Hohes Haus! Das in Verhandlung stehende Gesetz ist sicherlich
nicht ein wesentlicher Bestandteil der èechoslovakischen
Bodenreformgesetzgebung, sondern es stellt inhaltlich eigentlich
nur einen minimalen Teil dieses weiten Gebietes vor. Aber es ist
immerhin ein Teil davon und bringt uns all das in aktuellste Erinnerung,
was alles uns gegenüber unter dem Namen "Bodenreform"
und durch die Organe ihrer Durchführung schon angerichtet
worden ist. Ich will darauf des näheren nicht eingehen, was
fast Tag für Tag in der Presse der verschiedensten Schattierungen,
selbst auch der èechischen Koalitionspresse, über
die Praxis im Bodenamte berichtet wird. Wenn davon auch nur ein
Teil wahr ist - und wir haben gar keine Ursache, an der Wahrheit
zu zweifeln - so muß man sagen, das ist Korruption ärgster
Art. Ich möchte hier aber auch an das Wort erinnern, das
noch im vorigen Parlamente, als das Bodenamt einmal zur Verhandlung
stand, ein Redner aus dem Lager der Koalition über die Praxis
im Boden amte gebrauchte: "Man sollte hier die Aufschrift
anbringen. "Zur ausgefressenen Krippe". (Pøedsednictví
pøevzal místopøedseda inž. Dostálek.)
Vor drei oder vier Jahren hat schon der Präsident des Staates
bezüglich der Bodengesetzgebung das Wort gesprochen: "Es
hat sich erwiesen, daß unsere Bodengesetzgebung nicht allseitig
gut ist, sie ist besserungsbedürftig; also" - sagte
er - "verbessern wir sie rasch". Dieses Wort des Staatspräsidenten
ist eine Aufforderung nicht an uns; denn wir wissen, daß
wir in dieser Hinsicht in völliger Ohnmacht sind. Es ist
eine Aufforderung an die Koalitionsparteien, an die Regierung,
an den Ministerrat, dem das Bodenamt unterstellt ist und an das
Bodenamt selbst. Man kann aber die Beobachtung machen, daß
trotz dieser Aufforderung des Staatspräsidenten oder vielleicht
eben deshalb, man gerade von da an daran gegangen ist, die Durchführung
der Bodenreform erst recht rücksichtslos in Angriff zu nehmen.
Wir lehnen diese Bodenreformerei, wie sie in der Èechoslovakei
seit Errichtung dieses Staates geschieht, also ab.
Es sei mir gestattet, als einen Grund den folgenden anzuführen.
Das Bodenamt greift auf Grundlage der Bodengesetze in Gebiete
ein, die doch ganz sinngemäß absolut unmöglich
dem Bodenamte unterstehen können. Was haben zum Beispiel
die Marienbader Heilquellen, die Marienbader Kurhäuser und
Kurbetriebsmittel mit der Bodenreform zu tun? Und trotzdem bringt
es das Bodenamt fertig, auch die in seinen Bereich zu ziehen und
wir wissen, mit welcher Vergewaltigung dies geschehen ist. Man
sagt: Unser Herr Gott ist allmächtig. Aber das Bodenamt,
und sein Präsident sind auch nicht ohne. (Veselost na
levici.) Von dort aus kann all das ausgeführt werden,
was in Marienbad geschehen ist. Meine Herren, der Präsident
des Bodenamtes hat als Justizminister, als unsere Forderung nach
unseren wesentlichsten und unveräußerlichen Rechten
zur Debatte stand, über unsere Forderungen den Ausspruch
getan, wir seien Querulanten. Das wird sich das Sudetendeutschtum
merken. Und in Bezug auf die Vergewaltigung von Marienbad und
des alten deutschen Stiftes Tepl hat er, wenn die Zeitungen recht
berichten, ein neues Wort geprägt. Man muß sich nur
nur die Vergewaltigung des Stiftes Tepl seit Jahr und Tag vor
Augen halten. Und da tat er den Ausspruch, das Stift Tepl hätte
bisher dem Bodenamt gegenüber das Verhalten der Katze gegenüber
der Maus gespielt. Es ist bitterer Hohn! Aber, er hat noch hinzugefügt,
von nun an solle es umgekehrt sein, nun wolle das Bodenamt die
Rolle der Katze übernehmen und das Stift Tepl soll die Rolle
der Maus spielen! Abgesehen von allem anderen halte ich diesen
Ausspruch für verunglückt. Ich möchte dem Bodenamt
zurufen: Die Katze ist ein Raubtier, und wenn das Bodenamt die
Rolle der Katze übernimmt, was für ein Urteil spricht
er da über das Bodenamt aus? (Výkøiky posl.
dr Petersilky.)
Wir können diese Bodenpolitik, wie sie seit 7 Jahren in diesem
Staate betrieben wird, nicht anders als mit schärfster Verurteilung
behandeln. Namentlich deshalb, weis es jetzt zum Greifen deutlich
ist, daß dieser Bodengesetzgebung in keiner Weise die wahren
Ziele einer Bodenreform nach sozialen Gesichtspunkten vorschweben;
diese Bodenreform hat kein anderes Ziel, als unser deutsches Siedlungsgebiet
anderssprachig zu kolonisieren. Das wird zum Greifen deutlich!
In den letzten Tagen bringen die Zeitungen die Nachricht, daß
8 Höfe des ehemaligen Besitzes Clam-Gallas enteignet und
durchwegs èechischen Besitzern oder Neupächtern zugewiesen
worden sind. Und doch liegen diese 8 Höfe in dem Siedlungsgebiet,
das heute noch zu 98% deutsch ist, im Friedländer Bezirk.
Das Gleiche ist aus andern Teilen des deutschen Siedlungsgebietes
berichtet worden. Nichts anderes als die Vergewaltigung unseres
Siedlungsgebietes wird bezweckt, nichts anderes will man, als
einen Hauptschlag gegen seinen deutschen Charakter führen.
Wenn einem Volke der Boden unter den Füßen entzogen
wird, wenn die Vergewaltigung der Sprache des Volkes, wie es durch
die Sprachenverordnung geschieht, eingeleitet ist, dann will man
dies es Volk tödlich treffen. Und das ist ganz bestimmt auch
in Bezug auf uns der Fall. Da gewinnt allerdings das Wort vom
Locarnobau, der im mittelsten Europa, hier in der Èechoslovakei
errichtet werden soll, eine ganz eigentümliche Beleuchtung.
All das ist wahrhaftig nichts anderes als Fabel, Lüge oder
Heuchelei. (Souhlas na levici.)
Einen anderen Grund, warum wir diese Bodenreformerei, wie sie
durchgeführt wird, vollständig ablehnen, ist der, weil
sie nichts anderes bedeutet als die Konfiskation des bestehenden
deutschen Bodenvermögens, zumindest um 75%. Und die
praktische Durchführung verschlimmert die Sache noch, ganz
abgesehen davon, daß der Altbesitzer meist keine Zahlung
erhält, sondern daß sein Anspruch nur in eine Art Schuldbuch
eingetragen wird. Wenn man das berücksichtigt, kommt man
zur Überzeugung, daß 90% des Vermögens
konfisziert werden. Man mag dem Großgrundbesitz gegenüberstehen
wie immer, gegen solche Dinge sträubt sich unser deutsches
Rechtsgefühl. Umso mehr müssen wir uns dagegen erheben,
wenn wir sehen, welchen Leuten diese konfiszierten Güter
zugeteilt werden. Keine anderen sind es als die ausgesprochenen
Protektionskinder der Koalitionsparteien.
Von allen Bestimmungen der Bodengesetzgebung wäre die sympatischeste
vielleicht die, welche besagt, daß ganz besonders die Gemeinde
ein Recht auf die Zuteilung hat. Viele Gemeinden haben deshalb
angesucht in der Hoffnung, an erster Stelle bei der Zuteilung
bedacht zu werden, wobei rein soziale Gründe maßgebend
waren, wie der Umstand, daß die Ernährung und Verpflegung
der Gemeinde sichergestellt werden kann. Bisher aber ist kaum
ein Fall bekannt geworden, daß dem Ansuchen einer solchen
Gemeinde entsprochen worden wäre. (Výkøiky:
Natürlich deutsche Gemeinden!) Das ist z. B. bei Marienbad
der Fall. Die Tepler Stiftshöfe, welche Tepler Eigentum seit
700 und 800 Jahren sind, sind enteignet, aber nicht der Gemeinde
Marienbad zugewiesen worden, die doch schon mit Rücksicht
auf die Verpflegung des Kurortes Anspruch darauf hätte; die
Höfe sind vielmehr èechischen Neubesitzern übergeben
worden. Das gleiche geschah mit den deutschen Höfen des Besitzes
Clary und Ledebur um die Kurstadt Teplitz herum.
Noch einen Grund führen wir gegen die Bodenreformerei an.
Sie dient dazu, nach Abschaffung des alten Adels einen neuen Adel
zu schaffen, aber einen Adel, von dem wir ruhig behaupten können,
daß er von der widerlichsten Art des "Neureich"
ist. Die gesetzlichen Bestimmungen lassen dem alten Besitz maximal
150 ha Ackerboden oder 250 ha Boden überhaupt. Nun sollte
man meinen, daß das, war da ausgesprochen ist, allgemein
Gültigkeit hat. Und doch sind hunderte Fälle vorgekommen,
wir könnten Namen anführen, wo Restgüter in weit
größerem Ausmaß an Neubesitzer zugeteilt worden
sind, die oft ohnehin schon mehr als das zulässige Bodenausmaß
besaßen. Wahrhaftig, es sollen Latifundien auch weiterhin
geschaffen werden, nur in anderen Händen. Die Schaffung des
neuen Adels ist die widerlichste Erscheinung. (Souhlas na levici.)
Hochverehrte Anwesende! Noch eine Ursache führen wir an,
warum wir diese Bodenreformerei vollständig verurteilen.
Das traurigste Los bei der Bodenreform wird den Güterbeamten
und den Daeuerarbeiten auf diesen Besitzen bereitet. Wir kennen
das Elend derselben. Freilich sieht das Gesetz theoretisch vor,
einen Fond zu schaffen, durch welchen für die Sicherheit
der Güterangestellten und Dauerarbeiter, deren Arbeitsplatz
sich oft vom Vater auf den Sohn vererbt hat, gesorgt wird. Aber
wir wissen bis heute nicht, obzwar die Bestimmung seit acht Jahren
schon in dem betreffenden Gesetz steht, wie hoch dieser Fond ist,
wie er verwaltet wird und in welchem Ausmaße er jenen wirklich
zugutekommt, für welche er der gesetzlichen Bestimmung nach
geschaffen ist. Wir wissen bloß eines: das Los von tausenden
ehemaligen Güterangestellten und Dauerarbeitern ist eines
der traurigsten geworden. Dazu noch eines, das ist der Umstand:
Das Gesetz über das Bodenamt bestimmt, daß ein Aufsichtsrat
über dasselbe aus dem Parlament gewählt werde. Dieses
Gesetz bestimmt weiter, daß der Aufsichtsrat nur das Recht
habe, drei Jahre zu fungieren und daß er namentlich erneuert
werden muß, sobald die Neuwahl des Parlamentes vollzogen
ist. Dieses Gesetz stammt aus dem Jahre 1919 und unmittelbar nachdem
es in Kraft getreten war, ist der Aufsichtsrat geschaffen werden.
Dieser Aufsichtsrat ist bis heute nicht erneuert worden. Er besteht
also wenigstens 6 Jahre über seine gesetzliche Funktionsdauer
hinaus. Man muß wirklich fragen: Ist das in einem anderen
Kulturstaate, in einem Staate der Demokratie noch möglich?
Wir haben eine Interpellation eingebracht, die nach drei Richtungen
bestimmte Antworten vom Präsidenten des Bodenamtes beziehungsweise
vom Ministerrat verlangt. Wir wollen zunächst eine Antwort
darauf haben, wem die Restgüter und überhaupt die Großgrundbesitze
bisher zugeteilt worden sind, die Namen wollen wir wissen; wir
wollen das Ausmaß dieser Restgüter wissen. Dann wollen
wir wissen, um welchen Übernahmspreis die Güter vom
Bodenamt übernommen und um welchen Zuteilungspreis sie weitergegeben
worden sind; wir wollen ferner wissen, welche Gemeinden und namentlich
welche deutsche Gemeinden sich um die Zuteilung beworben haben
und in welchem Ausmaß den Ansuchen entsprochen worden ist.
(Výkøiky na levici.) Wir wollen weiter in
der Interpellation wissen, was mit dem Fond los ist, von dem das
Gesetz in Bezug auf die Versorgung der Güterangestellten
spricht, wie hoch er ist; es muß doch alljährlich so
und so viel demselben zugeflossen sein. Wie wird er verwaltet,
in welchem Ausmaß kommt er jenen zugute, für die er
geschaffen worden ist? Wir werden ja sehen, welche Antwort wir
erhalten werden.
Vielleicht wird auch diese Sache wie die Forderungen in Bezug
auf die Sicherheit unserer Grundrechte in diesem Staate mit den
Worten abgetan: Es ist Querulantentum. Vielleicht kriegen wir
also gar keine Antwort. Meine Herren! für uns und für
unser Volksbewußtsein wird das aber nur die Versicherung
sein, wie furchtbar diese Sachen sein müssen, wenn man sich
scheut, sie der Öffentlichkeit zu übergeben. Eigentlich
bedeutet das vorliegende Gesetz, wie ich schon eingangs sagte,
ein Minimum zur Bodengesetzgebung. Wenn man dieses Gesetz im Vergleich
zu den Ungeheuerlichkeiten nimmt, ist die Sache eigentlich von
geringer Wichtigkeit. Trotzdem ist man so sehr besorgt, daß
ja auch gesetzlich ausgesprochen wird, daß dieses kleine
Gesetz bis zum Ende des Wirtschaftsjahres 1926 Geltung haben soll.
Die anderen Ungeheuerlichkeiten, die nimmt man so ruhig hin. Man
denkt da unwillkürlich an ein Wort, das aus einem göttlichen
Munde gekommen ist, das Wort von Verschlucken von Kameelen und
dem Seihen von Mücken. Die Koalitionsparteien, sie schlucken
alle Bodenreformerei, sie sollen auch dieses Gesetz schlucken.
(Souhlas a potlesk na levici.)
Hohes Haus! Alljährlich wiederholt sich das Schauspiel, daß
das kurzbefristete Gesetz betreffend die Kriegsbeschädigten
wieder im sozialpolitischen Ausschuß und im Plenum des Hauses
zur Verhandlung kommt. Der vorliegende Entwurf basiert auf dem
Gesetz vom 10. April 1924, welches Gesetz ab 1. Jänner 1924
in Kraft trat und dessen Wirkung durch das Gesetz vom 19. Dezember
1924 prolongiert wurde und nunmehr auch für das Jahr 1926
in gleicher Art und Weise prolongiert werden soll. Die grundsätzliche
Einkommensteuergrenze soll für ungekürzte Invalidengenüsse
bei selbständig Erwerbenden mit 5000, bei wirtschaftlich
Unselbständigen mit 10.000 Kronen festgesetzt werden. Altes
Unrecht wird durch diese einfachen Verlängerungen nicht gesühnt.
Dafür jedoch kommen immer neue Momente schweren Unrechts
und neue Schäden und ernste Beschwerden zum Vorschein, welche
alle nach raschester Bereinigung rufen würden. Das Hauptübel
liegt in der starken Zentralisierung der Sache. Hätte man
von Anbeginn die politischen Bezirksbehörden nicht nur als
Durchlaufsbehörden behandelt, sondern in ihre Hand eine weitklaffende
Entscheidung gelegt, so wäre ein großer Teil des Unrechts
vermieden worden. Die Verlautbarungen, bis zu welchen Terminen
die Gesuche einzubringen gewesen wären, wären auch auf
den Amtstagen der politischen Behörden intensiver behandelt
worden und auch für uns gilt in bedeutendem Ausmaße
das, was namentlich die slovakischen Kollegen diesbezüglich
in den Ausschüssen mitteilten. Der Prager Zentralismus unverfälschter
Marke wurde auch bei der Durchführung des Invalidengesetzes
nicht zum Segen, sondern zum Fluche und ich bin mir dessen wohl
bewußt, daß es auch im èechischen Volk, ich
brauche da gar nicht an die Slovakei denken, ernste Kreise gibt,
die heute schon den Prager Zentralismus, der in die gesamte Gesetzgebung
und auch beim Invalidengesetz sichauslebt, restlos und energisch
ablehnen. Die Invalidengesetzgebung betreffend, sind sämtliche
deutschen Parteien, ja die gesamte Opposition einig. Unsere Stellungnahme
gegenüber 1923, wo wir zuletzt in diesem Hause unseren Standpunkt
großzügig festgelegt haben, hat sich nicht geändert,
sie hat sich verschärft. Die èechische Invalidengesetzgebung
ist die rückschrittlichste Europas und Sie haben keinen Grund,
in dieser Ihrer Gesetzgebung eine soziale Musterleistung zu erblicken.
Von den meisten invaliden des Bauern-, Gewerbe- und Handelsstandes
weiß unsere Gesetzgebung nichts. Dieselben sind für
uns völlig unbekannte Größen. Für fast jeden
invaliden Bauern, Gewerbsmann und Handelsmann ist die ungerechte
Einkommengrenze ein Hindernis, um das Ihnen gebührende Recht
zu erlangen. Bauern, Gewerbsleute, Handelsleute sind bei Ihnen
nicht nur Invalide zweiter Klasse, sondern werden überhaupt
nicht anerkannt und ich werde mir noch erlauben darüber Näheres
auszuführen. Die deutsche Sektion des Landeskulturrates für
Böhmen, der deutsche landwirtschaftliche Zentralverband für
Böhmen und die vielen Kreis- und Bezirksleitungen unserer
Organisationen stellen mit vollem Fug und Recht die Kardinalforderung
bezüglich der Gleichstellung aller Bezieher der Kriegsbeschädigtenrente
auf und dies insofern, als wir eine Einkommensteuergrenze vollkommen
ablehnen.
Daß die èechoslovakische Invalidengesetzgebung die
rückständigste Europas ist. streifte ich bereits. Der
Beweis dafür ist leicht und spielend zu erbringen. Außer
dem Deutschen Reiche, das durch seine schweren finanziellen und
politischen Nöte dazu gezwungen ist, kennt kein Staat in
der Invalidengesetzgebung eine Einkommensteuergrenze und selbst
das blutarme Österreich hat sieh in seiner Invalidengesetzgebung
nicht von rein fiskalischer Engherzigkeit leiten lassen. Und selbst
dem Vergleich mit Deutschland können Sie nicht Stand halten,
da dort die Invaliden in einer anderen Richtung ausgleichend entschädigt
werden. Innerhalb der verschiedenen Stände werden anderwärts
keinerlei Ausnahmen und Sonderungen gemacht. Wen die Kugel getroffen
hat, wer ein Auge, einen Arm oder einen Fuß verloren hat,
hat in allen anderen Kulturstaaten das gleiche Anrecht auf eine
entsprechende Entschädigung erworben. Er hat darin gleich
schweren Verlust erlitten. Und dies ist Grund genug, ihn auch
gleich zu bewerten, und es hat jeder Staat und insbesondere einer,
der sich ein demokratischer nennt, die unbedingte Pflicht, alle
Staatsbürger mit derselben und der gleichen Elle zu messen.
Kleinliche Erwägung und fiskalische Gründe haben restlos
in den Hintergrund zu treten. Unsere Forderung ist daher, daß
auf Grund der angeführten Umstände die wirtschaftlich
selbständigen Landwirte, Handels- und Gewerbetreibenden gleichmäßig
behandelt werden und die Einkommensgrenze überhaupt restlos
falle. Kein billig und ehrlich denkender Mensch kann dagegen auch
nur das Geringste einwenden. Jede Ungleichmäßigkeit
in der Behandlung der Kriegsbeschädigten ist unsozial, unbillig
und ungerecht. Es wundert mich sehr, daß die èechischen
Invaliden der erwähnten Stände es nicht zu Wege bringen,
sich in ihren Parteien das nötige Gehör und die nötige
Rücksichtsnahme zu verschaffen. Die Scheidung in wirtschaftlich
Selbständige und wirtschaftlich Unselbständige hat unbedingt
zu fallen. Erst wenn dies geschehen ist, rückt diese Ihre
Invalidengesetzgebung in die Invalidengesetzgebung der anderen
Staaten als gleichgestellt ein. Sie übersehen es vollständig
und vergessen, daß der wirtschaftlich Selbständige,
selbst wenn sein Einkommen 5.000 Kè übersteigt, nicht
auf Rosen gebettet ist. Der invalide Bauer, der nach dieser Einkommensgrenze
keine Rente erhält, kommt infolge seiner geschwächten
und oft auch völlig lahm gelegten Arbeitskraft in die unangenehme
Lage, sich eine fremde kostspielige Arbeitskraft mehr einstellen
zu müssen. Das Gleiche gilt auch von den Gewerbetreibenden
und Handelsbeflissenen. Die Rentabilität ihrer Betriebe ist
durch ihre Invalidität eine sehr geringe worden.
Ja, Kriegszuschläge hebt man in alter oder neuer Namensgewandung
über die Zeit und über Gebühr, selbst von solchen
Invaliden ein, denen man die ihnen gebührende Rente vorenthält.
Der Staat treibt Raubbau an seinen ärmsten Bürgern.
Selbstverständlich verlangen wir auch bei der Versorgung
mit Prothesen und orthopädischen Behelfen gleichfalls so
vorzugehen, daß bei allen Kriegsbeschädigten, die durch
die Prothesenkommission aus Staatsmitteln Prothesen und orthopädische
Behelfe erhalten, in weitgehendstem Maße solche Zuwendungen
erfolgen. Es ist sehr bedauerlich, daß die mit der Kriegsbeschädigtenfürsorge
betrauten Ämter bisher nicht so ausgestattet sind, daß
sie imstande sind, in kürzester Zeit ihren Pflichtaufgaben
gerecht zu werden und das Gesetz restlos durchzuführen.
Noch ärger sieht es jedoch aus, wenn wir die Gesetzesnovelle
vom 25. Jänner 1925 in Betracht ziehen. Sowohl die Renten
als auch die Nachzahlungen, die durch diese Novelle neu geregelt
wurden, sind in einer großen Zahl von Fällen noch nicht
zur Durchrechnung gebracht, geschweige denn, daß die Abfertigungen
jenen Kriegswitwen ausgefolgt sind, die eine neue Ehe beschlossen
haben. Nach einem im Abgeordnetenhause im Jahre 1923 angenommenen
Resolutionsantrag wurde die Durchführung aller kriegsbeschädigten
Fälle auf 6 Monate befristet. Diese 6 Monate und noch weitere
dreimal 6 Monate sind verflossen und von einer endgültigen
Ordnung der Sache sind wir noch sehr weit entfernt. Daß
dies keine Übertreibung ist, ließe sich an so manchem
Beispiele erhärten. Nachstehend nur eines für viele.
Die Kriegswitwe Barbara Pächtl aus Weißensulz hat für
ihre vier Kinder seit 8 Monaten keinen Heller Rente erhalten.
Hier tritt auch eine Belastung der Zuständigkeitsgemeinde
ein, da die Kinder schwere Not leiden. Bei dieser Gelegenheit
sei auch darauf verwiesen, wie andere greise Invaliden aus der
Zeit vor dem Weltkrieg inhuman behandelt werden. Im Böhmerwalddorfe
Münchsdorf lebt der 93jährige Patentinvalide Johann
Schröpfer, der den Feldzug des Jahres 1859 mitmachte. Er
bezog 160 Kronen aus der Rudolfstiftung und 100 Kronen aus der
Schwarzenbergstiftung. Heute erhält der greise Mann, der
mit einem Fuße bereits im Grabe steht, trotz aller Urgenzen
keinen Heller. Vielleicht ist seit den Monaten, da mir dies der
93jährige Mann mitteilte, er bereits im Grabe.
Da dürfen Sie sich nicht wundern, wenn Unzufriedenheit und
Verbitterung die Herzen solcher Menschen erfüllt. Für
die Auslandspropaganda, für die Luxusbauten entbehrlicher
Minderheitsschulen werden Millionen herausgeworfen. Bei uns erlaubt
man sich den Luxus eines Heeres von 700.000 Mann und einer halben
Million Reserve, demnach insgesamt 1,200.000 Mann zu erhalten,
während das Riesenreich England samt Kolonialtruppen und
Reserven nur 644.000 Mann besitzt. Da kennt man kein Sparen und
ein volles Fünftel des Budgets wird allein von den Militärauslagen
verzehrt.
Was ficht es die Finanzverwaltung an, wenn viele dieser Invaliden
der Gemeindeversorgung zur Last fallen und dadurch auch die Finanzen
der Gemeinden ins Wanken geraten, die ohnehin bereits zerrüttet
sind, seitdem die Gemeindeumlagen von den Staatsämtern eingehoben
werden. Durch die zahlreichen Todesfälle unter den Invaliden
und durch die Verehelichung der Witwen, die Abfertigungen, als
auch durch den Austritt der heranwachsenden Kinder aus dem Rentenbezuge
sinken die Ausgabeziffern von Jahr zu Jahr und es ist schon aus
diesem Grunde durchführbar, auch den bäuerlichen und
den Gewerbeinvaliden endlich zu ihrem Rechte zu verhelfen. Da
die Kriegsinvaliden der Mittelstände, wie ja alle Kriegsinvaliden
so stiefmütterlich behandelt werden, so ist es ein Lichtblick,
daß als erster der Landeskulturrat beschlossen hat, bäuerlichen
Kriegsinvaliden, die nachweisbar mit großen Invalidenprozenten
anerkannt sind, um Subventionierung zur Anschaffung landwirtschaftlicher
Maschinen einreichen zu können. Was hilft jedoch dieser wohlwollende
Beschluß, wenn den Landeskulturräten hiefür die
Geldmittel so überaus karg zugemessen werden? Die besten
Absichten werden dadurch zunichte gemacht. Auch die Organisationen
des Gewerbes und des Handels würden von gleichem menschenfreundlichen
Entgegenkommen beseelt sein, wenn einerseits nicht die unverantwortliche
Verschleuderung der Staatsgelder und andererseits nicht der engherzige
fiskalische Standpunkt dies ihnen zur Unmöglichkeit machen
würde.
Verfehlt ist es, wenn die Steuerbehörden in den Kriegsbeschädigtengenossenschaften
in erster Linie Steuerobjekte sehen und für diese derart
hohe Steuervorschreibungen erlassen, daß ihre Existenz und
ihr gedeihliches Wirken oft in Frage gestellt sind. Das Bodenamt
nimmt bei der Verteilung von Grund und Boden auf unsere Invaliden
nicht die geringste Rücksicht, trotzdem es vorgeschrieben
ist. Auch nach dieser Richtung hin sind sie die Stiefkinder des
Glückes. Bei der Ämterbesetzung werden unsere Invaliden
mangels Kenntnis der Staatssprache zurückgesetzt und jene,
welche irgendwo noch einen Arbeitsplatz haben, wirft man nach
dem bekannten Schlagwort vom Abbau einfach aufs Pflaster oder
drangsaliert sie mit Versetzungen und entreißt sie so der
Heimat, der häuslichen Pflege und Ordnung, deren sie so dringend
bedürfen. Schweres Unrecht auf Unrecht häuft man hier
auf die bedauernswerten Opfer des Weltkrieges. Das ist das neue
Humanitätsideal eines demokratischen Regimes, das ist die
sogenannte westliche Einstellung. (Výkøiky na
levici.)
Im weiteren wäre dem ungehörigen Vorgang Einhalt zu
tun, daß viele, welche gegen das Ausmaß der Prozente
der Erwerbsunfähigkeit bei den Landesberufungskommissionen
Berufung eingebracht haben, nicht zu dieser Kommission vorgeladen
werden; der Prozentsatz wird einfach aus dem vorliegenden Akt
endgültig festgelegt. Man entscheidet am grünen Tisch.
Grundsätzlich sollte jeder, der Berufung einlegt, zur Landeskommission
vorgeladen werden, damit auch seine mündlichen Einwände
gehört werden und bis ins Detail eine gründliche Untersuchung
und eine gerechte Überprüfung seines Zustandes stattfindet.
Im weiteren wäre zu wünschen, daß seitens der
Bezirksämter für Kriegsbeschädigtenfürsorge
den Kriegsbeschädigten nicht das Recht beschnitten werde,
da die Ieute regelmäßig verständigt werden, daß
bis zur Herablangung der Entscheidung bezw. Erledigung jede Urgenz
vollkommen zwecklos oder unzulässig ist.
In Parenthese richte ich ferner den ernsten Mahnruf an Sie, nicht
zu vergessen, daß noch eine größere Zahl von
Kriegsgefangenen aus Rußland nicht heimgekehrt sind und
immer wieder neue Berichte und neue Klagen von jahrelangem Elend
auf fremder Erde zu berichten wissen.
Auch das Schandmal der Fremdenlegion soll hier zur Sprache kommen.
Durch Intervention beim Völkerbunde oder auf anderen Linien
könnten Sie es beseitigen; aber ich kann es Ihnen nicht zumuten,
trotzdem Tausende von Staatsbürgern beider Zungen in dieser
Legion schmachten. Ihre falsche politische Einstellung verbietet
Ihnen dies. An dieser Stelle bietet sich Gelegenheit, zu sagen,
daß die Fremdenlegion eine unmenschliche Institution der
französischen Militärpolitik ist und zeigt, daß
in Paris nicht von heute oder gestern, sondern von altersher Barbarensitten
daheim sind und in vielen anderen Staaten von Frankreich aus der
gewaltsame militärische Sklavenfang betrieben wird. Die gesamte
Weltpresse, auch Ihre Presse, warnt vor den Emissären der
Fremdenlegion, aber die Regierung schweigt. Wo bleibt da das Recht,
wo bleibt das Weltgewissen? (Souhlas na levici.)
Eine große Zahl Personen hat den Anspruch auf eine Rente
verloren, weil sie die letzte Anmeldefrist, den 31. Dezember 1923,
versäumt haben. Es ist namentlich vielen im Auslande lebenden
Kriegsinvaliden nicht möglich gewesen, die inbetrachtkommenden
Gesetzesbestimmungen zur Geltendmachung des Rentenanspruches einzuhalten,
da ihnen keine Gelegenheit gegeben war, dieselben kennen zu lernen.
In letzter Zeit beginnt man ja allerdings sehr zart das Unrecht
einzusehen und aus dieser dämmernden Einsicht heraus datiert
der allerjüngste, der blutjunge Dezembererlaß des Ministeriums
für soziale Fürsorge G. Z. 53.550/5-1-1925 betreffend
periodische Unterstützungen für Vorfahren, welche die
Anmeldefrist versäumten. Diese Zuwendungen, durch die auch
viele Gemeinden entlastet würden, wären aus dem Ertrage
der ersten staatlichen Wohltätigkeitslotterie zu gewähren.
Die Sache findet aber insoferne verschiedene Einschränkungen
als beispielsweise das Ministerium solche Ansuchen ohne Angaben
von Gründen abweisen kann, wodurch bei nicht richtigen oder
mangelhaften Erhebungen der Unterbehörden Tür und Tor
ungerechten Entscheidungen geöffnet sind, wobei auch die
Altersgrenze zu hoch angesetzt ist. Dieser Erlaß vom 4.
Dezember 1925 ist leider nur mangelhaft verlautbart worden und
diesem Umstand ist es zuzuschreiben, daß heute nach 3 Monaten
die betroffenen Kreise noch nicht in Kenntnis dieses ministeriellen
Erlasses gelangt sind.
Ich wiederhole, daß insbesondere auch unsere Mittelstandsinvaliden
nach wie vor rechtlos und schutzlos sind. Menschenrecht und Humanität
sind hier zulande billige Schlagworte, die in Versammlungsreden
volltönend wiederhallen, in unsere Gesetzgebung aber nur
wenig und schüchtern Eingang gefunden haben. Hoffen wir,
daß in absehbarer Zeit endlich mit diesem System gebrochen
wird und auch unseren bisher nicht berücksichtigen Invaliden
die Stunde schlägt, wo sie, ehe ihr Lebensfaden abgelaufen
ist, zu dem ihnen gebührenden Rechte kommen. Wehrlose zu
benachteiligen und sie von den geringen Wohltaten dieser Gesetzgebung
auszuschließen ist nicht am Platze, ein solches Vorgehen
richtet sich von selbst. Wir lehnen daher die automatische Verlängerung
dieser Einkommensteuergrenze, die das Unrecht nicht behebt, sondern
neu veraukert, restlos ab. Herz, Gewissen und Vernunft gebieten
uns dies. (Potlesk na levici.)