Pátek 18. prosince 1925

Pøíloha k tìsnopisecké zprávì

o 4. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní

republiky Èeskoslovenské

v Praze v pátek dne 18. prosince 1925 veèer.

1. Øeè posl. Hillebranda (viz str. 98 tìsnopisecké zprávy):

Meine Damen und Herren! Im Namen und Auftrag des Klubs der Abgeordneten der deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei habe ich zunächst nachstehende Erklärung abzugeben:

"Unsere Stellung als Vertreter der deutschen Arbeiterklasse dieses Landes ist gegeben durch die Tatsache, daß wir die herrschende Gesellschaftsordnung durch eine neue, auf den Grundlagen des Sozialismus aufgebaute Ordnung ersetzen wollen. Unser Ziel ist daher unverrückbar der Sozialismus. Was unser unvergeßlicher Freund Seeliger in unserem Namen am 2. Juni 1920 bei unserem Eintritt in das erste gewählte Parlament erklärte, gilt heute noch. Es gilt in den entscheidenden Gedankengängen und Grundsätzen alles, was er damals zur Kennzeichnung der politischen und wirtschaftlichen Situation des Landes, zur Feststellung unseres Verhältnisses zum Staate, zum herrschenden System und zu den anderen sozialistischen Parteien darlegte, alles was er bei Skizzierung der uns auf dem Boden dieses Staates zufallenden historischen Aufgaben und Notwendigkeiten der Arbeiterklasse und des Sozialismus vorbrachte. Die schweren Bedrückungen, denen das deutsche Volk und insbesondere die deutsche Arbeiterschaft, ebenso wie die der anderen Nationalitäten dieses Staates unterworfen waren, haben uns in der Überzeugung gestärkt, daß das freie Recht aller diesen Staat bewohnenden Völker auf Selbstbestimmung ihres Schicksals, aber auch ihr Recht auf Selbstverwaltung ihrer nationalen und kulturellen Angelegenheiten eine Lebensnotwendigkeit für alle Völker ist, eine Grundbedingung für das friedliche Zusammenleben, für ihre gedeihliche Zusammenarbeit. Wir wissen uns hier durchaus im Einklang mit dem Standpunkte und mit den Beschlüssen der sozialistischen Arbeiterinternationale. In der Überzeugung, daß die Arbeiterklasse die Trägerin der geschichtlichen Entwicklung im Kampfe gegen soziale, politische und nationale Vergewaltigung ist und daß sie allein jede Unterdrückung zu beseitigen vermag, werden wir in diesem Staate den Kampf um die Befreiung der Arbeiterklasse als Sozialisten und mit sozialistischen Methoden weiterführen, in dem unerschütterlichen Bewußtsein, daß sich die geschichtliche Notwendigkeit erfüllen muß und daß daher der Sieg unserer Sache gewiß ist." (Souhlas a potlesk na levici.)

Dies unsere Erklärung, durch die wir aussprechen wollen, daß sich in unserer Stellung zu diesem Staate, zu seinen Problemen, in der Abschätzung unserer Aufgaben und der Verpflichtungen der Arbeiterklasse dieses Staates dem Staate gegenüber nichts geändert hat. Es ist hier eine allnationale Koalition aufgerichtet worden, und diese allnationale Koalition hat eine Gewaltherrschaft etabliert, die seit Jahren auf den Völkern, die in diesem Staate leben, lastet. Man hat die Demokratie systematisch untergraben und geschändet. Man hat der Welt einzureden versucht, als ob hier in diesem Staate weiß Gott wie vornehme und große demokratische Errungenschaften gemacht worden wären, und doch zeigt uns nahezu jeder Tag, daß die Dinge in Wahrheit ganz anders sind. Alle Ermahnungen, die von unserer Seite kamen, die trafen taube Ohren, gegen alle Ratschläge der Vernunft und des Gewissens waren Sie taub und hartnäckig verschlossen. Die Frucht dieser Ihrer Tätigkeit, das sind die Krisen, in die Sie getaumelt sind, das waren schließlich die Neuwahlen, die Sie unlängst vollziehen mußten, das sind zum größten Teile auch die wüsten beschämenden Szenen, denen dieses Haus und der Senat bei der Eröffnung ausgesetzt gewesen sind. Überall, wo ein Parlament zusammentritt, ist die Eröffnungssitzung mit einer gewissen Feierlichkeit umgeben. Die Bevölkerung erwartet diese Sitzung und die Abgeordneten wissen in der Regel, daß dem Tage gemäß auch die Haltung zum Parlamente und zur Regierung eine gemessene sein soll. Hier aber hat man systematisch, planmäßig, Jahre hindurch den Zorn großgezogen, die Auflehnung eines großen Teiles der Bevölkerung und ihrer Vertreter gegen die Methoden, die Sie aufgerichtet haben, man hat diesen Zorn und diesen Groll und diese Auflehnung gezüchtet durch die Art, die Sie gewohnt sind, in diesem Parlament, in diesem Staate zu herrschen und zu regieren. Drüben ist gestern die große Feierlichkeit der Eröffnung jener Kammer unter ganz seltsamen Umständen vor sich gegangen. Von Stunde zu Stunde mußte man den Beginn der Eröffnung hinausschleppen, weil man mit dem elenden Schacher noch nicht zu Ende war, wie man die einzeinen Mandate im Präsidium aufteilen soll Nicht große bewegende Probleme waren es, die zu dieser Verzögerung um viele Stunden geführt haben, sondern die Sucht der einzelnen Koalitionsparteien, im möglichst reichen

Maße teilzunehmen an den Posten, die hier zu besetzen waren. Ministerpräsident Švehla hat in seiner Rede verkündet, die Èechoslovakei könne mit Stolz auf das Urteil des Auslandes hören. Das Urteil des Auslandes ist nicht unbeeinflußt, es ist hergerichtet durch die verlogene Berichterstattung, die an das Ausland geht, und, meine Damen und Herren, Sie müßten, wenn Sie die Dinge ernsthaft prüfen und wenn Sie in Erwägung zieh n, wie der gestrige und wie der heutige Tag hier verlaufen sind, ein Gefühl tiefster Beschämung darüber empfinden, wie innerhalb der kurzen Frist von wenigen Jahren der Parlamentarismus in Ihrem Lande so sehr auf den Hund gekommen ist. (Souhlas na levici.) wie wir es in der allerjüngsten Zeit erlebt haben. Die alte Koalition, die Sie geschaffen haben, sie ist an ihren inneren Gegensätzen, an ihrer Unnatur zusammengebrochen, Sie sind von Krise zu Krise getaumelt und wußten sich nicht mehr zu helfen, Sie sahen keinen Ausweg mehr, weil Sie den natürlichen Ausweg nicht wollen. Und darum haben Sie sich schließlich entschlossen, die Neuwahlen vorzunehmen, allerdings mit dem entschlossenen Willen und dem festen Vorsatz, die unnatürliche Gewaltherrschaft, die Vorherrschaft des einen Volkes über andere Völker, durch die unerhörtesten Künste und die Verfälschung des Wahlrechtes künstlich zu erhalten und zu befestigen. Sie haben sich immer gerühmt und heute noch tun sie sich außerordentlich viel darauf zugute, daß dieses Wahlrecht, das Sie gaschaffen haben, ein wirklich demokratisches, ein gutes sei. Es sei unbestritten, daß das Wahlrecht in unserem Lande ein verhältnismäßiger Fortschritt gewesen ist. Sie haben jedoch in der jüngsten Zeit vor Auflösung der Nationalversammlung alles getan, um diesen Ruhm zu zertreten und zu zerstören, Sie haben das Wahlrecht einer schamlosen Fälschung unterzogen durch eine unerhörte Wahlkreisgeometrie, die bewirken mußte und bewirkt hat. (Odpor koalièních poslancù.) Jawohl, eine Wahlkreisgeometrie, die nicht selbstverständlich ist, sondern die Entrechtung eines großen Teiles der Wählerschaft bedeutet, eine Wahlkreisgeometrie, die die Koalitionsparteien und somit die èechischen Wähler begünstigt, eine Geometrie, die eine bewußte, geplante, beabsichtigte und durchgeführte Verschlechterung und Verfälschung des gleichen Wahlrechtes ist. Hören Sie doch, meine Herren! Im Wahlkreis Prag A z. B. wählen je 19.900 Wähler einen Abgeordneten, in meinem Wahlkreis Karlsbad sind schon 24.500 Wählerstimmen dazu notwendig, im Wahlkreis Laun-Teplitz aber steigt die nötige Stimmenzahl für einen Abgeordneten auf rund 26.000 Wählerstimmen. In Prag also etwas über 19.000 Stimmen, in Laun 26.000 Stimmen, also über 6000 Stimmen brauchen wir in unseren Wahlkreisen mehr als Prag, um einen Abgeordneten zu bekommen. Und die Senatoren der Hlinka Partei sind mit durchschnittlich 6000 Stimmen weniger gewählt worden als die Senatoren der deutschen sozialdemokratischen Partei. Das ist kein Zufall, man hätte doch die Wahlreform gar nicht gemacht, wenn man nicht durch Künsteleien eben dieses Ergebnis herbeiführen wollte. Es ist ein Rechtsraub an den Gruppen, die die deutschen Gebiete in diesem Lande bewohnen, es ist ein geplanter, beabsichtigter und mit voller Klarheit des Denkens durchgeführter Raub, den Sie begangen haben, um künstlich ihre Majorität zu befestigen, um künstlich die Koalition, wie Sie hofften, ohneweiters so stark zu erhalten, wie Sie sie brauchen, um die allnationale Alleinherrschaft in diesem Staate aufrecht zu erhalten. Sie sind in den Methoden der Wahlrechtsverschlechterung, der Fälschung noch viel weiter gegangen, Sie haben ein Beispiel gesetzt, das man vergeblich in der parlamentarisch en Geschichte eines anderen Landes suchen wird, Sie haben die kleinen Parteien, die erfolglos kandidierten, dadurch gestraft, daß sie ihre Stimmen einbüßten und auch dann kein Mandat bekommen, wenn die Reststimmen aus dem ganzen Staatsgebiet für mehrere Mandate reichen würden. Sie haben ferner diese kleinen Parteien dadurch gestraft, daß sie für die Teilnahme an der Wahl viel größere Zahlungen an den Staat leisten mußten als die großen Parteien.

Und darüber hinaus haben Sie etwas Unerhörtes getan: Nicht nur, daß diese kleinen Parteien ihre Stimmen, die auf ihre Liste abgegeben wurden, verloren haben, dank Ihrer sogenannten Wahlreform haben Sie diese den klein en Parteien verloren gegangenen Stimmen für sich in Anspruch genommen, haben sie den kleinen Parteien geraubt! Eine frechere Fälschung der Absicht der Wähler ist schlechthin nicht mehr denkbar. Und wenn man solche Dinge vollführt, dann darf man nicht den Mut haben, vor die Öffentlichkeit hinzutreten und sich zu rühmen, daß man weiß Gott was für demokratische Einrichtungen hätte, und dann sollte es sich der Herr Ministerpräsident doch auch einigermaßen überlegen, großrednerisch das Urteil des Auslandes anzurufen. Man hat die oppositionellen Stimmen der kleinen Parteien nicht nur für diese kleinen Parteien verloren erklärt, man hat sie vielmehr sich selber, hat sie den großen Parteien zugezählt. Die kleinen Parteien, die oppositionell wählen wollten, die die Koalition schwächen wollten, sind durch diese Wahlreform dazugekommen, daß ihre oppositionellen Stimmen nunmehr zur Stärkung der Koalition herhalten mußten. Wo in aller Welt ist wohl mit gleichem Zynismus der Wille der Wähler zum Teile in das Gegenteil umgefälscht worden? Es ist eine Verhöhnung der Demokratie, wie sie ärger, schlimmer, drastischer und zynischer nicht zu denken ist. Trotzdem, trotz dieser unerhörten Wahlgeometrie, trotz dieses gesetzlich verbürgten Stimmendiebstahls an den anderen Parteien, ist der Versuch, auf diese Weise die Mehrheit und die Kraft der Koalition zur weiteren Aufrechterhaltung der allnationalen Gewaltherrschaft zu sichern, erfolglos geblieben, denn die Wahlen haben Ihnen, den Koalitionsparteien, eine starke Niederlage eingetragen. Sie herrschen hier dank des Umstandes, daß sie eine neue Partei eingefangen haben, die heute ihre Koalition verstärkt, während in diesem Wahlkampf die frühere Opposition siegreich gewesen ist. Das Wahlergebnis war eine deutliche und laute Absage der Wähler an die Koalition, eine Verurteilung ihrer Politik, und wäre ein Funken demokratischen Empfindens, wäre ein Rest von Verständnis für parlamentarische Methoden bei Ihnen vorhanden, am nächsten Tage hätte die Koalitionsregierung weichen, hätten die besiegten Koalitionsparteien den Plan aufgeben müssen, weiter die Herrschaft in diesem Staate zu führen. Statt dessen haben sie die neue Herrschaft aufgerichtet, haben einfach den Kreis der Koalition um ein kleines Parteihäuflein erweitert. Und nun hat Herr Švehla heute den Mut zu sagen: "Die einzige Autorität der Demokratie ist die Mehrheit". Das sagt derselbe Herr Švehla, der die Mehrheit verloren hat, der sie sich erst künstlich wieder schaffen mußte durch die Erweiterung der Koalition. Herr Švehla hat nach eigenem Urteil die Autorität verwirkt, er besitzt nach den Wahlergebnissen nicht mehr die Mehrheit und er müßte daraus die Schlüsse ziehen. Die Autorität, auf die er sich heute stüzt, ist angemaßt, die Autorität ist im Wahlergebnis nicht begründet. Freilich, meine Damen und Herren, heute hat es ja ein hübsches Ereignis gegeben. Die sonst so schwache Koalition hat plötzlich Familienzuwachs bekommen. Es haben sich mehr Kinder dieser Koalition gefunden als im Hause sind. Sonst kennt man mitunter den Vater des Kindes nicht, in dem vorliegenden Falle sind die Namen der Kinder unbekannt, man weiß nicht, wo sie plötzlich herkamen, aber sie waren hier. (Veselost na levici.) Die Sache ist zu ernst, um sie länger zu Scherzen zu benützen, Tatsache ist, daß eine Herrschaft der Minderheit erneuert wurde, daß man sie künstlich verkleistert durch Hinzuziehung einiger weniger Menschen. Da regen Sie sich auf, meine Herren von den Koalitionsparteien, über die Diktaturgelüste der Bolschewiken. Wir lehnen diese Methode als den normalen und gewöhnlichen Weg ab. Sie aber haben selber zur Diktatur der Minderheit gegriffen und Sie scheuen sich nicht, diese Diktatur andauernd aufrecht zu erhalten.

Zur Schande der Verschlechterung, der Verfälschungsmanöver mit der Wahlreform, zur Umfälschung der Willensmeinung eines Teiles der Wähler, zur künstlichen Umwandlung eines Teiles der Stimmen der Opposition zu Wahlbehelfen für die Majorität, zur Vergewaltigung der kleinen Parteien, zu dieser Unsumme von Nücken und Tücken und Hinterhalten und Unredlichkeiten kommt dann noch die Schande der Regierungsbildung, deren Zeugen wir in den letzten Wochen gewesen sind. Wochenlag hat man verhandeln müssen, um diese Regierung glücklich zustande zu bringen, allein schon ein Beweis dafür, wie festgefügt dieses ganze Koalitionsgebäude ist, wie groß der innere Zusammenhang sich darstellt. Zusammengeleimt und zusammengeflickt, zusammengeschachert und zusammenversprochen hat man sich, um diese Regierung glücklich zustande zu bringen und die Verhandlungen, die sich wochenlang hingezogen haben, sind im wesentlichen nicht um große, umstrittene Programme gegangen. Oh nein, es war wieder ein Schacher um die Aufteilung der einzelnen Ministersitze, über das Ausmaß des Anteiles der einzelnen Koalitionsparteien an der Macht und an den Sinekuren. Ekel und Abscheu erfaßt einen, wenn man dieses widerliche Schauspiel gesehen hat. Da hat man monatelang das Parlament ausgeschaltet, dann hat man es nach Hause geschickt und aufgelöst und vorzeitig Neuwahlen ausgeschrieben, weil man den Wählern einreden wollte, die Neuwahlen würden bestätigen und bescheinigen, daß das Koalitionssystem von der Bevölkerung gewollt sei, und der Herr Ministerpräsident bringt es ja fertig, in seiner heutigen Rede noch etwas ähnliches behaupten zu wollen, daß dem wirklich so wäre. Und dann mußte man es erleben, daß die Koalition mit einer Minderheit von Stimmen aus den Wahlen hervorging und daß es unendlicher Mühe bedarf, die Grundsätze der einzelnen Koalitionsparteien auf ein gemeinsames Programm zu einigen. Grundsätze, die so verschieden sind, daß sie sich nicht finden können und daß nur die Sucht, das Verlangen nach Ministersitzen alle anderen Bedenken zurückdrängt und Wochen hindurch die Koalition ausschließlich oder beinahe ausschließlich beherrscht.

Und wie hat man sich in dieser Zeit dem Parlament gegenüber gestellt? In anderen wirklich parlamentarisch regierten Ländern ist es so, daß auch bei lang andauernden Krisen Tag für Tag der Öffentlichkeit berichtet wird, was sich während den Verhandlungen über die Regierungsbildung vollzieht. Wir waren auf zufällige, auf erlauschte, oft erfundene, auf falsch dargestellte Berichte inofiziöser Mitteilungen irgendwelcher Journalisten angewiesen. Es ist den Koalitionsparteien, die angeblich so aufrechte Demokraten sind, nicht im Traume eingefallen, sich mit dem Parlamente irgendwie in Verbindung zu setzen, mit den anderen Parteien zu verhandeln, deren Meinung zu hören. Nichts davon! Man hat einfach auch die Bildung der Regierung als eine ganz interne, heimliche, vertrauliche Angelegenheit der Koalition betrachtet. Wie macht man es in anderen Ländern, wo wirklich demokratische Prinzipien maßgebend sind? Schauen Sie nach Österreich. Die österreichische Regierung wird von keinem Präsidenten ernannt und von keiner "Pìtka" zusammengesucht und zusammengeleimt. In Österreich muß die Regierung sich der Wahl durch das Parlament unterziehen. Wenn Sie Demokraten sind, versuchen Sie denselben Weg, zeigen Sie, daß Sie nicht zu allen Schacher, zu allen verborgenen und heimlichen Methoden greifen müssen, um die Amter unter sich zu verschenken und künstlich eine Regierung zusammenzuflicken. Fühlen Sie den Unterschied zwischen jener Demokratie und dieser? Wir legen an diesem Tage, wo wir zum erstenmale in diesem Hause zu Worte kommen, die entschiedenste Verwahrung ein gegen die Fälschung und Schändung der parlamentarischen und demokratischen Einrichtungen, in denen wir eine empörende Mißachtung des Parlamentes und eine schmähliche Mißachtung jeder wirklichen Demokratie erkennen.

Nun hat der Herr Ministerpräsident in einer Rede, die er kürzlich Koalitionsjournalisten gegenüber hielt, angekündigt, daß sich in dem Verhältnis der Regierung zum Parlament und in dem Verhältnis der Koalitionsparteien zu den Oppositionsparteien manches ändern werde. Die ganze vergangene Geschichte des Parlamentes habe ja manchmal Mängel gezeigt. Aber das liege nicht etwa in dem Mangel an einer wirklich demokratischen Regierungsmethode, oh nein, meine Herren von der Koalition! Sie könnten dem Herrn Ministerpräsidenten für die Komplimente danken, der erklärt hat, daß das Parlament ein wenig faul und liederlich gewesen sei. Derselbe Herr Ministerpräsident Švehla, den wir so lange, obgleich er längst gesund war, durch Monate, nicht im Parlamente zu sehen bekamen, so daß wir außerordentlich erstaunt waren, als er plötzlich vor unseren Augen auftauchte, wagt dies zu behaupten. Wenn der Vorwurf des Herrn Ministerpräsidenten irgendein Maß von Berechtigung hätte, so gilt er nicht dem Parlamente, das ohnmächtig war und nichts zu sagen hatte, auch in jenem Teile nicht, der zur Koalition gehört, sondern die Ursache war die "Pìtka" oder jene 6-Männergruppe, die alle Entscheidungen traf, die allein bestimmte, was Regierungsvorlage, was Gesetz werden soll. Das Parlament ist nichts als lediglich äußere Form, die man erfüllen muß, um nach außenhin die gesetzgeberische Arbeit ordnungsgemäß zu erledigen. (Posl. Kaufmann: Und die Verantwortung von sich abzuwählen!) Ja, und auch um die Verantwortung von sich abzuwälzen. Wir sind stets und immer wieder von neuem gegen dieses faule unhaltbare System aufgetreten. Sie haben darauf nicht geachtet, verächtlich sind Sie über alle Meinungen hinweggegangen und nun kommt der Herr Ministerpräsident und bestätigt, daß da manches faul und manches liederlich war. Doch wohl nur bei den Herren, die die Regie in den Händen hatten. Der Herr Ministerpräsident kündigt uns an, daß dem Parlamente ein größeres Ausmaß von Initiative eingeräumt werden soll als in der Vergangenheit. Wie merkwürdig! Das ist doch das Eingeständnis dessen, daß man früher das Parlament gedrosselt hat, daß man es zu keiner Tätigkeit kommen ließ und daß man es gehemmt und gehindert hat. In der Tat hat die Koalition jede ernste Regung des Parlamentes verhindert. Anträge, die von der Opposition kamen, wurden entweder nicht verhandelt oder sie wurden ungesehen und ohne Rücksicht auf ihren Inhalt abgelehnt. Jede andere Regung, die von der anderen Seite kam, haben Sie im Keime erstickt, Sie haben die Parteien und das Parlament als Ganzes zur Ohnmacht verurteilt, Sie haben es degradiert, herabgewürdigt zur bloßen Form, zum lächerlichen Abstimmungsapparat über alle jene Fragen, die Sie abgestimmt wissen wollten. Wenn man glaubt, das Geständnis des Herrn Ministerpräsidenten sei etwa ein Beweis der Erkenntnis der Sünde - ach nein! soweit sind wir leider noch nicht und die Erfahrung, die wir z. B. heute gemacht haben, zeigt uns schon, wie ganz anders die Dinge sind. Von neuen Methoden spricht der Herr Ministerpräsident, in Wahrheit ist die alte Gewalt aufrecht, derselbe Schacher herrscht, man will sich nicht ändern, man will dieses Gewaltsystem aufrechterhalten um jeden Preis und unter allen Umständen. Freilich, die "Pìtka" ist selig entschlafen, an ihre Stelle sind andere Koalitionsausschüsse getreten, die sich aus einer anderen Zahl von Menschen zusammensetzen, die aber mit den gleichen oder ähnlichen Befugnissen wie die selig entschlafene "Pìtka" ausgestattet sind. Glauben Sie denn oder wollen Sie, meine Herren von den Koalitionsparteien, allen Menschen, die in diesem Staate leben, einreden, daß es mehr Demokratie bedeutet, weil sie mehr Teilhaber an der wirklichen Gewalt zur Schändung des Parlamentarismus und der Demokratie eingesetzt haben, durch Abmachtungen unter sich, nicht etwa durch einen Gesetzentwurf? Ein anderes Verhältnis zur Opposition kündigt der Herr Ministerpräsident an. Der Hinauswurf von Tausenden deutscher Staatsangestellten sowie die Tatsache, daß die Èechisierung rücksichtsloser in den letzten Wochen geübt worden ist als je zuvor, die gesteigerte Gewalttätigkeit und Rücksichtslosigkeit zeugen nicht von einer Veränderung des Verhältnisses der Koalition zu den Parteien und Völkern, die in ihrem Wesen und in ihrer Masse der Opposition angehören. Da muß ich sagen, wenn wir immer wieder und wenn wir heute wieder das Schauspiel einer direkten und brutalen Vergewaltigung der Oppositionsparteien in diesem Hause gesehen haben, wenn Sie die Zuflucht nahmen zur Wahl von Generalrednern, um die Debatte abzukürzen und den Dingen die Form zu geben, die Sie wünschen, so ist das ein neuerlicher Akt einer Vergewaltigung, gegen den wir Protest erheben. So werden Sie das Parlament nicht festigen und großziehen, so regen Sie die Stimmung auf, die sich wendet zum Protest und Widerstand, zum leidenschaftlichsten Kampf gegen die Methoden, die Sie aufgerichtet haben. Der Herr Ministerpräsident hat uns aber angekündigt, daß ein neuer Geist im Verhältnis zu den Oppositionsparteien kommt, so meinte er, man müsse wohl oder übel zwischen den Oppositionsparteien eine Unterscheidung machen. Es ist kein neues Mittel, es ist kein neuer Geist, es ist keine neue Methode, der Herr Ministerpräsident denkt einfach an den alten Grundsatz: "Teile und herrsche!" Reiße die Opposition auseinander und du wirst rascher und schneller und besser mit ihr fertig werden. Von einem neuen Geist, von neuen Methoden, von neuen Beziehungen spricht der Herr Ministerpräsident. Wie wird uns denn? Wie war es denn bei der Konstituierung der beiden Häuser der Nationalversammlung? War es nicht wieder die alte Methode des Schachers und der Gewalt, die wir zu spüren bekamen? Die Nationalversammlung setzt sich zusammen aus 300 Abgeordneten und 150 Senatoren. Von den Abgeordneten gehören 159 der Koalition und 141 den Oppositionparteien an. Im Senat drüben ist das Verhältnis so, daß 79 Koalitionsmitgliedern 71 Oppositionsmitglieder gegenüberstehen. In der Summe also verfügen die Koalitionsparteien über 238 Menschen, die Opposition aber über 212 Personen. Bei diesem kleinen, armseligen Unterschied macht man es dann so, daß bei der Aufteilung der Vizepräsidenten- und Präsidentenstellen in beiden Häusern der Nationalversammlung der Schlüssel von 9: 2 genommen wird. Für 238 Mandate 9 Posten, für 212 Mandate hingegen nur 2 solcher Stellen! Das ist der neue Geist, der Sie beherrscht. Da wagt dann der Herr Ministerpräsident heute auszusprechen, man müsse die Opposition respektieren! Wahrhaftig, ein herrlicher Respekt, der sich in dieser Ziffer ausdrückt. Es ist der alte verworfene Geist, der hier herrscht, es ist die alte liederliche Art, an die Sie sich gewöhnt haben, es ist die Verschacherung der Dinge, es ist die Lästerung der Demokratie. die Sie gewohnt sind seit langen. Sie haben aufgeräumt in unserem Hause mit der Obmännerkonferenz, auf die kein wirkliches Parlament verzichtet. Sie haben nie ein Einvernehmen mit den Oppositionsparteien gesucht, Sie haben nie ernsthaft verhandelt, Sie haben sich einfach auf die Willkür und auf die Macht gestützt, die Sie in der Hand hielten, und die haben Sie mißbraucht. Nun erleben wir wieder. daß diese Auswüchse zu persönlichen kleinlichen Gehässigkeiten führen, zu einem System der Justifizierung und des Unrechtes, zu einem System, das uns zeigt, daß von einem neuen Geist, der da angeblich einkehren soll, wahrhaftig nichts zu spüren ist. Sie gebärden sich so wie früher als Hasser, als unversöhnliche Verfechter Ihrer eingebildeten Vorherrschaftsberechtigung.

Sie geben sich als Kämpfer gegen die Obstruktion, und, meine Herren von der Koalition, was haben Sie denn früher für eine Stellung zur Opposition eingenommen? Hier kennt man sie ernsthaft noch nicht, aber was haben wir im alten Österreich alles erlebt? Wären wir doch so gelehrige Schüler, angesichts des tausendfältigen Unrechtes, das Sie begehen, die Obstruktion hätte bereits trotz aller Tücken der Geschäftsordnung hier schon anders gewirtschaftet und hätte dieses Parlament an den Rand des Abgrundes gebracht. Im alten Österreich war man im Gegensatz zu den Methoden, die hier zuhause sind, immer, bei allen Schwierigkeiten, zu Verhandlungen bereit, auch mit Obstruktionsparteien, man hat nach Auswegen gesucht, man hat sie oft genug gefunden. Trotzdem und obwohl Sie ganz anders behandelt worden sind, als wir hier von Ihnen, kam es jeden Augenblick vom neuen zu Ausbrüchen der wildesten und zügellosesten Obstruktion, an denen sich auch Ihre Vicepräsidenten aktiv beteiligt haben, wie Sie sich erinneren werden, wenn ich etwa die Namen Zázvorka und Žáèek nenne. Einmal hat Ihre Obstruktion zur Auflösung des österreichischen Abgeordnetenhauses geführt. Das Abgeordnetenhaus wurde vom neuen gewählt, und jener Vizepräsident, der früher bei der Obstruktion mitgeholfen hat, den haben Sie von neuem zum Vizepräsidenten gewählt. So haben Sie im alten Österreich gezeigt, wie sehr Sie die Mehrheit respektierten, wie Sie die parlamentarische Handhabung des Apparates der Gesetzgebung verstehen. Es kommt einem vor, als ob die jüngste Geschichte Mitteleuropas vergessen wäre. Ist denn alles aus Ihrem Gedächtnis geschwunden? Wenn ich so in den Saal blicke, dann sehe ich ja manches Gesicht, das im österreichischen Reichsrat wutverzehrt war, wenn Sie mit allen Mitteln der Gewalt obstruieren. Ich erinnere mich, wie der Nationalsozialist Fresl im österreichischen Reichsrate einmal 15 Stunden sozusagen geredet hat, ich weiß nicht, wie es uns erginge, wenn wir ähnliches unternehmen würden. Oder wollen Sie es etwa leugnen, daß Sie Obstruktion getrieben haben mit Mitteln, die hier nie zur Anwendung kamen? Nicht nur mit zerschlagenen Pultdeckeln, sondern mit Autohuppen, mit schrillen Pfeifen, die einem durchs Hirn gedrungen sind, daß Sie sie geführt haben mit einem wahren Höllenlärm, wie ihn wohl kein anderes Parlament der Welt noch gesehen hat? Haben Sie das alles vergessen, haben Sie das aus Ihrer Geschichte ausgelöscht? Ist das nicht alles wahr? Und wie rechtfertigen Sie demgegenüber die Haltung, die Sie hier in diesem Staate einnehmen? Hier sagen Sie: Solche Kampfmethoden werden hier nicht geduldet. In jedem Widerspruch schon erkennen Sie Obstruktion und stellen sich mit allen Machtmitteln demgegenüber. Hier verdammen Sie, was Sie viele Jahre immer wieder selbst getan haben mit dem Aufgebot aller Kräfte, die in Ihnen wohnten: die unterschiedlichsten und am wenigsten schönen Obstruktionsmethoden. Sie haben sich früher immer wieder mit Stolz Ihrer Revolutionsgeschichte gerühmt. Schämen Sie sich heute dieser Ihrer Vergangenheit? Ich glaube nicht. Dann müßten Sie Verständnis haben dafür, daß die Opposition in diesem Staate sich auflehnt gegen Ihre Gewaltherrschaft, dann müßten Sie Verständnis haben dafür, daß wir es anders wollen, dann müßten Sie sich der Methoden schämen, die Sie heute anwenden, um die Opposition kurz und klein zu kriegen. Sie haben die Minorität im Volke, Sie haben die Mehrheit verloren, Sie haben sie künstlich wieder aufgepäppelt durch Hinzuziehung neuer Kräfte. Die Wahlen waren Gerichtstage für Sie, eine Abrechnung auch Ihres eigenen Volkes mit Ihren Methoden, mit Ihrer Politik. Von Wahl zu Wahl - auch in den meisten Gemeinden drückt sich ähnliches aus - hat sich Ihre Situation verschlechtert. Wissen Sie wohl, wie das Ergebnis einer nächsten Wahl ausfallen wird? Man sollte meinen, ein bischen mehr Bescheidenheit angesichts der letzten Erfahrungen täte Ihnen wahrhaftig not. Sie haben Ihre Mehrheit verloren durch die Gewalt, die Sie gegen die Minderheit, die Sie vor allem auch gegen die arbeitenden Klassen in diesem Staate verübt haben, und wenn sich die Gewalt gegen arbeitende Menschen richtet, wenn diese die betroffenen sind, dann ist dies die schmählichste Art der Gewalt, die verächtlichste und hassenswerteste, und gerade in jüngster Zeit haben sich im Zusammenhang mit den Wahlen hier wieder Exzesse der Gewalt gegenüber den staatlichen Angestellten vollzogen.


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