Pøeklad ad I./4254

Antwort

des Finanzministers

auf die Interpellation der Abgeord. Kostka, Dr. Kafka und Genossen betreffend die Nichtbeachtung der Veranlagungsvorschriften bei den direkten Steuern durch die Steuerbehörden (Druck 4157/III).

Wie allgemein bekannt ist, hat die Tango Kriegsdauer die und damit verbundene Abnahme an Kräften gleichzeitig mit einer bedeutenden Vergrößerung der eigentlichen Steuer- und außersteuerlichen Agenda der Bemessungsbehörden verursacht, daß sich bei den Bemessungsbehörden nach dem Umsturze eine Menge Rückstände aus früheren Jahren und unerledigten Berufungen angehäuft haben, ganz abgesehen von der Nichtveranlagung der Steuern für die laufenden Jahre 1919 und später. In dem Bewußtsein, daß geordnete Verhältnisse im Staate in erster Reihe und hauptsächlich Ordnung in den Staatsfinanzen und insbesondere auch die rechtzeitige und sachlich richtige Veranlagung der Steuern voraussetzen, und daher von dem Bewußtsein geleitet, daß dieser ungünstige Stand möglichst bald sowohl im Interesse der Staatsfinanzen als auch nicht weniger im Interesse der Steuerträger beseitigt und wiederum der laufende Stand in allen Steuerzweigen erreicht werde, hat das Finanzministerium wiederholt die Finanzlandesbehörden, Aufsichtsorgane und Vorstände der Bemessungsbehörden aufgefordert, alle geeigneten und passenden Mittel in Anwendung zu bringen, damit die Rückstände und Berufungen baldmöglichst aufgearbeitet resp. erledigt worden. Deshalb - und hauptsächlich auch unter dem Drucke der Steuerträger und der ganzen Öffentlichkeit, welche nachdrücklich eine rasche Beseitigung der Rückstände verlangte - hat das Finanzministerium nichts dagegen eingewendet, daß - während der Dauer der außerordentlichen Verhältnisse, solange die Veranlagungsagenda nicht auf den laufenden Stand kommt und in Fällen, die nach ihrem Charakter und wegen ihrer Wichtigkeit nicht bereits vor der Steuerveranlagung dringend Aufklärungen erheischen - im größeren Maße als bisher die Bestimmungen des § 61, Abs. 1. und des 220, Abs. 4, des Pers. Steuergesetzes in Anwendung gebracht werden, wonach es zulässig ist, daß das Vorhaltsverfahren, falls es nicht in I. Instanz durchgeführt wurde, nachträglich in der II. Instanz, d. i. im Berufungsverfahren durchgeführt werde. Dadurch wurde - ohne daß das Gesetz verletzt wurde, denn dasselbe läßt, wie aus den zitierten Paragraphen hervorgeht, selbst eine solche Verschiebung des Vorhaltsverfahrens in das Berufungsstadium zu auf der einen Seite die Steuerveranlagung bedeutend beschleunigt, auf der anderen Seite wurden die Steuerträger in keiner Weise geschädigt. Denn die Steuerträger, denen Ihre Steuer ohne Vorhaltsverfahren vorgeschrieben wurde und die keinen Grund zu einer Berufung hatten, waren der Beantwortung unangenehmer Dekrete enthoben und waren gewiß nur dankbar, daß ihnen die Steuer ohne Vorhalte vorgeschrieben wurde. Aber auch jene Steuerträger, die gegen die ohne durchgeführtes Vorhaltsverfahren vorgenommene Steuerverschreibung eine Berufung einbrachten, sind in ihren Rechten nicht verkürzt, da ihnen die Bedenken gegen ihr Einbekenntnis unter allen Umständen nachträglich im Berufungsverfahren bekanntgegeben werden müssen und ihnen damit Gelegenheit gegeben wird, diese Bedenken zu widerlegen.

Wenn aber unter dem Drucke der Notwendigkeit m formaler Beziehung von dem früheren sehr rigorosen Vorgehen Abstand genommen wurde, so betonte das Finanzministerium umsomehr die gerechte, mit den tatsächlichen Verhältnissen der Steuerträger im Einklang stehende Steuerbemessung und hat die Bemessungsbehörden wiederholt angewiesen, ihre Hauptsorge und Aufmerksamkeit der materiellen Seite der Steuerveranlagung zu widmen, d. i. ihrer sachlichen Richtigkeit, und alle Mittel anzuwenden, die ihnen zur Hand sind, wie die Einvernahme von Sachverständigen, die Bucheinsicht u. dgl., damit das tatsächliche vom Steuerträger erzielte Einkommen versteuert werde. Ausgehend von der Erwägung, daß die Mitwirkung der Steuerträger den moralischen Wort der Veranlagung bedeutend erhöhe, hat das Finanzministerium zugleich die Bemessungsbehörden nicht darüber im Zweifel gelassen, daß es die zu häufige schablonenhafte und systematische Anwendung der Kontumazfolgen im Sinne der § 205 oder 213 des zitierten Gesetzes nicht gutheißt.

Aus dem Angeführten geht also einerseits hervor, daß das Finanzministerium, indem es im öffentlichen Interesse die auf die beschleunigte Erledigung der Rückstände und Berufungen und damit auf die Rückkehr normaler Verhältnise abzielenden Verfügungen traf, darauf achtete, daß die Erreichung dieses Erfolges nicht etwa auf Kosten der sachlichen Richtigkeit der Steuerverschreibungen erfolge; anderseits daß den Bemessungsbehörden, insoweit sie sich nach den ihnen von den vorgesetzten Behörden gegebenen, dem Gesetze nicht widersprechenden Weisungen richteten, absolut keine Vorwürfe einer Gesetzverletzung gemacht; werden können.

Im Übrigen muß hier wiederholt betont werden, daß die Bemessungsbehörden Organe sind, welche die Veranlagung der Einkommensteuer und der allgemeinen Erwerbsteuer lediglich vorbereiten, während die definitive Entscheidung über die Höhe dar Steuergrundlage resp. über die Höhe der Steuer selbst nach dem Gesetze den Kommissionen für die Einkommensteuer resp. Erwerbsteuer obliegt, welche in dieser Richtung absolut unabhängig sind und an die Vorschläge der Bemessungsbehörden in keiner Weise gebunden sind, so daß die allein für die Angemessenheit der auferlegten Steuer verantwortlich sind.

Dies gilt insbesondere auch für die Steuerveranlagung von Steuerträgern, bei denen eine Revision vorgenommen wurde. Es wurde bereits in dem hieramtlichen Erlasse, vom 10. Dezember 1919, Z. 105.557/20.345 - und wiederholt später - betont, daß die Revisionsoperate zwar ein wertvoller Behalf für die Steueradministrationen und Kommissionen sind, daß aber nicht übersehen werden darf, daß das Veranlagungsorgan, welches einzig und allein für die Festsetzung der Steuerpflicht, für die Entscheidung über die Einkommenhöhe und dgl. kompetent ist, die Kommissionen selbst sind, so daß - wie bereits oben gesagt wurde - in erster Reihe diese für die Angemessenheit der auferlegten Steuern verantwortlich sind. Soweit allerdings ein Revisionsoperat bei der Steuerveranlagung als Behelf in Betracht kommt, insbesondere soweit ein Steuerträger gegenüber einem Veranlagungsorgane nicht erklärt hat, daß er den Revisionsbefund als richtig anerkennt, muß bei seiner Verwendung der Vorgang wie in jedem anderen Falle eingehalten werden, in welchem der Behörde Zweifel über die Richtigkeit des Einbekenntnisses aufsteigen.

Wenn etwa in manchen Fällen trotzdem den Steuerträgern bei der Steuerveranlagung offensichtliches Unrecht durch Überwertung geschehen ist, wurden die unterstellten Behörden mit dem hieramtlichen Erlasse vom 29. Mai 1931, Z. 51.702/5810, angewiesen, mit der Einhebung und Eintreibung dieser Steuerbeträge, mit deren Abschreibung im Instanzenzuge zu rechnen wäre, zuzuwarten, und zwar vorläufig unverzinslich, anderseits daß die eingebrachten Berufungen von der Abschätzungskommission selbst erledigt werden, sofern die Bedingungen des § 221 Pers. St. G. in der Fassung der Novelle vom 12. August 1921, S. d. G. u. V. Nr. 336, vorliegen Außerdem wurde mit Erlaß vom 24. Mai 1922, Z. 55.154/6714, den unterstellten Behörden die Weisung erteilt, daß in Fällen, wo einem, die Steuern vorläufig nach der letzten Vorschreibung zu zahlen verpflichteten Steuerträger nach Ansicht der Steueradministration für oben dieses Jahr die Steuern mit einem geringeren Betrage als die letzte Vorschreibung ausmacht, vorgeschrieben werden wird, über sein Ansuchen und zwar vorläufig unverzinslich - mit der Einhebung und Eintreibung jener Betrüge zuzuwarten ist, um welche die künftige Vorschreibung voraussichtlich geringer sein wird als die letzte Vorschreibung. Aus dem Angeführten ist ersichtlich, daß die Finanzverwaltung zum Schutze der Steuerträger alles gemacht hat, was ihr unter den gegebenen Verhältnissen möglich war.

Was die Abschätzung der Kriegsanleihen für die Vermögensabgabe anbelangt, muß Folgendes angeführt werden:

Es ist wahr, daß die Mehrzahl der Bemessungsbehörden zu Beginn der Veranlagung der Vermögensabgabe die Kriegsanleihen vielfach mit 40% des Nennwertes abgeschätzt haben, für welche Schätzung die Bestimmung des 12 d. Ges. vom 24. Juni 1920, S. d. G. u. V. Nr. 417, betreffend die IV. Staatsanleihe der Èsl. Republik maßgebend war. Die Bemessungsbehörden wurden zu diesem Vorgehen von der praktischen Erwägung geleitet, daß das Gesetz über die Kriegsanleihen in absehbarer Zeit wohl noch nicht herausgegeben werden wird, und daß durch die Abschätzung mit diesem Prozentsatze wohl am ehesten Reasumierungsvorschreibungen ausgewichen wird, die später durchgeführt werden müßten, wenn die Kriegsanleihen vorläufig von der Grundlage ausgeschieden würden.

Die Abschätzungskommissionen sind auch anstandslos auf diese Gründe eingegangen, welche die Durchführung der definitiven Vorschreibungen ermöglichten.

Weil aber später gegen dieses Vorgehen zahlreiche Einwendungen rechtlichen Charakter vorgebracht wurden, hat das Finanzministerium mit Erlaß vom 29. Mai 1922, Z. 43.619, angeordnet, daß die Bemessungsbehörden vorläufig die Kriegsanleihen von der Bemessungsgrundlage ausscheiden, bis ein Gesetz über die Einschätzung der Kriegsanleihen herausgegeben werden wird und hat für jene Fälle, wo die Abgabe bereits aufgrund der erwähnten Abschätzung bemessen worden war, entsprechende Verfügungen getroffen.

Aus dem Geschilderten ist ersichtlich, daß die Bemessungsbehörden zu dein angeführten Vorgehen durch andern Gründe geleitet wurden, als ihnen die Interpellation unterlegt.

Bei diesem Sachverhalte finde ich keine Ursache, die in der Interpellation verlangten Maßnahmen zu treffen.

Prag, am 15. September 1923.

Der Finanzminister:

Ing. Beèka, m. p.

Pøeklad ad II./4254.

Antwort

des Ministers für Schulwesen und Volkskultur und des Ministers des Innern auf die Interpellation der Abgeordneten Dr. Schollich, Pittinger, Dr. W. Feierfeil, Simm, Dr. Kafka und Genossen in Angelegenheit der Errichtung einer deutschen Minderheitsschule in Skrzeczon bei Oderberg in Schlesien (Druck 4044/XXI).

In Skrzeczon befand sich ursprünglich nur eine polnische Schule, obwohl es im Orte insbesondere v fiele èechische Rinder gab, die - da sie in ihrer Gemeinde keine èechische Schule hatten - in die èechische Schule in Oderberg-Bahnhof gehen mußten. Trotzdem wurde in Skrzeczon eine deutsche Schule errichtet, als der Schulverein ein Gebäude für dieselbe herstellte, das er der Gemeinde für solange Zeit vermietete, als in dieser Schule in deutscher Sprache unterrichtet werden wird.

Als die Gemeindeverwaltungskommission in Oderberg-Bahnhof und die Verwaltung der dortigen i ethischen Volksschule wegen absoluten Raummangeln die Aufnahme von 200 èechischen Kindern aus Skrzeczon in die èechische Schule verweigerte, errichtete zu Beginn des Schuljahres 1920/1921 der schlesische Landesschulrat eine vierklassige öffentliche Volksschule mit èechischer Unterrichtssprache in Skrzeczon. Diese Schule ist heute fünfklassig reit zwei Parallelklassen.

Bezüglich der Unterbringung dieser Schule wurde anfangs zwischen der Gemeinde und den Vertretern des Schulvereines als Besitzer des Schulgebäudes ein Einvernehmen in dem Sinne erzielt, daß die èechische Schule zwei Lehrzimmer im Gebäude der deutschen Schule in Skrzeczon benützen durfte. Nach sechswöchentlichem ruhigen Unterricht kam es infolge der Agitation zu einem Streike der Kinder an dieser deutschen Schule. Nach einem vergeblichen Versuche, von der Verwaltung der deutschen Schule ein Verzeichnis der Kinder zu erhalten, begab wich der Regierungskommissär in das Gebäude dieser Schule und übergab nach Neststellung, daß nur Kinder deutscher Nationalität da seien, die Unterrichtsräumlichkeiten im Gebäude an die èechische Schule. Die Kinder polnischer Nationalität wurden an die polnische Schule verwiesen, die Kinder deutscher Nationalität wurden in die deutschen Schulen in Oderberg-Bahnhof aufgenommen, wohin sie durchschnittlich einen Weg von 15 Minuten und eine Verbindung mit der elektrischen Bahn haben.

Die Aenderung der Unterrichssprache der ehemaligen deutschen Schule in Skrzeczon wurde nach durchgeführter entsprechender behördlicher Verhandlung mit der Landesverwaltungskommission mit Entscheidung des Landesschulrates in Troppau ausgesprochen.

Diese Entscheidung wurde rechtskräftig; die von R. Riedel und Genossen dagegen eingebrachte Beschwerde wurde wegen Mangel einer Legitimation abgewiesen.

Auf Verlangen der Eltern um Errichtung einer deutschen Minoritätsvolksschule wurde von der politischen Bezirksverwaltung die Lokalerhebung auf den 18. Oktober 1922 angeordnet, zu der zum Zwecke der Erhebung der im § 1 des Gesetzes vom 3. April 1919, S. d. G. u. V. Nr. 189, angeführten Umstande mit einem Rundschreiben 42 Eltern eingeladen wurden, die nach dem dem obgenannten Ansuchen beigeschlossenen Verzeichnisse ihre Kinder in die deutsche Schule zu schicken beabsichtigten, falls eine solche errichtet würde.

Von denjenigen Personen, die sich, an der Kommission beteiligten, wurde nur eine einzige Partei, und zwar ein minderjähriges Mädchen zurückgewiesen, das ihre Geschwister anmelden wollte. Da sie nicht der berechtigte Vertreter dieser Kinder war, wurde sie aufgefordert, ihren Eltern zu sagen, es möge sich jemand von ihnen zu der Erhebung einfinden. Obwohl sie zu Hause waren, fand sich trotzdem niemand von ihnen ein. Nach den anher vorgelegten Verwaltungsakten sind von den angemeldeten Kindern nur 20 mit deutscher Muttersprache, bei zwei weiteren ist die Muttersprache zweifelhaft.

Im Hinblicke darauf, daß die Akten zur weiteren Ergänzung rückgemittelt werden mußten, kann ich derzeit über da Ansuchen um Errichtung einer deutschen Minoritätsvolksschule in Skrzeczon noch nicht entscheiden.

Aus dem Angeführten ist ersichtlich, daß die Erhebungen zur Gänze korrekt vorgenommen worden sind und daß der in der Interpellation angeführte Verdacht unrichtig ist, als ob das Vorgehen der Behörden eine Verminderung der Zahl der angemeldeten Kinder zum Zwecke hätte.

Was weiter den Fall der Gattin des Vorsitzenden der Ortsgruppe des Kulturverbandes, Riedel, in Skrzeczon anbelangt, wurde durch die durchgeführten Erhebungen sichergestellt, daß sie in der Zeit, vom 4. Juli bis 7. Juli 1922 in Skrzeczon und irr der Ortschaft Neudorf von Haus zu Haus ging und das unwahre Gerücht verbreitete, daß in der èechischen Schule in Skrzeczon nach den Ferien nicht weiter èechisch werde unterrichtet werden, daß diese Schule die Deutschen übernehmen werden, und daß sie dahin agitierte, daß deshalb die Bürger ihr durch eigenhändige Unterschrift auf einen Bogen bestätigen mögen, daß sie ihre Kinder in die künftige deutsche Schule in Skrzeczon schicken werden. Film bei dieser Agitation eine größere Zahl von Anmeldungen zu erzielen, verwies sie die Bürger auf einen Ausschnitt aus der Druckschrift "Deutsche Tust", der das bekannte Flugblatt Jehlièkas Bogen die Èechoslovakiche Republik mit der Ueberschrift "Womit soll ich dich vergleichen?" enthielt. Da sie bei èechischen und polnischen Familien agitierte, deren Sprache sie nicht beherrscht, nahm sie sich den Josef König und Josef Jarosz, beide in Skrzeczon wonnhaft, zur Aushilfe mit.

Die Agitation dieser drei Personen rief in Skrzeczon, das nach der letzten Volkszählung 1677 èechische, 1233 polnische und 429 deutsche Einwohner zählt, große nationale Aufregung und Erbitterung hervor.

Die Riedel wurde am 7. Juli 1922 von der Gendarmerie bei der Agitation betreten, das Verzeichnis der Kinder mit den Unterschriften der Eltern und der angeführte Schmähartikel aus der Zeitung wurden ihr abgenommen und der politischen Bezirksverwaltung vorgelegt.

Die politische Bezirksverwaltung in Freistadt stellte ihr später das Verzeichnis zurück und überzeugte sich durch ein neuerlich durchgeführten Verfahren, daß das Vorgehen der Gendarmerie in Skrzeczon vollständig korrekt war.

Da durch das Vorgehen der Riedel in der Gemeinde öffentliches Aergernis erregt und die öffentliche Ruhe und Ordnung bedroht wurde, bestrafte die politische Bezirksverwaltung in Freistadt mit Bescheid vom 10. November 1922, Z. r-2316, nach vorhergangenem Strafverfahren die Anna Riedel, den Josef König und den Josef Jarosz wegen Uebertretung des § 11 der Vdg. vom 20. April 1854, R. G. Bl. 96 zu Arrest in der Dauer von je 8 Tagen.

Die politische Landesverwaltung hat dem eingebrachten Rekurse der Genannten keine Folge gegeben, da der Tatbestand der Uebertretung nachgewiesen ist.

Prag, am 13. Juni 1933.

Der Minister für Schulwesen und Volkskultur:

R. Bechynì, m. p.

Der Minister des Innern:

J. Malypetr, m. p.

Pøeklad ad III./4254.

Artwort

des Ministers für Schulwesen und Volkskultur und des Ministers des Innern auf die Interpellation der Abg. Dr. Schollich, Pittinger, Dr. W. Feierfeil, Simm, Dr. Kafka

und Genossen

wegen der ungesetzlichen Beschlagnahme des Gebäudes der III. Knaben- und Mädchenvolksschule in Saaz zu Zwecken der èechischen Lehrerbildungsanstalt dortselbst (Druck 3862/XII), sowie auf die Interpellation der Abgeordneten Èermak, Kaufmann, Hirsch und Genossen in derselben Angelegenheit (Druck 3862/XIX).

Durch die Zusammenlegung von Schulen und die Regelung der Schulsprengel in Saaz, durchgeführt mit Erlaß des Präsidiums des Landesschulrates in Prag vom 2. Februar 1922, Z. 685, wurden die Räumlichkeiten im T. Stocke des Schulgebäudes des III. Sprengels frei, dessen II. Stockwerk bereits für die Schuljahre 1920/1921 und 1921/22 von der Gemeinde Saaz zur Unterbringung der neuerrichteten èechischen Lehrerbildungsanstalt vermietet worden waren. Diese Anstalt sollte zu Betinn des Schuljahres 1922/23 um einen dritten Jahrgang erweitert werden, so daß die bisherigen, übrigens nur bis 31. Juli 1922 vermieteten Räumlichkeiten für die Anstalt absolut nicht ausreichten. Demzufolge wurde ein Verfahren, betreffend die Beschlagnahme der Räumlichkeiten in dem oberwähnten Gebäude für die èechische Lehrerbildungsanstalt im Sinne des Gesetzes vom 12. August 1922, S. d. G. u. V. Nr. 304 eingeleitet, aber im Hinblicke auf die eingebrachte Berufung gegen die Auflassung des III. Schulsprengels in Saaz wurde inzwischen die Beendigung des Beschlagnahmsverfahrens verschoben, obwohl gemäß § 9 des Gesetzes vom 9. April 1920, S. d. G. u. V. Nr. 295, auf das der Vorsitzende des Landesschulrates sich bei seiner Entscheidung stützte, der eingebrachten Berufung keine aufschiebende Wirkung zustand.

Inzwischen fing das Schuljahr T922; 23 an und die Schwierigkeiten reit der Unterbringung der èechischen Lehrerbildungsanstalt erreichten Thron Höhepunkt. Obwohl das ganze 1. Stockwerk des Gebäudes leer war, lies die Gemeinde diese Räumlichkeiten geschlossen und verhielt sich den Ansuchen um Überlassung dieser Räumlichkeiten gegenüber ablehnend. Als bemerkbar wurde, daß sich eines Teiles der Bevölkerung eine gewisse Unruhe bemächtigte und daß durch die weitem Verzögerung es zu einer Bedrohung der öffentlichen Ruhe und Ordnung kommen könnte, forderte die politische Bezirksverwaltung in Saaz im Rahmen ihrer Wirksamkeit mit Erlaß vom 19. Oktober 1922, Z. 715 Präs., das Stadtamt in Saaz zur Herausgabe der Schlüssel auf und ermächtigte den Direktor der Lehrerbildungsanstalt sich in den Besitz dieser Räumlichkeiten zu setzen.

Über die Beschwerde, welche die Stadtgemeinde Saaz gegen diese Verfügung an die politische Landesverwaltung eingebracht hat, wird entschieden werden.

Was die Auflassung des III. Schulsprengels in Saaz anbelangt, ist die Angelegenheit derzeit Gegenstand einer Verhandlung vor dem Obersten Verwaltungsgerichte.

Prag, am 8. Juni 1923.

Der Minister des Innern:

J. Malypetr, m. p.

Der Minister für Schulwesen und Volkskultur:

Rud. Bechynì, m. p.

Pøeklad ad IV./4254.

Antwort

des Justizministers

auf die Interpellation des Abgeordneten Dr. E. Schollich und Genossen betreffend die Beschlagnahme der Zeitschrift Deutsche Volkszeitung für das Kuhländchen

(Druck 4174/III).

Vor allem sei konstatiert, daß in der Nr. 25. der obangeführten Zeitschrift nicht der ganze Artikel "Die Nationalpartei zum 4. März beschlagnahmt wurde, sondern lediglich ein Teil desselben und zwar von den Worten in der Interpellation "Erfüllt vom bitteren Schmerze trauern wir..." bis zum Absatze "Die Welt kümmert sich um uns nicht..."

Zu der Beschlagnahme kam es deshalb, weil die Staatsanwaltschaft in dem Inhalte der beschlagnahmten Stellen den Tatbestand des Verbrechens nach § 65 a) Str.-G.-B. erblickt hat. Daß dieser Tatbestand in jenen Stellen enthalten ist, hat auch das Kreis- als Preßgericht in Neutitschein in seinem die Beschlagnahme bestätigenden Erkenntnisse anerkannt.

Gegen dieses Erkenntnis wurden Rechtsmittel nicht in Anwendung gebracht.

Da weiter auch aus dem Originaltext der Interpellation ersichtlich ist, daß das öffentliche Interesse diese Beschlagnahme begründete, liegt kein Grund vor, der Staatsanwaltschaft wegen dieser Beschlagnahme irgendeine Weisung zu erteilen. Es ist wahr, daß ein ähnlicher Artikel in Nr. 26 derselben Leitschrift vom 3. März 1922 nicht beschlagnahmt, worden ist, doch wäre eher in Erwägung zu ziehen, ob die Durchlassung dieses Artikels damals dem Gesetze und dem öffentlichen Interesse entsprochen hat. Von irgendeiner Verschürfung der Praxis beim Vollzuge der Aufsicht kann in Wirklichkeit keine Rede sein.

Prag, am 21. September 1923.

Der Justizminister:

Dr. Dolanský, m. p.

Pøeklad ad V./4264.

Antwort

des Ministers für Schulwesen und Volkskultur und des Ministers des Innern auf die Interpellation der Abgeordneten Dr. Schollich, Pittinger, Dr. W. Feierfeil, Simm, Dr. Kafka und Genossen in Angelegenheit der Beschlagnahme des deutschen Kindergartens in Czalositz zu Zwecken der èechischen Minderheitsschule (Druck 4044/XX).

Der § 11 R. G. über die Volksschulen, auf den sich die Interpellation stützt, ist imperativen Charakters und bestimmt lediglich, wann an einer Schule eine weitere Klasse eröffnet werden muß, und keineswegs, wann dies auch geschehen kann. Dies ist dem Willen und der Zustimmung aller Konkurrenzfaktoren anheimgestellt. Es kann daher nicht behauptet werden, daß es gesetzwidrig sui, wenn eine Parallelklasse für eine geringere Anzahl von Kindern bewilligt wurde, als dies in dem zitierten Paragraphen angegeben ist. Damit kommen auch alle Schlußfolgerungen zum Wegfall, zu denen die Interpellanten gelangen, die von dieser unrichtigen Annahme geleitet wurden.

Für die Erweiterung aller Volksschulen gelten die gleichen gesetzlichen Vorschriften, und im Rahmen ihrer Bestimmungen treffen die Schulbehörden die notwendigen Verfügungen. Wenn sie hiebei einzelne Schulen (nicht nur èechische, sondern auch deutsche) wohlwollender beurteilen, tun sie dies deshalb, weil sie gezwungen sind, auf die Besonderheiten konkreter Fälle Rücksicht zu nehmen, wo entweder ungeeignete Räumlichkeiten oder dringende pädagogische Gründe und dergl. die sonst übliche Lösung nicht zulassen.

Der Raum für die Parallelklasse der èechischen Volksschule in Czalositz wurde, ohne daß dadurch dem deutschen Kindergarten irgendwie Abbruch getan worden wäre, aufgrund eines in Czalositz am 5. Mai 1922 aufgenommenen Prototrolles mit Beschlag belegt. In dieses Protokoll ließ der Vertreter des Ortsschulrates lediglich folgende Erklärung aufnehmen: Gegen die Errichtung der Parallelklasse und ihrer Unterbringung im Gebäude der deutschen Schule erheben wir keine Einwendungen, verlangen aber, daß die Parallelklasse in der Wohnung untergebracht werde, - und fügte hinzu, daß er seine Zustimmung mir deshalb erteile, weil es sich nur um eine provisorische Unterbringung der èechischen Schule handelt. Den gleichen Standpunkt nahm die Gemeinde mit einstimmigem Beschlusse der Gemeindevertretung vom 30. Mai 1922 ein.

Die Beschlagnahmeentscheidung wurde den Interessenten von der politischen Bezirksverwaltung in Leitmeritz am 9. August 1932 zugestellt, die Beschwerde an das oberste Verwaltungsgericht, die sich gegen den Erlaß richtete, in welchem lediglich bekanntgegeben wurde, daß das Ministerium auf seiner ursprünglichen Entscheidung beharre, aber erst am 17. November 1922 eingebracht, also lange nach Ablauf der 60tägigen Frist. Soweit die Interpellation die Entscheidung des obersten Verwaltungsgerichtes betrifft, wird bemerkt, daß die Beurteilung seiner Judikation sich nach den § 96 und 98 der Verfassungsurkunde der Verwaltungskompetenz und Ministerverantwortung entzieht.

Das Ministerium konnte bei der Entscheidung auf die Einwendungen der Gemeinde oder des Ortsschulrates keine Rücksicht nehmen, da solche nicht vorlagen. Diese wurden erst vorgebracht, als ihnen die Entscheidung intimiert worden war, die als endgiltige Entscheidung sogleich durchgeführt werden sollte.

Dadurch, daß für die èechische Schule das Kabinett, der deutschen Schule beschlagnahmt wurde, wurde der deutschen Schule ebenfalls nicht nahegetreten, da sie die Lehrbehelfe in das Konferenzzimmer übertragen konnte, das der Schulleiter der deutschen Schule als Schlafzimmer benützte. Dem èechischen Lehrer wurde das Wohnen in dem Kabinette nur für solange erlaubt, als ihm sei es durch Übereinkunft, sui es durch Zwangsmiete eine Wohnung beschafft würde. Hievon wurden die èechischen und deutschen Ortsfaktoren mit dem Bemerken verständigt, anher zur Anzeige zu bringen, sobald sich eine freie Wohnung findet. Es ist aber bisher kein Bericht eingelangt.

Prag, am 20. Juni 1923.

Der Minister des Innern:

Malypetr, m. p.

Der Minister für Schulwesen und Volkskultur:

Bechynì, m. p.

Pøeklad ad VI./4254.

Antwort

des Ministers für nationale Verteidigung auf die Interpellation des Abgeordneten

Dr. R. Lodgman und Genossen

in Angelegenheit der Sprachenprüfung der Berufsunteroffiziere (Druck 4009/XVII).

Zu dieser Interpellation beehre ich mich folgendes mitzuteilen:

Das Ministerium für nationale Verteidigung hat im Jahre 1932 zwei Sprachenkurse für jene Berufsunteroffiziere eingeführt, die in den Jahren 1920, 1921 und 1922 am wenigsten die èechische Sprache erlernt hatten, obwohl sie zur Dienstleistung in rein èechische Garnisonen zugeteilt wurden, damit sie Gelegenheit hätten, die èechische Sprache zu erlernen.

Die Mehrzahl der Rottenmeister, die nicht èechisch kannten bemühte sich der Versetzung in èechische Garnisonen auszuweichen und in zahlreichen Fällen wurde auch aus Parlamentskreisen gegen die Versetzung eingeschritten. Viele Rottenmeister nicht èechischer Nationalität zeigten auch Unlust zur Erlernung der Dienstsprache und wollten auch nach Beendigung der Kurse die vorgeschriebene Prüfung nicht ablegen. Prüfungsgegenstand ist hauptsächlich der Stoff aus dem Militärdienste, sodaß jedermann bei gutem Willen während der Zeit von 4 1/2 Jahren die Dienstsprache genügend erlernen konnte. Das Ministerium für nationale Verteidigung hat die Frist zur Ablegung der Sprachprüfungen bis zum 30. September d. J. verlängert und diese Entscheidung wurde im "Vìstník" des Ministeriums für nationale Verteidigung, Jahrgang VI., Nr. 4, Art. 24, vom 20. Jänner 1923 veröffentlicht. Weitere Kurse werden nicht mehr errichtet werden, da die nicht notwendig und auch finanziell nicht sichergestellt sind.

Prag, am 16. Juni 1923.

Der Minister für nationale Verteidigung:

Udržal m. p.

Pøeklad ad VII./4254.

Antwort

des Ministers des Innern

auf die Interpellation der Abgeordneten Böhr, Mark und Genossen betreffend Auflösung des Egerer Ortsrates

(Druck 4171/VIII).

Das Polizeikommissariat in Eger hat dem Vorsitzenden des "Egerer Ortsrates" in Eger am 8. Mai 1922 unter Zahl 541 Präs. einen Bescheid betreffend die Einstellung der Tätigkeit des "Egerer Ortsrates" zugehen lassen mit der Begründung, wie sie in der Interpellation angeführt ist.

Gegen den Bescheid des Polizeikommissariates in Eger wurde die Berufung an die politische Landesverwaltung in Prag eingebracht, über welche bisher noch nicht entschieden worden ist. Der Partei bleibt im Falle der Bestätigung dieses Bescheides noch das Recht einer weiteren Beschwerde vorbehalten. Bei diesem Stande der Dinge habe ich keine gesetzliche Handhabe, in die Sache einzugreifen, und sehe auch keinen Anlaß, den oberwähnten Bescheid des Polizeikommissariates in Eger von amtswegen abzuändern, da derselbe im Verwaltungsinstanzenzuge überprüft werden wird.

Prag, den 14. Juli 1923.

Der Minister des Innern:

Malypetr, m. p.

Pøeklad ad VIII./4254.

Antwort

des Ministers des Innern und des Justizministers

auf die Interpellation der Abgeordneten Dr. Kafka, Kostka und Genossen wegen der Beschlagnahme der periodischen Druckschrift Trautenauer Tagblatt vom 1. Feber 1923 (Druck 4098/XI).

Die Beantwortung dieser Interpellation hat außer dem Justizministers, an den sie gerichtet ist, auch der Minister des Innern übernommen, und zwar deshalb, weil die Presseaufsicht in Trautenau die dortige politische Bezirksverwaltung ausübt. Zur Sache selbst wird Nachstehendes bemerkt:

Die politische Bezirksverwaltung in Trautenau hat die Nummer 25 der periodischen Druckschrift "Trautenauer Tagblatt" vom 1. Feber 1923 wegen dreier in der Interpellation abgedruckten Stellen, in denen sie den Tatbestand der strafbaren Handlungen nach §§ 65 b), 302 und 300 Str. G. erblickt hat, beschlagnahmt. Die Beschlagnahme wurde mit Erkenntnis des Kreis- als Pressegerichtes in Jièín vom 3. Feber 1923 aus denselben Gründen bestätigt und die Weiterverbreitung des genannten Artikels nach § 493 Str. P. untersagt. Es liegt sonach eine gerichtliche Entscheidung vor, die einzig und allein im gerichtlichen Instanzenzuge abgeändert werden kann. Ein Einspruch gegen die Konfiskation wurde nicht eingebracht, sodaß das übergeordnete Gericht nicht Gelegenheit fand, sich mit der Frage zu beschäftigen, ob die Konfiskation berechtigt war.

Bei der Kontrolle der fresse ist nicht nur darauf zu sehen, ob der Inhalt der Druckschrift dem Strafgesetze widerspreche, sondern auch darauf, ob die Beschlagnahme der inhaltlich bedenklichen Druckschrift im öffentlichen Interesse nötig sei.

Fälle, in denen etwa eine Konfiskation erfolgt ist, obgleich der Tatbestand einer strafbaren Handlung zweifelhaft ist, kommen selten vor. Viel früher zeigen sich Fälle, in denen der Tatbestand einer strafbaren Handlung vorliegt, in denen es jedoch möglich war, das öffentliche Interesse, von dem es abhängt, ob die Beschlagnahme einer Äußerung strafbaren Inhalts erfolgen soll oder nicht, milder zu beurteilen. Nach dieser Seite allgemeine Mogeln aufzustellen, ist nicht möglich.

Die Lebensverhältnisse, insbesondere die politischen, ändern sich in einer solchen Weise, daß etwas, was zu einer bestimmten Zeit die Sicherheit des Staates, die öffentliche Sicherheit oder die öffentliche Ruhe und Ordnung gefährden könnte, schon vielleicht nach einer verhälnismäßig kurzen Zeit keine Gefahr mehr beinhaltet, und umgekehrt. Das Justizministerium sowie das Ministerium des Innern machen unausgesetzt in einzelnen Fällen die mit der Ausübung der Aufsicht über die Presse betrauten Organe auf Fehler aufmerksam, die zu vermeiden wären. Solche individuelle Belehrungen an einem besonderen Falle führen die Organe, die gefehlt haben, im kurzen auf den richtigen Weg, auf welchem sie keine abstrakten allgemeinen Weisungen leiten könnten.

Prag, am 23. Juni 1923.

Der Minister des Innern:

Der Justizminister:

J. Malypetr, m. p.

Dr. Dolanský, m. pr.


Pøeklad ad IX./4254.

Antwort

der Regierung

auf die Interpellation des Abgeordneten Ing. Jung und Genossen

in Angelegenheit des Überfalles auf deutsche Turner in der Station Wiesa-Oberleutensdorf (Druck 3995/XIX).

Zu dem in Komotau in den Tagen vom 8.-10. Juli 1922 veranstalteten Turnerfest wurde für die Turnvereine aus den Bezirken Braunau, Trautenau und Hohenelbe ein besonderer Nachtzug Nr. 1143 vom 7. auf den 8. Juli 1922 eingestellt. Die Fahrt bis in die Station Wiesa-Oberleutensdorf, wohin der Zug mit einer Vorspätung von 23 Minuten kam, erfolgte ganz normal. Auch bei der Einfahrt in die genannte Station wurde weder vom Zugs-, noch Stationsvorstand etwas Auffälliges bemerkt. Erst als der Expedient dem Zugsführer den Befehl zur Abfahrt gab, bemerkte er eine Schar unbekannter Personen, die sich dem Zuge näherte. Obwohl der Expedient den Befehl zur Abfahrt wiederholte, hinderte die Menge mit Gewalt und Drohungen das Eisenbahnpersonal in der Ausübung ihres Dienstes und schließlich koppelten einige Demonstranten die Lokomotive ab und lockerten an zwei Stellen die Wagenkoppelungen, damit der Zug nicht abfahren könne.

Nachdem sie die Zugsabfahrt verhindert hatten, begaben sich die Demonstranten zu den einzelnen Waggons und erzwangen von den Turnern, daß diese die schwarz-rot-gelben Brustbänder mit der Aufschrift: "Turnkreis Deutsch-Österreich" abnahmen und von der Standarte das grobe, fast einen halben Meter lange Blechschild mit der Aufschrift "Turnkreis Deutsch-Österreich, Braunauer Turngau, Deutscher Turnverein Braunau i. B." beseitigen, das die Turnexpedition mit sich führte.

Als die Turner dieser Aufforderung keine Folge leisteten, ja im Gegenteil angeblich die Teilnehmer anspuckten, kann es zwischen den Parteien zu einer scharfen Kontraverse, wobei einzelne Personen aus der Menge auch in die Waggons eindrangen und in einem Personenwagen 8 Fensterscheiben zertrümmerten. Im ganzen wurden 27 Turner verwundet. Die Angreifer bemächtigten sich auch dreier Vereinsfahnen, die eingerollt im Wagen lagen; einige von den Turnern behaupten, daß ihnen in dem Rummel auch Rucksäcke, Decken und Mäntel verloren gegangen seien.

Dem Eisenbahnpersonal gelang es nach ungefähr 20 Minuten Ordnung zu schaffen, worauf der Zug sofort weiter expediert wurde. Der Verkehrsbeamte erstattete sofort die Meldung sowohl an die Gendarmerie als auch an die vorgesetzten Behörden und die politische Verwaltung.

Aus dem Angeführten geht hervor, daß die Demonstrationen gegen einen Turnverein aus der Èechoslovakischen Republik gerichtet waren, der sich bisher den derzeitigen unabänderlichen staatsrechtlichen Verhältnissen nicht angepaßt hatte, sondern es für gut befunden hatte, bei dem deutschen Turnfeste in Komotau, in der Èechoslovakischen Republik, augenfällig seine staatsfeindlichen Gefühle zum Ausdrucke zu bringen.

Obwohl bedauert werden muß, daß sich die Demonstranten zu gesetzwidrigen Handlungen hinreißen ließen, muß trotzdem darauf hingewiesen werden, daß es zu diesen Verfällen nicht gekommen wäre, wenn die Turner aus Braunau sich nicht eine grobe politische staatsfeindliche Demonstration hätten zuschulden kommen lassen, indem sie Abzeichen und ein großes Schild mit der Aufschrift: "Turnkreis Deutsch-Österreich" benützen, wodurch allerdings die èechische Bevölkerung gereizt wurde. Alle anderen Expeditionen, die nach Komotau gefahren waren - und man zählt gegen 30.000 Teilnehmer dieses Turnfestes, wovon 15.000 Turner im Turngewande waren - kamen ohne alle Zwischenfälle an Ort und Stelle.

Über die Vorfälle am Bahnhofe in Wiesa wurde sofort das gerichtliche Strafverfahren eingeleitet.

Aus den Verhandlungsakten des Kreisgerichtes in Brüx geht hervor, daß die Geschädigten als Angreifer Zivilpersonen bezeichneten, manche behaupteten auch, daß sie von einem Eisenbahnbediensteten oder wenigstens von einem Manne in Eisenbahnenuniform angefallen worden seien. Niemand von den Geschädigten konnte aber bestimmte Personen als Täter bezeichnen.

Die Vorerhebungen wurden gegen vier Eisenbahnbedienstete geführt, die in der kritischen Zeit Dienst machten und außerdem gegen eine ganze Reihe Zivilpersonen. Alle Verdächtigen leugneten aber ihre schuld, und da sie durch das Ergebnis der Vorerhebungen nicht überführt werden konnten, wurde das Strafverfahren gegen sie Anfang Jänner 1923 eingestellt und gegen unbekannte Täter nach § 412 St. G. O. Tistiert.

Die Verhältnisse haben sich seither nicht geändert, und es wurden bisher auch keine bestimmten Personen sichergestellt, die irgendeiner strafbaren Handlung überführt werden konnten.

Ebenso wurde durch das von den Organen der Staatsbahndirektion in Prag durchgeführte Erhebungsverfahren überhaupt nicht sichergestellt, daß an dem Angriffe auf den Zug sich Eisenbahnbedienstete beteiligt hätten.

Der Umstand, daß die Lokomotive von dem Turnerzug abgehängt worden war, kann in keiner Weise dafür Zeugnis abgeben, daß sich Eisenbahnbedienstete des Angriffes auf den Zug schuldig gemacht hätten, da im Bereiche des nordböhmischen Kohlengebietes jeder Berg- und Fabriksarbeiter diese einfache Manipulation kennt.

Die Regierung weist den Vorwurf zurück, daß die berufenen Organe bei der Untersuchung des Vorfalles oberflächlich vorgegangen seien; im Gegenteil muß erklärt werden, daß die Untersuchungsorgane der Sicherstellung der Täter des Angriffes die entsprechende Aufmerksamkeit gewidmet haben, und daß ihnen keine Vorwürfe gemacht werden können, wenn ihr Bemühen und ihre Arbeit keinen Erfolg gezeitigt haben.

Unter den gegebenen Umständen liegt kein Grund zur Einleitung einer neuen Untersuchung vor und besteht auch keine Aussicht, daß diese neue Untersuchung den gewünschten Erfolg haben würde.

Die Mitteilung der eidlichen Aussagen des Stationspersonals der Station Wiesa-Oberleutensdorf ist nicht tunlich, weil diese Aussagen Bestandteile der amtlichen Akten sind, die nicht in die Öffentlichkeit gebracht werden können.

Die Eisenbahnverwaltung ist nicht verpflichtet, für die verlorenen Fahnen einen Ersatz zu leisten, weil der Eisenbahnverwaltung nicht zur Last gelegt werden kann, daß es durch ihr Verschulden zum Überfalle des Zuges gekommen wäre.

Prag, am 8. Oktober 1923.

Der Stellvertreter des Vorsitzenden der Regierung:

Bechynì, m. p.

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