Was man uns in diesem Gesetze nun bietet, ist in der Frage der Verwaltung keine Freude. Man gibt der Zentralversicherungsanstalt, die ja doch ein Werkzeug in der Hand der Regierung und der chauvinistischen èechischen Bürokratie sein wird, das Recht zur Ernennung der drei leitenden Beamten bei den größeren Kassen mit über 5000 Mitgliedern und der zwei leitenden Beamten bei kleineren Kassen und dergleichen mehr. Wir wissen, was wir zu erwarten haben, und Professor Srdínko hat ja im Budgetausschuß die Verstärkung des Einflußes der Verwaltung auf die Ernennung der Beamten damit begründet, daß Vorsorge für die Hochschüler geschaffen werden muß. Wir haben nichts dagegen, wenn Professor Dr. Srdínko als Universitätslehrer den Kampf für eine bessere rechtliche und materielle Stellung der Beamten mit Hochschulbildung führt. Im Gegenteil, es muß festgestellt werden, daß in dem Rausch der sozialen Gesetzgebung der ersten Jahre, der allerdings schon wieder einem trüben Katzenjammer weicht, man viel zu sehr an die Hebung und Erhaltung der Arbeitsfreudigkeit der Träger der obersten Verwaltung im Staate, die die schwierigsten Arbeiten zu verrichten haben, an die Konzeptsbeamten, die Akademiker vergessen hat. Wir haben es keinen Tag abgelehnt, an der Besserung der Verhältnisse mitzuwirken. Nur meinen wir, dadurch wird man das sittliche und geistige Niveau und den wirtschaftlichen Standard of Life der Akademiker nicht heben, wenn man in die Sozialversicherungsanstalten möglichst viel Akademiker hineinbringen will; denn das wäre gerade das gefährlichste und schlechteste Prinzip, in dem, was man im alten Österreich angefangen hat, fortzuschreiten, daß man nämlich die Akademiker nicht bloß auf Posten setzt, wo ein absolvierter Jurist, ein absolvierter Techniker hingehört, sondern daß man die Überproduktion der Akademiker fördert, so daß Akademiker an Stellen sitzen müssen, wo sie nur als Schreibkräfte verwendet werden und z. B. Mittelschüler, die im Gymnasium Homer und Cicero im Urtext lesen mußten, an den Postschaltern Zehn- und Zwanzighellermarken verkaufen, und in den Bureaus Leute sitzen, die sich Jurisdoktoren nennen und als gewöhnliche Schreibkräfte verwendet werden. Dieses System darf nicht weiter gezüchtet werden, die akademischen Beamten müssen eine möglichste Auslese der Beamtenschaft sein, sie dürfen nicht als Schreibkräfte, sondern ihren Fähigkeiten entsprechend verwendet werden. Was da geplant wird, wird nicht nur unseren, sondern auch den Beamten der èechischen Nation auf die Dauer nicht förderlich sein. Wir aber empfinden bei diesem Bestreben die weitere Absicht, uns èechische Trutzbeamte in die deutschen Krankenkassen hineinzusetzen. Dies sprach der Herr Berichterstatter Dr. Srdínko, wenn auch nicht direkt, so indirekt klar aus.
Man hat, um alle zu beruhigen, sowohl die deutschen, wie die èechischen bürgerlichen Parteien, bezüglich des Rechtes der Ernennung der Beamten den Grundsatz in das Gesetz aufgenommen, wonach die Zentralsozialversicherungsanstalt bei der Ernennung der leitenden Beamten verpflichtet ist, annähernd auf die nationalen Verhältnisse Rücksicht zu nehmen. Es heißt ausdrücklich "annähernd". Der Berichterstatter dr. Winter hat uns das im Ausschuß damit erklärt, daß man die Menschen ja nicht auseinander schneiden kann, daß er dieses Wort absichtlich deshalb gewählt hat, damit man ihn nicht später einmal darauf festlegen und ihm zum Vorwurf machen kann, daß er expressis verbis im Gesetz etwas versprach, was er nicht genau halten kann. Nun gut, wir akzeptieren das Wort "annähernd". Was läge aber näher, als daß man auch die Bestimmung in das Gesetz aufnimmt - um vor der ganzen Welt und vor dem Socialpolitischen Kongreß, der demnächst in Prag tagen wird und auf den auch Kollege Schälzky hingewiesen hat, mit vollem Recht auf dieses gerechte Prinzip hinweisen zu können - daß auch für die Beamten der Zentralanstalt der gleiche Schlüssel gilt. Wir haben vorgeschlagen, in das Gesetz, oder wenn man das nicht will, wenigstens durch eine Resolution die Bestimmung aufzunehmen, daß bei der Ernennung der Beamtenschaft der Zentralsozialversicherungsanstalt annähernd - ich sage ebenfalls annähernd - Rücksicht zu nehmen ist auf das Verhältnis der Nationalitäten in der Èechoslovakischen Republik. Wir verlangen dies nicht bloß deswegen, weil wir dabei auch ein paar Dutzend deutsche Beamte, Konzepts-, Manipulations- und Kanzleibeamte unterbringen wollen, sondern um das Vertrauen unserer deutschen arbeitenden Bevölkerung in die Anstalt zu stärken. Es nützt nämlich nichts, uralter Grundsatz ist - und gegenüber den Bulgaren und Albaniern, als sie um ihre Freiheitsrechte gekämpft haben, ließ man ihn gelten, nur bei uns, in diesem glorreichen Staate, und bei den kongenialen Vettern, den Polen und Südslaven, will man ihn nicht gelten lassen - daß das Vertrauen des Volkes in die Verwaltung und in die Richter nur gefestigt werden kann, wenn ihm Recht gesprochen wird von Menschen eigenen Fleisches und Blutes. Wenn das nicht immer haarscharf durchzuführen ist, so muß der arbeitende Mensch wenigstens wissen, daß an den entscheidenden Stellen Menschen seines Fleisches und Blutes sitzen, die einen entscheidenden Einfluß haben. Glauben Sie, man wird das Vertrauen des deutschen arbeitenden Menschen fördern, wenn Sie ihm die Beamtenschaft seines Vertrauens verweigern, wenn er beim Betreten eines èechoslovakischen Staatsamtes das Gefühl hat, in ein fremdes Land zu kommen, in eine Gegend, wo man ihm nicht entgegenkommen will als Gleichberechtigten, wo ihn ein eisigkalter Hauch empfängt? Wir haben dies vorgeschlagen, aber der Herr Berichterstatter und mit ihm die Ausschußmehrheit haben es als unmöglich abgelehnt und uns damit vertröstet, man erde natürlich die fähigen Beamten übernehmen, woher sie auch kommen. Wir aber wissen, welche Dinge, bis zum heutigen Tage über die Fähigkeiten und die Eignung zum Beamten, auch zu leitenden Beamten entscheiden, wir wissen, daß wir in Verhältnissen leben, wo man Leute mit 40-50 Lebensjahren und jahrelanger verdienstvoller Arbeit, die von der Èechoslovakischen Republik mit Anerkennungsdiplomen ausgestattet wurden, akademische Beamte von ihren Stellen entfernt und sie als subalterne Beamte irgendwo einteilt, während ihre Stellung Menschen erhalten, die um 20 Jahre jünger sind. Und warum? Weil jene ein einziges Verbrechen begangen haben - nicht etwa die Unkenntnis der èechischen Sprache, nein, diese Leute haben oft die Prüfung mit Auszeichnung abgelegt - das Verbrechen, Deutsche zu sein. Wenn ein Sozialdemokrat, ein Mensch von sonst völlig ruhiger Denkungsart es ablehnt, uns diesen Anspruch auf die Beamtenschaft an den höchsten Sozialversicherungsstellen im Staate zu garantieren, dann ist es sehr bedauerlich und es läßt uns auf die Entwicklung der Verwaltung dieser Anstalt keine Hoffnungen setzen, und läßt uns dieser Entwicklung mit sehr gemischten Gefühlen entgegensehen.
Daß man noch den Mut hat, im Motivenbericht und in öffentlichen Erörterungen von einer Autonomie der Sozialversicherung zu sprechen, könnte einen in der ganzen Welt wundernehmen, nur hier nicht, wo das Unwahrscheinliche im politischen Leben Ereignis ist. Aber es ist wohl ein starker Tabak, von Autonomie zu reden, wo die Unteranstalten überhaupt nur Exekutivorgane der Zentralversicherungsanstalt sind und wo vor allem die Beamten den Anstalten aufgezwungen wurden. Das werden auch die verspüren, die heute nach eigenen Krankenkassen rufen, daß werden auch die verspüren, die heute fordern, daß sie landwirtschaftliche Krankenkassen bekommen, das werden auch die verspüren, die nach Erhaltung ihrer Genossenschaftskassen rufen, Èechen und Deutsche, vor allem aber deutsche Genossenschaften, denn man wird auch vor ihnen nicht Halt machen und ihnen genau so die Beamten aufoktroyieren wie den übrigen Krankenversicherungsanstalten.
Aus den bürgerlichen Kreisen werden gegen die Sozialversicherung die schärfsten Einwände gemacht und immer die schwersten Geschütze aufgefahren wegen der ungeheuer hohen Kosten und der Belastung der Wirtschaft. Aus meinen Jünglingsjahren her weiß ich mich zu erinnern, daß es in der gazen Welt, namentlich aber im alten Österreich, wo man nur auf den Untertanenverstand und auf die Förderung durch die hohe Obrigkeit eingestellt war, keinen noch so kleinen sozialen Fortschritt gab, bei dem das Großbürgertum nicht mit dem Argument kam: Die Wirtschaft ist gefährdet. Die Sonntagsruhe, nein schon die Sonntagsruhe von 3 Uhr ab hat angeblich eine Unterwühlung und Gefährdung der Wirtschaft bedeutet, die Einführung der Krankenversicherung in den Boer Jahren wurde als gleichbedeutend hingestellt mit dem vollständigen Ruin des Handels, der Industrie und der Landwirtschaft und ich weiß nicht von was noch allem. Es wird einem schon nachgerade übel davon, wenn man immer wieder mit diesen Argumenten kommt, als ob, abgesehen von nationalen Erwägungen, von denen ich noch sprechen werde, das Geld, das ausgegeben wird, etwa in eine Kiste eingepackt, auf einer wüsten Insel vergraben würde, von wo es nicht wieder in die Volkswirtschaft zurückkehrt, als ob die Großindustrie, die Großagrarier, der Großhandel nicht wüßten, daß die Gelder nicht dazu bestimmt sind, etwa in einen neuen Juliusturm, in einem èechoslovakischen Spandau auf dem Laurenziberg eingeschlossen zu werden, sondern vielmehr wieder hereinzuströmen, wieder in den Kreis der Volkswirtschaft abzufließen. Die Herren vergessen, daß vor nahezu 30 Jahren die bürgerlichen Vertreter im alten Österreich, die deutschbürgerlichen Städtevertreter auf ihren Städtetagen nach der Altersversorgung geradezu riefen, damals als die Heimatsgesetzgebung des Jahres 1896 eingeführt wurde. Gerade die Vertreter der größeren Städte befürchteten damals, daß infolge der neuen Heimatsgesetzgebung, der Regelung des neuen Heimatsrechtes eine schwere Belastung für die eigene Gemeinde durch die Armenfürsorge eintreten werde. Damals erhoben sie die Forderung, daß man die Fürsorge für die alten und kranken Arbeiter nihct der zufälligen Heimatsgemeinde aufwälzen solle, sondern sie regeln solle auf der Grundlage der Versicherung mit Staatshilfe.
Es wird gesagt, die Statistik sei eine Wissenschaft der Lüge. Früher hat man ein anderes Wort gebraucht und hat gesagt, die Statistik sei eine Lebedame, mit der man machen könne, was man wolle, aber schließlich und endlich gibt es im Leben nichts anderes, als die klare Sprache der Ziffern, deren Auslegung natürlich jedem überlassen bleiben muß. Aber wenn wir die Tatsache vor uns haben, daß die Ziffern, die zur Grundlage der Kostenund Deckungsberechnung für dieses Gesetz gewählt wurden, auch von reichsdeutschen Autoritäten anerkannt wurden nach gründlicher Berechnung und Durchrechnung - dann muß man imstande sein, diese Ziffern zu nehmen und zu erklären, wie man sie zur Unterlage für die Bildung seiner eigenen Ansicht und seines Urteiles nimmt. Denn irgendwo muß es auch im wissenschaftlichen Leben Treue und Glauben geben. Man muß der wissenschaftlichen Arbeit eines ernsten Mannes soviel Vertrauen entgegenbringen, daß er uns eine ernste Arbeit geliefert hat und es uns überläßt, aus seiner Arbeit unsere eigenen Schlußfolgerungen zu ziehen. Ich fühle mich verpflichtet, dies festzustellen, weil gestern leider auch von deutscher Seite darüber gesprochen wurde. Ich stelle fest, daß wir den Berechnunden, die Prof. Schönbaum angestellt hat, und seiner Arbeit das Vertrauen entgegenbringen, das man einer ehrlichen, guten, rein sachlichen Arbeit entgegenbringen muß, die man als Unterlage eines Urteils mit Recht verwenden kann. Wir wissen, daß die Mehrbelastung der ganzen Wirtschaft rund 400 Millionen Kronen betragen wird. 400 Millionen, das ist eine große Summe, gewiß, und wir wollen Industrie, Gewerbe und Landwirtschaft in dem Kampfe, daß die Steuerlast entsprechend herabgesetzt wird, gerne unterstützen. Aber man soll uns doch nicht in diesem Augenblick damit kommen, daß die Wirtschaft dadurch belastet wird, in diesem Augenblick, wo die einen nach Getreidezöllen, die anderen nach Industriezöllen rufen, die ja den Konsum nicht um Hunderte, sondern um Tausende von Millionen zu belasten imstande wären, man soll uns doch mit solchen Argumenten verschonen in einem Augenblick, wo die Großindustrie und das Großbauerntum für ihre Erzeugnisse den Zollschutz anrufen und damit die Konsumenten so schwer belasten wollen.
Man spricht von Thesaurierung. Wohl haben wir in die Verwaltung der Gelder, die angesammelt werden, von vorneherein nicht allzugroßes Vertrauen. Wir müssen ihr ein gewisses Mißtrauen entgegenbringen, angesichts der Bestimmungen, die erheischen, daß ein bestimmter Teil, 20% des Vermögens, in Staatspapieren angelegt werden muß. Wir müssen angesichts der Art, wie man den deutschen Einfluß auf die Verwaltung der Zentralversicherungsanstalt möglichst einzuschränken sucht, von vornherein der Verwendung der Gelder großes Mißtrauen entgegenbringen. Wir sagen, daß wir keine Freude darüber haben, wie den Mitteln der Arbeiterbeiträge nur ein neues Reservoir für willkommene Zwangsanleihen der èechoslovakischen Finanzverwaltung geschaffen werden muß. Das hindert uns aber nicht, ganz objektiv zu sagen, daß das, was man gegen die Thesaurierung, gegen die Geld- und Kapitalsansammlung vorbringt, vor der Wahrheit nicht stichhält. Wir haben das beste Muster im Deutschen Reiche vor uns. Auch dort hat man vor der ungeheueren Kapitalsansammlung gewarnt, vor der Thesaurierung von Millionen, und doch ist im Deutschen Reiche das Kapital der Sozialversicherung zu einem Volkswohlfahrtsmittel geradezu erster Art geworden. Man hat für Hunderte Millionen nicht bloß Krankenhäuser, sondern auch Heil- und Erholungsstätten gebaut, und heute haben Tausende von Arbeitern im Deutschen Reiche nicht bloß die Möglichkeit, Krankheitsunterstützung und Heilbehandlung zu finden, sondern auch sich zu erholen, wie es sonst nur gut situierte Bürger in Sanatorien tun können. Im Deutschen Reiche hat man Hunderttausende Wohnhäuser für Arbeiter gebaut, schöne, lichte, freie Wohnhäuser, in denen auch die Arbeiterkinder freudig ein Stückchen Sonne in die Wohnungen lachen sehen, wo man Tausende von Arbeitern vom Zwange befreit hat, in elenden Kellerlöchern ihr Leben vertrauern zu müssen. Und - für die Herren Agrarier gesprochen: Ist Ihnen nicht bekannt, daß im Deutschen Reiche hunderte Millionen der Sozialversicherung zur Förderung landwirtschaftlicher Meliorationsarbeiten verwendet wurden, daß Hunderttausende dazu verwendet wurden, um in der Lüneburger Haide und in anderen Moorgegenden Hunderte von Hektar Ödland und Wüstland urbar zu machen, daß man damit so und soviel Tausende Zentner von Brotgetreide, Hafer und Kartoffeln baute, daß man Tausenden Menschen Brot und Lebensmittel schuf und damit vor allem eines erzielt hat, ein paar Hundert unglücklicher, gestrandeter, gestrauchelter Menschen, die mit der Gesellschaft in Konflikt gekommen waren, nicht der ewigen Verzweiflung zu überantworten, sondern sie der Arbeit zuzuführen und sie zu freudigen Bodenbebauern und Bodenbesitzern zu machen?
Wenn die Èechoslovakische Republik auf diesem Wege folgen wird, so werden wir in dieser Frage, das erkläre ich offen, gerne und freudig mitarbeiten. Es gibt auch in diesem Lande nicht nur auf dem Gebiete der Heilund Wohnungsfürsorge noch genug zu tun. Ich erinnere daran, daß wir mit unserer Gewerkschaftsorganisation dem Ministerium sehr nahegelegt haben, endlich einmal mit dem Werke der Rekultivierung des verwüsteten Bodens in den Kohlengebieten Nordwest-Böhmens zu beginnen, im Teplitz-Dux-Brüx-Komotauer Gebiet einerseits und im Falkenau-Egerer Gebiet andererseits, daß wir da Hunderte zu freien Bauern, wieder zu freudigen Menschen machen könnten. Wenn die Èechoslovakische Republik diesen Weg einschlägt, dann werden auch die deutschen Arbeiter unseres deutschen Gebietes Freude an der Sozialversicherung haben und freudig an dem Werke mitarbeiten. Allerdings muß ich erklären, das, was hier gestern abends von einem Redner vorgeschlagen wurde, die Mittel der Sozialversicherung als Unterlage für eine Zettelbank zu benützen, scheint mir nicht der richtige Weg zu sein. Auf dies em Wege wird der Staat keine Zettelbank ins Leben rufen und wird auch für die Arbeitsbeiträge nicht die Verwendung finden, die gefunden werden muß.
Im Zusammenhang damit möchte ich noch auf etwas hinweisen: Der Berichterstatter des Budgetausschusses Dr. Srdínko hat gestern in seinem Referat eine Angelegenheit angeschnitten, die jetzt von bürgerlichen Kreisen sehr gerne angeschnitten wird, die Frage des Achtstundentages. Er sagt, es muß wieder mehr intensiv und auch extensiv gearbeitet werden, wenn unsere Wirtschaft die Sozialversicherung aushalten soll. Er hat ferner auf Deutschland hingewiesen, wo in Wirklichkeit der Achtstundentag nicht mehr besteht und, wie er meint, 10 und 11 Stunden gearbeitet wird. Es ist charakteristisch, daß gerade gestern oder vorgestern der Herr Fürsorgeminister Habrman in einer wissenschaftlichen Veröffentlichung auf die Tragik hingewiesen hat, daß man in diesem Zeitpunkt den Achtstundentag den Arbeitern in Deutschland wieder nehmen will und daß die Frage auch hier aufgeworfen wird. Ja, es ist wahr, es ist das eine Tragik. Aber die Herren beider Richtungen haben nicht das Recht, von einer Tragik hier zu sprechen, denn an der Tragik sind alle jene schuld, die dem deutschen Volk den Friedensvertrag von Versailles auferlegt haben, und die, auch die deutschen Marxisten eingeschlossen, es dazu gebracht haben, das Londoner Abkommen zu unterzeichnen, das die Arbeiter zwingt, nicht acht Stunden täglich zu arbeiten, sondern 10 und 11 Stunden, und zwar für die Börsenmagnaten und Börsenjuden in New York. Die Sozialisten in diesem Staat werden es eines Tages bitter büßen, daß sie diese Politik des Dr. Beneš, die Politik des Nachlaufens hinter Poincaré, mitgemacht haben. Denn das ist keine Frage. Wenn die Arbeite schaft im Deutschen Reich den Achtstundentag verliert, wird auch die Arbeiterschaft in diesem Staat bedauerlicher Weise an dieser Frage nicht vorüberkommen. Aber die Schuld daran tragen diejenigen, die geglaubt haben, mit der Knebelung des deutschen Volkes und der deutschen Arbeiterschaft eine neue Zeit einzuleiten, die nicht sehen und verstehen wollen, daß, wie gerade die deutsche Nation in sozialpolitischer Beziehung führend vorangegangen ist, wenn über sie ein wirtschaftliches Unglück kommt, auch die anderen davon nicht unbetroffen bleiben können.
Das Gesetz, das wir hier verhandeln, soll in Kraft treten gleichzeitig mit der Versicherung der Selbständigen. Meine Partei und ihre Angehörigen haben seit jeher das Recht jedes Arbeitsmenschen, also auch des Kleinbauern und des Handwerkers auf eine Lebensmöglichkeit zur Zeit der Arbeitsunfähigkeit im Alter anerkannt. Nur empfinden wir diese Bestimmung dieses Gesetzes als einen Versuch, das Inkrafttreten der Alterversicherung der Arbeiter auf eine möglichst ferne Zeit hinauszuschieben. Ich habe schon gesagt, wir sehen das Gesetz mit sehr gemischten Gefühlen an; wir sehen es an als einen unleugbaren Fortschritt vom sozialpolitischen Gesichtspunkt aus, als das Bestreben, eine Schuld, die jeder Staat gegenüber seinen Arbeitern hat, abzutragen, und in dieser Beziehung das Vermächtnis des alten Österreichs fortzuführen und zu Ende zu führen. Wir sehen aber auch die Tatsache, daß während der Verhandlungen, abgesehen von den Verbesserungen für kranke Menschen, das Gesetz verschlechtert wurde, und wir sehen, daß dieses Gesetz den Versuch macht, wieder neue staatliche Machtmittel zu gewinnen, um den deutschen Einfluß von der Verwaltung im Staate fernzuhalten.
Wir werden für das Eingehen in die Spezialdebatte stimmen, weil wir unsere Mitarbeit an einem solchen Gesetz nie versagt haben und nie versagen. Wir werden uns aber die weitere Entwicklung ansehen. Wir warnen noch in letzter Stunde, etwa durch ein neues kaudinisches Joch mit neuen Legionärsparagraphen die Lage für die deutsche Arbeiterschaft neuerlich zu erschweren. Weiter erklären wir, das deutsche Volk und seine Arbeiterschaft wird sich bemühen müssen, wenn wir in nationaler Beziehung dieses Gesetz betrachten, nicht zu raunzen und zu greinen, sondern sich zu organisieren und Macht zu gewinnen, damit unserem Volk der ihm gebührende Einfluß auf die Verwaltung der sozialen Einrichtungen in diesem Staate nicht vorenthalten werden kann. (Potlesk na levici.)
3. Øeè posl. Kostky (viz str. 1585 tìsnopisecké zprávy):
Hohes Haus! Es ist eine ungeheuere Aufgabe, die der gesamten Volkswirtschaft dieses Staates durch die Vorlage der Sozialversicherung gestellt wird. Nach mehreren Jahren einer überall verheerend wirkenden Krise, in einem Zeitpunkte, da weder unsere Produktionsverhältnisse noch unsere Arbeitsverhältnisse jene Stabilität angenommen haben, um für die nächste Zeit über die Entwicklung unseres Wirtschaftslebens eine sichere Vorhersage machen zu können, wird dieser Schritt umso verantwortungsvoller, als auch die Preisgestaltung gerade in den letzten Monaten eine fortlaufend steigende Tendenz zeigt, die Beamtenschaft, und auch die Arbeiterschaft unter der neu einsetzenden Teuerung schwer leidet und der notwendige Abbau der Wohnungsgesetze jedenfalls weitere Teuerungswellen im Gefolge haben wird. Trotzdem ist gewiß die Alters- und Invalidenversorgung jener Menschen, welche ihr Leben lang in redlicher Arbeit sich bemüht haben, eine der wichtigsten Forderungen des Tages und vordiesersozialen Forderung, welche in diesem Gesetzgebungswerk zum Ausdruck kommt, müssen alle Bedenken schweigen, Industrie, Handel und Gewerbe haben sich niemals dieser sozialen Forderung verschlossen. Ich betone das hier ausdrücklich, nachdem einer der Vorredner dies für die èechische Industrie in Anspruch genommen hat, auch für die deutsche. Gerade darum wäre es aber notwendig gewesen, daß man bis zum letzten Augenblick intensiver zur Mitberatung diese Kreise herangezogen hätte und es wäre für die Einführung dieses Gesetzes vorteilhafter, wenn man auch nach den Beratungen des Subkomitees im sozialpolitischen Ausschuß der Öffentlichkeit Gelegenheit gegeben hätte, sich neuerlich mit den wichtigen Änderungen, welche in diesem Ausschuß an der ursprünglichen Regierungsvorlage vorgenommen wurden, zu beschäftigen. Dies ist leider nicht geschehen und gerade dadurch wird der Beweis erbracht, daß auch ein so großes Werk, wie es die Sozialversicherung ist, von den Majoritätsparteien dazu benützt wird, um daran ihr Parteisüppchen zu kochen. Damit hat sie aber selbst die großzügige Tendenz, welche einem solchen Gesetzgebungswerk unbedingt gewahrt bleiben sollte, verfälscht und mißdeutet. Es taucht die Vermutung auf, daß man neben der Versicherung der Arbeiterschaft immer und immer eine andere Versicherung im Auge gehabt habe, das ist die der Regierungsparteien und es nimmt sich sehr übel aus, wenn man daneben ganz aus dem Auge verloren hat, daß man unter den in Industrie, Handel und Gewerbe tätigen 1.7 Millionen Personen sicherlich 40 Prozent deutschsprechende Arbeiter und unter den in der Republik ansässigen Arbeitgebern mindestens ebensoviele Prozente der deutschen Minderheit angehörende Personen zu berücksichtigen hätte, für deren Forderung nach Selbstverwaltung nichts in der Vorlage übrig geblieben ist. Der deutsche Arbeiter und Arbeitgeber wird ohnehin nur mit sehr gemischten Gefühlen in diese Vorlage herantreten können, weiß er doch mit Bestimmtheit, daß bei der Durchführung seine sprachlichen Rechte, seine Rechte nach voller Mitberatung und Teilnahme an der Ausführung dieses Sozialversicherungswerkes kaum oder gar nicht Beachtung finden werden.
Ebenso deutlich kommen aber auch die Bestimmungen nach Begünstigung einzelner Parteibestrebungen in dieser Vorlage zum Vorschein. Damit muß ich mich, so unangenehm dies an und für sich ist, hier etwas näher beschäftigen. Die Regierungsvorlage war offenbar ein Werk zu Gunsten der èechischen Sozialdemokraten. Sowohl die absolute Zentralisierung in der Zentralsozialversicherungsanstalt, als auch das rücksichtslose Niedertreten jener Klassen, welche bisher beim Handelsstande und beim Gewerbe sehr viel Gutes, oft viel Besseres, als dies in den Bezirkskassen zu finden war, geleistet hatten, beweist dies klar und deutlich. Außerdem finden wir die Bestimmung, daß Direktoren und Subdirektoren der Unterstellen von Prag aus zu ernennen sind. Der Deutsche, gleichgültig ob Arbeiter oder Arbeitgeber, kann sich leicht vorstellen, welche nationale Gerechtigkeit in diesen Ernennungen zum Ausdruck kommen wird. Schließlich wird eine Riesensumme an Kapital der Wirtschaft entzogen und einem Ausschuß des Zentralinstitutes überantwortet, der bei seinen Verwendungsanträgen wohl zu allerletzt jene deutschen Gebiete gerecht bedenken wird, aus denen ein Großteil der Quellen für diesen Fond fließen wird. Es ist erklärlich, daß derartige Bestimmungen von vornherein großes Mißtrauen in allen deutschen Erwerbskreisen hervorrufen müssen, die vergeblich in dem ersten Entwurfe Bestimmungen gesucht haben, die auch nur ein sicheres Mindestmaß von Selbstverwaltung oder gerechter Berücksichtigung der deutschen Elemente in den Unter- und Zentralstellen dieser Versicherung erkennen lassen. Das Wort vom "annährend" nationalen Schlüssel im § 65 der Vorlage ist unserer Ansicht nach vollkommen ungenügend. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda dr. inž. Botto.)
Auch von einem anderen Gesichtspunkte aus ist diese Vorlage in dem Aufbau der Versicherung für uns Deutsche unannehmbar. Die beste Versicherung wird zweifellos immer diejenige sein, welche aus dem freien Willen der Beteiligten hervorgeht und darum auch im Wettbewerbe mit staatlichen und anderen Anstalten für den Kreis der Versicherten die günstigsten Bedingungen zu schaffen sucht. Die deutsche Industrie, der deutsche Handel und das deutsche Gewerbe sind stolz darauf, daß sie mustergültige Anstalten schon von jenem Augenblicke an geschaffen haben, da in der allgemeinen Meinung die unbedingte Notwendigkeit der Krankenversicherung der Arbeiterschaft sich durchgesetzt hatte. Gerade aber gegen diese Anstalten ist die Vorlage gerichtet. Sie möchte in ihrer ersten Fassung ein Monopol der sozialistischen Arbeiterschaft in der Leitung und Beaufsichtigung dieser Anstalten schaffen und bereits die Krankenkassennovelle vom 15. Mai 1919 zeigt diese Tendenz, indem sie alle Krankenkassen zur Liquidation verurteilt, die nicht mindestens 400 Mitglieder hatte. 163 Genossenschafts- und Gremialkrankenkassen mußten in deutschen und èechischen Gebieten unter dieser drakonischen Bestimmung gegen den Willen ihrer Mitglieder sich auflösen, trotzdem sie in vielen Fällen Besseres geleistet haben als die Bezirkskrankenkassen. Auch der vorliegende Entwurf enthält derartig einschneidende Bestimmungen, welche direkt gegen die Selbstverwaltung dieser Erwerbskreise gerichtet sind. Die Ziffern von 2000 für Gremial- und 4000 für Genossenschafts- und Vereinkassen werden zahlreiche sehr gut verwaltete und gut prosperierende Institute zum Falle bringen, trotzdem die Versicherten ihren Fortbestand ausdrücklich wünschen. Ein völliger Widersinn ist es nun, daß man zwar der Landwirtschaft - und darin zeigt sich wiederum die rein parteimäßige Einstellung der Mehrheitsparteien bei der Vorberatung dieses Gesetzes - das Recht einräumt, neue Krankenkassen für ihre Arbeiter zu errichten, während man Gewerbegenossenschaften und Gremien in der erwähnten Weise drosselt. Durchaus unverständlich bleibt es auch, warum man die Zusammenlegung kleinerer Kassen und die Neuerrichtung solcher Institute verhindern will. Es ist interessant, daß gerade in diesem Punkte ein Redner von der anderer Seite, Herr Dr. Kramáø diese Ziffern kritisiert hat. Die Riskengemeinschaft ist vielleicht wissenschaftlich zu begründen, immerhin aber sollte man jene Personen, welche sich aus eigenen Kräften bessere Bedingungen für den Krankheitsfall schaffen können, daran nicht hindern. Gerade England hat bei der Schaffung von Sozialversicherungseinrichtungen sehr vorsichtig darauf geachtet, daß bewährte, gutgeleitete Institute soviel als möglich erhalten bleiben. Diese Bestimmungen zeigen, daß Parteirücksichten in diesen Fällen die endgiltige Entscheidung beeinflußt haben, denn es bleibt ganz und gar unverständlich, warum die Landwirtschaft gerade in der Krankenkassenversicherung mehr zu leisten imstande sein sollte, als z. B. der Handel. Auch der Zahltermin (1. Jänner 1924) ist für viele Kassen wegen der im Winter verringerten Arbeiterzahl von Nachteil.
Ich möchte mich nun mit einigen Ausführungen der wirtschaftlichen Seite dieses Problemes zuwenden. Die Ereignisse des heutigen Tages - die Teuerungsunruhen in Prag - zeigen, daß trotz aller sozialen Gesinnung, welche die Regierung und die Mehrheitsparteien durch eine solche Vorlage zum Ausdruck bringen wollen, dieselben Mehrheitsparteien nicht daran vergessen dürfen, daß andere wichtige wirtschaftliche Fragen an die Tür klopfen, welche dringendst der Lösung harren, und welche - man mag dies zugeben oder nicht - mit der Möglichkeit sozialer Gesetzgebung auf das innigste zusammenhängen. Es ist wohl jedermann einleuchtend, daß sowohl der Arbeitgeber als auch der Arbeiter bei Erhöhung der Produktionskosten bemüht sein werden, diese Erhöhung auf die Konsumenten abzuwälzen. Wir erleben - wie gesagt - in den letzten Wochen offensichtlich durch die Preisgestaltung auf den Weltmärkten, dann aber auch durch möglichst ungeschickte politische Machenschaften im Inlande - ich erwähne nur die geradezu verheerende Wirkung der Mehlnovelle - ein stetiges Ansteigen der Lebensmittelpreise, sodaß wir das zehnfache der Friedenspreise bei den meisten Bedarfsartikeln wieder erreicht haben. Die Bautätigkeit stockt und nur eine baldigste Erlösung von allen Zwangsgesetzen kann uns hier zu normalen Verhältnissen zurückführen. Das bedeutet aber wiederum ein Ansteigen von Löhnen und Preisen. Folgt als drittes die Sozialversicherung. Es wird gar mancher Arbeiter sehr unangenehm von der Tatsache überrascht werden, wenn er das, was er eigentlich als sehr bescheidene Altersrente nach 65 Lebensjahren zu erleben hofft, heute durch erschwerte Lebenshaltung bezahlen muß. Gewiß ist das kein Argument gegen eine Notwendigkeit der sozialen Versicherung und soll es auch nicht sein. Aber man darf einerseits nicht vergessen, daß auch derartige Wohltaten nur durch Sparsamkeit auf allen Seiten - ebenso wie im Privatileben - erkauft werden können und zweitens muß dies eine Mahnung sein, daß wir äußerst vorsichtig und unter Berücksichtigung aller dieser Momente an die Beratung der Beitragsleistungen herangehen müssen. Die Berechnungen der Regierungsvorlage, welche vom Ausschuß genehmigt wurden, scheinen mir in dieser Richtung etwas optimisch veranlagt. Die Krankenversicherung hat derzeit in den meisten Fällen mehr als 6% des Lohnbetrages in Anspruch genommen. Über die Invalidenversicherung sagt die Zentrale der èechoslovakischen Handels- und Gewerbekammern: