wird,
daß man diese verschiedenen Ermächtigungen zum Abschluß
von Handelsverträgen braucht, dann werden Sie sich in sehr
kurzer Zeit überzeugen, daß entweder die ganzen Ermächtigungen
wertlos sein werden oder aber daß sie im Lager unserer Nachbarstaaten
die größten wirtschaftlichen Gegensätze zu uns
hervorrufen müssen. Eine Frage von derartiger Bedeutung,
wie es die Zölle sind, wird von diesem Hause in wenigen Tagen
erledigt. Ich will nicht darauf hinweisen, daß der Antrag
Mašata erst am 27. Mai d. J., also kaum vor 14 Tagen,
eingebracht wurde, aber wie lange wird die Frage des Schutzzolles
überhaupt bei uns öffentlich erörtert? Vor wenigen
Monaten haben wir die ersten bescheidenen Ansätze für
solche Bestrebungen gesehen, wobei auch nicht die geringste Rede
von der Einführung von Zöllen war. Ich bin überzeugt,
daß, wenn der Wahlkampf um die Zollfrage gegangen wäre,
wir eine ganz andere Zusammensetzung dieses Hauses zu verzeichnen
hätten. (Posl. Hackenberg: Wird auch werden!) Gewiß,
wird auch werden. In diesen wenigen Wochen ist alles getan worden,
um eine Klärung der Frage, eine Erörterung der Zölle
zu verhindern. Weder Fachressorts noch zuständige Minister,
noch Wirtschafts- oder hervorragende Fachmänner sind gehört
worden. Ja selbst Anträge der Opposition auf Anhörung
von Fachreferenten und Fachministern sind von der Zollmehrheit
einfach niedergestimmt worden. Wer wundert sich da, daß
bei solcher Behandlung einer Gesetzvorlage von allergrößter
Bedeutung die Massen der Bevölkerung ahnungslos den Folgen
derselben ausgesetzt sind. Ist diese Behandlung des Zollantrages
nicht typisch für dieses Haus überhaupt, für den
Geist in diesem Hause, für den Geist, der in diesem ganzen
Staate herrscht, wer wundert sich da, daß der Parlamentarismus
verfällt, zu einer öden Abstimmungsmaschine geworden
ist, ohne Geist, ohne Inhalt, ohne irgendwelche Lebensmöglichkeit?
Zwar hat sich die Zusammensetzung der Mehrheit geändert,
der herrschende Geist aber ist der alte, die auf eine formale
Zollmehrheit gestützte Diktatur ist geblieben und nichts
anderes. Diskussion, Aussprache, Entwicklung der Argumente,
von einem Kampf der Geister ist gar keine Rede. Hauptsache ist
die vìtšina. 13 oder 15 Stimmen Mehrheit, und damit
wird regiert. Alles übrige hole der Teufel. So sind von einer
anderen Mehrheit bisher die Gesetze gemacht worden
und so ist es auch jetzt bei dieser neuen Mehrheit geblieben.
Meine sehr Geehrten! Wenden wir uns einmal
dem Gesetzeswerke selbst zu. Eine Tatsache ist wohl unbestritten,
daß die Zölle vor allem anderen eine erhebliche Teuerung
verursachen werden. Wir stützen uns bei dieser Behauptung
durchaus nicht auf leere Theorien, wir haben für uns nicht
nur die Erfahrungen in vielen anderen Staaten und Ländern,
wir haben für uns nicht nur das, was wir ja im alten Österreich
wiederholt haben, sondern auch gewichtige Zeugnisse aus der politischen
und ökonomischen Wissenschaft. Einer der bedeutendsten Volkswirtschaftslehrer
des alten Österreich, Universitätsprofessor Phillipovich
sagt in seinem "Grundriß der politischen Ökonomie"
über die Wirkung der Schutzzölle folgendes: "Die
Schutzzölle müssen eine preissteigernde Wirkung ausüben
und diese müssen eben vom Abnehmer der geschützten Waren
gezahlt werden. Die Schutzzölle müssen ihrer Natur nach,
ihrem Zwecke nach verteuernd wirken, ob nun eine wirkliche Preissteigerung
eintritt oder eine Verhinderung des Preissinkens." Meine
Verehrten! Es tritt aber auch eine Verteuerung der Bodenpreise
ein, die durchaus nicht gleichgiltig sein kann und vor allem auch
eine Preissteigerung nicht nur der Nahrungsmittel, sondern auch
aller jener Bedarfsgegenstände, die im Lande produziert werden.
Wir haben für diese Behauptung auch noch eine ganze Reihe
von anderen Zeugen, Zeugen, die gegenwärtig eine hervorragende
Rolle spielen und ein großes Ansehen in der Öffentlichkeit
genießen. Da ist z. B. das Zeugnis des Oberrates Meissner,
der in einer Rede, die er am 29. Mai gehalten hat und die als
Broschüre erschienen ist, ausdrücklich sagt: "Auch
eine Preiserhöhung bei der konsumfähigen Ware werden
die Zölle zur Folge haben." Und es ergibt sich nun die
Frage, wie es mit den Zwischengewinnen in der Èechoslovakei
aussieht, und das ist eine Frage, über die wir uns heute
noch werden etwas ausführlicher auseinandersetzen müssen.
Zunächst aber fragen wir uns, wie hoch
sich die Verteuerung auswirken wird. Die Auffassungen darüber
gehen auseinander. Einig sind sich wohl alle darüber, die
die Zölle zu beurteilen vermögen, daß eine Verteuerung
kommen wird. Die Preise werden, wenn die Zölle zur vollen
Auswirkung gelangen, bei den wichtigsten Nahrungsmitteln eine
Verteuerung um mindestens 30% bewirken. Wir haben eine Erhöhung
des Zollsatzes von Weizen auf 60 Kè, bei Roggen
auf 56 Kè, bei Gerste auf 44 Kè, bei Hafer auf 48
Kè, von Fettstoffen auf 360 Kè, von Mehl auf 120
Kè, also durchschnittlich - ich zitiere nur die allerwichtigsten
Lebensmittel - eine Erhöhung um 30% des Grundpreises.
Wenn sich diese Preiserhöhungen voll auswirken - und ich
bin überzeugt, daß nach den Erfahrungen in anderen
Ländern sich die Preiserliöhungen zur vollen Höhe
auswirken werden, höchstens daß sie bei einer zufällig
sehr reichen Ernte etwas unter dieser Höhe bleiben - dann
wird eine Verteuerung der Lebenshaltung in jeder einzelnen Familie
erfolgen, die als ungeheuerlich bezeichnet werden muß, wenn
man die Einkommensverhältnisse der Massen der erwerbenden
Bevölkerung gegenüberstellt. Wenn wir annehmen, daß
eine Familie gegenwärtig ungefähr einen Jahresbedarf
von 400 kg Brotgetreide, 100 kg Fleisch und 50 kg Fett und Fettprodukte
hat - ich nenne nur die frei allerwichtigsten Nahrungsmittel -
dann ergibt sich, daß wir bei Brotgetreide eine Preissteigerung
von 240 Kè, bei Fleisch um 200 Kè, bei Fetten
um 180 Kè zu verzeichnen haben werden. Also zusammen allein
bei diesen drei wichtigsten Nahrungsprodukten eine Preissteigerung
von insgesamt 620 Kè pro Kopf und Jahr. Meine sehr Verehrten!
Was das bei der heutigen Lage der arbeitenden
Bevölkerung in diesem Lande bedeutet, das werde ich mir gestatten,
Ihnen kurz darzulegen.
Wie ist die Lage der Arbeiterschaft, wie ist
die Lage des Mittelstandes, der Gewerbetreibenden und all der
Tausenden Staatsangestellten, die jetzt schon seit Monaten und
Monaten auf ihr Staatsangestelltengesetz warten? Meine Verehrten!
In unserer Wirtschaft herrscht eine ungeheure Arbeitslosigkeit,
eine Krise, die man eine zweifache nennen kann: eine öffentliche
Arbeitslosigkeit, die von den statistischen Ämtern erfaßt
wird, und eine verschleierte. Die öffentliche Arbeitslosigkeit
ist jene, die vom Genter System und durch das System überhaupt
erfaßt und ausgewiesen wird, die uns zeigt, daß der
Staat eigentlich nur eine verhältnismäßig geringe
Anzahl von Arbeitslosen besitzt. Aber auf statistischem Wege werden
heute nicht erfaßt die Massen der Tausende und Abertausende
Arbeitsloser, die kein Anrecht auf die Wohltat des Genter Systems
besitzen, die entweder schon ausgesteuert sind, indem sie die
13 Wochen des Anspruches der Arbeitslosenunterstützung bereits
hinter sich haben, oder jene Tausende und Abertausende, die sie
überhaupt niemals genießen, weil sie keiner Organisation
angehören und nicht in dieser Statistik erfaßt sind.
Ich denke da ferner an die Tausende und Abertausende von Arbeitern,
Bergarbeiter, Textilarbeiter und viele andere, die durch Kurzarbeit
einen mehr als um die Hälfte geringeren Verdienst haben als
bei normaler Arbeitszeit. Der Durchschnittslohn der beschäftigten
Arbeiter darf nicht einmal mit 150 Kè als zu hoch
angesetzt werden.
Und nun bitte ich Sie, meine Verehrten, bedenken Sie die Wirkung,
die eine Verteuerung der Lebenshaltung von durchschnittlich mehr
als 600 Kè auf den Haushalt einer Familie hervorrufen muß!
Und denken Sie an die Wirkungen dieser Verteuerung bei einem Einkommen
von 600 Kè monatlich! (Posl. dr Luschka:
Das sind willkürliche Berechnungen!) Was
heißt das? Wenn Herr Dr. Luschka von willkürlicher
Berechnung spricht, dann entgegne ich ihm darauf, daß die
Zollmehrheit uns überhaupt keine statistischen Grundlagen
vorgelegt hat. (Sehr richtig!) Wir versuchen, Ihnen aus
dem praktischen Leben und auf Grund unserer wirklichen Erfahrungen
die Notlage der Massen, unserer Berufsorganisationen und Gewerkschaften
darzulegen und wir haben bereits im Budgetausschuß darauf
verwiesen, welche ungeheure Krise unsere gesamte Industrie gegenwärtig
durchmacht. Das Mitglied der Gewerbepartei Koll. Pekárek
hat uns darauf erwidert: "Ja, unsere Industrie ist eben zu
groß. Wir müssen 30% unserer Industrie abbauen".
Da eröffnet sich ein Problem von der ungeheuersten Bedeutung,
und da zeigt sich die ganze Brutalität des jetzigen Planes.
Zunächst einmal möchte ich die Frage stellen, ob denn
die Herren, die heute von einem Abbau der Industrie sprechen,
nicht wissen, daß die Industrie schon einen gewaltigen Abbau
hinter sich hat? Wissen Sie nicht, daß im Falkenauer Industriegebiete
vor dem Kriege 13.000 Bergarbeiter beschäftigt waren, gegenwärtig
aber nicht viel mehr als 5500? Wissen Sie nicht, daß wir
in der Textilindustrie Tausende und Abertausende Arbeitslose haben?
Wissen Sie nicht, daß wir einen großen Teil unserer
Textilindustrie vor der Auswanderung stehen haben? Wissen Sie
nicht, daß zum Beispiel auch große Industriewerke,
wie z. B. die Schichtwerke in Aussig, infolge der Zertrümmerung
des Wirtschaftsgebietes einen großen Teil der Produktion
in das Ausland verlegen mußten, was schon viel mehr als
einen 30%igen Abbau bedeutet? Wenn in diesem einen Industrieunternehmen,
das vor dem Krieg 3000 Arbeiter beschäftigt hat, jetzt kaum
1300 beschäftigt sind, so ist das ein Beweis, daß in
gewissen Industrien nicht bloß 30, sondern 60% Abbau zu
verzeichnen sind. Wir haben infolge der vollständig unter
chauvinistischem Diktat stehenden Außenhandelspolitik dieses
Landes in der Nachkriegszeit eine Abwanderung der Industrie gesehen,
die beispiellos war. Zahlreiche Textilfabriken haben ihre Maschinen
abmontiert und nach Ungarn, Rumänien, Südslavien und
Polen geschickt. Hunderte von Industrieunternehmungen sind zugrunde
gegangen und können überhaupt nie mehr ihren Betrieb
eröffnen. Wir haben also einen solchen Abbau unserer Industrie
schon hinter uns und müssen trotzdem feststellen, daß
wir aus einer Krise in die andere wandern. Wie steht es denn mit
der Steuerbelastung, die ja auch eine der wichtigsten Ursachen
des Zugrundegehens unserer Industrie und unserer Wirtschaft überhaupt
und auch der Existenz jedes Einzelnen ist? Wir haben in der Vorkriegszeit
auf dem Gebiete der jetzigen Èechoslovakei eine
Kopfsteuer von 75 Kronen gehabt. Wenn man das nach dem jetzigen
Stand der Währung aufwertet, so ergibt das 500 bis 600 Kè
Steuer pro Kopf, aber wir haben nach den amtlichen statistischen
Nachweisen im Jahre 1922 auf den Kopf der Bevölkerung
eine Steuerbelastung von 1051 Kè gehabt. Versetzen Sie
sich in die Lage der Steuerträger, der Massen unserer erwerbenden
Bevölkerung, was diese unerhörte Belastung, die ja weiter
getragen werden muß, jetzt noch verschärft durch die
Zölle, für sie bedeutet. Die Arbeiterschaft
weiß es ganz genau, daß gegenwärtig große
schwere Lasten auf sie niedersinken. Es ist mit ziemlicher Sicherheit
vorauszusagen, daß wir in den nächsten Monaten eine
neuerliche Erhöhung unserer Mietzinse zu erwarten haben.
Wir haben am 1. Juli dieses Jahres das Inkrafttreten der Sozialversicherung,
die wiederum gerade den arbeitenden Schichten große neue
Lasten aufbürdet. Nunmehr haben wir noch die Last der Zölle.
Welche Auswirkungen das auf unseren Mittelstand und unsere Gewerbetreibenden
haben wird, wird mein Parteigenosse Kollege Wenzel in der
Debatte noch ausführlich behandeln. Ich habe nur die Aufgabe,
die Belastung zu untersuchen, welche die Kreise der selbständig
Erwerbenden zu tragen haben werden. Wir stehen vor der wahrscheinlichen
Verabschiedung der Beamtengehaltsgesetze. Die Staatsangestellten
sollen die langerwartete und langersehnte kleine Erhöhung
ihres Einkommens bekommen. Die Ziffern, die wir da sehen, zeigen
uns, wie spärlich die Mittel sind, die gerade auf die Gruppe
der niederen und mittleren Staatsangestellten fallen werden. Gewiß,
die hohen Beamten in den Ministerien werden eine verhältnismäßig
etwas höhere Aufbesserung von diesem Gesetze erhalten. (Posl.
Patzel: Das Gesetz hat ja ein lediger Sektionschef gemacht!) Ja,
es sieht so aus. Aber was die große Masse der mittleren
und kleineren Beamten aus der sogenannten Erhöhung ihrer
Gehälter, für die man wieder neue verhetzende Steuern
ersonnen hat, für die man den Zucker und den Spiritus verteuern
will, durch die man die Masse der Bevölkerung gegen die Beamten
aufhetzt, für Beträge erhalten werden, sehen wir ja.
Beträge, die 400, 500, 600 Kronen, in einigen Fällen
etwas mehr ausmachen. Auf der anderen Seite wird schon vor diesem
Gehaltsgesetz ein anderes Gesetz verabschiedet, das diesen Staatsangestellten
dieselbe Summe nimmt, die sie jetzt als eine Erhöhung ihres
wirtschaftlichen Standarts bekommen sollen. Es ist ja auch von
Seite der Zollschutzparteien gesagt worden, daß die Landwirtschaft
ebenso das Anrecht auf Schutz hat, wie die Industrie und daß
sie auch ein wichtiges Glied der Volkswirtschaft ist, da 38% unserer
Bevölkerung Landwirte sind. Das geben wir ohne weiters zu.
Wir sagen nicht nur, daß die Landwirtschaft ein wichtiges
Glied unserer Volkswirtschaft ist, sondern wir sagen, daß
die landwirtschaftliche Produktion sogar eine der wichtigsten
Leistungen in einem Staate darstellt. Wir sagen auch, daß
der Schutz der Landwirtschaft uns eine ganz selbstverständliche
Sache ist. Die Landwirte sind nicht nur Arbeiter, sondern sie
müssen auch schwerer und oft länger arbeiten, wenigstens
zu gewissen Zeitperioden, als eine große Anzahl der übrigen
Arbeiterschaft. Aber sicher ist auch, daß der Weg, der hier
beschritten worden ist, um der Landwirtschaft Hilfe zu bringen,
nicht derjenige ist, der den Landwirten, der Volkswirtschaft und
der arbeitenden Bevölkerung in diesem Staate überhaupt
zum Nutzen gereicht. Wir fragen zunächst: Haben wir nicht
eine ganze Reihe von Zollpositionen, die eine Verteuerung der
Viehproduktion als notwendige Folge erscheinen lassen? Ist nicht
eine ganze Reihe von Futtermitteln ganz erheblich mit Zöllen
belastet? Ist denn nicht von den Zöllen auf Hafer, Wicken
und Lupinen eine erhebliche Verteuerung der landwirtschaftlichen
Futtermittel zu erwarten? Ist nicht die Verteuerung der Phosphate
durch die Zölle ebenfalls eine Verteuerung der landwirtschaftlichen
Produktion? Ist nicht das Belegen von landwirtschaftlichen Maschinen
mit Zöllen ebenfalls eine Verteuerung der landwirtschaftlichen
Produktion? Stehen wir denn auf dem Standpunkt wie vor 50 Jahren,
als die Landwirtschaft keine oder nur außerordentlich wenig
maschinelle Einrichtung hatte? Der schon in den Zolldebatten in
den Ausschüssen erwähnte Oberrat Meissner hat in seiner
Rede auf die Preisverhältnisse in der Landwirtschaft hingewiesen
und gesagt: In der heurigen landwirtschaftlichen Maisausstellung
in Prag waren hochinteressante Diagramme des landwirtschaftlichen
Instituts für Buchführung und Betriebskunde zu sehen,
denen hier ein Vergleich hinsichtlich der Preise der wichtigsten
Lebensmittel im Frühjahr 1920 und im April 1926 einerseits
beim Urproduzenten und andererseits beim Einkauf des Verbrauchers
im Kleinhandel entnommen ist. Die Preise beim Urproduzenten sind
bei 100 kg Weizen im Frühjahr 1925 275 Kronen, und im April
1926 184 Kronen, also eine Verbilligung um 67%, bei 100 kg Roggen
im Frühjahr 1925 ein Preis von 234 Kronen, im April 1926
121 Kronen, also ein Sinken des Preises von 52%, bei Kartoffeln
ein Preis von 58 Kronen im Frühjahr 1925 und von 37 Kronen
im April 1926, also ein Sinken um 64%. Das Lebendgewicht Rindfleisch
ist von 8.47 Kronen im vergangenen Jahre auf 8.10 Kronen im heurigen
Jahre zurückgegangen. Und wie steht es mit den Preisen beim
Einkauf? Ich bitte, das ist in einer Periode, wo wir keinen Schutzzoll
hatten, wo wir im Lande also einen Freihandel mit landwirtschaftlichen
Produkten hatten. Wir haben hier folgende Ziffern: Im vergangenen
Jahre ein kg Semmeln aus Hausmehl um 6.25 Kronen, heuer wieder
6.25 Kronen, ein kg Brot 2.60 Kronen, heuer 2.56 Kronen, also
98%, 100 kg Kartoffeln im vergangenen Jahre 115 Kronen, heuer
95 Kronen, Fleisch im vergangenen Jahre 16.50 Kronen, heuer 16
Kronen.
Wir sehen also, daß beim Verbrauch, beim
Liefern an den Konsum gar keine oder außerordentlich geringe
Änderungen eingetreten sind. Oberrat Meissner sagt zu diesen
Ziffern folgendes: Während der Bauer seine Produkte gegenüber
1925 insgesamt um 28% billiger verkaufte, erhält der Konsument
die Lebensmittel nur um 3% billiger. Der durch die Preissenkung
verursachte Verlust wird dem Landwirt bei 10 ha mit 5832 Kronen
berechnet, das ist ein Minderverdienst gegen das vergangene Jahr,
dagegen erspart der Industriearbeiter nur die geringe Summe von
260 Kronen. Und nun deduziert Meissner und da kommen wir in Gegensatz
zu ihm - Folgendes: "Die angeführten Ziffern stellen
außer Zweifel, daß die geringe Preissteigerung, welche
sich nach Einführung angemessener Agrarzölle bei den
landwirtschaftlichen Produkten ergeben kann, auf dem Weg bis zum
Konsumenten restlos vom Zwischenunternehmer aufgenommen werden
kann, ohne daß sein angemessener Verdienst gefährdet
wird. Hier ergibt sich für das Ministerium für Volksverpflegung
eine sehr dankenswerte Aufgabe."
Dieser Meinung sind wir schon seit einen Jahre,
daß sich hier eine sehr dankenswerte Aufgabe für das
Ministerium für Volksverpflegung ergeben hätte. Aber
wir wissen, daß dieses Amt und auch die anderen Ämter
diesen wirtschaftlichen Tatsachen gegenüber vollkommen ohnmächtig
sind. Wir wissen, daß die Macht der Zwischenhändler,
der Börsenspekulanten, der Schieber viel größer
ist, als daß sie ein Ministerium für Volksverpflegung
brechen könnte. Wir wissen, daß auch die Agrarzölle
nicht aus dem Zwischengewinn der Börsenspekulanten, der Zwischenhändler
gedeckt werden, sondern daß die durch die Zölle bewirkte
Preissteigerung ausschließlich auf die Konsumenten umgewälzt
wird, und zwar, wie ich ruhig und offen auf Grund von Tatsachen
behaupte und wie man beweisen kann, wahrscheinlich in der Form,
daß man die Ziffern noch nach oben abzurunden bereit sein
wird. Tatsächlich wird der einzige große Gewinner an
den kommenden Zöllen niemand anderer als die Börse und
die Spekulation sein.
Wir sind der Meinung, daß die Landwirtschaft
gerade hier eine große Aufgabe für die gesamte Volkswirtschaft
zu übernehmen hätte, daß sie die Ausschaltung
dieses unlauteren Zwischenhandels, der preisverteuernd auf allen
Gebieten wirkt, vorzunehmen hätte. Wir sind der Meinung,
daß insbesondere die kleinen Landwirte, insbesondere die
Gebirgsbauern, schwer unter den kommenden Zöllen werden zu
leiden haben. Wir sind überzeugt, daß ein großer
Katzenjammer die Folge nicht nur für einige, sondern, ich
glaube, für fast alle Mitglieder der zollfreundlichen Parteien
sein wird. Es ist wie eine Ironie, es fällt mir gerade ein,
daß bei der Behandlung des Antrages im Budgetausschuß
eine Zollpost ermäßigt worden ist, und ich glaube,
vielleicht auch ein kleines Verdienst daran zu haben, nämlich
der Zoll für Heringe, für geräucheite Fische. (Pøedsednictví
se ujal pøedseda Malypetr.) Ich
glaube, es könnte wie ein Witz sein, daß diese Heringe
aufgespart werden auf den Katzenjammer, der sich einstellen wird,
wenn die Herren von den zollfreundlichen Parteien erkennen werden,
daß die Zölle für sie alles andere sind, als die
Versprechungen, die sie gemacht haben. (Posl. dr. Luschka:
Sie werden uns dann im "Verband" stützen!) Wir
werden über dieses Kapitel noch sprechen.
Aber noch etwas anderes fällt uns bei
Behandlung der landwirtschaftlichen Zölle auf. Ich möchte
übrigens darauf hinweisen, daß es nicht allein landwirtschaftliche
Zölle sind, die man jetzt im Kampf um die landwirtschaftlichen
Zölle einführt, und daß eine große Anzahl
von Industrieerzeugnissen in den Tarif aufgenommen sind, daß
man also so unter der Hand eine ganze Reihe von Artikeln verteuert
hat, ohne daß die Bevölkerung darüber spricht,
ohne daß man viel davon hört. Da kommt eine Satzpost
"Teppiche" vor, da kommen Motorräder vor, landwirtschaftliche
Maschinen, von denen ich bereits gesprochen habe, da ist
darin eine ganze Reihe von Erzeugnissen der Motorindustrie, der
chemischen Industrie. Die Živnostenská Banka ist an
all diesen Dingen sehr wesentlich interessiert. Sie ist auch sehr
daran interessiert, daß unsere Flugzeuge wesentlich verteuert
werden. Wir haben meines Wissens eine einzige große Flugzeugfabrik
auf dem Boden dieses Staates, und der einzige wirkliche Abnehmer
ist der Staat, und es klingt wie eine Ironie, daß er sich
50% des Wertes der Flugzeuge selbst als Zoll auferlegt.