Úterý 16. záøí 1924

Ausnahmen, Begünstigungen zu Gunsten einiger politischer Parteien sollte es bei einer an und für sich unpolitischen Angelegenheit, wie es die Sozialversicherung ist eben nicht geben. So aber bleibt das praktische Bedürfnis unberücksichtigt, die Theorie des Parteidogmas triumphiert.

Die Einheitskasse entspricht dem sozialistischen Grundsatz der allgemeinen Gleichmacherei, und läßt die Persönlichkeit des Versicherten ganz unberücksichtigt. Der Versicherte sinkt zu einer Nummer herab, sowohl beim Zahlen der Beiträge, wie auch bei der Teilnahme an der Verwaltung, schließlich auch bei der ärztlichen Behandlung. Das ist der viel gerühmte Riskenausgleich. Aber gerade das wollten die Landwirte, Gewerbe- und Handelsleute ebensowenig, wie die Privatangestellten, soweit sie eben nicht Sozialdemokraten sind, sie wollten sich nicht von der großen Masse der manuellen Arbeiterschaft majorisieren lassen und sehen nicht ein, warum sie gezwungen werden sollen, ihre alten und bewährten Anstalten der sozialdemokratischen Theorie zuliebe aufzugeben.

Im folgenden werde ich darauf zu sprechen kommen, daß die vorgeschlagene Organisation dem Grundsatz der freien Selbstverwaltung geradezu ins Gesicht schlägt. Ich weiß, daß auch die sozialdemoktratische Partei dies als unerträglich empfindet. Aber in Bezug auf ihre Forderung nach der Einheitskasse, tut sie eigentlich dasselbe wie die Gesetzesvorlage: Sie verlangt, daß sich dort alles unterschiedslos zusammen finde, was im weitesten Sinne als Arbeitnehmer gelten kann, ohne daß den persönlichen Bedürfnissen der einzelnen Schichten der Arbeitnehmer irgendwie selbst in der bescheidensten Form der Selbstverwaltung Rechnung getragen werde. Ich gebe zu, daß die Verwaltung eines großen Unternehmens im Verhältnis billiger ist als die vieler kleinerer, daß der Betrieb ein wirtschaftlicherer sein kann, aber das ist ein rein materieller Vorteil, dem steht aber der ideelle Vorteil zu mindestens gleich, welchen die kleineren Genossenschafts- und anderen Kassen dadurch besitzen, daß sie ihre Mitglieder desser übersehen und ihren persönlichen Wünschen näher kommen können.

Es ist klar, daß in den meisten der künftigen großen Bezirksversicherungsanstalten die sozialdemokratische Partei die Meehrh heit besitzen und ihnen ihr Gepräge geben eird. So werden sie von selbst eine Ergänzung ihrer Parteiorganisation sein, ein Grund mehr für uns, uns gegen den Grundsatz den Einheiskassen auszusprechen. Wir haben demnach zu diesen Bestimmungen mehrere Anträge gestellt und werden sehen wer für und wer gegen sie stimmen wird.

Einen weiteren Mangel des Gesetzentwurfes sehen wir darin, daß er das Gebiet der Arbeitlosenversicherung ganz unberücksichtigt läßt. Wir stehen auf dem Standpunkt, daß für den Arbeitnehmer für den Fall seiner Arbeitslosigkeit nur im Wege einer Arbeitslosenversicherung befriedigend vorgesorgt werden kann und haben eine diesbezügliche Resolution zur Annahme beantragt.

Wir wünschen auch, daß das Gesetz über die Sozialversicherung der selbstständig erwerbstätigen Personen bald erledigt werde.

Und nun einige Worte zu dem vorgeschlagenen Aufbau der Krankenversicherungsanstalten und der Zentralsozialversicherungsanstalt. Die Krankenversicherungsanstalt hat zwar eine gewählte Generalversammlung, einen gewählten Aufsichtsrat und Vorstand, allein ihre Oberbeamten, der Direktor, der Hauptbuchhalter und der Kassier werden von der Zentralversicherungsanstalt, richtig der Regierung ernannt. Die Zentralsozialversicherungsanstalt hat einen Ausschuß von 40 Mitgliedern, hievon werden 24 gewählt, die anderen und der Vorsitzende von der Regierung ernannt. Ähnlich ist ihr Vorstand zusammengesetzt. Das dreigliedrige Direktionskollegium wird nur mit Zustimmung des Ministers bestellt. Da der Entwurf aber dem Diraktor der Krankenversicherungsanstalt das Recht gibt, selbst die Beschlüsse der Generalversammlung aufzuheben, wenn er sie mit den geltenden Vorschriften in Widerspruch findet, also eigentlich nach freiem Ermessen, so ist er der eigentliche und unumschränkte Herr der Anstalt, umsomehr, als er und die beiden Oberbeamten nur der Zentralsozialversicherungsanstalt untergeordnet sind. Dieselben Rechte hat der Vorsitzende der Zentralanstalt ihrem Ausschuß gegenüber, und da der Zentralanstalt ein weitgehendes Aufsichtsrecht über alle Anstalten der Krankenversicherung zusteht, und sie allein für das ganze Staatsgebiet die Invaliden- und Altersversicherung zu betreuen hat, so ist daraus zu ersehen, daß der einzig richtige Grundsatz der freien Selbstverwaltung durch die Interessenten der Versicherung selbst ganz fallen gelassen wurde und die ganze Einrichtung in die Hand der Regierung dieses Staates gelegt ist, welche sie zentralistisch, bürokratisch und wohl ganz im Sinne ihrer bisherigen national-èechischen Machtpolitik verwalten wird.

Über die Qualifikation der Beamten ist in der Vorlage kein Wort gesagt, was man sich unter dem Worte "Fachleute" vorstellt, ist wohl absichtlich verschwiegen, aber geradezu wie ein Hohn muß es uns anmuten, wenn der § 69/3 vorschreibt, daß die Zentralanstalt verpflichtet sei, darauf zu achten, daß unter den Beamten der Krankenversicherungsanstalten das Verhältnis der nationalen Zugehörigkeit annähernd mit der nationalen Zugehörigkeit der Versicherten übereinstimme.

Wir wissen schon heute, daß das nur ein Wink mit dem Zaunpfahl ist, um die Direktion der Zentrale zu ermuntern, ja keine deutschen Direktoren, Hauptbuchhalter und Kassiere anzustellen, sodaß sich wieder wie überall im Staatsdienst, und ein solcher wird es doch eigentlich sein, das alte Spiel wiederholen wird, daß ins deutsche Siedlungsgebiet massenweise Èechen gebracht werden, u. zw. zunächst solche, welche recht viele Kinder haben - die Eignung zum Dienste ist ja Nebensache - und welche eifrig die Èechisierungsbestrebungen der Regierung fördern helfen. In der Zentralanstalt aber wird nie ein Deutscher als Beamter sitzen. Wir verlangen die nationale Sektionierung der Zentralanstalt. In der vorliegenden Form ist dieser Teil der Vorlage für uns aber unannehmbar.

Ich verweise da ganz besonders auf den Absatz 2 des § 269, welcher besagt, daß der von der neuen Bezirkskrankenversicherungsanstalt übernommene Bedienstete der alten Bezirkskrankenkasse sich auf jeden beliebigen fremden Dienstposten versetzen lassen muß, widrigenfalls er einfach ohne jede Entschädigung entlassen wird. Da eröffnen sich ja schöne Aussichten für die jetzigen Beamten der Bezirkskrankenkassen. Sie können sich darauf gefaßt machen, über kurz oder lang in das rein èechische Gebiet oder in die Slovakei versetzt zu werden.

Infolge der allgemein bekannten Verh ältnisse, welche in diesem Hause herrschen, wäre es eine ganz unangebrachte Mühe und Zeitverschwendung, wenn wir versuchen wollten, durch Abänderungsanträge kund zu tun, wie wir uns etwa die Organisation der Sozialversicherung vorstellen. Wir werden in erster Lesung den zweiten Teil des Entwurfes ganz ablehnen, gegebenenfalls für die Abänderungsanträge der anderen deutschen Parteien stimmen.

Auch was die materiellen Bestimmunge betrifft, muß einiges gesagt werden: Die vorgeschlagenen Lohnklassen halte ich sowohl für die Kranken - wie auch für die Invaliditäts- und Altersversicherung zu starr. Sie könnten getrost vermehrt werden. Bei der Altersversicherung ist die Altersgrenze mit 65 Jahren bestimmt und an die ganz unsoziale und unmoralische Bedingung geknüpft, daß der Versicherte nicht mehr in einer versicherungspflichtigen Beschäftigung steht oder aus ihr nicht einmal ein Drittel dessen verdient, was ein gesunder Arbeiter unter denselben Verhältnissen verdienen würde. Ähnliches gilt von der Witwenrente, welche nur eine invalide und nicht jede Witwe schlechthin beziehen soll. Derartige Beschränkungen hätten zu entfallen. Es ist weiter unbillig, die Altersgrenze für Kinder im allgemeinen auf 17 Jahre festzulegen und die Ausnahmsfälle der Krankheit und des Studiums unberücksichtigt zu lassen.

Einen großen Mangel der Vorlage erblicken wir auch darin, daß sie keinerlei Rückersatz der gezahlten Prämien für Personen kennt, welche vorzeitig aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung austreten, sich anderen Berufen zuwenden oder heiraten. Freilich würde es besser sein, könnte die Altersgrenze, die Wartezeit herabgesetzt und die Leistungen vergrößert werden; aber ich fürchte, die Volkswirtschaft wird schon die durch den jetzigen Entwurf verursachten Lasten ungemein schwer zu tragen haben. Die vielen Millionen, die das Werk kosten wird, sind ja nicht da, sie müssen erst aufgebracht werden. Auch der Staatszuschuß muß erst im Wege der Steuerschraube oder der so beliebten Kreditoperationen beschafft werden. Die landläufige Vorstellung von einem Fürsorgestaat, welcher einfach die Kosten für die soziale Fürsorge aufzubringen hat, ist ebenso irrig wie das Begehren, daß der Unternehmer alle diese Kosten aus eigenem zu tragen hat. Alle diese Kosten müssen der werbenden Volkswirtschaft entnommen werden und schließlich sind es alle Kreise der Bevölkerung selbst wieder, einschließlich der Arbeiterschaft, welche sie mittelbar oder unmittelbar selbst aufzubringen haben werden.

Sozialpolitische Maßnahmen von großer Tragweite sollen in den ihnen günstigen Zeitpunkt eingeführt werden. Die günstigste Zeit ist zweifellos die Zeit aufsteigender Marktverhältnisse, in welcher selbst große Opfer von der Produktion willig übernommen werden, weil sei weniger drücken. Die wirtschaftlichen Verhältnisse in diesem Staate sind nun keineswegs günstig. Wir haben zwar insofern aufsteigende Marktverhältnisse, als täglich alle zum Lebensunterhalt unentbehrlichen Dinge teuerer werden, aber keine aufsteigende Volkswirtschaft. Allenthalben liegt Handel und Wandel darnieder. Der Entwuff erblickt daher in keinem günstigen Zeitpunkt das Licht der Welt. Und trotzdem würden wie einem anders gearbeiteten Gesetz gerne unsere Zustimmung erteilen. Durch die Sozialversicherung werden ja auch Ersparungen in der Volkswirtschaft gemacht, die öffentliche Armenpflege wird entlastet und eine große Anzahl arbeitsfreudiger Menschen der Wirtschaft wiedergegeben.

Weiters: Die Bestimmungen über die Anlage des Vermögens der Krankenversicherungsanstalten und der Zentralanstalt können uns gar nicht gefallen. Die im Entwurf vorgeschlagenen Bestimmungen erwecken in mir die Ansicht, daß man sich das Statut der alten überlebten Waisenkassen zum Muster genommen hat, insbesondere die Zentralanstalt, wir ein ungeheueres Vermögen ansammeln und ihre finanzielle Verwaltungstätigkeit wird die einer Großbank sein. Milliarden werden der Volkswirtschaft entzogen, teils in Liegenschaften und Hypotheken festgefahren, teils in Staats- oder mündelsicheren Papieren angelegt und so aus Produktionskapital zum unproduktiven Börsenkapital gemacht. Wir kennen den Wert der Mündelsicherheit aus dem alten Österreich genau und wissen, daß es rein im Belieben der Regierung liegt, jedes Papier als mündelsicher zu erklären. Wir wissen genau, daß der Erlös von Staatsanleihen auch von Investitionsanleihen nicht immer zu produktiven Zwecken verbraucht wird, sondern zumeist unproduktiven Zwecken, z. B. für Heereserfordernisse dient, und wir sehen nicht ein, warum gerade durch die Sozialversicherung dem Herrn Finanzminister ein stets volles Reservoir geschaffen werden soll, aus dem er nach Bedarf schöpfen kann. Die werbende Volkswirtschaft kann aber dieser Milliarden nicht entbehren, ohne ins Stocken zu geraten; sie sollten ihr also auf irgend eine Art wieder dienstbar gemacht werden. Wäre es da nicht möglich, die Finanzverwaltung der Zentralanstalt ganz abzunehmen und die Gelder der künftigen Notenbank zur Verwahrung und zur Verwaltung zu übergeben? Zu deren Gründung muß es ja doch einmal kommen, denn das unwürdige, ja skandalöse Hörigkeitsverhältnis, in dem Finanzministerium und Bankamt zur Živnobank stehen, möchte doch einmal aufhören.

Mit den Bestimmungen des fünften Teiles über das Verfahren und die Gerichtsbarkeit, wie sie nunmehr in stark veränderten Fassung vorliegen, könnten wir uns einverstanden erklären, verlangen aber, daß das Sprachenrecht nicht dazu führen darf, nichtèechische Parteien rechtlos zu machen und daß insbesondere das Versicherungsobergericht in jener Sprache verhandle und entscheide, in welcher die Klage oder eschwerde in erster Instanz überreicht worden war.

Wir betrachten den ganzen Entwurf als den ersten Versuch zur Lösung der großen Frage der Sozialversicherung, zu dem das letzte Wort noch lange nicht gesprochen ist. Wie nun vom sozialpolitischen Standpunkt aus die Vorlage unzulänglich ist, so ist sie vom nationalpolitischen aus überhaupt ganz unannehmbar. Unannehmbar für uns deshalb, weil wir überzeugt sind, daß durch die organisatorischen Bestimmungen der Versicherungsnehmer der èechischen Willkür ausgeliefert werden und weil die Zentralanstalt und in vielen Fällen auch die Dierektoren und Beamten der Bezirkskrankenversicherungsanstalten von Amts wegen werden dazu verhalten werden an der Verèechung des deutschen Siedlungsgebietes werktätig mitzuarbeiten. Was das erstere, die Willkür gegen deutsche Versicherungsnehmer betrifft, so belehren uns schon die jetzigen Zustände bei der Invalidenfürsorge darüber, was unsere Versicherten von der Zukunft zu erwarten haben werden. Jetzt schon wissen wir, wie die armen bedauernswerten deutschen Kriegsverletzten von der Invalidenfürsorge behandelt werden. Man quält sie mit Untersuchungen, mindert ihre gesetzliche Ansprüche oder weist sie womöglich ganz ab, verzögert ungebührlich und jahrelang die Auszahlung, kurz, die èechische Verwaltung kühlt bei jeder sich ihr bietender Gelegenheit an den deutschen Kriegsinvaliden ihr Mütchen, grundlos, nur aus nationaler Gehässigkeit.

Dasselbe haben die deutschen Versicherungsnehmer zu erwarten, bis sie in die Klauen der künftigen Zentralsozialversicherungsanstalt geraten werden.

Vor der künftigen Èechisierungstätigkeit der Zentrale und ihrer Beamten sind wir nach den Erfahrungen, die wir mit dem Bodenamt und den anderen Zentralämtern täglich und stündlich machen, vollkommen überzeugt. Vom völkischen Standpunkt sind wir daher von schweren Sorgen angesichts dieser ungeheuerlichen organisatorischen Bestimmungen erfüllt. Wir können uns der Ansicht nicht verschließen, daß es sich den maßgebenden Kreisen in diesem Staate nur darum gehandelt hat, einmal dem Ausland gegenüber mit diesem Entwurf zu prunken und den Schein zu erwercken, als ob dieser Staat nichts anders im Sinne hätte, als sich seiner sozialschwachen Schichten anzunehmen, das anderemal aber sich ein Werkzeug mehr herzurichten, um seine Minderheitsvölker noch mehr als bisher zu bedrücken und zu entrechten, noch mehr Angestellte von ihrem Arbeitsplatze zu entfernen. An die wirkliche soziale Fürsorge hat man erst in letzter Linie gedacht, sie war nur gut genug, die Folie für den eigentlichen nationalèechischen Zweck abzugeben.

Und damit ist auch unsere Stellung zur Vorlage gegeben: Wir müssen sie daher ebenfalls vom nationalen Standpunkt aus betrachten und erklären, daß wir in zweiter Lesung gegen den Entwurf stimmen müssen, trotzdem wir von der Notwendigkeit und Unerläßlichkeit einer umfassenden Sozialversicherung an und für sich überzeugt sind. (Potlesk na levici.)

2. Øeè posl. Schuberta (viz str. 1479 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! Die Gesetzesvorlage über die Arbeitersozialversicherung stellt ein mißlungenes Kompromiß der Majoritätsparteien dar und damit ein Werk, das eigentlich niemanden so recht befriedigt. Dieses Nichtbefriedigtsein aller Parteien kam schon bei den Ausschußberatungen zum Ausdruck und veranlaßte dieser Umstand damals einen Redner der Koalition zu dem bezeichnenden Ausspruche, daß gerade der Umstand, daß keine Partei mit dieser Gesetzesvorlage zufrieden sei, dafür spreche, daß dieselbe gut sei und den goldenen Mittelweg einhalte. Wir quittierten diesen Ausspruch, der ja an sich einen Trugschluß darstellt, damals mit einem Lächeln und wir konnten daraus ersehen, daß Sie von der so erwünschten "Entösterreicherung" noch weit entfernt sind, da diese Art Trugschlüsse der Taaffeschen Regierungsschule entstammen.

Aber nicht nur der Inhalt dieser Vorlage ist für uns ein völlig unbefriedigender, auch die Form der Beratung und Beschlußfassung in den Ausschüssen ist zu bemängeln. Dem sozial-politischen Ausschuß war, als er den Gesetzentwurf vom Subkomitee zugewiesen erhielt, nicht die nötige Zeit geboten, um die Vorlage einem eingehenden Studium zu unterziehen. Auf Knall und Fall wurde der große Ausschuß einberufen. Eine solche Gesetzesvorlage, die so tief in die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse eingreift, hätte eine weniger beschleunigte Behandlung wohl gewiß verdient. Wenn damals vorweg erklärt wurde, daß grundsätzliche Änderungen an der Vorlage nicht vorgenommen werden dürfen, da sonst das Schicksal derselben besiegelt sei, so zeigt dies klar und deutlich, was man davon zu halten hat, wenn die Wortführer einzelner Koalitionsparteien scharfe Reden im Auschuß hielten und mit Elan eine Art Kampf markieren. Dieser Theaterdonner war eine demagogische Pose und zeitigte höchstens am Nachtage einen umfangreichen Artikel in irgendeinem Koalitionsorgan. Das waren reine Rückzugsgefechte, Rückzugs reden, geschlagen und gehalten bloß zur Ehrenrettung einer oder der anderen Partei. Die ernsten Anträge der Minderheit wurden fast restlos niedergestimmt und es war damit der Beweis geliefert, daß Sie trotz aller schönen Worte und Beteuerungen auf die Mitarbeit der Minderheit keinen besonderen Wert legen und man schon die Auss chuß beratungen nicht als gute parlamentarische Beratungen werten kann.

Die Vorlage ist ein Torso. Das große Problem der Sozialversicherung darf nicht mit Gesetzen, die man nacheinander vorlegt und nacheinander uns zur Kenntnis bringt, gelöst werden. Die Sozialversicherungsgesetze stehen in einem engen sachlichen Zusammenhang miteinander. Die Regelung einer Frage in einem Gesetze beeinflußt auch die Regelung der gleichen oder einer ähnlichen Frage in einem anderen Gesetze. Es ist deshalb ein Grundfehler sondergleichen, daß man nicht parallel auch das Gesetz über die Versicherung der wirtschaftlich Selbständigen gleichzeitig vorgelegt und auch wenigstens in Verhandlung gezogen hat, ehe man dieses Gesetz hier ins Plenum brachte. Die ganze Vorlage durchweht der Geist des starre Zentralismus. Die Selbstverwaltung wird überall eingeschnürt und eingeengt, der Regierung werden weitreichende Ermächtigungen eingeräumt. Sie sind in dieser Frage Zentralisten vom reinsten Wasser, während wir unter anderem auch darauf bestehen, daß die Herstellung der Fühlung zwischen den Versicherungsträgern und den Versicherten sowie die Besorgung der Ortsgeschäfte durch Heranziehung der landwirtschaftlichen, gewerblichen und kaufmännischen Freiwilligenverbände zu bewirken wäre. Nur diese Freiwilligenverbände böten die Gewähr für eine billige, gerechte und sachentsprechende Führung.

In früherer Zeit dachten Sie über diese Sache wesentlich anders. Bei der Beratung dieser Frage im österreichischen Parlament war es der Abgeordnete Sláma, der den Antrag stellte, mit Rücksicht auf die Verschiedenheit der nationalen, sozialen und wirtschaflichen Verhältnisse im Staate - es handelte sich damals um Zisleithanien - mehrere Versicherungszentralen zu bilden. Das war Ihr Standpunkt im alten Österreich. Sie haben diesen Standpunkt verlassen und uns erklärt, daß die Verhältnisse im Staate diesbezüglich jetzt anders sind als damals. Wir bezweifeln dies entschieden und es genügt wohl der bloße Hinweis auf Karpathorußland, um die Hinfälligkeit dieser Behauptung zu erweisen. Aber als nackte Zentralisten wollen Sie von getrennten Selbstverwaltungen, trotzdem Zweckmäßigkeitsgründe dafür sprechen, nichts wissen. Es sind überdies hauptsächlich auch nationale Gründe, die Sie zurückhalten, den autonomen Bestrebungen kein Recht zukommen zu lassen. Die aktiven Länder kommen durch die Sozialversicherung dadurch finanziell schwer ins Gedränge, daß sie für die passiven Länder in allen geldlichen Zuwendungen über Gebühr aufzukommen haben. Wir werden daher in erster Linie Zahler auch für den passiven Osten. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda Buøíval.)

Die vorliegende Gesetzesvorlage ist auch sonst ein Torso, denn sie behandelt die Sache unvollständig und überläßt die Ausführung nicht nur wichtiger, sondern auch grundlegender Bestimmungen dem freien Ermessen der Regierung, indem ihr wiederholt die Ermächtigung gegeben wird, im Verordnungswege vorzugehen. Ein solcher Weg ist - und wir protestieren entschieden dagegen - daß nach § 12, Abs. 7, die Lohnklasse durch eine bloße Verordnung über Antrag der Zentralversicherungsanstalt abgeändert werden könne. Als vollklkommen unzulässig ist es ferner zu bezeichnen, daß die Regierung im § 276 ermächtigt wird, Teuerungszulagen zu den Renten, mit deren Aufbringung die Arbeitsgeber allein belastet werden, in uneingeschränkt em Maße auch im Verordnungswege festzustellen. In dieser Bestimmung steht der Entwurf mit den allgemein gültigen Rechtsgrundsätzen sowie mit der Verfassungsurkunde in Widerspruch, nach welcher Verfassungurkunde öffentliche Abgaben nur auf Grund eines Gesetzes auferlegt werden können. Ebenso verwahren wir uns auch gegen die Bestimmung des § 259, wonach durch private Initiative errichtete Wohlfahrtseinrichtungen der Aufsicht des Ministeriums für soziale Fürsorge unterworfen sein sollen. Die Einschränkung der persönlichen Freiheit gerade dort, wo von ihr zu Wohlfahrtszwecken Gebrauch gemacht wird, ist unmoralisch, und wir werden uns es wohl überlegen, Wohlfahrtsinstitute zu schaffen, die uns bei der nächstbesten Gelegenheit aus nichtigen Einwänden entrissen und in Ihre eigene nationale Machtsphäre herübergeleitet werden sollen. Das Klaar’sche Blindeninstitut und andere Institute sind uns genug Belege für diese unsere Behauptung.

Eine so vielfache Macht sollte der Regierung nicht in die Hand gespielt werden. Sie binden sich auch damit für alle Zukunft, und ich bedanke mich für eine solche Methode, die das große Werk der Sozialversicherung dem Willen- und dem Mißwillen der jeweilig am Ruder sitzenden Parteien ausliefert. Sie werden dadurch die Gefangenen Ihrer eigenen Gesetze.

Der Entwurf ist in einzelnen wichtigen Belangen leider nur ein Rahmen, dessen Ausführung einer Unmenge besonderer Gesetye überlassen bleibt. Der zu errichtendem Zentralsozialversicherungsanstalt werden derart große Rechte gegenüber den Bezirksversicherungsanstalten eingeräumt, daß von iner nennenswerten Selbstverwaltung dieser Bezirksversicherungsanstalten nicht gesprochen werden kann. So sind z. B. auf Grund des § 65 des Entwurfes der Direktor, Kassier und Buchhalter der Bezirksversicherungsanstalt von der Zentralversicherungsanstalt zu ernennen, deren Disziplinargewalt sie auch unterstehen. Auch dies bedeutet eine schwere Eins chränkung der Selbstverwaltung der Bezirksversicherungsanstalten. Die Sozialversicherung soll von Arbeitgebern und Arbeitnehmern in allen ihren Organisationen gemeinsam verwaltet werden, weil diese beiden Gruppen sie ja auch gemeinsam erhalten. Das Bestreben, einzelne Versicherungskörper, wie z. B. die Zentralversicherungsanstalt, durch Ernennung einer großen Zahl von sogenannten Fachleuten zu bürokratisieren, steht gleichfalls mit dem Grundsatz der autonomen Verwaltung in entschiedenem Widerspruch.

Einer Ihrer bürgerlichen Redner hat im Ausschuß in unverhohlenen Worten das Eingeständnis gemacht, daß heute unleugbar von einem Überwuchern der Staatsbürokratie gesprochen werden muß und daß letztere viel schroffere Formen aufweist, als im alten Österreich. Nun, Sie müssen das ja wohl am besten wissen; und trotzdem verabsäumen Sie es, aus dieser Erkenntnis die entsprechenden Schlußfolgerungen in diesem Gesetz zu ziehen.

Nationale Sicherungen gibt es absolut keine, denn es ist wohl auf eine augenscheinliche Täuschung berechnet, daß bestimmt wird, daß bei der aus Prag erfolgten Ernennung der drei Hauptbeamten der Bezirksversicherungsinstitute der nationale Schlüssel annähernd zu wahren ist. Eine klassischere Fassung, wie das Wörtchen "Annähernd" kann wohl kaum gefunden werden (Výkøiky na levici.) und wir bezweifeln auch, daß sich in die Zentralversicherungsanstalt jemals ein deutscher Beamter als weißer Rabe verirren wird.

Insbesondere bei der Durcharbeitung des Organisationsplanes gerieten Sie vollständig in das Fahrwasser der Bürokratie, und es sind die Methoden, die Sie beim Aufbau der verschiedenen Versicherungskörper anwenden, unmögliche. Dieses Kapitel war für Sie ein besonderes Politikum. An diesem Kapitel haben daher die Koalitionsparteien gemäkelt, und es gab gerade hier bei der Organisation eine besonders große Zahl von Koalitionskonflikten. Hier spielte sich auch der große Kernkampf um das Idol der Einheitskassa ab. Man hat unsere Forderung, die Forderung meiner Partei, nach selbständigen landwirtschaftlichen, gewerblichen, Betriebs-, Gremial-, Vereins-, Genossenschafts- und Hilfskrankenkassen ein Machtgelüste genannt, während wir darin nur einen vollbegründeten Rechtsanspruch sehen, einen Rechtsanspruch, der überdies von der Erwägung geleitet war, die Krankenkassen und die gesamte Sozialversicherung dauernd zu entpolitisieren.

Die Einheitskassa ist gefallen, und sehen wir darin kein Zugeständnis, sondern wir folgten darin nur der ausländischen Gesetzgebung, die auch keine Einheitskassen kennt. In Deutschland wird gerade durch die Vielheit der Krankenkassenanstalten eine intensivere Behandlung der Mitglieder erzielt, weil diese Kassen in gegenseitigem gesundem Konkurrenzkampf sich in ihren Leistungen umso mehr zu überbieten trachten, als sie in vielen Fällen Institute darstellen, die auf der Freiwilligkeit basieren.

Auch das Argument, daß die Einheitskassa mit geringerer Regie arbeitet, ist bereits überholt und durch Tatsachen wiederlegt. Unsere landwirtschaftlichen Kassen arbeiten mustergiltig, und den Beweis, daß auch kleine Kassen sehr Ersprießliches leisten, erbringt jede Genossenschaftskasse und dies sogar unter der erschwerten Lage, daß bei vielen dieser Genossenschaftskassen kleinere Beiträge eingehoben werden, als bei den Bezirkskrankenkassen. Gerade die Gewerbe- und Handelsgenossenschaften haben schon vor dem Jahre 1888, also bevor noch die Bezirkskrankenkassen geschaffen wurden, an sozialer Arbeit Hervorragendes geleistet. Trotzdem müssen wir beanständen, daß von regierungswegen die Bildung landwirtschaftlicher Krankenkassen, die ja für die Sozialversicherung den Unterbau abgeben sollen, noch immer über Gebühr verzögert wird und die Begründungen hiefür nicht ganz stichhältig sind.

Wohl wurde der Vorlage im Ausschuß so mancher Giftzahn ausgebrochen, doch haben es die Rechtsparteien nicht verstanden, mit dem Schwergewicht ihrer Zahl und mit der Stoßkraft ihres Programmes durchzudringen, und dieses Gesetz ist nichts weniger als eine lex Prášek. Nur aus dem Umstande heraus, daß an dieses Gesetz der Bestand der Koalition gebunden ist, läßt uns die Stellung der Rechtsparteien und insonderheit die Stellung der èechischen Agrarier erklären. Bei diesen wurde der Bauer durch den Politiker erschlagen und für einige wenige agrarische Ministerfauteils opferten sie ihre agrarische Reputation.

Den liebevollen Vater der Gesetzesvorlage kennen wir. Er hat dieselbe mit seltener unverdrossener Beharrlichkeit und mit liebenswürdigem Augenaufschlag zu den Gegnern zwischen der Scylla der Koalition und der Charybdis der Opposition hindurchgeführt.

§ 93, Absatz 3, der von der Anmeldung der Krankenversicherungsanstalt zu einem Verband handelt und nur dem Vorstande, ohne den Aufsichtsrat zu berücksichtigen, diese Anmeldung zubilligt, führte zu einer förmlichen Palastrevolution innerhalb der Koalitionsparteien. Wir werden ja bald sehen, ob es mit dieser Sache damals ernst gemeint war und das angedrohte Minoritätsvotum einer Koalitionspartei neuerlich eingebracht wird oder ob man es auch hier nur mit einem nichtssagenden Plänklerfeuer zu tun hat.

Als Stiefkinder werden in der Vorlage die Genossenschaftskrankenkassen und die Gremial- und Hilfskrankenkassen behandelt. Schon die Aufhebung des § 121 der Gewerbeordnung war ein Unrecht und verlangen wir die Wiederherstellung dieses § 121 in seinem ganzen Umfange und ferner auch, daß der Weiterbestand der erwähnten Kassen bereits bei einer Mitgliederzahl von 400 gestattet werde. In diesem schweren begründeten Kampfe sind wir bereit, das Interesse des Gewerbe- und Handelsstandes zu unterstützen.

Wir sehen ferner darin einen schweren Mangel des Gesetzes, daß die Unfallversicherung nicht mit einbezogen wurde. Es unterliegt gar keiner Frage, daß die Unfallversicherung mit den anderen Versicherungsarten innig ineinander greift, zum Beispiel in der Frage der Heilbehandlung, weshalb auch in den bisherigen österreichischen Vorlagen alle diese Versicherungszweige in einem Gesetz behandelt wurden, woraus sich auch mancherlei Vorteile für die Verwaltung ergeben und wodurch auch eine beträchtliche Verringerung des Kostenaufwandes erzielt wird. Auch in Deutschland ist die Unfallversicherung in den Rahmen der Reichsversicherung einbezogen. Dazu hätte es bei uns trotz der Verschiedenheit der Unfallversicherungsprämien in Böhmen, Mähren und Schlesien kommen sollen. Sie begnügen sich leider erst mit einer Reform der Unfallversicherung, indem sie dieselbe vorerst unifizieren wollen und erst dann der Sozialversicherung ein uverleiben gedenken. Minister Gruber war anderer Ansicht. Er wollte weitblickend von allem Anbeginne an die Einbeziehung der Unfallversicherung haben. Er hatte damit vollkommen recht, denn die Unfallversicherung ist ja in Wirklichkeit nichts anderes als ein ganz besonderer Fall der Invalidität. Wir vertreten ferner den Standpunkt, daß den Arbeitgebern entsprechend ihrer Beitragsleistung auch in sämtlichen Organen der Krankenversicherung eine gleich starke Vertretung gebührt. Es kommt ja überdies sehr oft vor, daß der Arbeitgeber bei der Krankenversicherung oft eine höhere Belastung freiwillig auf sich genommen hat, so daß eine paritätische Vertretung im Vorstand ihm zugebilligt werden sollte. In der Hauptversammlung der Delegierten der Krankenversicherungsanstalt sind die Arbeitgeber überhaupt nicht vertreten. Dies ist ohne Zweifel unbillig. Auch ist es nicht am Platze, wenn nach § 33 der Obmann der Versicherungsanstalt Vorsitzender der Wahlkommission ist, da er als eine an dem Wahlergebnis interessierte Partei hiefür keineswegs als geeignet erscheint.


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