Støeda 30. záøí 1925

Nun waren Sie erbost darüber und insbesondere deshalb, daß nicht nur wir einzelne Abgeordnete es gewagt haben, im Budgetausschuß unsere Pflicht zu erfüllen, sondern daß auch der Vorsitzende unseres Klubs es gewagt hat, in den Budgetausschuß mitzugehen und gegen die Versuche der Gewalt zu protestieren. Und da haben Sie erklärt, dies sei etwas Unerhörtes. Wenn man den "Pozor" vom vorigen Samstag liest, findet man einen Artikel darüber. Das ist ein Olmützer Organ; dies ist bezeichnend und es zeigt auch die Quelle, woher diese Nachricht stammt. Lesen Sie diese Notiz, in der steht, daß der deutsche Vize-Präsident des Abgeordnetenhauses gezwungen sein werde, seine Funktion als Vize-Präsident zurückzulegen. (Výkøiky na levici.) In dieser Notitz steht, daß die Koalitionsparteien dem deutschen Vize-Präsidenten erklärt haben, daß es unvereinbar sei mit seinem Amte als Vize-Präsident, Mitglied des Budgetausschusses zu sein und dort die Opposition zu führen. Das sei dem Vize-Präsidenten durch die Koalition mitgeteilt worden. Ich würde mir an Sie die Anfrage erlauben, welche Herren der Koalition es gewesen sind, welche unserem Genossen Dr. Czech oder uns eine solche Mitteilung der Unvereinbarkeit gemacht haben. Sie würden in Verlegenheit geraten, deshalb, weil keine Person der "Pìtka" eine solche Mitteilung an uns oder an unseren Genossen Dr. Czech gelangen ließ. Das, was im "Pozor" enthalten war, fand Wiederhall auch in Prag. Wir haben im "Èeské Slovo", im "Právo Lidu" und auch in der "Národní Politika" ähnliche Artikel gefunden wie im "Pozor", wo mit aller Schärfe gegen unseren Vorsitzenden Stellung genommen wurde und hervorgehoben wurde, daß es unverein bar mit dem Amte des Vize-Präsidenten sei, die Opposition im Budgetausschuß zu führen, daß dies eine Ungehörigkeit sei und daß ein solcher Mann nicht Vize-Präsident des Hauses sein könne. So weit haben Sie sich verstiegen, als ob der von uns gewählte Vizepräsident ein Vertrauensmann der Koalition sein könnte oder müßte. Glauben Sie denn, daß wir zu den von Ihnen gewählten Vize-Präsidenten und dem Präsidenten des Hauses das Vertrauen haben und glauben Sie denn, daß wir mit seiner Tätigkeit oder mit der des Präsidiums einverstanden sind? Nein, selbstverständlich nicht, wir können nicht einverstanden sein! Aber der Vizepräsident der Minderheit oder der Vize-Präsident, hervorgegangen aus der Opposition, kann ebenso niemals Ihr Vertrauensmann sein. Es ist ja selbstverständlich, daß in dem alten Polizeistaat Österreich - und Sie wollen sich ja fort entösterreichern - der von Ihnen vorgeschlagene Vize-Präsident Zázvorka oder Žáèek, wer immer es war, nicht der Vertrauensmann der anderen sein konnte, sondern Ihr Vertrauensmann war. Unvereinbar soll es sein (Rùzné výkøiky na levici.), daß der von uns gewählte Vizepräsident des Hauses Mitglied des Budgetausschusses sei, unvereinbar soll es sein, daß er gegen Gewaltanwendung, gegen Bruch der Geschäftsordnung als gewählter Abgeordneter protestieren dürfte! Den Maulkorb müßte er sich umhängen nach Ihrer Auffassung. (Výkøiky posl. Hillebranda.) Er dürfte von seinem Recht keinen Gebrauch machen, seine Pflicht als gewählter Abgeordneter nicht erfüllen, weil er Funktionär in diesem Hause ist. Haben sie sich dieselbe Frage aufgeworfen bei dem èechischen Vizepräsidenten Žáèek im altösterreichischen Parlament, der mittätig obstruiert hat, technische Obstruktion geübt hat gegen das Budgetprovisorium im Budgetausschusse? Haben Sie sich die Frage aufgeworfen, als Sie im alten österreichischen Abgeordnetenhause einen Vizepräsidenten in der Person des verstorbenen Genossen Tusar hatten, ob es unvereinbar ist mit dem Amt, wenn zu gleicher Zeit für die Losreißung der einzelnen Länder und Gebiete vom alten Österreich gearbeitet wird? Oder haben Sie sich die Unvereinbarkeit früher vor Augen gehalten, als der eine in Amt und Würden saß und die anderen die Obstruktion führten, oder haben Sie es für unvereinbar gehalten, als hier in diesem Hause der Herr Pater Šrámek, einn Minister der Koalition, gegen Beschlüsse, die Sie in der Koalition gefaßt haben, Stellung nahm und gegen sie stimmte, gegen das, was Sie untereina nder beschlossen haben und für das Sie sich verpflichtet haben? War das vereinbar? Sie wollen uns Vorschriften machen, Sie wollen uns Belehrungen erteilen, Sie wollen uns Weisungen geben über Anstand, über parlamentarische Sitten, über das Verhalten unseres Vorsitzenden! Es ist selbstverständlich, daß wir das mit aller Schärfe ablehnen und mit aller Schärfe gegen eine solche parlamentarische Auffassung Stellung zu nehmen gezwungen sind. Nun wurde aber nicht nur im "Èeské Slovo" und im "Právo Lidu" mit diesen Argumenten gearbeitet, sondern sowohl das "Èeské Slovo" als auch die "Národní Politika" sind noch weiter gegangen und sie haben in einer gemeinen, gehässigen persönlichen Weise den Kampf zu führen begonnen und haben die Frage aufgeworfen, ob denn der von uns gewählte Vizepräsident die Bezüge eines Vizepräsidenten ehrlich verdiene und ob man ihm nicht die Bezüge einstellen solle. (Hluk. Rùzné výkøiky.)

Místopøedseda Buøíval (zvoní): Prosím o klid.

Posl. Hackenberg (pokraèuje): Ich will gar nicht so weit gehen. (Hluk, výkøiky posl. Hillebranda.)

Místopøedseda Buøíval (zvoní): Prosím pana posl. Hillebranda, aby nevyrušoval øeèníka.

Posl. Hackenberg (pokraèuje): Ich will gar nicht zu ergründen suchen, aus welchen Quellen der eine oder der andere der Herren, der im politischen Leben bei Ihnen eine große Rolle spielt, seinen Reichtum geschöpft hat. Ich will nicht so weit geben, aber wir brauchen nur an die Korruptionsaffären, welche sich in diesem Staate abgespielt haben, erinnern, den Schleier zu lüften und dann können wir Sie zum Schweigen bringen. (Hluk, rùzné výkøiky na levici.) Nicht nur das, was bereits in der Öffentlichkeit festgestelt wurde, sondern insbesondere auch das, mit dem sich die Öffentlichkeit zu beschäftigen noch nicht Gelegenheit gehabt hat. Aber wir fragen, ob es nicht eine bodenlose Gemeinheit ist, insbesondere von sozialistischen Blättern, die Frage aufzuwerfen, ob ein sozialistischer Vizepräsident das, was er bezieht, verdient habe oder nicht. Als ob die Tätigkeit des Vize präsidenten nur darin best ehen würde, da oben zu sitzen. Ich will nicht nahetreten... (Posl. Langr: Pane kolego, bìžte èuchati ke kapsám vašich lidí do Nìmecka!) Kümmern Sie sich, Herr Kollege Langr, nur um Ihre Leute, um die Millionäre in Ihren Reihen, die vor Jahren mit zerrissenen Hosen herumgegangen und jetzt Millionäre sind. (Posl. Langr: Já se o nì nestarám, starejte se vy o nì!)

Místopøedseda Buøíval (zvoní): Prosím, aby pan øeèník nebyl vyrušován.

Posl. Hackenberg (pokraèuje): Nun frage ich, ob es die einzige Aufgabe eines Vizepräsidenten oder Präsidenten ist, da oben zu sitzen, und ob er damit das verdient, was ihm als Entschädigung gegeben wird. Sie selbst schlagen sich damit ins Gesicht. Denn wenn wir uns ansehen, was von Ihnen selbst in den Communiqué über die Tätigkeit des Präsidiums des Abgeordnetenhauses herausgegeben wird, so finden wir daß in Ihren eigenen Blättern diese Richtigstellung schou vorgenommen wird. Ich habe hier die "Národní Listy" vom 1. April 1925, mit einem Artikel, betitelt: "Pøehled èinnosti posl. snìmovny v X. zasedání." Im zweiten Absatz dieses Artikels, der ein Communiqués aus der Korrespondenz ist, wird geschildert, was alles im Präsidium vorgenommen wurde. Wenn Sie sich diese Notiz ein wenig durchlesen, werden Sie finden, daß die Aufgabe des Präsidiums des Hauses nicht darin besteht, nur zu präsidieren, sondern daß das Präsidium auch andere weitgehende Aufgaben zu erfüllen hat, denen sich der von uns gestellte Vizepräsident auch niemals entzogen hat. Wenn nun unser Parteivorsitzender, der zum Vizepräsidenten in disem Hause gewählt wurde, nicht präsidiert, so ist das ein Kapitel, über das zu schweigen nicht in unserem, sondern in Ihrem Interesse gelegen ist. (Souhlas na levici.) Wenn er nicht präsidiert, so deshalb, weil ihm Bedingungen gestellt worden sind, wie man es in keinem anderen Parlamente gewagt hätte, sie einem Vizepräsidenten zu stellen. Das ist die Ursache, und wir weichen einer Aussprache über dieses Kapitel selbstverständlich auch nicht aus. Es ist selbstredend, daß es unsere Pflicht war, das abzuwehren, was bei der Beratung dieses Voranschlages versucht wurde, es ist aber auch selbstverständlich, daß wir gewillt sind, dort abzuwehren, wo man Versuche unternimmt, uns auzutasten. Der Klub der deutschen sozialdemokratischen Abgeordneten hat sich in seiner gestrigen Sitzung mit den Angriffen beschäftigt, die in der nationalsozialistischen und der èechischen sozialdemokratischen Presse enthalten gewesen sind und hat folgenden Beschluß gefaßt (ète): "Der Klub spricht seine tiefste Entrüstung über die unerhörten Angriffe der èechischen Koalitionspresse, insbesondere aber über das Vorgehen der èechischen sozialdemokratischen Presse gegen den Klub und dessen Obman Genossen Dr. Czech wegen seiner Haltung im Budgetausschuß aus. Er stellt fest, daß Genosse Dr. Czech vollständig auf Grund von einhelligen Beschlüssen des Klubs vorgegangen ist und nichts anderes getan hat, als diese Beschlüsse durchzuführen. Damit ist Genosse Dr. Czech zu seiner Stellung als Vizepräsident des Abgeordnetenhauses nicht im geringsten in Widerspruch geraten, zumal sich die Betätigung unserer Fraktion im Budgetausschusse ausschließlich im Rahmen der Geschäftsordnung bewegte und - von der Abwehr der begangenen Geschäftsordnungsbrüche abgesehen - lediglich eine sachliche Kritik des ins Haus geworfenen Voranschlages im Auge hatte. Der Klub stellt fest, daß die Funktionen, Aufgaben und Verpflichtungen eines Mitgliedes des Parlamentspräsidiums nur nach den einschlägigen Verfassungsvorschriften oder Geschäftsordnungsbestimmungen beurteilt werden können und den gewählten Präsidiallmitgliedern nur insoweit Hemmungen in ihrer Betätigung als Abgeordnete oder Klubfunktionäre auferlegen, als dies in den für diese Funktionäre geltenden Normen ausdrücklich festgelegt erscheint. Darüber hinaus steht jedem Präsidialmitglied die uneingeschränkte Betätigungsmöglichkeit als gewählter Volksvertreter zu. Der Klub spricht seinem Obmann Genossen Dr. Czech das uneingeschränkte Vertrauen und seine volle Zustimmung zu seinem Verhalten aus." (Souhlas nìmeckých soc. dem. poslancù.)

Hinzufügen will ich nur, daß man von einer solchen Form des Kampfes, wie sie von Ihrer Seite geführt wird, angeekelt wird, daß es uns aber nicht einfällt, wegen dieser Form des Kampfes unsere Flinte ins Korn zu werden. Im Gegenteil, wir sind stets bereit, den Kampf mit Ihnen aufzunehmen, nur daß wir nicht in die Art verfallen werden, wie Sie sie anzuwenden für notwendig finden. (Souhlas na levici.)

2. Øeè posl. Schälzkyho (viz str. 790 tìsnopisecké zprávy):

Meine Herren! Bei Behandlung dieses Staatsvoranschlages hat die èechische Mehrheit in den bekannten Methoden der Erledigung wichtiger Gesetzesvorlagen den Rekord geschlagen; auf die in den früheren Jahren beschlossene dringliche Behandlung hat man verzichtet, um ohne an eine Frist gebunden zu sein, den Staatsvoranschlag mit der größtmöglichen Beschleunigung unter Drosselung der Geschäftsordnung unter Dach und Fach zu bringen. Man befürchtet, daß es im neuen Parlament nicht so leicht möglich sein wird, das Budget der Regierung zu sichern und daher wird dasselbe in überstürzter Behandlung vom absterbenden Parlamente durchgepeitscht. Man fühlt das Entwürdigende eines solchen Vorganges; aber bei der ganz eigenen Auffassung von Demokratie und Parlamentarismus verzichten die Angehörigen der Pìtkaparteien auf die Kontrolle und sachliche Kritik und beugen sich bei dieser wichtigen, ja man kann sagen wichtigsten Vorlage widerspruchslos dem Diktat ihrer Parteiführer. In kein em anderen Parlamente wäre ein solcher Vorgang möglich. Monatelang wird hier der parlamentarische Betrieb stillgelegt, um dann in einigen Tagen die wichtigsten Vorlagen, nachdem man sich hinter verschlossenen Türen geeinigt hat, durchzutreiben. In allen demokratischen Staaten stellt das Budgetrecht das höchste Recht des Parlamentes vor. Auf dem Budget fußt die Politik der Regierung. Von dieser Politik machen die Parteien ihre Zustimmung zum Staatsvoranschlag abhängig. Im vorigen Jahre haben die Oppositionsparteien die Mitarbeit an der Beratung des Staatsvoranschlages abgelehnt, weil sie diesen Scheinparlamentarismus nicht mehr mitmachen wollten. Für die angebliche Konsolidierung der Verhältnisse war es sicher recht bezeichnend, daß ebenso wie im Revolutionsparlament 2/5 der Vertreter der Völker des Staatsgebietes abwesend waren, um vor dem Inlande und auch vor dem Auslande gegen dieses System der Gewalt und des Unrechtes zu protestieren. Auch jetzt zeigt die Nichtbeteiligung der Mehrheitsparteien bei den Verhandlungen im Budgetauschuß von dem Inter esse, das die Mehrheit dieser wichtigsten Gesetzesvorlage entgegenbringt.

Diesmal tritt die Regierung mit einem scheinbar aktiven Voranschlag vor das Haus. Man erhofft sich damit einen günstigen Erfolg bei der amerikanischen Anleihe, weil ja die Kreditfähigkeit und das Ansehen eines Staates im Auslande nach dem Voranschlage geschätzt wird. Aktiv erscheint diesmal der Staatsvoranschlag; man hat nämlich nicht wie in den früheren Jahren das Investitionsbudget aufgenommen, sondern von den 871 Millionen Investitionen nur 51 Millionen für Zinsen und Amortisationen. Es ist auch keine Kunst, ein aktives Budget vorzulegen, wenn die Steuern, Gebühren und Abgaben vermehrt werden. Im Jahre 1923 hat man versprochen, daß keine Steuererhöhungen mehr eintreten sollen. Mit der Begründung, daß die Beamtengehalte erhöht werden sollen, wurden im vorigen Jahre neue Steuern und Gebühren beschlossen. Im Budget aber ist von dieser Erhöhung der Beamtengehälter nichts zu merken, aber der Ertrag dieser Gebühren und Steuern ist für andere Zwecke im Budget verwendet. Der Staat gleicht da einem Hochstapler, der auf großem Fuße lebt, aber seinen eigenen Dienstboten den Lohn schuldig bleibt. Wir vermissen auch, was in den früheren Jahren immer kritisiert wurde, Klarheit über die tatsächliche Höhe der Staatsschulden, namentlich der Auslandschulden. Das Budget ist schön frisiert und aktiv. (Posl. dr. Petersilka: Es ist eine Kokotte!) Sehr gut, aber dem Auslande kann nicht verborgen bleiben, daß neben diesem scheinbaren Aktivum ein gewaltiges Passivum hervortritt u. zw. in den verworrenen inneren Verhältnissen, in der gewaltigen Unzufriedenheit der Minderheitsvölker in diesem Staate, die durch das an ihnen systematisch verübte Unrecht in die schärfste Kampfstellung zur Regierung gedrängt werden, in der Rechtsunsicherheit in diesem Staate, in der sich die Minderheitsvölker befinden, und in der offenkundigen Verletzung des privaten Eigentums, wie wir es besonders bei der Kriegsanleihe und tagtäglich bei der Bodenreform sehen. Gerade die Staaten, zu denen man jetzt um eine Anleihe betteln geht, sind bezüglich des Eigentumsrechtes und des gesetzlichen Schutzes des Eigentums besonders empfindlich. Wie erklären Sie sich diese Erscheinungen? Das Haupt- und Grundübel dieses Staates ist die Nationalstaatsidee, aus der all das Unrecht, all die Entrechtung, all die nationale Unterdrückung und Zurücksetzung auf kulturellem, sozialem und wirtschaftlichem Gebiete sich ergibt. Dieser Staat mit seinen starken Minderheiten ist niemals ein Nationalstaat und kann niemals ein Nationalstaat sein. (Souhlas na levici.) Die Hälfte der Bevölkerung wehrt sich dagegen. Der Staat wird bewohnt von Èechen, Slovaken, Deutschen und Magyaren und es ist unmöglich, daß die Èechen auf die Dauer eine Alleinherrschaft in diesem Staatsgebiet ausüben. (Výkøiky posl. dr. Petersilky.) Es wehren sich auch alle Minderheiten mit allen erdenklichen Mitteln gegen diese Einstellung und gegen die aus dieser Einstellung sich ergebenden Politik. Die vernünftigen èechischen Politiker sehen das ja ein, aber da der Chauvinismus und der Größenwahn des Volkes durch viele Jahre hindurch aufs Äußerste gesteigert wurde, kann man eben von diesem Wahn nicht ablassen. Und daher ist es ganz recht, wenn gesagt wird, daß die ständige Krise in diesem Staate nicht so sehr eine Regierungskrise, als vielmehr eine Staatskrise ist. Mit diesem System des Unrechtes und der Gewalt gibt es für uns keine Versöhnung, sondern gegen dieses System gibt es für die unterdrückten Völker nur eines, und das ist der Kampf.

Wir haben vor einiger Zeit von hoher Seite das Wort gehört, die Konsolidierung der Republik müsse fortschreiten durch die Gewinnung aller Staatsbürger ohne Unterschied der Sprache, der Nationalität und des Bekenntnisses für den gemeins amen Staat. Am Schlusse der ersten Wahlperiode sollten sich die herrschenden Parteien, die èechischen Koalitionsparteien, einmal ernstlich die Frage vorlegen, wieviel ihrerseits nach dieser Richtung hin geschehen ist, was sie getan haben, um dieses Gewaltsystem abzubauen, die Nationen in diesem Staate einander näher zu bringen, um eine Atmosphäre des Vertrauens zu schaffen, des Vertrauens auf wirkliche Gleichberechtigung der Völker in diesem Staate, und erwägen, was Sie getan haben, um die Minderheiten, namentlich die Seele des deutschen Volkes, zu gewinnen. Die Antwort auf diese Frage müßte Sie nachdenklich machen. Gerade in der Zeit, die grundlegend hätte sein sollen für die Festigung und Konsolidierung des Staates, hat man versäumt, die Kluft zu wischen den Nationen zu überbrücken, hat man den Minderheitsvölkern das Bewußtsein der Gewalt, der Beraubunr, der Zurücksetzung und Entrechtung immer mehr beigebracht und es sie fühlen lassen. Das ungelöste Minderheitsproblem muß jede wirkliche und dauernde Konsolidierung des Staates hindern. Mit Gewalt und Unrecht - möchte ich auf die Ausführungen des Herrn Vorredners antworten - lassen sich Minderheiten nicht niederhalten. (Posl. dr. Petersilka: Aber wir werden doch loyal behandelt!) Ich will auf diese loyale Behandlung auch hinweisen. Ich stelle nur fest, daß an der ungelösten Minderheitenfrage das alte Österreich zugrunde gegangen ist und die unbefriedigten und unzufriedenen Minderheiten auch ein friedloses Europa geschaffen haben. Die Macher dieses Friedenswerkes sind sich dieses großen Fehlers wohl bewußt und deswegen hat man in die Friedensverträge aller Nachfolges taaten Bestimmungen zum Schutz der Minderheiten, die sogenannten Minderheitsschutzverträge, aufgenommen. Diese Bestimmungen stehen vielfach auf dem Papier, besonders hierzulande, wo man sich systematisch - und das stelle ich abermals gegen den Herrn Vorredner fest - über diese Bestimmungen des Minderheitenschutzvertrages hinwegsetzt und auch die Versprechungen verlezt, die man im Memoire III und anderen Denkschriften den alliierten Mächten zum Schutz der Minderheiten gemacht hat. Daß der Minderheitenschutz fortwährend verletzt wird, geht aus der großen Zahl der Klagen hervor, die beim Völkerbund von Seiten der Minderheiten dieses Staates und auch der Staaten ähnlicher Struktur in Europa ständig vorgebracht werden. Die Beschwerden beim Völkerbund, so begründet sie auch sein mögen, haben bisher kein Gehör gefunden, weil der Völkerbund in seiner Zusammensetzung und seiner bisherigen Einrichtung sich an diese Fragen nicht heranwagt. Es ist ichtig, was oft gesagt wird, daß er heute nichts anderes als ein Inlnstrument der Sieger im Weltkriege zur Niederhaltung der Besiegten ist. Sechs Jahre nach Abschluß der Friedensverträge drängt sich die Frage auf, was zum Schutz der Minderheiten geschehen ist. Vielleicht könnte der Herr Außenminister Dr. Beneš darüber erzählen, was zum Schutz der Minderheiten versucht wurde und welche verschiedenen Maßnahmen angewendet wurden, um einen wirksamen Schutz hintanzuhalten. (Sehr gut!) Es ist interessant, bei dieser Gelegenheit auf das Wort des Engländers Dickinson, das dieser auf der Münchner Konferenz gesprochen hat, hinzuweisen. Er sagte: die Verbündeten hätten niemals ihre Einwilligung zur Gründung der Èechoslovakischen Republik gegeben, wenn sie nicht überzeugt gewesen wären, daß die alten österreichischen nationalen Streitigkeiten aufhören würden. Wir müssen immer wieder feststellen, daß die in den Friedensverträgen übernommenen Verpflichtungen zum Schutze der Minderheiten entgegen den Zusicherungen, die wiederholt feierlich gegeben wurden, entgegen den Versprechungen des Memoire III und anderer Denkschriften fortwährend verletzt werden. Die deutsche Minderheit in diesem Staate ist nicht mit den anderen Minderheiten in den 11 oder 13 Staaten Europas auf eine Stufe zu stellen, die ebenfalls Minderheiten aufweisen, denn sie macht einen ganz bedeutenden Bruchteil der gesamten Bevölkerung aus, so daß eigentlich von einer Minderheit nicht gesprochen werden sollte, ist solch ein Bruchteil, daß selbst die zahllosen èechischen Vorstöße ins deutsche Gebiet und die Tätigkeit der verschiedenen Èechisierungsvereine im geschlossenen Siedlungsgebiet dauernd nichts ausrichten werden. Die Deutschen haben in ihren Siedlungsgebieten durch eine vielhundertjährige Entwicklung diese Kultur geschaffen, und stehen in ständiger Kulturgemeinschaft mit dem großen deutschen Brudervolk.

Der ehemalige italienische Ministerpräsident Nitti hat vor einiger Zeit bei einem Vortrag darauf hingewiesen, daß die Ursache der traurigen Verhältnisse in Europa die Friedensverträge sind, und ebenso, wie es von unserer Seite immer geschehen ist, den Friedensvertrag als einen Gewaltfrieden hingestellt und gesagt, vor dem Weltkrieg habe es nur ein Elsaß-Lothringen gegeben, jetzt gebe es derer 9 oder 10. Nitti nennt als klassisches Beispiel eines Staates mit gemischter Bevölkerung die Èechoslovakei und sagt, dort müssen die Èechen gegen die Deutschen, Slovaken und Magyaren eine Politik der Verfolgung und Zentralisation betreiben. Die Behandlung der Minderheitsfragen in diesem Staate und die sich daraus ergebende große Unzufriedenheit eines so großen Teiles der Bevölkerung ist ein weiteres Passivum der èechischen Politik. Das innere Aktivum der Zufriedenheit der Völker wäre viel wichtiger als das schönste finanzielle Aktivum in einem Staatsvoranschlage. Der Herr Berichterstatter hat sich im Budgetausschuß bewogen gefühlt, den Deutschen einige Gedanken zur Erwägung für die Wahlzeit mitzugeben. Sie mögen während der Wahlzeit erwägen, wie sie sich nach den Wahlen zu dem Staate stellen sollen. Die Antwort können wir ihm heute schon geben: Nämlich so, wie sich der Staat zu uns stellt. Wir können unsere Arbeit auf eine andere Basis nicht stellen als die Kampfbasis, so lange die Politik der Entrechtung gegen uns zum energischen Abwehrkampfe zwingt.

Der Herr Berichterstatter beliebte im Budgetausschuß das Parlament in Wien als Parlament der Intriguen, der Hinterhältigkeit, der politischen Schlauheit usw. zu bezeichnen und zu erklären, daß diese Eigenschaften im èechischen Staat keinen Raum finden, da die herrschenden Parteien offen, mannhaft, ehrenhaft und unverhüllt zu uns sprechen. Ich antworte: Nicht nur Worte, sondern Ihre Taten reden zu uns offen und unverhüllt, und zwar das Trümmerfeld der deutschen Kultur in diesem Staate, der politischen Entrechtung, die geknebelte deutsche Sprache, die 4000 gedrosselten deutschen Schulklassen, der geraubte deutsche Heimatboden, die Entlassung deutscher Beamter und Angestellter, die Gefährdung des deutschen Arbeitsplatzes, die Gedrücktheit und die Verdrossenheit unseres 3 1/2 Milionenvolkes sprechen eine offene und unverhüllte Sprache, so daß man staunen muß über die beispiellose Geduld, die unter diesen Verhältnissen unser deutsches Volk aufbringt. Von dem Geiste des Vertrauens, den man schaffen will, haben wir bisher noch nichts gespürt und auch nichts von dem Willen, um dieses Vertrauen zu schaffen, der sich darin zeigt, daß die fünf èechischen Parteien nach wie vor sich als allein regierende und herrschende in diesem Staate betrachten. Hinter verschlossenen Türen wird alles ausgeklügelt und ausgepackelt unter Fernhaltung derjenigen, auf deren Kosten in diesem Staate Politik gemacht wird. Und wenn man fertig ist, läßt man die "Querulanten" ihre Kritik und ihre Beschwerden vorbringen, um den Schein des Parlamentarismus zu wahren, worauf die Abstimmungsmaschine in Funktion tritt. Diese "Pìtka" ist wirklich, wie von hochstehender Seite vor einiger Zeit gesagt wurde, ein interessantes Experiment der èechischen Demokratie. Wir meinen, daß man von Demokratie hier möglichst wenig sprechen sollte, da die Herrschaft der Oligarchie klar zu Tag tritt.

Als Vertreter der deutschen christlich-sozialen Volkspartei muß ich bei dieser Gelegenheit besonders gegen den gehässigen Geist und die Art und Weise, wie man hierzulande an die Lösung der kirchenpolitischen Fragen herantritt und wie man das Empfinden der katholischen Bevölkerung verletzt, Verwahrung einlegen. Wir verhehlen uns nicht, daß die kirchenpolitischen Fragen einer Regelung bedürfen. Ich verweise nur auf die allerdringendsten, die Regelung der Patronatsfrage, die Besetzung der kirchlichen Stellen, die Frage der Erhaltung der Kirchen und der kirchlichen Gebäude, des Religionsfondes, eine Frage, die derzeit so akut ist, daß viele Kirchen vor dem Zusammenfall sind, weil sich der Staat weigert, die notwendigsten Reparaturen vornehmen zu lassen. Bei der Lösung der wichtigen kirchenpolitischen Fragen muß ein Mittelweg gefunden werden, um einerseits der Gewissensfreiheit Rechnung zu tragen, andererseits die Rechte und die Freiheit der Kirche und der anderen Konfessionen sicherzustellen. Gegensätze bestehen und werden bestehen. Das katholische Volk verlangt aber, daß die Regelung dieser wichtigen Fragen im Einvernehmen mit der höchsten kirchlichen Instanz, dem heiligen Stuhle erfolge. Es ist nicht allein unser Recht, sondern auch unsere religiöse Pflicht, das zu verlangen. Gerede in diesem Jahre wurde das Parlament wiederholt durch kulturpolitische Kämpfe lahmgelegt, die Regelung der Feiertagsfrage, die Hirtenbriefangelegenheit und die Husfeier.

Hätte man bezüglich der Feiertagsfrage die Stimmung des Volkes erforscht, so hätte eine allgemeine Volksabstimmung sicherlich die Beibehaltung der Doppelfeiertage verlangt. In der offiziellen Teilnahme der höchsten Funktionäre des Staates an der Husfeier, die durch Hissung der Husflagge auf dem Hradschin noch erhöht wurde, sehen wir eine Herausforderung der Katholiken, eine Demonstration gegen die katholische Religion und eine Beleidigung des heiligen Stuhles, die zur Abreise des apostolischen Nuntius geführt hat, die wir als Protest nur billigen können. Es ist Tatsache, daß diese Feier über den Rahmen einer literarischen und nationalen Feier hinausging und religiösen Charakter hatte und zu einer Herausforderung der Katholiken wurde. Es ist gar nicht davon zu reden, was sich im Gefolge dieser Feier alles zugetragen hat, welcher Haß gegen die katholische Kirche und gegen die katholische Bevölkerung dabei zutage trat. Wir verurteilen schärfstens alle diese schweren Beleidigungen, die gegen den Papst, unsere Kirche und gegen unsere Überzeugung gefallen sind. Man hat zum Kulturkampf gerufen und zur radikalen Trennung des Staates von der Kirche. Dieser Ruf kann uns Katholiken nicht Angst und Schrecken einjagen. Der schleichende Kulturkampf der letzten Jahre hat uns ein Gut nach dem anderen genommen, so daß uns ein offener und ehrlicher Kampf lieber ist; den fürchten wir nicht. Das katholische Bewußtsein wird erwachen und die katholischen Eltern werden auf die stets wachsende Entchristlichung der Schule aufmerksam gemacht werden. Die Geschicht lehrt, wie dieser Kampf ausgehen wird. Wir wollen volle Glaubensfreiheit für alle und verwahren uns dagegen, daß in der Schule, beim Militär und an anderen Stellen ein antika tholischer Geist gefördert wird. Wir verlangen, daß die diplomatischen Beziehungen zum heiligen Stuhle wieder aufgenommen und der Konflikt beigelegt wird. Ebenso sehen wir in der Behandlung des katholischen Feldbischofs Bombera eine Beleidigung der Katholiken. Mit weierlei Maß wird auch auf diesem Gebietee gemessen. Vor einiger Zeit lasen wir in den Zeitungen, was der Herr Ministerpräsident den èechischen Nationalsozialisten zugestanden hat. Heute bringen bereits die Zeitungen die Nachricht, daß dieser Erlaß bereits herausgegeben wurde, daß allen, die bei der Beschlagnahme von katholischen Kirchen verurteilt wurden, die Strafe nachgesehen wird, daß alle vor der Anerkennung der èechoslovaki chen Kirche von den Pfarrern dieser Kirchengemeinde getrauten Ehen als rechtmäßig erklärt werden, daß also offenkundige Rechtsverletzungen nachgesehen werden. Im Gegensatz dazu sei auf das Vorgehen der Regierung einem deutschen Pfarrer gegenüber hingewiesen. Es hat sich in der letzten Zeit ein Fall ereignet, wo ein deutscher Pfarrer Mayer in Frankstadt wegen Vergehens gegen das Schutzgesetz verurteilt wurde und jetzt ohne Pension seine Pfarrei verlasen soll. Ich weiß nicht, ob wir hier dasselbe Maß, dieselbe Nachsicht finden werden, wenn dieser Fall vor der Regierung verhandelt werden wird. Das System der Gewalt und des Unrechtes wird am besten illustriert durch die Art und Weise, wie hierzulande die Bodenreform durchgeführt wird.

Die Vollmachten des vom Revolutionsparlament eingesetzten Verwaltungsausschusses des Bodenamtes sind schon vor drei Jahren erloschen. Trotzdem wirtschaftet aber diese Körperschaft weiter. Während man bis vor kurzer Zeit im Inlande und auch heute noch im Auslande behauptet, die èechoslovakische Bodenreform habe hauptsächlich soziale und wirtschaftliche Beweggründe, ist man schon so weit, daß man den eigentlichen Anlaß, den Zweck der Bodenreform nicht mehr zu leugnen und in Abrede zu stellen wagt. Ich habe Beispiele, es gibt deren hunderte, daß der Zweck der großen Enteignung, der Zweck dieses Raubzuges kein anderer ist, als dem deutschen Volk seinen Boden zu nehmen.


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