Úterý 16. záøí 1924

Zur Stützung der in der Vorlage verankerten Zahlungs- und Leistungsbestimmungen arbeiten Sie mit sehr umfangreichen Statistiken. Diese uns als Beweismaterial vorgelegten und vorgetragenen Zahlenreihen und Zahlenkolonnen zeugen gewiß von einer kollossalen undachtenswerten Arbeit, doch müssen wir dieselben mit sehr kritischen und vorsichtigen Augen ansehen. Auf Ziffern allein können wir nicht so leichten Kaufes schwören, und dies umso weniger, als uns ganz gut bekannt ist, wie flüchtig und unachtsam und direkt falsch bei den Unterstellen vielfach diese Statistiken fabriziert werden. Die vielen Fehler, die sie erhalten, werden durch die Summierung bei den Zentralstellen dann vervielfacht, so daß noch immer das Wort eines gestreichen Franzosen teilweise Gültigkeit besitzt, das da lautet: "Die Statistik ist die Wissenschaft der Lüge." Mit Zahlen läßt sich eben alles beweisen. Sämtliche deutsche landwirtschaftlichen Hauptkörperschaften dieses Staates erklären, daß sie einer gerechten, ehrlich durchgeführten Sozialversicherung das Wort reden würden, daß jedoch diese Vorlage in ihrer derzeitigen Fassung für die Landwirtschaft aus sozialpolitischen, nationalen und finanziellen Gründen nicht annehmbar sei. Die Lage der Landwirtschaft ist heute eine derartige, daß sie, bedrückt durch große Hypothekarschulden, durch die ungeheuere Steuerlast, durch die ungenügend eingelöste Kriegsanleihe, durch die ungenügend novellierte Vermögensabgabe und durch die ungenügende staatliche Förderung der landwirtschaftlichen Produktion nicht in der Lage ist, diese neue Belastung in diesem Ausmaße zu tragen, ohne darunter zusammenzubrechen.

In den letzten drei Jahren ist die Verschuldung des ländlichen Besitzes um 3758 Millionen Kronen, d. h. um 80 % des Standes vom Jahre 1920 gestiegen. Die Landwirtschaft verlangt daher die Vorlage eines neuen Entwurfes mit Berücksichtigung ihrer Zahlungsfähigkeit. In diesem Sinne äußern sich alle landwirtschaftlichen Körperschaften, vorab jedoch die Geschäftsstelle der deutschen Landwirtschaft für Böhmen, Mähren, Schlesien und die Slovakei, welcher Geschäftsstelle Landwirte aus den verschiedenen politischen Parteilagern angehören, so daß man es hier tatsächlich mit der Stellungnahme sämtlicher deutschen landwirtschaftlichen bürgerlichen Gruppen in diesem Staate zu tun hat.

Die Riesenzentrale in Prag, sie wird einen ungeheueren Apparat darstellen, sie wird ein schwerfälliges und unbrauchbares Instrument werden und ebenso versagen, wie Ihre Kriegsinvalidenzentrale versagt hat. Ungleich zweckmäßiger und einfacher würde sich die Entscheidung über die Rentenansprüche abwickeln, wenn dieser Verwaltungszweig dezentralisiert, d. h. einer entsprechenden Anzahl von Rentenkommissionen zugewiesen würde. Ziehen Sie doch die naturgemäßen Folgerungen aus dem vollständigen Versagen Ihrer Invalidenzentrale, des Landesamtes für Invalidenfürsorge. Dort ist - ich übertreibe nicht und benütze nicht das Unglück der Invaliden als demagogisches Agitationsmittel - eine unerhörte, beispiellose, äußerst schlechte und schwerfällige Amtierung. Die Verwaltungskosten der Alters- und Invalidenversicherung verschlingen schon nach der jetzigen unsicheren schwankenden Einschränkung 8 % = 52 Millionen der Versicherungsprämien. Die Zahlungen der Arbeiter und Arbeitgeber sind keine geringen. Wenn schon eine so bedeutende Kostenbelastung vorliegt, so könnte man sich vielleicht damit trösten, wenn dieser erhöhten Kostenbelastung entsprechend erhöhte Leistungen gegenüberstünden; aber auch dies trifft nicht zu. Die der Sozialversicherung einverleibten Arbeiter werden die totsichere traurige Erfahrung machen müssen, daß die kostspielige Regie einen Großteil der Prämien aufzehrt. Die Vorlage ist nach dieser Richtung hin direkt antisozial. Wie anders mutet es da an, wenn beispielsweise im Statut der Landesversicherung die Bestimmung enthalten ist, daß kein Heller der eingezahlten Prämien auf die Regie verwendet werden darf! Ein Kollege, der sonst ein wohlerfahrener Fachmann in Versicherungsfragen ist, hat in einer der letzten Sitzungen des sozialpolitischen Ausschusses die Bemerkung fallen lassen, daß die staatliche Sozialversicherung die Auswüchse in den bestehenden Versicherungen beseitigen soll. Wir bezweifeln, daß dies der Fall sein wird, denn der Staat ist seit jeher kein glücklicher Organisator gewesen, und verschidene Erscheinungen der allerletzten Zeit haben dafür neuerlich den Beweis erbracht. Fast alles, was der Staat in die Hand nimmt, erweist sich als unproduktiv, daher mehren sich ja auch auf èechischer Seite die Stimmen, die eine Abkehr von diesem System befürworten und insbesondere soll man angeblich noch erwägen, die Eisenbahnen und andere Betriebe an ein Privatkonsortium zu verpachten. Im weiteren beanstände ich die Brüskierung des Landwirtschaftsministeriums. Neben dem Ministerium für soziale Fürsorge hat das Finanzministerium das große Wort. Das Landwirtschaftsministerium ist vollständig ausgeschaltet und wir wünschen enerhisch und nachdrücklich, daß auch das Landwirtschaftsministerium, insbesondere was die landwirtschaftlichen Sozialversicherungsinstitute anbelangt, sich eine vollwertige Einflußnahme wahre.

Der Staat gewährt nach dem Entwurfe einen Zuschuß zu den Renten. Anstelle dieses in Aussicht genommenen Zuschusses zu den Renten empfehlen wir Zuschüsse zu den Prämien, da in ersterem Falle die Zuschüsse nicht allen Versicherten zugute kommen, während in letzterem Falle an dem Prämienzuschuß alle Versicherten teilnehmen und dieser Umstand prämienverbilligend und deshalb versicherungsanreizend wirkt. Wir fordern ferner auch die direkte, allgemeine, freie Ärztewahl auf der ganzen Linie, und es sei diesbezüglich auf die Verhältnisse in Deutschland hingewiesen, wo sich dieses System bewährt hat, und viele landwirtschaftliche Kassen und Kassen der Privatbeamten haben bereits ebenfalls die freie Ärztewahl eingeführt. Die freie Ärztewahl ist leider im Entwurfe nicht uneingeschränkt eingeführt, sondern bloß dem freien Ermessen der Anstalten überlassen. Auch das ist schwer unsozial. Der Kranke soll unter allen Umständen zu dem Arzte gehen, zu dem er Vertrauen hat. Denn auch das Vertrauen an sich und die seelische Einflußnahme des Arztes, zu dem man Vertrauen hat, ist ja ein tief beeinflussendes Moment und damit auch ein Heilfaktor ersten Ranges. Der echte Arzt ist kein wesenloser Automat, er hat nicht nur den Körper zu heilen; ihm fällt im Gegenteil auch die Aufgabe zu, die man von ihm verlangen darf, auch Mensch zu sein und in die Tiefe des Menschenherzens seinen Einfluß zu senken. Schablonenhafte Massenordinationen sind der Tod der Sozialversicherung, und diese schablonenhafte Behandlung wollen wir in erster Linie durch die freie Ärztewahl auf der ganzen Linie verhüten. Die freie ärztewahl nicht ausdrücklich festlegen ist ein Unglück für alle, die der Heilung und der Genesung sehnsüchtig harren.

Das Tempo der sozialpolitischen Gesetzgebung soll stets von der wirtschaftlichen Situation be einflußt werden, und es ist wohl die Frage am Platze, ob unsere wirtschaftliche Situation ein derart beschleunigtes Tempo, wie es jetzt eingeschlagen wird, auch verträgt. Im Durchschnitte belastet die Krankenversicherung pro Jahr das Hektar Grund mit 34·54 Kè. Die pauschalierte Unfallversicherung beträgt pro Hektar und Jahr 3 Kè. Bei einem landwirtschaftlichen Betriebe, der an Steuern samt Zuschlägen für 425·93 Kè aufzukommen hat, würden, wenn die Altersund Invalidenversicherung noch dazu kommt, nicht weniger als 520 Kè pro Hektar und Jahr zu zahlen sein. Das sind 48 % des Bodenwertes vom Jahre 1913. Bedenken Sie, meine Herren, das sind ernste Ziffern. (Posl. Schäfer: Das ist doch auch Statistik!) Das ist nicht eine Statistik, die auf einem Summarium, das aus tausend Händen kommt, aufgebaut ist, sondern eine Statistik, die auf tatsächlichen Ziffern basiert. (Výkøiky nìmeckých sociálních demokratù.) Das bedeutet, ernsthaft besehen, nichts anderes als die nackte Sozialisierung der Landwirtschaft.

Die Zentrale der Handelskammern hat schätzungsweise errechnet, daß die Sozialversicherung im weiteren Sinne jährlich fast 3·5 Milliarden erfordern wird, also ungefähr die Hälfte dessen, was der Staat jährlich an öffentlichen Abgaben einnimmt. (Obrácen k nìmeckým poslancùm soc. demokratickým.) Wenn man eine Berechnungsstelle hört, muß man wohl auch billig und recht die andere Berechnungsstelle hören! Nach den amtlichen Ziffern wird man in 50 Jahren mit 508 Millionen staatlichen Beiträgen zu rechnen haben. In 40 Jahren werden Milliardenreserven, 4·225 Milliarden Kè, angehäuft sein, und darin sind noch nicht die Prämienreserven der Selbständigenversicherung enthalten. Solche gewaltige und noch dazu nicht gut kontrollierbare Riesensummen können der Volkswirtschaft nicht entzogen werden, ohne diese auszusaugen und ihr das Betriebskapital zu rauben.

Überdies sollte Ihnen die Krisis der Sozialpolitik in Deutschland ein ernstes und warnendes Memento sein.

Die der Sozialversicherungsanstalt übergebenen Kapitalien sollen den Weg zur Volkswirtschaft zurückfinden und die Produktion befruchten. Durch sie soll auch der Schuldzinsfuß herabgedrückt werden, denn erst dann werden diese Kapitalien für die Volkswirtschaft ein Nutzen und Segen werden. Insbes ondere sollten diese Gelder großzügig zur Hebung der landwirtschaftlichen und gewerblichen Produktion verwendet werden, sie sollen die Quellen, aus denen sie stammen, wieder speisen. Namentlich die Durchführung landwirtschaftlicher Meliorationen größten Stils wäre durch sie zu ermöglichen. Die Hebung der Produktion bedeutet ja die Hebung des Volkswohls. Daher verlangen wir nachdrücklichst, daß das in der Sozialversicherung aufgespeicherte Kapital der Produktion zu einem erträglichen Zinsfuße zur Verfügung gestellt werde, und dies am besten in der Form von fest verzinslichen Obligationen.

Das Kapital der Sozialversicherung wäre überdies nicht nur landwirtschaftlichen und gewerblichen Privatinteressenten und Genossenschaften, sondern auch den Gemeinden und Bezirken zur ausreichenden Benützung zu überlassen. In ihren Händen wäre das Kapital am sichersten und besten aufgehoben, viel besser, als wenn es in Staatspapieren verstaut wird, worauf ich noch später zu sprechen komme.

Im § 180 heißt es im letzten Absatze: "Die Zentralsozialversicherungsanstalt wird Richtlinien für die Vermögensanlage ausarbeiten, welche Richtlinien vom Ministerium für soziale Fürsorge im Einvernehmen mit dem Finanzministerium zu genehmigen sind."

In Kapitalsanlagen und in Sachen von Staatspapieren ist das Finanzministerium nicht immer der allerbeste Ratgeber. Wir sind deshalb gegen die Fassung des Absatzes 2 des § 182, der bestimmt, daß von dem freien Vermögen der Versicherungsanstalten wenigstens 20 % in Staatspapieren und 10% in anderen Werten angelegt werden müssen. Zu dieser Fassung ist das Finan zministerium Pate gestanden. Wenn Sie schon das Bestreben haben, für die Staatspapiere einen Unterschlupf zu finden, so hätte diesbezüglich nicht eine Mindestgrenze von 20 %, sondern wohl eine Oberstgrenze gezogen werden sollen. Ein demokratischer Staat darf nie und nimmer dem Finanzministerium eine solche Machtfülle, ein solches Monopol einräumen. Die Sozialversicherung wird sonst damit eine Art Staatsbank werden, mit der das Finanzministerium nach Gutdünken verfährt, da, wie gesagt, nach § 180 das Finanzministerium bei der Ausarbeitung, bzw. Begutachtung der Richtlinien für die Vermögensanlage ein entscheidendes Wort mitzusprechen hat.

Um auf die Ausschußberatungen nochmals zurückzukommen, glaube ich, daß nicht ich allein, sondern viele den Eindruck gewonnen haben werden, daß diese Vorlage für das Plenum noch nicht reif ist. Dies wird noch im verstärkten Maße hervortreten, wenn die anderen beiden Sozialversicherungsentwürfe zur Ausschußberatung gelangen, und es ist gar kein Zweifel, daß dieses Gesetz, ehe es sich überhaupt noch recht eingelebt haben wird, bereits eine Novelle erheischen wird - um dies zu behaupten, dazu gehört keine große Prophetie - und als ein Standardwerk großen Stils, als das Sie diese Vorlage ansehen, wird sie sich nicht erweisen. An der Regierung wäre es auch, den Schleier rechtzeitig zu lüften, der über der Vorlage der Sozialversicherung der selbstständig Erwerbenden schwebt. Wir müssen erst wissen, was dieses Gesetz bringen wird, ehe wir für ein anderes Gesetz in Bausch und Bogen stimmen können. Große Werke werden nicht im verborgenem geboren.

Mit stolzer Geste schafft man dieses Sozialversicherungsgesetz, während man nach anderer Richtung starr unsozial ist und beispielsweise durch die Bodenreform Tausende von Angestellten und Arbeitern mit nichtssagenden Ents chädigungen einfach aufs Pflaster wirft. In die Tiefe zu schürfen und - wie es vonnöten wäre - die Vorlage von der Wurzel aus zu reformieren, das wagen Sie nicht. Und wenn irgend einer von Ihnen hiezu den schüchternen Anlauf im Ausschuß nahm, dann waren gleich ihre Beschwichtigungstalente an der Arbeit und sahen in jedem stärkeren Tonschlag, den einer Ihrer Vertreter sich gönnte, schon den Schwanengesang der Koalition. Dabei wurde mit den Worten "Loyalität" recht ausgiebig untereinander herumgeschlagen.

Die in Verhandlung stehende Vorlage bedeutet für weite Kreise eine herbe Enttäuschung und deshalb kann mein Klub des Bundes der Landwirte in ihr keine von wahrhaft sozialem und gerechtem Geiste getragene Vorlage sehen, und es wird die Enttäuschung und Ernüchterung über dieselbe sich leider nur allzufrüh allseits einstellen. Von diesen Erwägungen ist unsere Stellungnahme geleitet und daher kann diese Vorlage unsere volle Billigung und Anerkennung nicht in Anspruch nehmen. (Souhlas na levici.)

3. Øeè posl. Schäfera (viz str. 1485 tìsnopisecké zprávy):

Meine Damen und Herren! In den letzten Tagen ist uns wiederholt gesagt worden, daß mit der Einführung der Sozialversicherung, mit der Erledigung der großen sozialpolitischen Vorlage im Abgeordnetenhause, ein Werk von außergewöhnlicher Tragweite geschaffen werde. Das erkennen wir vollkommen an. Aber eine ungetrübte Freude sehen wir selbst auf der Seite des Hauses nicht, von der aus die Beratung und Erledigung dieser Sozialversicherungsvorlage betrieben und beschleunigt worden ist. Es ist wahr, daß durch die Einführung der Alters- und Invaliditätsversicherung einem Bedürfnis der arbeitenden Klassen entsprochen wird oder entsprochen werden soll, einer Forderung, die schon im alten Österreich die Arbeiterklasse beschäftigt hat und deren Erfüllung in diesem Staat gleich von den ersten Regierungen in Aussicht gestellt wurde. Aber wir haben uns das Werk der Sozialversicherung anders vorgestellt, als es durch diesen uns vorliegenden Gesetzentwurf verwirklicht werden soll. Nun kann man, wenn wir manches an dieser Vorlage aussetzen, einwenden, daß die Wünsche und Forderungen der Arbeiterklasse heute nicht in vollem Umfang erfüllt werden können, weil jedes solche Gesetz herauswachsen muß aus Interessengegensätzen, und daß infolgedessen schon ein Anfang zur Lösung der großen Frage der Sozialversicherung ein bedeutender Fortschritt ist. Die Kraft der Arbeiterklasse ist in diesem Staat unterbunden, geschwächt durch mancherlei Ursachen, aber wir glauben sagen zu dürfen, daß in der Vorlage, die jetzt zur Beratung steht, nicht nur die politische und wirtschaftliche Schwäche der Arbeiterklasse zum Ausdruck kommt, sondern daß sie auch aufzeigt, daß man vom Anfang an im Nachgeben und im Zurückweichen allzuviel geleistet hat. Im Übrigen ist es bei den sozialpolitischen Gesetzen immer so gewesen, daß nicht die Einsicht, die sozialpolitische Erkenntnis, und nicht die Rücksicht auf die Bedürfnisse der Arbeiterklasse einzig und allein ausschlaggebend waren, sondern daß dabei parteipolitische Bedürfnisse eine äußerst große Rolle spielten. Die Alters- und Invaliditätsversicherung in Deutschland wurde von Bismarck nicht eingeführt, weil er von sozialer Einsicht und Erkenntnis getrieben war, sondern sie sollte dazu dienen, die Arbeiter zurückzuhalten vom Anschluß an die Sozialdemokratie und an die sozialistische Bewegung. Und als man in Österreich daran ging, ein Pensionsgesetz für die Angestellten zu schaffen, da waren es auch nicht allein die sozialen Regungen, die die politischen Parteien des damaligen Abgeordnetenhauses veranlaßten, ein solches Gesetz zu schaffen, sie wollten vielmehr ein wichtiges und ein auf die Angestellten Eindruck erweckendes Agitationsmittel haben. Aus diesem Bewegsgrunde gingen sie daran, noch vor den Neuwahlen nach dem gleichen Wahlrecht die Privatbeamtenversicherung zu schaffen. Die Arbeiterklasse hat seither an Kraft und Einfluß gewonnen. Aber darin hat sich nicht das Geringste geändert, daß bei jedem neuen sozialpolitischen Gesetz die bürgerlichen Parteien immer und immer wieder sich von ihren engherzigen parteipolitischen Gesichtspunkten leiten lassen. Und so war denn bei der Vorberatung der Sozialversicherung genau dasselbe Schauspiel zu beobachten, das wir gesehen haben im alten Österreich und in Deutschland. Vom Anfang an ist man an das große Werk nicht mit der Absicht herangetreten, alle Erfahrungen aus der Vergangenheit zu berücksichtigen, die Erfahrungen zu beachten, die gewonnen wurden in Staaten, in denen schon früher die Alters- und Invaliditätsversicherung bestand. Man hat keineswegs in Rechnung gestellt die eigenen Erfahrungen, die wir in der Krankenversicherung seit ihrem Bestande gemacht haben, denn sonst hätte das Werk der Sozialversicherung wahrhaftig anders ausfallen müssen.

Ich will nur die wichtigsten Forderungen und die dringendsten Notwendigkeiten, die bei einem solchen Gesetz Berücksichtigung verdienten, berühren. Alle Sachverständigen auf dem Gebiete der Sozialversicherung sind darüber einig, daß umso mehr geleistet werden kann, je einheitlicher die Versicherung aufgebaut ist. Nichts hat so sehr die Entwicklung der Krankenversicherung durch Jahre unterbunden als die geradezu skandalöse Zersplitterung, die wir in der Krankenvericherungsorganisation im alten Österreich gehabt haben. Im Jahre 1919 wurde ein Anlauf zum Bessern in diesem Staate genommen, aber man ist in Anfängen stecken geblieben. Sofort hat der Kampf dagegen eingesetzt, und es ist dem Gegnern einer einheitlichen Organisation der Sozialversicherung gelungen, entgegen diesem Anfang zum Bessern auf dem Gebiete der Krankenversicherung nunmehr wieder einen ganz gewaltigen Schritt zurück zu tun. Wir haben heute einige Reden gehört, durch die aufgezeigt werden sollte, daß schon diese Sozialversicherungsvorlage in der Vereinheitlichung der Krankenversicherung zu weit gehe. Es sind Loblieder auf die Genossenschaftskrankenkassen angestimmt worden, Vertreter der agrarischen Parteien wieder erklärten, daß es vor allem ein zwingendes Bedürfnis gewesen ist, landwirtschaftlichen Krankenkassen durchsetzen. Einer der Herren Vorredner hat die Statistik als die Wissenschaft der Lüge bezeichnet, und damit zeigen wollen, daß die Zahlen, die wir für unsere Forderungen ins Treffen führen, nicht als beweiskräftig angesehen werden können. Ich frage ihn, ob sich dann der Hinweis auf das Wort des großen Franzosen von der Statistik als der Wissenschaft der Lüge nicht auch auf die Ziffern bezieht, mit denen er nachträglich beweisen wollte, daß durch die Sozialversicherung eine unerträgliche Belastung für die Landwirtschaft eintritt? Ein anderer Vorredner hat sehr viel mit Zahlen gearbeitet, um zu beweisen, daß die genossenschaftlichen Krankenkassen ein anderes Schicksal verdient hätten, als jenes, das ihnen im Gesetz vom Jahre 1919 bereitet wurde und das ihnen in diesem Gesetz neuerlich bereitet wird. Im sozialpolitischen Ausschuß haben wir uns mit dieser Frage beschäftiigt. Die Herren werden sich erinnern können, daß wir mit ausreichendem Material und genügenden Beweisgründen aufzutreten vermöchten, aus denen für alle, die lernen wollen, mit Deutlichkeit hervorgegangen ist, daß nur in sehr vereinzelten Fällen in den Genossenschaftskrankenkassen Zwerggebilde, die sie waren und selbst nach diesem Gesetz in Zukunft sein werden, etwas Wesentlicheres geleistet worden ist, und daß die Verwaltungskosten im Verhältnis zu den Ausgaben für die Krankenunterstützung und für die Behandlung der Mitglieder unvergleichlich höher waren als in anderen Kassen. (Posl. Hackenberg: Aus den Ziffern des Herrn Dr. Keibl hat man das auch erkennen können!) Wenn die Statistik, die Herr Dr. Keibl heute benützt hat, unvore ngenommen geprüft würde, müßte er selbst zu der Auffassung kommen, die wir im sozialpolitischen Ausschuß vertreten haben. Das Gleiche werden wir vielleicht in absehbarer Zeit hinsichtlich der landwirtschaftlichen Krankenkassen nachweisen können. Die Sache wird so dargestellt, als ob landwirtschaftliche Krankenkassen eine Lebensnotwendigkeit und eine Forderung der landwirtschaftlichen Arbeiter wären. Diese jedoch sind nicht befragt worden. Soweit sie zur Sozialversicherung und zur Krankenversicherung Stellung genommen haben, soweit Beschlüsse und Erklärungen der landwirtschaftlichen Arbeiter darüber vorliegen, stimmen sie mit den Forderungen und Auffassungen, die im allgemeinen von der Arbeiterklasse vertreten werden, überein. Die Einführung der landwirtschaftlichen Krankenkassen bedeutet nichts anderes als eine weitere Zersplitterung in der Krankenversicherung. Nicht etwa um eine bessere Berücksichtigung der kranken landwirtschaftlichen Arbeiter geht es, sondern darum, daß der landwirtschaftliche Arbeiter mit dem industriellen so wenig als möglich in Berührung kommt. Man glaubt, sie auf diese Weise politisch leichter unter die Führung der agrarischen Parteien zu bekommen. (Posl. Køepek: Umgekehrt ist das Geschäft gewesen!) Wo die landwirtschaftlichen Arbeiter ohne Druck und vollständig frei über die Form der Sozialversicherung und über die Organisation der Krankenversicherung entscheiden können, werden sie dafür sein, daß die Sozialversicherung einheitlich aufgebaut wird und daß durch die Zusammenfassung aller Versicherungszweige und durch die Vereinheitlichung der Krankenversicherung ermöglicht wird, dem Versicherten hohe und entsprechende Leistungen zu gewähren. Im Unterausschuß des sozialpolitischen Ausschusses haben die Bestrebungen gegen die Vereiinhnheitlichung der Versicherung gesiegt, ja die Beseitigung der von uns stets vertret enen Einheitskassen war schon eine fertige Sache, ehe noch der Gesetzentwurf ins Haus gekommen ist. Die Forderung nach der Einheitskasse ist keine sozialdemokratische Forderung. Wenn sie mit Fachleuten, die in der Krankenversicherung Jahrzehnte tätig gewesen sind, sprechen, werden sie von allen, die nicht Sonderinteresen vertreten, gesagt erhalten, daß die Zusammenfassung der Kräfte notwendig ist und selbstverständlich dazu führt, mehr leisten zu können. In Deutschland und überall können sie es hören, daß man in der Frage der Sozialversicherung, der Alters- und Invaliditätsversicherung nicht kleinlich vorgehen darf, sondern alle Versicherungszweige zusammenfasen soll. Noch bevor im sozialpolitischen Ausschluß die Beratung dieser Vorlage begann, hatten die Gegner der Einheitskasse und der Vereinheitlichung aller Versicherungszweige auf der ganzen Linie den Sieg davon getragen. Da müssen wir uns fragen: Weshalb? Ich glaube, es sind jene Parteien die die Aufgabe gehabt hätten, den Gedanken der Vereinheitlichung rücksichtslos zu vertreten, nicht ganz freizusprechen von der Schuld, dabei mitgewirkt zu haben. Ob aus Liebe zur Koalition, aus Rücksichten auf einzelne staatliche Bedürfnisse oder auf Bedürfnisse der Parteipolitik, weiß ich nicht. Als es noch gar nicht einmal notwendig war, ist den Forderungen der Gegner einer besseren Organisation nachgegeben worden. Aber noch mehr mußten wir ein Zurückweichen dort sehen, wo es sich um die Selbstverwaltung in den Krankenkassen und in den Sozialversicherungsanstalten überhaupt handelte. Wenn auf dem Gebiete der Krankenversicherung Großes geleistet worden ist, wenn aus den Anfängen einer wirklich unzureichenden Versicherung für kranke Arbeiter im Laufe von wenigen Jahrzehnten ein Werk von gewaltiger Bedeutung enstanden ist, so vor allem deshalb, weil die Versicherten die völlige Selbstverwaltung gehabt haben, weil in den Krankenkassen die Versicherten sich durchzusetzen vermochten, dort, wo sie mit der notwendigen Einsicht arbeiteten. Das soll in Zukunft anders werden. Zwar wird uns versichert, die Selbstverwaltung bleibe bestehen, die Autonomie der Versicherten in den Krankenkassen werde nicht angetastet. Man will uns die Verschlechterungen, die wir in den Verwaltungseinrichtungen der Krankenkassen mit in den Kauf nehmen sollen, dadurch annehmbar machen, daß erklärt wird, es sei ja keine bürokratische Körperschaft, kein Staatsamt, dem die Ernennung der ersten Beamten einer Krankenkasse übertragen wird. In der Zentralversicherungsanstalt werden die Versicherten und die Arbeitgeber vertreten sein. Da aber dort zwölf Arbeitern gegenüber stehen zwölf Arbe tgeber und die sechzehn von der Regierung ernannten Fachleute, so ist es keine Übertreibung zu sagen: Es ist von einem Selbstverwaltungsrecht, von einem Selbstbestimmungsrecht der Versicherten innerhalb der Sozialversicherung kaum mehr zu reden. Stellen sie sich dann weiter vor, zu welchen Zuständen wir durch die Einführung kommen müssen, daß der erste Beamte der Krankenversicherungsanstalt ernannt wird, ohne daß den Krankenkassenvorständen auch nur das Vorschlagsrecht bleibt.

Gegen die Aufnahme dieser Bestimmung hätte ein viel stärkerer Widerstand erhoben werden müssen, als es geschehen ist. In Kassen, die größer sind, mit über 2.000 und 5.000 Mitgliedern, werden neben dem Direktor von der Zentralversicherungsanstalt auch noch der Buchhalter und der Kassier ernannt. Wenn man noch weiter bedenkt, daß diese Beamten nur der Zentralversicherungsanstalt unterstehen, wenn man in Betracht zieht, daß der Direktor durch die Machtvollkommenheiten, die er eingeräumt bekommt, über dem Vorstand steht, so kann man sich leicht den Zustand vorstellen, in den die Krankenkassen geraten werden. Diese Bestimmung bedeutet nichts anderes, als die fast vollständige Aufhebung der Selbstverwaltung in den Krankenkassen. Es wird bei der Ernennung der ersten Beamten nicht auf die Bedürfnise in den einzelnen Gebieten Rücksicht genommen werden, sondern da werden sich bürokratische und parteipolitische Einflüsse durchsetzen. Da werden nicht immer Personen zu Direktoren der Krankenversicherungsanstalten ausgesucht werden, die die Fähigkeiten zur Leitung und zur Erfüllung der Aufgaben, die ihnen dort gestellt sind, mitbringen, sondern es wird nicht selten nach anderen Gesichtspunkten vorgegangen werden. Es ist eine der gefährlichsten, eine der unglaublichsten Einrichtungen, die hier geschaffen wird. Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, daß sich die Arbeiter wohl nirgends in den Krankenkassen eine derartige Bevormundung durch die Bürokratie bieten lassen würden. In Österreich war die Sozialversicherungsvorlage vom Jahre 1914 auch nicht nach den Bedürfnissen der Arbeiterklasse. Man hat jedoch nicht gewagt, den Arbeitern jene Rechte zu nehmen, die sie jahrzehntelang gehabt haben, man hat das Recht der Selbstverwaltung der Versicherten in den Krankenkassen nicht einmal anzutasten versucht. Bei uns ist der Kampf der bürgerlichen Parteien gegen die Selbstverwaltung in den Krankenkassen erfolgreich geblieben.

Aber auch ein anderes Bestreben hat Erfolg gehabt. Seit jeher bekämpfen die Arbeitgeber den Einfluß der Arbeiter in den Krankenkassen. Wir wissen ja alle und haben es bei den Wahlen in den Bezirkskrankenkassen häufig genug erlebt, daß dabei die Unternehmer alle Mittel angewendet haben, um eine Leitung zustande zu bekommen, die ihnen entspricht. Es ist auch bei diesem Gesetz wieder von den Unternehmern und ihren Organisationen, von ihrer Presse, wiederholt und immer wieder erklärt worden, daß ihr Einfluß auf die Krankenkassen, auf die Sozialversicherung, zu gering sei und erhöht werden müsse. Die Industriellen berufen sich darauf, daß sie die Hälfte der Kosten aufbringen müssen, die Hälfte der Beiträge leisten, und daß ihnen daher auch ein Einfluß gebühre, der genau so groß wie der der Arbeitnehmer ist. Ich will mich damit gár nicht beschäftigen, daß, volkswirtschaftlich gedacht, dieser Einwand durchaus nicht stichhältig ist; im Übrigen steht die Sache doch so, daß die Versicherung gegen Krankheit, gegen die Folgen des Alters und gegen Invalidität ausschließlich eine Sache der Arbeiter ist, man soll die Arbeiter daher über die Einrichtungen der Sozialversicherung allein entscheiden lassen. Aber die Unternehmer veranlagen einen erhöhten Einfluß und sie haben ihn erreicht. Nicht in dem Sinne zwar, daß sie im Vorstand die Hälfte der Mitglieder bekommen, sondern dadurch, daß dem Überwachungsausschuß, in welchem sie 8 Sitze einnehmen, gegen 2 der Versicherten, große Machtvollkommenheiten eingeräumt werden. Auch das trägt zur Untergrabung der Selbstverwaltung und zu ihrer Schwächung bei. (Pøedsednictví se ujal pøedseda Tomášek.)

Bei dieser Gelegenheit will ich die Frage der Belastung für die Industrie berühren. Sowohl in Versammlungen der Industriellen als auch in Sitzungen der Handelskammern ist wiederholt von Unternehmervertretern erklärt worden, daß beim gegenwärtigen Zustande der èechoslovakischen Industrie diese nicht eine Last auf sich nehmen könne, wie sie mit der Sozialversicherung verbunden ist. Wie steht es damit? Wir haben aus den Berechnungen des Herrn Prof. Dr. Schönbaum, über die er im Unterausschuß berichtet hat, ersehen, daß die Belastung der Volkswirtschaft gar nicht so groß ist. Etwa ein halbes Prozent Belastung der Produktion durch die Sozialversicherung kann wahrhaftig nicht als lähmend für die Industrie bezeichnet werden, und wenn man trotzdem immerwieder davon spricht, so hat das nur den Zweck, der Sozialversicherung Schwierigkeiten zu machen. Dabei ist der Einwand, den man erhebt, daß das Gesetz eine Herabsetzung der Konkurrenzfähigkeit der Industrie zur Folge habe, schon längst durch die Tatsachen widerlegt. In Deutschland ist von bürgerlichen Sozialpolitikern und Volkswirtschaftlern einwandfrei nachgewiesen und durch Ziffern und Beispiele belegt worden, daß gerade die hochentwickelte Sozialpolitik mit eine Ursache dafür gewesen ist, daß sich die deutsche Industrie innerhalb weniger Jahrzehnte, ja sogar innerhalb weniger Jahre, so rasch und so mächtig entwickeln konnte. Wir wenden uns entschieden gegen jeden Versuch, etwa unter Hinweis auf die großen Lasten, die die Volkswirtschaft der Èechoslovakei auf sich nehmen müsse, auf die große Belastung der Industrie, daran zu gehen, die Verwirklichung der Sozialversicherung hinauszuziehen und zu verschleppen. Wir werden ja später sehen, daß die Gefahr einer Verschleppung der Sozialversicherung selbst dann noch nicht gebannt ist, wenn das Abgeordnetenhaus und der Senat diese Vorlage beschlossen haben werden.


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