Es ist dies ein Kapitel, über das
einiges weniges gesagt werden muß. Im Dezember des Jahres
1922 haben Sie unter Berufung auf die Steigerung des Wertes der
Èechokrone einen Gehaltsabbau um 15 bis 20% beschlossen.
Nicht genug daran, nicht genug an dem Elend und Not, das Sie dadurch
anrichten wollten und angerichtet haben, Sie haben sich auch noch
geeinigt, den Abbau der Familien- und Teuerungszulagen zum Gesetz
zu erheben. Und wie haben Sie dieses Abbaugesetz genützt?
Es war schon zur Zeit der Übernahme der Herrschaft in diesem
neuen Staate durch Sie die Staatsbedienstetenschaft und die Staatsbeamtenschaft
so zusammengesetzt in den historischen Ländern, daß
Sie bei der Auswahl der Personen auch auf die Deutschen hätten
Rücksicht nehmen müssen. Sie haben das Verhältnis
in der Bevölkerungsziffer willkürlich geändert.
Wir, die Gesamtheit unserer deutschen Bevölkerung bilden
etwa 23 1/2% der ganzen Bevölkerungsziffer. Von den
staatlichen Angestellten, Beamten und Arbeitern aber waren schon
zur Zeit der Übernahme des Staates durch Sie in den historischen
Ländern nur 17% Deutsche. Das haben Sie gewaltsam geändert
und sich nicht darum gekümmer, ob die Menschen, die noch
übrig bleiben dank Ihrem Abbaugesetz, von dem, was sie erhalten,
auch nur vegetieren können. Es betrug zur Zeit der Schaffung
dieses Staates das Einkommen dieser Menschen durchschnittlich
drei Fünftel des Realeinkommens vor dem Kriege und Sie haben
ihnen dafür eine vielfache Besteuerung aufgewälzt, Sie
haben ihr Schicksal erschwert, verschlimmert, und trotzdem haben
Sie das harte, rigorose und grausame Abbaugesetz durchgeführt.
Als dann die Preise stiegen, als mit den Gehältern und Löhnen
nicht mehr zu leben war, da haben Sie es nicht so eilig gehabt,
die Bezüge der Staatsangestellten wieder zu erhöhen,
da haben Sie nur Versprechungen gemacht, die bis heute nicht gehalten
worden sind. Dafür haben Sie im Dezember 19 25 vielen Tausenden
von Angestellten und Beamten die Existenz abgebaut, die Existenz
zerstört und vernichtet, und, wie man hört, soll es
mit diesen Zehntausenden von unglücklichen Menschen noch
nicht genug sein, mit schonungsloser Härte wird man anscheinend
noch weiter gehen. Meine Herren! Ich fasse es nicht, wie Arbeiterparteien
ein solches Vorgehen gegen staatliche Arbeitskräfte mitmachen
können, wie man da, wo der Staat als Arbeitgeber auftritt,
mit einem so aufreizenden empörenden Beispiel den Privatunternehmungen
vorauseilen kann dadurch, daß der Staat zum allgemeinen
Lohnabbau den Anstoß gibt, daß er voranmarschiert
bei der Entlassung von Arbeitskräften derart, daß die
übrig Gebliebenen in der Arbeitszeit von 8 Stunden die Arbeit
nicht leisten können, so daß der 8-Stundentag zerschlagen,
daß er zuerst vom Staate durchbrochen wird. Nun haben Sie
in jüngster Zeit neue unerhörte Entlassungen vorgenommen.
Es war mit voller Planmäßigkeit ein blindwütiger
Vernichtungsfeldzug gegen die deutschen Arbeitskräfte, die
der Staat beschäftigte, ein Vernichtungsfeldzug, der in uns
traurige Erinnerungen lebendig macht, der uns wieder ins Gedächtnis
ruft, mit welch unerhörter Kulturwidrigkeit sie den Mordfeldzug
gegen das deutsche Schulwesen in diesem Lande und anderes aufgenommen
haben.
Wie sieht es denn um diese letzten Entlassungen
von Staatsangestellten und Arbeitern aus? Ich kann mich auf Einzelheiten
nicht einlassen, aber das eine oder das andere Beispiel möge
die Ungeheuerlichkeit der Sache zeigen, möge zeigen, wie
es immer ganz entgegen den Behauptungen von der Regierungsbank
kommt. Es sind vor allem die andersprachigen Bediensteten und
Beamten, gegen die sich der Feldzug richtet. Im Wirkungsgebiet
der Eisenbahndirektion Königgrätz sind in der letzten
Zeit 636 Èechen entlassen worden.
Denen aber stehen, obgleich es ein vorwiegend èechisches
Gebiet ist, 1.196 deutsche Entlassene gegenüber, d. h. daß
zweimal soviel Deutsche als Èechen entlassen worden sind.
Auf der Strecke Prag-Eger, die zum großen Teil durch rein
deutsches Gebiet geht, sind nach Information,
die ich besitze, 70 èechische Eisenbahner entlassen worden.
Denen steht die ungeheuere Zahl von 276 deutschen Eisenbahnbediensteten
gegenüber, d. h. - daß viermal soviel als èechische
Eisenbahner nach dem Abbaugesetz entlassen wurden.
Bei der Eisenbahndirektion Olmütz sind es über 1000
deutsche Arbeiter, die man geopfert hat, 50% des ganzen Bestandes,
die entlassen und zum größten Teil durch neues èechisches
Personal ersetzt worden sind. Man geht schonungslos und rücksichtslos
auf allen Gebieten vor, man entläßt
Arbeiter aus den Werkstätten, man kümmert sich nicht
um die Qualifikation, man kümmert sich nicht um die Tüchtigkeit,
nicht um die Leistungsfähigkeit, man kümmert sich nicht
um Not und Elend, um Sorge und Hunger. (Pøedsednictví
pøevzal místopøedseda Stivín.)
Man kümmert sich nur darum, daß die Zahl der deutschen
Angestellten verringert wird. Und wie haben Sie es dann bei der
Post gehalten? Auch da sind Tausende von Deutschen an die Luft
gesetzt worden. Ich komme aus Karlsbad. In Karlsbad sind
insgesamt 80 deutsche Postbeamte und Postbedienstete entlassen
worden und nur eine èechische Beamtin, die überdies
nicht viel im Dienst getaugt hat. Das ist die nationale Gleichheit,
die Sie praktisch herstellen. Und dann sagen Sie uns, es
wäre unwahr, daß Sie die Macht zu nationalistischen
Exzessen mißbrauchen. In Komotau sind nach dem, was ich
erfahren konnte, etwa 50 Deutsche von insgesamt etwa 120 Angestellten
entlassen worden. Dafür sind aber nahezu 40 neue èechische
Postbedienstete hingekommen. In Brüx ist
es über die Hälfte, die entlassen worden ist, in Eger
sind es etwa 120 von insgesamt 200 Personen, um die es sich handelt.
Sie sehen, das Leugnen nützt nichts. Sie versuchen es auch
gar nicht mehr ernsthaft, wie ich noch erweisen werde.
Mit Absicht und Planmäßigkeit, mit vollem Bewußtsein
haben Sie die deutschen Arbeitskräfte hinausgestoßen,
um für Ihre Wahlparole zu sorgen, dadurch daß Sie èechische
Arbeitskräfte hinbringen. Das ist, was Sie wollen. Wie wirkt
sich die Sache praktisch aus? Sehen Sie sich
um, wie unsere Post draußen im deutschen Gebiete heute aussieht!
Nicht die mindeste Rücksicht auf die Posterfordernisse nehmen
Sie bei all diesen Maßregeln, man setzt Leute hin, die ortsfremd
sind, die die Schrift nicht lesen können, die die Sprache
mangelhaft verstehen. Man nimmt keine Rücksicht darauf, daß
die Beförderung in der schwersten Weise leidet, daß
in derselben Stadt die Beförderung oft Tage dauert, bis der
Adressat die Post empfängt, man kümmert sich nicht darum,
daß beispielsweise in Eger vor einigen Tagen vier Waggons
mit Postsendungen standen, die nicht ausgeladen worden sind, weil
die neuen Bediensteten mit der Sache nicht fertig werden konnten.
Man schert sich nicht darum, daß man beim Telephon in Verzweiflung
gerät, weil die Damen die Sprache nicht verstehen - es mag
nicht ihre Schuld sein weil sie falsche Verbindungen herstellen,
wenn sie sich überhaupt zu melden belieben, wenn überhaupt
eine Verbindung hergestellt wird. Und da sagte der Herr Ministerpräsident
in seiner heutigen Rede, beim Ausbau der Bahnen und der Post werde
man mit den Verbesserungen, die schon vollzogen worden sind, auch
weiterhin fortfahren. Ein Spatz könnte lachen, wenn man solche
Äußerungen aus dem Munde des verantwortlichen Leiters
der Regierung hört. Sie kümmert nicht die Steigerung
der Arbeitslosigkeit, die Sie durch ihre Maßnahmen anrichten,
nicht daß durch die Entlassung dieser Staatsangestellten
den Privatangestellten eine verhängnisvolle Konkurrenz entsteht,
Sie scheren sich nicht um die Wohnungsnot, die so ungeheuer ist
und gegen die Sie nichts ernsthaft unternehmen, so daß die
Wohnungsnot noch eine unheilvolle Verschärfung erfährt.
Sie ruinieren unsere Post. Der Herr Ministerpräsident möge
dem Ausland erzählen, wie es damit bestellt ist, Und all
das tun Sie wohl nur deshalb, weil wir die teuersten Posttarife
in ganz Mitteleuropa zahlen müssen, weil Sie uns Lasten auferlegen,
die man anderswo nicht kennt. Und all das treiben Sie ohne Rücksicht
auf Gesetz und Recht. Sie kümmern sich nicht darum, ob unter
den Entlassenen Kriegsinvalide sind, die sich einen anderweitigen
Erwerb nicht schaffen können und die Sie brotlos machen,
die Sie dem ärgsten und unmenschlichsten Elend ausliefern.
Da werfen Sie sich in die Brust und sind stolz auf Ihre Handlungen
und verschweigen sich selbst, welch namenloses Unheil, welch unmenschliche
Unbarmherzigkeit Sie durch solche Maßnahmen begehen.
Aber zum Unrecht kommt zeitweise auch noch
der Hohn, und ein Wort müssen Sie mir wohl auch darüber
gestatten. Es war ausgesucht und leider, wie ich sagen muß,
das "Právo Lidu", das bei Besprechung der Entlassung
von Postbeamten in Karlsbad es fertig brachte zu schreiben, diese
Staatsangestellten in Karlsbad hätten kein Interesse für
die Staatssprache, wohl aber hätten sie Interesse für
das Geld des Staates. Wie ist die Sache? Beim Postamt in Karlsbad
sind 23 Personen entlassen worden und durchwegshandelt es sich
um über 50-Jährige, die doch gar nicht mehr verpflichtet
sind, eine Sprachprüfung abzulegen. Da kommt das "Právo
Lidu" und höhnt über die entlassenen Arbeiter.
Ja, wenn dem auch so wäre, haben denn diese Postbediensteten
das Geld vom Staat geschenkt bekommen? Wie kann ein Arbeiterblatt
sich finden, das darüber höhnt, wenn Arbeiter für
ihre Arbeitsleistung Geld beziehen. Und ist das Geld, das sie
bekommen, ein Geschenk? Zahlen zu diesen Steuern nicht auch die
deutschen Arbeiter in vollem Maße durch die Umsatz- und
Verzehrungssteuer, durch all die Steuern, die das Leben verteuern
und erschweren? Ich empfinde das als eine beklagenswerte Sache,
als eine beschämende Tatsache, die sich da vollzogen hat
und die ich als Sozialist zurückweisen möchte. Wie behandelt
man uns in der Sache überhaupt? Ich glaube, es war im Mai
d. J., da hat bei dem damaligen Leiter des Ministeriums, dem heutigen
Minister Støíbrný,
eine Besprechung mit einer Anzahl von Abgeordneten und Senatoren
wegen Durchführung des Abbaugesetzes stattgefunden. Herr
Støíbrný
hat damals dem Inhalte nach etwa erklärt, daß das Abbaugesetz
durchaus vom rein fiskalischen und wirtschaftlichen Standpunkt
durchgeführt werden würde, und daß allein deshalb,
weil jemand die Staatssprache nicht in ausreichendem Maße
versteht, eine Entlassung nicht erfolgen werde. Die Tatsachen,
die ich anführte, strafen das Versprechen des damaligen Leiters
der Regierung Lüge, der versichert hatte, daß vor allem
Alter, Familienverhältnisse, materielle Lage der Staatsbeamten
und Bediensteten das entscheidende Merkmal für die Durchführung
des Abbaugesetzes sein sollen. Aber was kümmern Sie die Versprechungen?
Ich habe heute gelesen, der Herr Ministerpräsident habe erklärt,
die Versprechungen bleiben aufrecht, eingegangene Verpflichtungen
bestehen weiter. Herr Švehla frage seinen Kollegen
Støíbrný
um diese Verpflichtungen, um die bindenden Zusagen, die er damals
gemacht hat, und soll dafür sorgen, daß die gegebenen
Versprechungen wirklich eingehalten werden. In Wahrheit machen
Sie es so: Sie üben die Gewalt, Sie brechen das Recht und
zum Schluß kann es geschehen, daß die Opfer noch ihre
Verhöhnung erdulden müssen. Sie rühmen sich sogar
zu gelegener Zeit des Übermaßes von Brutalität,
die Sie den deutschen Angestellten gegenüber begehen. Haben
wir es denn nicht erlebt? Gestern hat es ein kleines Nachspiel
gehabt, daß der Herr Dr. Franke sich nicht geschämt
hat, in einer Rede des Wahlkampfes zu betonen, daß er imstande
war, das deutsche Element im Postdienste von 60% auf 18 % herabzudrücken.
(Hört! Hört! - Hluk.) Das ist planmäßiger
Vernichtungskampf. Und haben wir - was noch viel schlimmer und
entwürdigender ist nicht erleben müssen, daß
im Wahlaufrufe der èechischen sozialistischen Partei rühmend
hervorgehoben wurde, daß es den Vertretern dieser Partei
gelungen sei, im Eisenbahndienst und auch im Postdienst den èechischen
Arbeitern und Beamten viele, viele Stellen
zu verschaffen, die früher mit deutschen Kräften besetzt
waren? Das ist der Aufruf, der die Unterschrift von zwei aktiven
Ministern trug, wieder von Herrn Dr. Franke und die Unterschrift
unseres Herrn Dr. Beneš (Hört! Hört!),
dem man sonst nicht zumuten möchte, daß solche Dinge
mit seinem Wissen sich vollziehen. Und dann reist Herr Beneš
herum, kommt zu uns, dann verkündet er durch seine Presseorgane,
daß der Geist von Locarno auch in der Heimat sich durchsetzen
müsse, im eigenen Lande zur Richtlinie künftigen Handels
gemacht werden müsse. Es ist Geflunker, Irreführung
der Welt, es ist eine brennende Schmach und ein häßliches
Kapitel der Geschichte der Koalition, daß sie ihre Macht
dazu benützt, um den Haß zu vertiefen, um Angehörige
eines anderen Volkstammes aus staatlichen Stellungen völlig
auszurotten, unbekümmert darum, daß es der Artikel
7 des Friedensvertrages untersagt, und unbekümmert darum,
daß der § 128 des Verfassungsgesetzes Sicherheiten
in dieser Beziehung auch den nationalen Minderheiten garantiert.
Wie bei den staatlichen Angestellten, so machen
Sie es auch bei der Vergebung staatlicher Bauten, von Straßenbauten,
Flußregulierungen u. s. w. Immer, immer machen Sie es so,
daß Sie neue Arbeitsplätze schaffen für
èechische Arbeitshände, auch dann, wenn die deutschen
oder anderssprachige Unternehmer um Vieles billiger sind. Für
staatliche Bauten haben Sie 1924 51 1/2 Millionen Kronen
ausgegeben, und 44.6 Millionen sind an èechische Unternehmer
gekommen, und nur 6.9 Millionen blieben für
andere Bauunternehmer. Und es schert Sie gar nichts, es kümmert
Sie nicht, daß sie dadurch ungezählte arme Arbeiter,
die sich ja an diesem Staate nicht versündigt haben, die
sich oft um politische Dinge nicht kümmern, brotlos machen,
dem krassesten Elende ausliefern, sie mit Frau und Kind in ärgsten
Elend versinken lassen, daß Sie sie einem erbarmungslosen
Schicksal überlassen, das in seiner Tragik und in seiner
Furchtbarkeit oft nicht zu ermessen ist. (Hluk.) Dagegen
erheben wir leidenschaftlichen Protest. Wir erheben Anklage gegen
Sie, daß Sie die Macht, die Sie sich anmaßen, mißbrauchen,
um schweres Unrecht zu verüben gegenüber andere Nationen.
(Hluk.)
So, meine Herren, wollen Sie die nichtèechischen Bewohner
dieses Staates zu loyalen Staatsbürgern
erziehen? Nein, so säen Sie Groll, Erbitterung und Empörung
müssen Sie ernten, weil Sie selbst den Boden dazu bereitet
haben. Wir verlangen sofortige Einstellung der Abbauaktion. Wir
verlangen, daß die Entlassungen in ausgiebigster Weise rückgängig
gemacht werden, wenn der Betreffende in seiner sonstigen Qualifikation
sich als gut erwiesen hat. Wir verlangen die Novellierung des
Abbaugesetzes. Heute freilich verspricht man uns wieder. Auch
der Ministerpräsident hat angekündigt, daß so
manches im Interesse der Angestellten kommen wird. Versprechen
Sie nicht nur, halten Sie auch, was Sie versprochen haben, wie
es aufrichtigen, ehrlichen, anständigen Männern geziemt.
(Hluk.) Wir verlangen die durchgreifende Regelung der staatlichen
Angestelltengehälter nach dem realen Werte von 1914, wir
verlangen, daß Sie sich endlich um die Pensionisten, um
die Witwen und Waisen dieser staatlichen Angestellten und Arbeiter
kümmern. Lösen Sie ein, was Sie versprochen haben. Wir
aber - das sagen wir - wir werden den Kampffortführen, bis
das Unrecht, das Sie verüben, nach Möglichkeit getilgt
ist. Es ist umso dringender, daß es geschieht, weil Sie
das Elend mehren, weil Sie die Teuerung, die ohnedies vorhanden
ist, noch künstlich verschärfen. (Hluk.)
Mistopøedseda Stivín
(zvoní): Prosím o klid.
Posl. Hillebrand (pokraèuje):
Die Beseitigung des schweren Unrechtes, das Sie auf sich geladen,
ist umso dringender, weil Sie nicht nur nichts tun, um das Elend
der armen Entlassenen zu mildern, sondern weil Sie auch der Gesamtheit
der übrigen arbeitenden Menschen ihr Schicksal, ihre trostlose
Lage erschweren, weil Sie die Lebensmittel noch künstlich
verteuern, wie Sie es heute durch Ihren Beschluß vom neuen
bewiesen haben.
Wie ist es denn mit dem Zucker? Wir haben Zucker
in Überfluß, wir führen ihn in das Ausland, wir
zahlen aber Zuckerpreise, wie sie kaum in einem anderen Lande
Europas üblich sind, obwohl wir Zucker in Überfluß
haben. Ein Übergewinn wird aus der Zuckerproduktion gewonnen,
über den Weltmarktpreis heraus, damit die Zuckerbarone eine
reiche Dividende bekommen. Deren Schicksal liegt Ihnen recht sehr
am Herzen. Und dann kommen Sie und beschließen die Zuckersteuer.
Sie heben heute eine Zuckersteuer von insgesamt 152 Kronen ein.
Das sind 34% des Verkaufspreises des Zuckers. Auf der einen Seite
bauen Sie die Gehälter und Löhne ab, dann entlassen
Sie Tausende und Zehntausende von Menschen, Sie kümmern sich
nicht darum, daß diese Menschen Arbeit finden, Sie treiben
eine schlechte Handelspolitik, ruinieren unseren Bergbau, sorgen
dafür, daß wir aus der Wirtschaftskrise nicht herauskommen,
und dann verteuern Sie im Interesse der Zuckerbarone, im Interesse
der Auswucherung der Menschen die wichtigsten und unentbehrlichen
Lebensmittel. Noch grausamer waren Sie bei der Erlassung der Zollverordnung.
Getreide, Mehl, Reis, Vieh, Butter waren bis zum Juni dieses Jahres
steuerfrei. Wir kannten Agrarzölle nicht. Plötzlich
fiel Ihnen ein, gleitende Zölle zu erlassen: eine ungeheuere
Belastung für die ganze besitzlose Menschheit, die durch
schwere Arbeit sich den Lebensunterhalt verdienen muß. Warum
haben Sie es getan? Wir stehen vor der Tatsache einer ausgezeichneten,
vorzüglichen Welternte. Der Preisrückgang ist überall
zu merken und die Hoffnung erwacht in den Herzen der armen Menschen
daß nunmehr eine Verbilligung auch dieser Lebensmittel eintreten
wird. Da kommen Sie, und von dem 1. Dezember verfügen Sie
ohne Parlamentsbeschluß unter Bruch der Verfassungsbestimmung,
unter Ächtung und Mißachtung der von Ihnen selbst gegebenen
Gesetze, daß für Weizen ein Zoll von 12.60 K und für
Mehl ein solcher von 22 Kè einzuheben sei, eine Belastung
die pro Familie durchschnittlich 150 bis 160 Kè jährlich
ausmacht. Und was sagt der Herr Ministerpräsident? Er erklärt
uns: Ja, diese Zollverordnung, das war ein
schwer erreichtes Übereinkommen zwischen den Koalitionsparteien
und im Interesse des Staates durfte darüber nicht weiter
verhandelt, darüber nicht beraten werden. So rechtfertigt
der Chef dieser Regierung den Verfassungsbruch, die Verachtung
und Verletzung der Gesetze. Ist es wahrhaftiglich das Interesse
des Staates, daß man das Elend der Massen willkürlich
verschärft, nur zu dem Zwecke, um den wohlhabenden besitzenden
Kreisen den Profit, den höheren Profit zu garantieren und
zu steigern? Die Umgehung des Parlaments bei Einführung des
neuen Zollsystems durch Verordnung ist eine Gewalttat, eine jener
Gewalttaten, die Sie in diesem Staate häufen. Meine Herren,
wenn der Ministerpräsident dann in seiner heutigen Rede erklärt,
die Regierung werde bessorgt sein und sich darum kümmern,
daß angemessene Preise für Lebensmittel bestehen, ist
das nicht wieder blutiger Hohn, Hohn auf das Schicksal des Volkes?
Ein Hohn auf die Behandlung, die man uns widerfahren läßt,
aber auch ein Hohn auf die Taten der Regierung selbst, ein Hohn,
den sich Herr Švehla selbst zufügte! Das ist
wohl der neue Geist, mit dem hier regiert wird. Rücksichtslos
zeigen Sie, daß Sie die Beherrscher eines Klassenstaates
sind, Sie verschlechtern die Lebenshaltung unbekümmert darum,
daß das Lohnniveau unerhört gesunken ist und in vielen
Industrien kaum 70% des Vorkriegsniveaus ausmacht. Sie kennen
keine Rücksicht und kein Erbarmen!
Wir aber sagen Ihnen: Wir werden fortführen
den Kampf gegen diese Ordnung der Ausbeutung und Unterdrückung,
fortführen den Kampf gegen die Regierungsmethoden Ihres Klassenstaates,
fortführen im speziellen den Kampf gegen die ungesetzlichen
Zölle und gegen den Wucher, den Sie dadurch an der Bevölkerung
verüben. Wir verlangen die Aufhebung dieser Verordnungen,
die ungesetzlich und durch nichts gerechtfertigt sind. Weg auch
mit dem Ermächtigungsgesetz, welches Sie schmählich
mißbraucht haben, wodurch Sie den Beweis erbrachten, daß
Sie als Regierung des Vertrauens des Parlamentes nie und nimmer
würdig sind.
Wir wollen die Gelegenheit benützen, nach
der ersten Erklärung des Vorsitzenden der Regierung, einige
Worte auch noch über unsere andere Wünsche zu sagen,
die uns erfüllen und für deren Durchsetzung wir die
Kraft, die uns innewohnt, einzusetzen entschlossen sind jeden
Tag, den wir hier in diesem Hause verbringen. So würden wir
vor allem verlangen, daß endlich wieder größeres
Augenmerk zugewendet werde der sozialen Fürsorge, die in
der letzten Zeit arg vernachlässigt worden ist. Freilich,
ich weiß es, die Bedingungen dafür sind nicht günstiger
geworden, das Ergebnis der letzten Wahlen hat die Gegner einer
durchgreifenden Sozialreform in diesem Staate nicht unerheblich
gestärkt. Die Hemmnisse des Fortschrittes der Sozialreform
sind größer geworden, denn die Wahlen haben immerhin
eine Stärkung der kapitalistischen Kräfte gebracht,
die in diesem Staate, in diesem Parlamente, in dieser Regierung
am Werke sind. Darum erklärt sich ja wohl auch ganz einfach,
wenn der Herr Ministerpräsident in seiner heutigen Rede sich
in Versprechungen bezüglich der Sozialreform ergeht, die
in Wahrheit gar nichts sagen und die ebensowenig zu irgend etwas
verpflichten. Wir werden uns gestatten, die Mahner und Antreiber
zu sein, die Regierung immer und immer wieder an die vielen Verheißungen
zu erinnern und an die vielen Verpflichtungen, die bisher eine
Erfüllung nicht gefunden haben. Es sind in sozialer Beziehung
viele Rückstände aufgewachsen, viele Vorschläge
liegen in den Regierungskanzleien, die vor den betreffenden sachkundigen
Stellen erstattet, bisher aber nicht berücksichtigt worden
sind. Unerledigt ist beispielsweise noch die Regelung der staatlichen
Arbeitsvermittlung trotz der großen Arbeitslosigkeit in
manchen Industrien. Es handelt sich hier um eine außerordentlich
wichtige Funktion schon jetzt im Augenblicke und sie wird wichtig
bleiben auch für die fernere Zeit. Unerledigt ist weiters
der Ausbau unserer Gewerbeinspektion zu einer Arbeitsinspektion
unter Teilnahme von Vertretern der Arbeiterschaft selbst. In anderen
Ländern ist man in dieser Beziehung weit vorausgeeilt. Wir
fordern, daß endlich auch bei uns Ernst gemacht werde mit
einem Gesetz zum Schutze der Kollektivverträge, die die Arbeiterorganisationen
mit den Industrieunternehmungen im einzelnen oder mit Verbänden
abschließen. Man hat uns ein solches Gesetz seit langem
angekündigt, wieder ist das Versprechen nicht gehalten worden,
die Herren in der Regierung haben andere Sorgen gehabt, als die,
wie man die Lohnverträge der Arbeiter gegen Anschläge
schätzen soll. Wir verlangen die endliche Schaffung von Arbeitsgerichten,
die eine Notwendigkeit sind. Machen Sie endlich der Schande ein
Ende, daß wir nicht genügend Gewerbegerichte haben.
Seit Jahren liegen Versprechungen vor, die nicht erfüllt
worden sind. Führen Sie endlich einmal die lang angestrebte
Reform des veralteten Handlungsgehilfengesetzes durch, das längst
eine Regelung verlangt, verbessern Sie die Pensionsversicherung,
die unendlich viele Schäden aufweist, welche behoben werden
können und behoben werden müssen, führen Sie endlich
die Verbesserung des Gesetzes über die Betriebsausschüsse
durch! Seit langem haben die Gewerkschaften diesbezüglich
der Regierung Vorschläge unterbreitet, aber es gebricht an
Ernst und an Willen, mit der Durchsetzung der Verwirklichung dieser
Forderungen Ernst zu machen. Setzen Sie Schluß hinter die
Schande, daß die Land- und Forstarbeiter, die vielfach ganz
gefährliche Arbeiten vollführen, immer noch nicht der
Unfallversicherung unterstehen. Die Gefahr, unter der sie arbeiten
müssen, die Armut und das Elend in ihren Hütten ist
überaus groß, das allein schon rechtfertigt den Ernst
der Durchführung solcher Gesetze. Sorgen Sie dafür,
daß systematisch, planmäßig und ruhelos daran
gearbeitet werde, unsere Wohnungspolitik fruchtbar zu machen,
unsere Wohnungsgesetze auszugestalten. Der Staat hat bis heute
zum großen Teil eine wirklich ernste Hilfe versagt. Was
gescheben ist, war kleinlich und ungenügend. Das Gesetz,
das wir hatten und das immerhin einiges bedeutet hat, ist längst
erloschen. Wir stehen heute unbestimmten Verheißungen gegenüber.
Zu bestimmten Verpflichtungen hat sich der Ministerpräsident
gar nicht geäußert. Wir verlangen die Erneuerung und
die Verbesserung der Förderung der Baubewegung. Im Programm
des alten Hauses schon war die Erfüllung dieser Forderung
vorgesehen, sie haben sich dieser Erfüllung entzogen, wie
so vielen anderen Dingen. Wieder erinnere ich an das Wort Švehlas:
"Alte Verpflichtungen gelten auch für die neue Regierung".
Wir nehmen ihn beim Wort. Machen Sie Schluß mit der Schande
unseres Wohnungselends, das zum Himmel schreit! Weshalb haben
Sie nur für die Kleinbauten eine Zeit hindurch Subventionen
zugestanden? Mehr Großzügigkeit tut not. Sehen Sie
beispielsweise nach Wien, in welchem Umfang die sozialistische
Gemeinde Wien daran ist, dem Wohnungselend systematisch zu begegnen
und ihm abzuhelfen. Das Elend in den Hütten der Armen, die
sich anständige Wohnungen nicht leisten können, es wächst
mit jeder neuen Geburt, das Wohnungselend steigert sich mit jeder
neuen Ehe. Wollen Sie dem schändlichen Elend, wollen Sie
diesem unerträglichen Zustande, wollen Sie der Tatsache,
daß die Krankheiten um sich fressen, daß die Seuchen
sich verbreiten, tatenlos gegenüberstehen? Wollen Sie ruhigen
Gemütes und ohne sich zu einer Tat zu ermannen, diesem Zustande
weiter zusehen? Das, was wir fordern, ist unaufschiebbar. Wir
berufen uns auf alte Verpflichtungen, wir fordern ihre Einhaltung
und wir rufen Sie auf, endlich an Stelle von Worten auch ernste
Taten zu setzen. Wir verlangen, daß das Genter System, das
sich als unzweckmäßig erwiesen hat, entsprechend den
erstatteten Vorschlägen und den gemachten Erfahrungen umgewandelt
wird in eine brauchbare Arbeitslosenversicherung, die tiefer greift
und die der Zweck, den das Genter System erfüllen sollte,
wirksam zu erfüllen sich eignet. Wir verlangen, daß
Sie endlich auch die Schmach beenden, daß die Kriegsverletzten,
daß ihre Frauen und Kinder weit elender entschädigt
werden, als in den übrigen Ländern Mitteleuropas. Empfinden
Sie den Zustand nicht als brennende Schande, die man austilgen
muß, wenn man auf die Ehre des Staates sieht, wie Sie es
behaupten? Seit Sie das Terrorgesetz geschaffen haben, das die
Koalitionsfreiheit der Arbeiterklasse behindert, das den Gegnern
der freien Gewerkschaften dient, gehen Sie einen falschen Weg.
Weg damit! Wir haben es lange genug ertragen, machen Sie wirklich
wahr, was uns so oft verheißen worden ist und heute wieder
verkündigt wurde! Machen Sie es endlich wahr, daß die
Sozialversicherung tatsächlich in diesem Jahre in Wirksamkeit
tritt. Die Sozialversicherung, um die wir seit einem viertel Jahrhundert
hier gekämpft haben auf diesem Boden hier, auf die Sie sich
aber besonders viel zugute zu tun keinen Anlaß haben, denn
andere Staaten sind uns lange vorausgeeilt. Das Deutschland Bismarcks
ist um Jahrzehnte dem früheren Österreich und nunmehr
auch um manches Jahr dem neuen Staate vorausgeeilt. Tilgen Sie
auch diese Schande, sorgen Sie dafür, daß es Ernst
wird und wetzen Sie endlich die Tatsache aus, daß es eine
große Zahl von Tausenden, ich glaube 75.000 alte Menschen,
in diesem Staate gibt, die der Altersversicherung nicht teilhaftig
werden sollen. Es ist nicht zu rechtfertigen, wenn bisher für
diese Ärmsten der Armen keine Vorsorge getroffen worden ist.
Wohl hat seinerzeit das Parlament beschlossen, für diesen
Zweck einen Betrag von 150 Millionen Kronen auszuwerfen, die Bewilligung
ist erflossen, aber die Durchführung ist unterblieben. Dafür
hatten Sie nicht Zeit. Dazu haben Sie sich nicht aufgerafft, diese
Menschen endlich aus bitterster Not zu erlösen.