Meine Damen und Herren! Im Namen und Auftrag
des Klubs der Abgeordneten der deutschen sozialdemokratischen
Arbeiterpartei habe ich zunächst nachstehende Erklärung
abzugeben:
"Unsere Stellung als Vertreter der deutschen
Arbeiterklasse dieses Landes ist gegeben durch die Tatsache, daß
wir die herrschende Gesellschaftsordnung durch eine neue, auf
den Grundlagen des Sozialismus aufgebaute Ordnung ersetzen wollen.
Unser Ziel ist daher unverrückbar der Sozialismus. Was unser
unvergeßlicher Freund Seeliger in unserem Namen am 2. Juni
1920 bei unserem Eintritt in das erste gewählte Parlament
erklärte, gilt heute noch. Es gilt in den entscheidenden
Gedankengängen und Grundsätzen alles, was er damals
zur Kennzeichnung der politischen und wirtschaftlichen Situation
des Landes, zur Feststellung unseres Verhältnisses zum Staate,
zum herrschenden System und zu den anderen sozialistischen Parteien
darlegte, alles was er bei Skizzierung der uns auf dem Boden dieses
Staates zufallenden historischen Aufgaben und Notwendigkeiten
der Arbeiterklasse und des Sozialismus vorbrachte. Die schweren
Bedrückungen, denen das deutsche Volk und insbesondere die
deutsche Arbeiterschaft, ebenso wie die der anderen Nationalitäten
dieses Staates unterworfen waren, haben uns in der Überzeugung
gestärkt, daß das freie Recht aller diesen Staat bewohnenden
Völker auf Selbstbestimmung ihres Schicksals, aber auch ihr
Recht auf Selbstverwaltung ihrer nationalen und kulturellen Angelegenheiten
eine Lebensnotwendigkeit für alle Völker ist, eine Grundbedingung
für das friedliche Zusammenleben, für ihre gedeihliche
Zusammenarbeit. Wir wissen uns hier durchaus im Einklang mit dem
Standpunkte und mit den Beschlüssen der sozialistischen Arbeiterinternationale.
In der Überzeugung, daß die Arbeiterklasse die Trägerin
der geschichtlichen Entwicklung im Kampfe gegen soziale, politische
und nationale Vergewaltigung ist und daß sie allein jede
Unterdrückung zu beseitigen vermag, werden wir in diesem
Staate den Kampf um die Befreiung der Arbeiterklasse als Sozialisten
und mit sozialistischen Methoden weiterführen, in dem unerschütterlichen
Bewußtsein, daß sich die geschichtliche Notwendigkeit
erfüllen muß und daß daher der Sieg unserer Sache
gewiß ist." (Souhlas a potlesk na levici.)
Dies unsere Erklärung, durch die wir aussprechen wollen, daß sich in unserer Stellung zu diesem Staate, zu seinen Problemen, in der Abschätzung unserer Aufgaben und der Verpflichtungen der Arbeiterklasse dieses Staates dem Staate gegenüber nichts geändert hat. Es ist hier eine allnationale Koalition aufgerichtet worden, und diese allnationale Koalition hat eine Gewaltherrschaft etabliert, die seit Jahren auf den Völkern, die in diesem Staate leben, lastet. Man hat die Demokratie systematisch untergraben und geschändet. Man hat der Welt einzureden versucht, als ob hier in diesem Staate weiß Gott wie vornehme und große demokratische Errungenschaften gemacht worden wären, und doch zeigt uns nahezu jeder Tag, daß die Dinge in Wahrheit ganz anders sind. Alle Ermahnungen, die von unserer Seite kamen, die trafen taube Ohren, gegen alle Ratschläge der Vernunft und des Gewissens waren Sie taub und hartnäckig verschlossen. Die Frucht dieser Ihrer Tätigkeit, das sind die Krisen, in die Sie getaumelt sind, das waren schließlich die Neuwahlen, die Sie unlängst vollziehen mußten, das sind zum größten Teile auch die wüsten beschämenden Szenen, denen dieses Haus und der Senat bei der Eröffnung ausgesetzt gewesen sind. Überall, wo ein Parlament zusammentritt, ist die Eröffnungssitzung mit einer gewissen Feierlichkeit umgeben. Die Bevölkerung erwartet diese Sitzung und die Abgeordneten wissen in der Regel, daß dem Tage gemäß auch die Haltung zum Parlamente und zur Regierung eine gemessene sein soll. Hier aber hat man systematisch, planmäßig, Jahre hindurch den Zorn großgezogen, die Auflehnung eines großen Teiles der Bevölkerung und ihrer Vertreter gegen die Methoden, die Sie aufgerichtet haben, man hat diesen Zorn und diesen Groll und diese Auflehnung gezüchtet durch die Art, die Sie gewohnt sind, in diesem Parlament, in diesem Staate zu herrschen und zu regieren. Drüben ist gestern die große Feierlichkeit der Eröffnung jener Kammer unter ganz seltsamen Umständen vor sich gegangen. Von Stunde zu Stunde mußte man den Beginn der Eröffnung hinausschleppen, weil man mit dem elenden Schacher noch nicht zu Ende war, wie man die einzeinen Mandate im Präsidium aufteilen soll Nicht große bewegende Probleme waren es, die zu dieser Verzögerung um viele Stunden geführt haben, sondern die Sucht der einzelnen Koalitionsparteien, im möglichst reichen
Maße teilzunehmen an den Posten, die
hier zu besetzen waren. Ministerpräsident Švehla
hat in seiner Rede verkündet, die Èechoslovakei
könne mit Stolz auf das Urteil des Auslandes hören.
Das Urteil des Auslandes ist nicht unbeeinflußt, es
ist hergerichtet durch die verlogene Berichterstattung, die an
das Ausland geht, und, meine Damen und Herren, Sie müßten,
wenn Sie die Dinge ernsthaft prüfen und wenn Sie in Erwägung
zieh n, wie der gestrige und wie der heutige Tag hier verlaufen
sind, ein Gefühl tiefster Beschämung darüber empfinden,
wie innerhalb der kurzen Frist von wenigen Jahren der Parlamentarismus
in Ihrem Lande so sehr auf den Hund gekommen ist. (Souhlas
na levici.) wie wir es in der allerjüngsten Zeit erlebt
haben. Die alte Koalition, die Sie geschaffen haben, sie ist an
ihren inneren Gegensätzen, an ihrer Unnatur zusammengebrochen,
Sie sind von Krise zu Krise getaumelt und wußten sich nicht
mehr zu helfen, Sie sahen keinen Ausweg mehr, weil Sie den natürlichen
Ausweg nicht wollen. Und darum haben Sie sich schließlich
entschlossen, die Neuwahlen vorzunehmen, allerdings mit dem entschlossenen
Willen und dem festen Vorsatz, die unnatürliche Gewaltherrschaft,
die Vorherrschaft des einen Volkes über andere Völker,
durch die unerhörtesten Künste und die Verfälschung
des Wahlrechtes künstlich zu erhalten und zu befestigen.
Sie haben sich immer gerühmt und heute noch tun sie sich
außerordentlich viel darauf zugute, daß dieses Wahlrecht,
das Sie gaschaffen haben, ein wirklich demokratisches, ein gutes
sei. Es sei unbestritten, daß das Wahlrecht in unserem Lande
ein verhältnismäßiger Fortschritt gewesen ist.
Sie haben jedoch in der jüngsten Zeit vor Auflösung
der Nationalversammlung alles getan, um diesen Ruhm zu zertreten
und zu zerstören, Sie haben das Wahlrecht einer schamlosen
Fälschung unterzogen durch eine unerhörte Wahlkreisgeometrie,
die bewirken mußte und bewirkt hat. (Odpor koalièních
poslancù.) Jawohl, eine Wahlkreisgeometrie,
die nicht selbstverständlich ist, sondern die Entrechtung
eines großen Teiles der Wählerschaft bedeutet, eine
Wahlkreisgeometrie, die die Koalitionsparteien und somit die èechischen
Wähler begünstigt, eine Geometrie, die eine bewußte,
geplante, beabsichtigte und durchgeführte Verschlechterung
und Verfälschung des gleichen Wahlrechtes
ist. Hören Sie doch, meine Herren! Im Wahlkreis Prag A z.
B. wählen je 19.900 Wähler einen Abgeordneten, in meinem
Wahlkreis Karlsbad sind schon 24.500 Wählerstimmen dazu notwendig,
im Wahlkreis Laun-Teplitz aber steigt die nötige Stimmenzahl
für einen Abgeordneten auf rund 26.000 Wählerstimmen.
In Prag also etwas über 19.000 Stimmen, in Laun 26.000 Stimmen,
also über 6000 Stimmen brauchen wir in unseren Wahlkreisen
mehr als Prag, um einen Abgeordneten zu bekommen. Und die Senatoren
der Hlinka Partei sind mit durchschnittlich 6000 Stimmen
weniger gewählt worden als die Senatoren der deutschen sozialdemokratischen
Partei. Das ist kein Zufall, man hätte doch die Wahlreform
gar nicht gemacht, wenn man nicht durch Künsteleien eben
dieses Ergebnis herbeiführen wollte. Es ist ein Rechtsraub
an den Gruppen, die die deutschen Gebiete in diesem Lande bewohnen,
es ist ein geplanter, beabsichtigter und mit voller Klarheit des
Denkens durchgeführter Raub, den Sie begangen haben, um künstlich
ihre Majorität zu befestigen, um künstlich die Koalition,
wie Sie hofften, ohneweiters so stark zu erhalten, wie Sie sie
brauchen, um die allnationale Alleinherrschaft in diesem Staate
aufrecht zu erhalten. Sie sind in den Methoden der Wahlrechtsverschlechterung,
der Fälschung noch viel weiter gegangen, Sie haben ein Beispiel
gesetzt, das man vergeblich in der parlamentarisch en Geschichte
eines anderen Landes suchen wird, Sie haben die kleinen Parteien,
die erfolglos kandidierten, dadurch gestraft, daß sie ihre
Stimmen einbüßten und auch dann kein Mandat bekommen,
wenn die Reststimmen aus dem ganzen Staatsgebiet für mehrere
Mandate reichen würden. Sie haben ferner diese kleinen Parteien
dadurch gestraft, daß sie für die Teilnahme an der
Wahl viel größere Zahlungen an den Staat leisten mußten
als die großen Parteien.
Und darüber hinaus haben Sie etwas Unerhörtes
getan: Nicht nur, daß diese kleinen Parteien ihre Stimmen,
die auf ihre Liste abgegeben wurden, verloren haben, dank Ihrer
sogenannten Wahlreform haben Sie diese den klein en Parteien verloren
gegangenen Stimmen für sich in Anspruch genommen, haben sie
den kleinen Parteien geraubt! Eine frechere Fälschung der
Absicht der Wähler ist schlechthin nicht mehr denkbar. Und
wenn man solche Dinge vollführt, dann darf man nicht den
Mut haben, vor die Öffentlichkeit hinzutreten und sich zu
rühmen, daß man weiß Gott was für demokratische
Einrichtungen hätte, und dann sollte es sich der Herr Ministerpräsident
doch auch einigermaßen überlegen, großrednerisch
das Urteil des Auslandes anzurufen. Man hat die oppositionellen
Stimmen der kleinen Parteien nicht nur für diese kleinen
Parteien verloren erklärt, man hat sie vielmehr sich selber,
hat sie den großen Parteien zugezählt. Die kleinen
Parteien, die oppositionell wählen wollten, die die Koalition
schwächen wollten, sind durch diese Wahlreform dazugekommen,
daß ihre oppositionellen Stimmen nunmehr zur Stärkung
der Koalition herhalten mußten. Wo in aller Welt ist wohl
mit gleichem Zynismus der Wille der Wähler zum Teile in das
Gegenteil umgefälscht worden? Es ist eine Verhöhnung
der Demokratie, wie sie ärger, schlimmer, drastischer und
zynischer nicht zu denken ist. Trotzdem, trotz dieser unerhörten
Wahlgeometrie, trotz dieses gesetzlich verbürgten Stimmendiebstahls
an den anderen Parteien, ist der Versuch, auf diese Weise die
Mehrheit und die Kraft der Koalition zur weiteren Aufrechterhaltung
der allnationalen Gewaltherrschaft zu sichern, erfolglos geblieben,
denn die Wahlen haben Ihnen, den Koalitionsparteien, eine starke
Niederlage eingetragen. Sie herrschen hier dank des Umstandes,
daß sie eine neue Partei eingefangen haben, die heute ihre
Koalition verstärkt, während in diesem Wahlkampf die
frühere Opposition siegreich gewesen ist. Das Wahlergebnis
war eine deutliche und laute Absage der Wähler an die Koalition,
eine Verurteilung ihrer Politik, und wäre ein Funken demokratischen
Empfindens, wäre ein Rest von Verständnis für parlamentarische
Methoden bei Ihnen vorhanden, am nächsten Tage hätte
die Koalitionsregierung weichen, hätten die besiegten Koalitionsparteien
den Plan aufgeben müssen, weiter die Herrschaft in diesem
Staate zu führen. Statt dessen haben sie die neue Herrschaft
aufgerichtet, haben einfach den Kreis der Koalition um ein kleines
Parteihäuflein erweitert. Und nun hat Herr Švehla
heute den Mut zu sagen: "Die einzige Autorität der
Demokratie ist die Mehrheit". Das sagt derselbe Herr Švehla,
der die Mehrheit verloren hat, der sie sich erst künstlich
wieder schaffen mußte durch die Erweiterung der Koalition.
Herr Švehla hat nach eigenem Urteil die Autorität
verwirkt, er besitzt nach den Wahlergebnissen nicht mehr die Mehrheit
und er müßte daraus die Schlüsse ziehen. Die Autorität,
auf die er sich heute stüzt, ist angemaßt, die Autorität
ist im Wahlergebnis nicht begründet. Freilich, meine Damen
und Herren, heute hat es ja ein hübsches Ereignis gegeben.
Die sonst so schwache Koalition hat plötzlich Familienzuwachs
bekommen. Es haben sich mehr Kinder dieser Koalition gefunden
als im Hause sind. Sonst kennt man mitunter den Vater des Kindes
nicht, in dem vorliegenden Falle sind die Namen der Kinder unbekannt,
man weiß nicht, wo sie plötzlich herkamen, aber sie
waren hier. (Veselost na levici.) Die Sache ist zu ernst,
um sie länger zu Scherzen zu benützen, Tatsache ist,
daß eine Herrschaft der Minderheit erneuert wurde, daß
man sie künstlich verkleistert durch Hinzuziehung einiger
weniger Menschen. Da regen Sie sich auf, meine Herren von den
Koalitionsparteien, über die Diktaturgelüste der Bolschewiken.
Wir lehnen diese Methode als den normalen und gewöhnlichen
Weg ab. Sie aber haben selber zur Diktatur der Minderheit gegriffen
und Sie scheuen sich nicht, diese Diktatur andauernd aufrecht
zu erhalten.
Zur Schande der Verschlechterung, der Verfälschungsmanöver
mit der Wahlreform, zur Umfälschung der Willensmeinung eines
Teiles der Wähler, zur künstlichen Umwandlung eines
Teiles der Stimmen der Opposition zu Wahlbehelfen für die
Majorität, zur Vergewaltigung der kleinen Parteien, zu dieser
Unsumme von Nücken und Tücken und Hinterhalten und Unredlichkeiten
kommt dann noch die Schande der Regierungsbildung, deren Zeugen
wir in den letzten Wochen gewesen sind. Wochenlag hat man verhandeln
müssen, um diese Regierung glücklich zustande zu bringen,
allein schon ein Beweis dafür, wie festgefügt dieses
ganze Koalitionsgebäude ist, wie groß der innere Zusammenhang
sich darstellt. Zusammengeleimt und zusammengeflickt, zusammengeschachert
und zusammenversprochen hat man sich, um diese Regierung glücklich
zustande zu bringen und die Verhandlungen, die sich wochenlang
hingezogen haben, sind im wesentlichen nicht um große, umstrittene
Programme gegangen. Oh nein, es war wieder ein Schacher um die
Aufteilung der einzelnen Ministersitze, über das Ausmaß
des Anteiles der einzelnen Koalitionsparteien an der Macht und
an den Sinekuren. Ekel und Abscheu erfaßt einen, wenn man
dieses widerliche Schauspiel gesehen hat. Da hat man monatelang
das Parlament ausgeschaltet, dann hat man es nach Hause geschickt
und aufgelöst und vorzeitig Neuwahlen ausgeschrieben, weil
man den Wählern einreden wollte, die Neuwahlen würden
bestätigen und bescheinigen, daß das Koalitionssystem
von der Bevölkerung gewollt sei, und der Herr Ministerpräsident
bringt es ja fertig, in seiner heutigen Rede noch etwas ähnliches
behaupten zu wollen, daß dem wirklich so wäre. Und
dann mußte man es erleben, daß die Koalition mit einer
Minderheit von Stimmen aus den Wahlen hervorging und daß
es unendlicher Mühe bedarf, die Grundsätze der einzelnen
Koalitionsparteien auf ein gemeinsames Programm zu einigen. Grundsätze,
die so verschieden sind, daß sie sich nicht finden können
und daß nur die Sucht, das Verlangen nach Ministersitzen
alle anderen Bedenken zurückdrängt und Wochen hindurch
die Koalition ausschließlich oder beinahe ausschließlich
beherrscht.
Und wie hat man sich in dieser Zeit dem Parlament
gegenüber gestellt? In anderen wirklich parlamentarisch regierten
Ländern ist es so, daß auch bei lang andauernden Krisen
Tag für Tag der Öffentlichkeit berichtet wird, was sich
während den Verhandlungen über die Regierungsbildung
vollzieht. Wir waren auf zufällige, auf erlauschte, oft erfundene,
auf falsch dargestellte Berichte inofiziöser Mitteilungen
irgendwelcher Journalisten angewiesen. Es ist den Koalitionsparteien,
die angeblich so aufrechte Demokraten sind, nicht im Traume eingefallen,
sich mit dem Parlamente irgendwie in Verbindung zu setzen, mit
den anderen Parteien zu verhandeln, deren Meinung zu hören.
Nichts davon! Man hat einfach auch die Bildung der Regierung als
eine ganz interne, heimliche, vertrauliche Angelegenheit der Koalition
betrachtet. Wie macht man es in anderen Ländern, wo wirklich
demokratische Prinzipien maßgebend sind? Schauen Sie nach
Österreich. Die österreichische Regierung wird von keinem
Präsidenten ernannt und von keiner "Pìtka"
zusammengesucht und zusammengeleimt. In Österreich muß
die Regierung sich der Wahl durch das Parlament unterziehen. Wenn
Sie Demokraten sind, versuchen Sie denselben Weg, zeigen Sie,
daß Sie nicht zu allen Schacher, zu allen verborgenen
und heimlichen Methoden greifen müssen, um die Amter unter
sich zu verschenken und künstlich eine Regierung zusammenzuflicken.
Fühlen Sie den Unterschied zwischen jener Demokratie und
dieser? Wir legen an diesem Tage, wo wir zum erstenmale in diesem
Hause zu Worte kommen, die entschiedenste Verwahrung ein gegen
die Fälschung und Schändung der parlamentarischen und
demokratischen Einrichtungen, in denen wir eine empörende
Mißachtung des Parlamentes und eine schmähliche Mißachtung
jeder wirklichen Demokratie erkennen.
Nun hat der Herr Ministerpräsident in
einer Rede, die er kürzlich Koalitionsjournalisten gegenüber
hielt, angekündigt, daß sich in dem Verhältnis
der Regierung zum Parlament und in dem Verhältnis der Koalitionsparteien
zu den Oppositionsparteien manches ändern werde. Die ganze
vergangene Geschichte des Parlamentes habe ja manchmal Mängel
gezeigt. Aber das liege nicht etwa in dem Mangel an einer wirklich
demokratischen Regierungsmethode, oh nein, meine Herren von der
Koalition! Sie könnten dem Herrn Ministerpräsidenten
für die Komplimente danken, der erklärt hat, daß
das Parlament ein wenig faul und liederlich gewesen sei. Derselbe
Herr Ministerpräsident Švehla, den wir so lange,
obgleich er längst gesund war, durch Monate, nicht im Parlamente
zu sehen bekamen, so daß wir außerordentlich erstaunt
waren, als er plötzlich vor unseren Augen auftauchte, wagt
dies zu behaupten. Wenn der Vorwurf des Herrn Ministerpräsidenten
irgendein Maß von Berechtigung hätte, so gilt er nicht
dem Parlamente, das ohnmächtig war und nichts zu sagen
hatte, auch in jenem Teile nicht, der zur Koalition gehört,
sondern die Ursache war die "Pìtka" oder jene
6-Männergruppe, die alle Entscheidungen traf, die allein
bestimmte, was Regierungsvorlage, was Gesetz werden soll. Das
Parlament ist nichts als lediglich äußere Form, die
man erfüllen muß, um nach außenhin die gesetzgeberische
Arbeit ordnungsgemäß zu erledigen. (Posl. Kaufmann:
Und die Verantwortung von sich abzuwählen!) Ja, und auch
um die Verantwortung von sich abzuwälzen. Wir sind stets
und immer wieder von neuem gegen dieses faule unhaltbare System
aufgetreten. Sie haben darauf nicht geachtet, verächtlich
sind Sie über alle Meinungen hinweggegangen und nun kommt
der Herr Ministerpräsident und bestätigt, daß
da manches faul und manches liederlich war. Doch wohl nur bei
den Herren, die die Regie in den Händen hatten. Der Herr
Ministerpräsident kündigt uns an, daß dem Parlamente
ein größeres Ausmaß von Initiative eingeräumt
werden soll als in der Vergangenheit. Wie merkwürdig! Das
ist doch das Eingeständnis dessen, daß man früher
das Parlament gedrosselt hat, daß man es zu keiner Tätigkeit
kommen ließ und daß man es gehemmt und gehindert hat.
In der Tat hat die Koalition jede ernste Regung des Parlamentes
verhindert. Anträge, die von der Opposition kamen, wurden
entweder nicht verhandelt oder sie wurden ungesehen und ohne Rücksicht
auf ihren Inhalt abgelehnt. Jede andere Regung, die von der anderen
Seite kam, haben Sie im Keime erstickt, Sie haben die Parteien
und das Parlament als Ganzes zur Ohnmacht verurteilt, Sie haben
es degradiert, herabgewürdigt zur bloßen Form, zum
lächerlichen Abstimmungsapparat über alle jene Fragen,
die Sie abgestimmt wissen wollten. Wenn man glaubt, das Geständnis
des Herrn Ministerpräsidenten sei etwa ein Beweis der Erkenntnis
der Sünde - ach nein! soweit sind wir leider noch nicht und
die Erfahrung, die wir z. B. heute gemacht haben, zeigt uns schon,
wie ganz anders die Dinge sind. Von neuen Methoden spricht der
Herr Ministerpräsident, in Wahrheit ist die alte Gewalt
aufrecht, derselbe Schacher herrscht, man will sich nicht ändern,
man will dieses Gewaltsystem aufrechterhalten um jeden Preis und
unter allen Umständen. Freilich, die "Pìtka"
ist selig entschlafen, an ihre Stelle sind andere Koalitionsausschüsse
getreten, die sich aus einer anderen Zahl von Menschen zusammensetzen,
die aber mit den gleichen oder ähnlichen Befugnissen wie
die selig entschlafene "Pìtka" ausgestattet sind.
Glauben Sie denn oder wollen Sie, meine Herren von den Koalitionsparteien,
allen Menschen, die in diesem Staate leben, einreden, daß
es mehr Demokratie bedeutet, weil sie mehr Teilhaber an der wirklichen
Gewalt zur Schändung des Parlamentarismus und der Demokratie
eingesetzt haben, durch Abmachtungen unter sich, nicht etwa
durch einen Gesetzentwurf? Ein anderes Verhältnis zur Opposition
kündigt der Herr Ministerpräsident an. Der Hinauswurf
von Tausenden deutscher Staatsangestellten sowie die Tatsache,
daß die Èechisierung rücksichtsloser in den
letzten Wochen geübt worden ist als je
zuvor, die gesteigerte Gewalttätigkeit und Rücksichtslosigkeit
zeugen nicht von einer Veränderung des Verhältnisses
der Koalition zu den Parteien und Völkern, die in ihrem Wesen
und in ihrer Masse der Opposition angehören. Da muß
ich sagen, wenn wir immer wieder und wenn wir heute wieder das
Schauspiel einer direkten und brutalen Vergewaltigung der Oppositionsparteien
in diesem Hause gesehen haben, wenn Sie die Zuflucht nahmen zur
Wahl von Generalrednern, um die Debatte abzukürzen und den
Dingen die Form zu geben, die Sie wünschen, so ist das ein
neuerlicher Akt einer Vergewaltigung, gegen den wir Protest erheben.
So werden Sie das Parlament nicht festigen und großziehen,
so regen Sie die Stimmung auf, die sich wendet zum Protest und
Widerstand, zum leidenschaftlichsten Kampf gegen die Methoden,
die Sie aufgerichtet haben. Der Herr Ministerpräsident hat
uns aber angekündigt, daß ein neuer Geist im Verhältnis
zu den Oppositionsparteien kommt, so meinte er, man müsse
wohl oder übel zwischen den Oppositionsparteien eine Unterscheidung
machen. Es ist kein neues Mittel, es ist kein neuer Geist, es
ist keine neue Methode, der Herr Ministerpräsident denkt
einfach an den alten Grundsatz: "Teile und herrsche!"
Reiße die Opposition auseinander und du wirst rascher und
schneller und besser mit ihr fertig werden. Von einem neuen Geist,
von neuen Methoden, von neuen Beziehungen spricht der Herr Ministerpräsident.
Wie wird uns denn? Wie war es denn bei der Konstituierung der
beiden Häuser der Nationalversammlung? War es nicht wieder
die alte Methode des Schachers und der Gewalt, die wir zu spüren
bekamen? Die Nationalversammlung setzt sich zusammen aus 300 Abgeordneten
und 150 Senatoren. Von den Abgeordneten gehören 159 der Koalition
und 141 den Oppositionparteien an. Im Senat drüben ist das
Verhältnis so, daß 79 Koalitionsmitgliedern 71 Oppositionsmitglieder
gegenüberstehen. In der Summe also verfügen die Koalitionsparteien
über 238 Menschen, die Opposition aber über 212 Personen.
Bei diesem kleinen, armseligen Unterschied macht man es dann so,
daß bei der Aufteilung der Vizepräsidenten- und Präsidentenstellen
in beiden Häusern der Nationalversammlung der Schlüssel
von 9: 2 genommen wird. Für 238 Mandate 9 Posten, für
212 Mandate hingegen nur 2 solcher Stellen! Das ist der neue Geist,
der Sie beherrscht. Da wagt dann der Herr Ministerpräsident
heute auszusprechen, man müsse die Opposition respektieren!
Wahrhaftig, ein herrlicher Respekt, der sich in dieser Ziffer
ausdrückt. Es ist der alte verworfene Geist, der hier herrscht,
es ist die alte liederliche Art, an die Sie sich gewöhnt
haben, es ist die Verschacherung der Dinge, es ist die Lästerung
der Demokratie. die Sie gewohnt sind seit langen. Sie haben aufgeräumt
in unserem Hause mit der Obmännerkonferenz, auf die kein
wirkliches Parlament verzichtet. Sie haben nie ein Einvernehmen
mit den Oppositionsparteien gesucht, Sie haben nie ernsthaft verhandelt,
Sie haben sich einfach auf die Willkür und auf die Macht
gestützt, die Sie in der Hand hielten, und die haben Sie
mißbraucht. Nun erleben wir wieder. daß diese Auswüchse
zu persönlichen kleinlichen Gehässigkeiten führen,
zu einem System der Justifizierung und des Unrechtes, zu einem
System, das uns zeigt, daß von einem neuen Geist, der da
angeblich einkehren soll, wahrhaftig nichts zu spüren ist.
Sie gebärden sich so wie früher als Hasser, als unversöhnliche
Verfechter Ihrer eingebildeten Vorherrschaftsberechtigung.
Sie geben sich als Kämpfer gegen die Obstruktion,
und, meine Herren von der Koalition, was haben Sie denn früher
für eine Stellung zur Opposition eingenommen? Hier kennt
man sie ernsthaft noch nicht, aber was haben wir im alten Österreich
alles erlebt? Wären wir doch so gelehrige Schüler, angesichts
des tausendfältigen Unrechtes, das Sie begehen, die Obstruktion
hätte bereits trotz aller Tücken der Geschäftsordnung
hier schon anders gewirtschaftet und hätte dieses Parlament
an den Rand des Abgrundes gebracht. Im alten Österreich war
man im Gegensatz zu den Methoden, die hier zuhause sind, immer,
bei allen Schwierigkeiten, zu Verhandlungen bereit, auch mit Obstruktionsparteien,
man hat nach Auswegen gesucht, man hat sie oft genug gefunden.
Trotzdem und obwohl Sie ganz anders behandelt worden sind, als
wir hier von Ihnen, kam es jeden Augenblick vom neuen zu Ausbrüchen
der wildesten und zügellosesten Obstruktion, an denen sich
auch Ihre Vicepräsidenten aktiv beteiligt haben, wie Sie
sich erinneren werden, wenn ich etwa die Namen Zázvorka
und Žáèek
nenne. Einmal hat Ihre Obstruktion zur Auflösung des österreichischen
Abgeordnetenhauses geführt. Das Abgeordnetenhaus wurde vom
neuen gewählt, und jener Vizepräsident, der früher
bei der Obstruktion mitgeholfen hat, den haben Sie von neuem zum
Vizepräsidenten gewählt. So haben Sie im alten Österreich
gezeigt, wie sehr Sie die Mehrheit respektierten, wie Sie die
parlamentarische Handhabung des Apparates der Gesetzgebung verstehen.
Es kommt einem vor, als ob die jüngste Geschichte Mitteleuropas
vergessen wäre. Ist denn alles aus Ihrem Gedächtnis
geschwunden? Wenn ich so in den Saal blicke, dann sehe ich ja
manches Gesicht, das im österreichischen Reichsrat wutverzehrt
war, wenn Sie mit allen Mitteln der Gewalt obstruieren. Ich erinnere
mich, wie der Nationalsozialist Fresl im österreichischen
Reichsrate einmal 15 Stunden sozusagen geredet hat, ich weiß
nicht, wie es uns erginge, wenn wir ähnliches unternehmen
würden. Oder wollen Sie es etwa leugnen, daß Sie Obstruktion
getrieben haben mit Mitteln, die hier nie zur Anwendung kamen?
Nicht nur mit zerschlagenen Pultdeckeln, sondern mit Autohuppen,
mit schrillen Pfeifen, die einem durchs Hirn gedrungen sind, daß
Sie sie geführt haben mit einem wahren Höllenlärm,
wie ihn wohl kein anderes Parlament der Welt noch gesehen hat?
Haben Sie das alles vergessen, haben Sie das aus Ihrer Geschichte
ausgelöscht? Ist das nicht alles wahr? Und wie rechtfertigen
Sie demgegenüber die Haltung, die Sie hier in diesem Staate
einnehmen? Hier sagen Sie: Solche Kampfmethoden werden hier nicht
geduldet. In jedem Widerspruch schon erkennen Sie Obstruktion
und stellen sich mit allen Machtmitteln demgegenüber. Hier
verdammen Sie, was Sie viele Jahre immer wieder selbst getan haben
mit dem Aufgebot aller Kräfte, die in Ihnen wohnten: die
unterschiedlichsten und am wenigsten schönen Obstruktionsmethoden.
Sie haben sich früher immer wieder mit Stolz Ihrer Revolutionsgeschichte
gerühmt. Schämen Sie sich heute dieser Ihrer Vergangenheit?
Ich glaube nicht. Dann müßten Sie Verständnis
haben dafür, daß die Opposition in diesem Staate sich
auflehnt gegen Ihre Gewaltherrschaft, dann müßten Sie
Verständnis haben dafür, daß wir es anders wollen,
dann müßten Sie sich der Methoden schämen, die
Sie heute anwenden, um die Opposition kurz und klein zu kriegen.
Sie haben die Minorität im Volke, Sie haben die Mehrheit
verloren, Sie haben sie künstlich wieder aufgepäppelt
durch Hinzuziehung neuer Kräfte. Die Wahlen waren Gerichtstage
für Sie, eine Abrechnung auch Ihres eigenen Volkes mit Ihren
Methoden, mit Ihrer Politik. Von Wahl zu Wahl - auch in den meisten
Gemeinden drückt sich ähnliches aus - hat sich Ihre
Situation verschlechtert. Wissen Sie wohl, wie das Ergebnis einer
nächsten Wahl ausfallen wird? Man sollte meinen, ein bischen
mehr Bescheidenheit angesichts der letzten Erfahrungen täte
Ihnen wahrhaftig not. Sie haben Ihre Mehrheit verloren durch die
Gewalt, die Sie gegen die Minderheit, die Sie vor allem auch gegen
die arbeitenden Klassen in diesem Staate verübt haben, und
wenn sich die Gewalt gegen arbeitende Menschen richtet, wenn diese
die betroffenen sind, dann ist dies die schmählichste Art
der Gewalt, die verächtlichste und hassenswerteste, und gerade
in jüngster Zeit haben sich im Zusammenhang mit den Wahlen
hier wieder Exzesse der Gewalt gegenüber den staatlichen
Angestellten vollzogen.